Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Allgemein Katholisches.
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Niels
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Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ein Teil des neuen Meßbuchs paßt daher einige Gebete der
Kirche deutlicher den Erfordernissen unserer Zeit an.
Leider weht in vielen neuen oder geänderten Orationen eben doch ein
semipelagianischer Geist, worauf ich hier schon häufig hingewiesen.
habe. Damit ist weder die Gültigkeit bezweifelt, noch die Berechtigung
der Reformen generell bestritten. Aber es bestehen schwerwiegende
Mängel in einigen der Texte selbst, so daß diesbezüglich erheblicher
Reformbedarf bestehen bleibt.

Siehe dazu meine beispielhafte Untersuchung einiger Orationen:
viewtopic.php?p=3375#p3375
viewtopic.php?p=3482#p3482

Ferner allgemeinere Anmerkungen zu den Schwächen der neuen
Form der Meßfeier:
viewtopic.php?p=38724#38724
Aus aktuellem Anlass habe ich mal die Orationen der Messformulare vom Hl. Laurentius (1. August) näher angeschaut:
MR 1975, Tagesgebet hat geschrieben:Barmherziger Gott, die glühende Liebe zu dir hat dem heiligen Diakon Laurentius die Kraft gegeben,
dir und den Armen treu zu dienen und furchtlos für dich zu sterben.
Hilf uns, dich zu lieben, wie er dich geliebt hat, und den Armen zu dienen, wie er ihnen gedient hat.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Vergleicht man die deutsche Fassung mit dem lateinischen Original, fällt auf, dass der deutsche Text in allen Fällen bestenfalls eine Paraphrase darstellt, jeweils mit Erweiterungen, die im lateinischen Original nicht vorhanden sind.
MR 197, Collecta hat geschrieben:Deus, cuius caritátis ardóre beátus Lauréntius servítio cláruit fidélis et martyrio gloriósus,
fac nos amáre quod amávit, et ópere exercére quod dócuit. Per Dóminum.
Vergleicht man diese Fassung mit jener im Missale von 1962, ist man doch etwas überrascht:
MR 1962, Oratio hat geschrieben:Da nobis, quaesumus, omnipotens Deus: vitiorum nostrorum flammas exstinguere;
qui beato Laurentio tribuisti tormentorum suorum incendia superare.
Per Dominum.
Hier ist eine gänzlich neue Oration geschaffen worden. Die Notwendigkeit erschließt sich mir nicht.
MR 1975, Gabengebet hat geschrieben:Herr, unser Gott, in der Nachfolge deines Sohnes wurde der heilige Laurentius zum Weizenkorn, das in die Erde fällt und reiche Frucht bringt.
Mache auch uns zu einer Gabe, welche dir wohlgefällt und der Welt zum Segen wird.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MR 197, Super oblata hat geschrieben:Súscipe propítius, Dómine, múnera in beáti Lauréntii celebritáte laetánter obláta,
et ad nostrae salútis auxílium proveníre concéde. Per Christum.
Intertextuelle Bezüge zum Evangelium in allen Ehren, aber wo findet man das Weizenkorn im lateinischen Original?
Und auf die Fürbitte des Hl. Laurentius scheint man – im Gegensatz zu 1962 - auch keinen Wert mehr zu legen.
MR 1962, Secreta hat geschrieben:Accipe, qusesumus, Domine, munera dignanter oblata:
et, beati Laurentii suffragantibus meritis, ad nostrae salutis auxilium provenire concede. Per Dominum nostrum.
MR 1975, Schlussgebet hat geschrieben:Gütiger Gott, am Festtag des heiligen Laurentius haben wir das Opfer gefeiert und das heilige Sakrament empfangen.
Es heile uns von unseren Sünden und schenke uns Wachstum in deiner Gnade.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MR 197, Post communionem hat geschrieben:Sacro múnere satiáti, súpplices te, Dómine, deprecámur,
ut, quod in festivitáte beáti Lauréntii débitae servitútis praestámus obséquium,
salvatiónis tuae sentiámus augméntum. Per Christum.
MR 1962, Postcommunio hat geschrieben:Sacro munere satiati, supplices te, Domine, deprecamur:
ut, quod debitae servitutis celebramus officio,
intercedente beato Laurentio Martyre tuo, salvationis tuae sentiamus augmentum. Per Dominum.
Und abermals ist die Bitte um Fürsprache des Hl. Laurentius verschwunden.

