Es ist wieder das Übliche (inhaltlich bzw. die Begründung, die dort oben zitiert wurde): Die Frage nach der Alternative wird nur auch nicht gestellt: Rein mythisierendes Zeug, das den Verstand nicht befriedigt, aber die Empfindungen dafür? Die Frage scheint mir, was wünschenswerter ist: Das, was auch die Vernunft befriedigt oder nur das, was emotional besser passt, aber so "geheimnisvoll" ist, dass man dazu nichts Sinnvolles sagen kann (obwohl das in dieser Form, gar nicht sein müsste).
St. Anselm geht grundsätzlich von klaren, rationalen Grundlagen aus: Es gibt ein klares Reglement – das auch bekannt war/ist und dem Vorteil des ihm Unterstehenden dienen soll/te – es gibt jemanden, der die Übertretung des Reglements bestraft (was "Strafe" hier heißen kann, dafür gibt es Spielraum, so kann es bspw. auch bedeuten, dass das "Erziehungsziel", das durch das Reglement gewährleistet werden sollte, nicht erreicht werden kann und damit, analog, wie man jemanden nicht an einem feinen Dinner teilnehmen lässt, der die Etikette nicht einhalten will, auch die "Früchte" desselben verweigert werden muss) und derjenige stellt auch eine Möglichkeit in Aussicht, wie diese Bestrafung wieder aufgehoben werden kann. Grundsätzlich ist da einmal nichts Ungerechtes dabei. Die Schwere der Strafe, ist der Schwere der Übertretung, angesichts dessen, von wem die entsprechende Anordnung gesetzt wurde, äquivalent. Damit verliert die Sache den Anhauch des kleinen Spielchens zwischen zwei Kindsköpfen, die offenbar nichts Besseres zu tun haben, als mit anderen – zum eigenen Vergnügen? aus Fadesse? – zu spielen (und zwar wirklich mit, nämlich als Mittel, nicht als Zweck). Man kann das alles dadurch sinnvoller einordnen. Dass für St. Anselms Vergleiche seine eigene Gesellschaft und seine soziale Wirklichkeit eine Rolle spielten, kann man ihm wohl kaum übel nehmen, auch, wenn man davon natürlich abstrahieren muss. Trotzdem scheint es äußerst evident zu sein, dass Gott "zürnt" und "straft" (was das im Einzelnen heißt bzw. in welchem Sinne das aufzufassen ist, dafür gibt es natürlich einen gewissen Spielraum) und auch, dass es ein grobes Problem gab, weswegen Gott es auf sich nahm, Mensch zu werden, weswegen die zentrale Aussage für ihn und auch für all jene, die noch nicht vergessen haben, dass Gott auch reine vernünftige Erkenntnis ist:
St. Anselmus von Canterbury hat geschrieben:sicut rectus ordo exigit ut profunda Christianae fidei prius credamus quam ea praesumamus ratione discutere ita negligentia mihi videtur si postquam confirmati sumus in fide non studemus quod credimus intelligere
[Wie die rechte Ordnung erfordert, dass wir die Tiefen des christlichen Glaubens zuerst glauben, bevor wir uns hervorwagen, sie mit der Vernunft durchzudiskutieren: so scheint es mir eine Nachlässigkeit zu sein, wenn wir, nachdem wir doch im Glauben gefestigt sind, uns nicht darum bemühen, was wir glauben auch zu verstehen.]
Weiters kommt dann einmal eine Definition:
St. Anselmus von Canterbury hat geschrieben:ira namque Dei non est aliud quam voluntas puniendi
"Zorn Gottes" heißt bei St. Anselm der Wille zum Strafen; dass es diesen grundsätzlich gibt und das dieser da ist, ist eine Voraussetzung dafür, dass Er überhaupt gnädig oder barmherzig sein kann. Man kann nicht gnädig und barmherzig sein, wenn es nichts gibt, worauf sich die Gnade sinnvollerweise richten kann, eben, weil es nichts zu "begnaden" gibt. Es gibt dahingehend aber etwas zu begnaden und das deswegen, weil es einen "Zorn Gottes" gibt, der sich gerechterweise an der Übertretung Seiner Anordnungen entzündet. Eine Anordnung, bei deren Nicht-Befolgung keine Konsequenzen zu erwarten sind, ist aber völlig sinnlos, deswegen kann Er auch nicht einfach darüber hinwegsehen, da Er keinen Unsinn hervorbringt. Eine Frage ist auch, ob wir uns mit der Sünde selbst etwas antun, worauf man natürlich mit "Ja, sicher!" antworten muss, aber das auch nur deswegen, weil es so eingerichtet ist: Würde Gott nicht "zürnen", d. h. hätte Er keinen Willen, die Übertretung zu bestrafen, würden wir uns mit der Sünde auch nichts antun, obwohl sie trotzdem völlig falsch und schlecht wäre, das wäre allerdings eine Absurdität! Die Schlechtigkeit der Sünde ergibt sich aus der Güte Gottes, dadurch, dass sie "etwas" (sofern man das von einer Sünde überhaupt sagen kann) ist, das nicht an dieser Güte teilhat; die Konsequenz ist, dass jeder, der sündigt, sich (und evtl. anderen) Schlechtes zufügt, weil Gott die Güte ist und nur das Gute (das auch das Sein etc. ist) will, weswegen sich umgekehrt aus der Sünde, Sein Wille zu Strafen (d. h. der Widerstand, dem einen das Sein entgegenbringt, wenn man das Nichts verwirklichen will oder das Gute, wenn man durch es das Schlecht tun möchte) ergibt. Es ist so, wie jemand, der ständig, um in ein Gebäude zu kommen, gegen eine zwei Meter dicke, massive Backsteinmauer rennt und genauso, wie so jemanden die Schmerzen, die ihm der Widerstand der Mauer dabei notwendig zufügt, nicht im Geringsten seinem Ziel näher bringen, so wenig können einem die eigenen "Wiedergutmachungsversuche" der Erlösung näher bringen. Dbzgl. sagt St. Anselm auch nichts anderes. Es muss schon einer von drinnen kommen und einen Durchgang aufbrechen und diesen Zugang auch zeigen. Dieser ist von ganz anderer Art, als derjenige, der draußen gegen die Mauer rennt. Trotzdem ist das "Anrennen" auch nicht überflüssig, da es ein Ausdruck des Willens ist, hineinzugelangen und dieser ist für das tatsächliche Hineingelangen durchaus von Bedeutung. So jemand ist einer, der selbst daran schuld ist, draußen zu sein und jetzt unter Mühen und Schmerzen (die dieser Versuch notwendig nach sich zieht, da das Gebäude nicht aus Zuckerwatte ist) wieder versucht reinzugelangen, es aber aus eigener Kraft nicht schafft.