Insgesamt zeigt mir eine flüchtige Lektüre eine deutliche Tendenz zur Heilsgewißheit - und damit zum Semipelagianismus - in den „neuen“ Texten im Vergleich zu den „alten“, wobei die deutsche Übersetzung immer noch eins draufsetzt und außerdem (ohne lateinische Textgrundlage) moralisiert.

(Ich werde die wortgetreue deutsche Übersetzung der lat. Orationen baldmöglichst nachliefern.)

Sind Euch ähnliche Dinge bei anderen Orationen aufgefallen?
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cantus planus
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von cantus planus »

Dass aus Fürbitten und Orationen die Heiligen verschwunden sind, ist wohl klar einer Annäherung an die protestantischen Gemeinschaften geschuldet. Im Gotteslob hat man aus den "Starken Helfern in der Not" ja auch einen "Starker Helfer" gemacht, um ein "ö" davorschreiben zu können.

Aus heutiger Sicht ist das natürlich absolut unnötig und ein großes Ärgernis.
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Niels
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

Beim Messformular vom Hl. Augustinus ist übrigens Ähnliches passiert.
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iustus
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von iustus »

cantus planus hat geschrieben:Im Gotteslob hat man aus den "Starken Helfern in der Not" ja auch einen "Starker Helfer" gemacht, um ein "ö" davorschreiben zu können.
Aber nicht in Nr. 257. In meinem Diözesangesangbuch aus den 30er Jahren heißt es schon "starker Helfer" und ein "ö" steht nicht davor. ;)

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cantus planus
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von cantus planus »

iustus hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Im Gotteslob hat man aus den "Starken Helfern in der Not" ja auch einen "Starker Helfer" gemacht, um ein "ö" davorschreiben zu können.
Aber nicht in Nr. 257. In meinem Diözesangesangbuch aus den 30er Jahren heißt es schon "starker Helfer" und ein "ö" steht nicht davor. ;)
Ihr wart eben damals schon protestantisiert. :P
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iustus
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von iustus »

Das kann natürlich sein. :D

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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Mir fällt darauf nur die folgende Antwort ein:
Adolf Thürlings auf der 7. Synode der Alt-Katholiken in Deutschland, 1881 hat geschrieben:Es weiß der größte Teil der gegenwärtigen Christen und Katholiken gar nicht, wie schön unsere liturgischen Bücher sind, wie schön namentlich das römische Meßbuch ist. (...)
Das Meßbuch ist nicht auf einmal entstanden, nicht gemacht worden, sondern ist die geistige Frucht des religiösen Sinnes vieler Jahrhunderte; (...) das Ganze aber hat ästhetisch genommen ein so festes Gefüge erhalten und ist so ja auch in Fleisch und Blut der Leute übergegangen, daß das feste Gefüge und das Äußere den Leuten zur anderen Natur geworden ist, nicht so aber der geistige Gehalt. Der geistige Gehalt der abendländischen liturgischen Bücher ist den meisten Gläubigen nahezu ganz verloren gegangen. (...)
Es ist ganz unglaublich, wie schön und herrlich viele Dinge in diesen Büchern sind, und wie sich in den Andachten sowohl der Messe und in den Morgen- und Abendandachten Abendländisches und Morgenländisches aus uralter Zeit angesammelt hat als ein ganz herrlicher und kostbarer Schatz.
Wie gesagt, mein Hauptgedanke ist immer derjenige, in erster Linie nicht zu verbessern und zu reformieren, sondern dem Volke wieder das zu zeigen, was wir denn eigentlich besitzen, und ich glaube, daß ist alt-katholisch in ganz eminentem Sinne.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Niels
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

ad-fontes hat geschrieben:Mir fällt darauf nur die folgende Antwort ein:
Adolf Thürlings auf der 7. Synode der Alt-Katholiken in Deutschland, 1881 hat geschrieben:Es weiß der größte Teil der gegenwärtigen Christen und Katholiken gar nicht, wie schön unsere liturgischen Bücher sind, wie schön namentlich das römische Meßbuch ist. (...)
Das Meßbuch ist nicht auf einmal entstanden, nicht gemacht worden, sondern ist die geistige Frucht des religiösen Sinnes vieler Jahrhunderte; (...) das Ganze aber hat ästhetisch genommen ein so festes Gefüge erhalten und ist so ja auch in Fleisch und Blut der Leute übergegangen, daß das feste Gefüge und das Äußere den Leuten zur anderen Natur geworden ist, nicht so aber der geistige Gehalt. Der geistige Gehalt der abendländischen liturgischen Bücher ist den meisten Gläubigen nahezu ganz verloren gegangen. (...)
Es ist ganz unglaublich, wie schön und herrlich viele Dinge in diesen Büchern sind, und wie sich in den Andachten sowohl der Messe und in den Morgen- und Abendandachten Abendländisches und Morgenländisches aus uralter Zeit angesammelt hat als ein ganz herrlicher und kostbarer Schatz.
Wie gesagt, mein Hauptgedanke ist immer derjenige, in erster Linie nicht zu verbessern und zu reformieren, sondern dem Volke wieder das zu zeigen, was wir denn eigentlich besitzen, und ich glaube, daß ist alt-katholisch in ganz eminentem Sinne.
Wie sieht die Realität in der AKK heute aus - nach der Liturgiereform?
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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Niels hat geschrieben: Wie sieht die Realität in der AKK heute aus - nach der Liturgiereform?
Der geistige Gehalt der abendländischen liturgischen Bücher ist den meisten Gläubigen nahezu ganz verloren gegangen

nahezu ist zu streichen
(Wie geht das vom Schriftbild? Habe es hier schon gesehen?)
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Niels
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

ad-fontes hat geschrieben:
Niels hat geschrieben: Wie sieht die Realität in der AKK heute aus - nach der Liturgiereform?
Der geistige Gehalt der abendländischen liturgischen Bücher ist den meisten Gläubigen nahezu ganz verloren gegangen

nahezu ist zu streichen
(Wie geht das vom Schriftbild? Habe es hier schon gesehen?)
Ich meinte eigentlich die Gestalt der Präsidialgebete im "neuen" altkatholischen Ritus.
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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Konkret heißt dies, dass die Präsidialgebete dem MR 1970 ähnlich sind und es zu jedem Sonntagsformular Orationen zur Auswahl gibt, die auf die Lesungen gemäß Lesejahr Bezug nehmen.

(Das alt-kath. Eucharistiebuch liegt wohl nicht nur auf alt-kath. Altären, denn die Verkaufszahlen - ganz ohne Werbung - liegen beim über 30fachen des Eigenbedarfs. Es wird daher vermutlich nicht nur zu Studienzwecken und vermutlich ebensowenig ausschließlich von ev. Pastoren angeschafft, gilt in deren Gemeinden doch eine völlig andere Leseordnung.)

Die Struktur bleibt auch bei den Auswahlorationen gewahrt:
Anaklese
Anamnese
Epiklese
Doxologie*

*Anm.: Durch Jesus Christus, unsern Bruder, statt "unseren Herrn und Gott" taucht zwar öfters auf, aber GsD nicht immer, wie es bei übereifrigen rk Priestern der Fall ist, die - wenn sie so reden - diese Hoheitstitel stets ersetzen bzw. ergänzen.)
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cantus planus
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von cantus planus »

Diese Bruder-Anrede habe ich bisher glücklicherweise noch nie erlebt. Es handelt sich wohl um beklagenswerte Einzelfälle, die außerdem durch die Gesetze der Kirche klar verboten sind.
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Niels
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

ad-fontes hat geschrieben: *Anm.: Durch Jesus Christus, unsern Bruder, statt "unseren Herrn und Gott" taucht zwar öfters auf, aber GsD nicht immer, wie es bei übereifrigen rk Priestern der Fall ist, die - wenn sie so reden - diese Hoheitstitel stets ersetzen bzw. ergänzen.)
Schlimm genug, dass es überhaupt im offiziellen "Messbuch" der RKK auftaucht - dahingehende liturgische Entgleisungen römisch-katholischer Geistlicher sind, da aus Ungehorsam resultierend, kein Argument.
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Niels
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

cantus planus hat geschrieben:Diese Bruder-Anrede habe ich bisher glücklicherweise noch nie erlebt. Es handelt sich wohl um beklagenswerte Einzelfälle, die außerdem durch die Gesetze der Kirche klar verboten sind.
Ich habe es leider schon oft erlebt, aber merkwürdigerweise hat die Mehrheit der Gläubigen in solchen Messen nicht kommuniziert (ich sowieso nicht). Das ist schon erstaunlich.
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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Niels hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Diese Bruder-Anrede habe ich bisher glücklicherweise noch nie erlebt. Es handelt sich wohl um beklagenswerte Einzelfälle, die außerdem durch die Gesetze der Kirche klar verboten sind.
Ich habe es leider schon oft erlebt, aber merkwürdigerweise hat die Mehrheit der Gläubigen in solchen Messen nicht kommuniziert (ich sowieso nicht). Das ist schon erstaunlich.
Komisch :hmm:
Wird dies nicht eher in solchen Gemeinden toleriert, in welchen "geschlossen" kommuniziert wird?
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Niels
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

ad-fontes hat geschrieben:
Niels hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Diese Bruder-Anrede habe ich bisher glücklicherweise noch nie erlebt. Es handelt sich wohl um beklagenswerte Einzelfälle, die außerdem durch die Gesetze der Kirche klar verboten sind.
Ich habe es leider schon oft erlebt, aber merkwürdigerweise hat die Mehrheit der Gläubigen in solchen Messen nicht kommuniziert (ich sowieso nicht). Das ist schon erstaunlich.
Komisch :hmm:
Wird dies nicht eher in solchen Gemeinden toleriert, in welchen "geschlossen" kommuniziert wird?
Gemeinden, in denen "geschlossen" kommuniziert wird, kenne ich (zum Glück) nicht.
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Robert Ketelhohn
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Robert Ketelhohn »

ad-fontes hat geschrieben:
Niels hat geschrieben: Wie sieht die Realität in der AKK heute aus - nach der Liturgiereform?
Der geistige Gehalt der abendländischen liturgischen Bücher ist den meisten Gläubigen nahezu ganz verloren gegangen

nahezu ist zu streichen
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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Nun war ja grade der 2. Advent und da heißt es im Tagesgebet des MB:
Laß nicht zu, daß irdische Aufgaben und Sorgen uns hindern, deinem Sohn entgegenzugehen.
Das machte mich etwas skeptisch, heißt es doch in den adventlichen Lesungen: "Bereitet (bzw. ebnet) dem Herrn den Weg!", aber nirgendwo: "Geht ihm entgegen!"

Und siehe da, der lateinische Text im MR 1970 lautet:
sed sapientiae caelestis eruditio nos faciat eius esse consortes.
Was etwas anderes ist, während die entsprechende Oration im alten Missale den biblischen Gedanken aufnimmt bzw. ihn antizipiert:
Erwecke, o Herr, unsere Herzen, deinem Einziggeborenen die Wege zu ebnen, auf dass wir durch seine Ankunft gewürdigt werden, dir geläuterten Sinnes zu dienen.
Mit anderen Worten, was in dem 1975er Meßbuch zum Ausdruck gebracht wird, ist eine gedanklich-theologische Umkehr: statt daß wir das Kommen des Erlösers bereiten, sollen wir ihm entgegengehen, was wohl als Ausdruck der sog. Volk-Gottes-Theologie ("pilgerndes Gottesvolk") anzusehen ist.

So schaue ich mir die Arbeit der IAG Arbeitsgruppe an und sehe wie die deutschen Liturgiegestalter sich immer weiter vom vorgegebenen "Original" entfernen und entfremden, so daß am Ende auch andernorts eine Gedankeninversion stattfindet:
Tagesgebet am 2. So im Jk. hat geschrieben:Omnipotens sempiterne Deus, qui caelestia simul et terrena moderaris, supplicationes populi tui clementer exaudi, et pacem tuam nostris concede temporibus. Per.
MB 1975, ebd. hat geschrieben:Allmächtiger Gott, du gebietest über Himmel und Erde, du hast Macht über die Herzen der menschen. Darum kommen wir voll Vertrauen zu dir; stärke alle, die sich um Gerechtigkeit mühen, und schenke unserer Zeit deinen Frieden. Darum.
Revisionsentwurf der Studienkommission für die Meßliturgie und das Meßbuch, AG 3 hat geschrieben:Allmächtiger Gott, Himmel und Erde hälst du in deiner hand, du lenkst die herzen der menschen. Wir kommen voll Vertrauen zu dir: Stärke unser Mühen um Gerechtigkeit, und mache uns zu einem Werkzeug deines Friedens. Darum.
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Bernado »

MB ?
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Meßbuch, nehme ich an. (Bei mir fiel der Groschen auch pfennigweise.)
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Niels »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Meßbuch, nehme ich an.
:ikb_thumbsup:
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Bernado »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Meßbuch, nehme ich an. (Bei mir fiel der Groschen auch pfennigweise.)
Aha. Bei 1975 hatte ich eine zusätzlich Denkhemmung. Ich denke, man sollte nur von den Missales von 62, 65 und 69 sprechen - das ist schon schlimm genug. Außer man meint ganz dezidiert einen der doch nicht so häufigen Fälle, wo auch zwischen diesen Meilensteinen bzw. nach 1969 etwas geändert wurde.
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Christ86 »

Niels hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Diese Bruder-Anrede habe ich bisher glücklicherweise noch nie erlebt. Es handelt sich wohl um beklagenswerte Einzelfälle, die außerdem durch die Gesetze der Kirche klar verboten sind.
Ich habe es leider schon oft erlebt, aber merkwürdigerweise hat die Mehrheit der Gläubigen in solchen Messen nicht kommuniziert (ich sowieso nicht). Das ist schon erstaunlich.
Ich habe das zum ersten Mal in einem römisch-katholischen Gottesdienst gehört. Fand ich sehr seltsam.

In der letzten Messe hat unser Pfarrer dann plötzlich auch so angefangen :vogel:
Wie bewundernswert sind deine Werke, o Herr, alles hast du mit Weisheit gemacht! Ps 104

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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Raimund J. »

Bernado hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Meßbuch, nehme ich an. (Bei mir fiel der Groschen auch pfennigweise.)
Aha. Bei 1975 hatte ich eine zusätzlich Denkhemmung. Ich denke, man sollte nur von den Missales von 62, 65 und 69 sprechen - das ist schon schlimm genug. Außer man meint ganz dezidiert einen der doch nicht so häufigen Fälle, wo auch zwischen diesen Meilensteinen bzw. nach 1969 etwas geändert wurde.
Na 2002 kommt ja auch noch, wenn die deutschen Bischöfe denn mal irgendwann mit der Übersetzung fertig sind. :schnarch:
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Nec laudibus, nec timore

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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Bernado »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Na 2002 kommt ja auch noch, wenn die deutschen Bischöfe denn mal irgendwann mit der Übersetzung fertig sind. :schnarch:
Ja, das ist ein empirischer Beweis dafür, daß es sich bei der "Reform" in Wirklichkeit um eine Deform handelt. Beim Abbruch der Formen ging es von 1962 bis 1969 rasend schnell. Der Versuch , wenigstens wieder ein wenig mehr Form in die aus dem Auder gelaufenen Übersetzungen zu bringen, schleppt sich jetzt schon bald ein Jahrzehnt dahin.
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Robert Ketelhohn
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Texte der Oration vom 2. Adventssonntag hatte ich ja vor Jahren schon einmal zusammengestellt:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:A) Oration:

a) altes Meßbuch, Latein:

Excita, Domine, corda nostra ad præparandas Unigeniti tui vias: ut, per ejus adventum, purificatis tibi mentibus servire mereamur. Qui tecum vivit.

b) altes Meßbuch, deutsch:

Weck auf, Herr, unsre Herzen, deinem Eingeborenen die Wege zu bereiten, auf daß durch seine Ankunft wir gewürdigt werden, dir gereinigten Geistes zu dienen. ‹Durch ihn,› der mit dir lebt.

c) neues Meßbuch, deutsch:

Allmächtiger und barmherziger Gott, deine Weisheit allein zeigt uns den rechten Weg. Laß nicht zu, daß irdische Aufgaben und Sorgen uns hindern, deinem Sohn entgegenzugehen. Führe uns durch dein Wort und deine Gnade zur Gemeinschaft mit ihm, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Ergänzen wir noch die lateinische Fassung des neuen Missalis, die mir damals nicht vorlag:
Omnipotens et misercors Deus, in tui occursum Filii festinantes nulla opera terreni actus impediant, sed sapientiæ cælestis eruditio nos faciat eius esse consortes. Per Dominum.
Dazu meine möglichst wörtliche Übersetzung:
Allmächtiger und barmherziger Gott, die zur Begegnung mit deinem Sohn eilen, hindere kein Werk irdischen Handelns, sondern die Unterrichtung in himmlischer Weisheit mache, daß wir seine Genossen seien. Durch den Herrn.
Mit dem „Entgegengehen“ wollen die Autoren der offiziellen neurituellen deutschen Fassung jedenfalls in occursum festinantes übersetzen, was den Sinn auch zumindest streift. Was du auf Latein vom Schluß zitierst, soll durch »Führe uns durch dein Wort und deine Gnade zur Gemeinschaft mit ihm« wiedergegeben sein, wobei sowohl das „Führen“ als auch „Wort“ und „Gnade“ hinzugedichtet sind. Dafür ist hier die „himmlische Weisheit“ weggelassen und mit zusätzlichen Ausschmückungen an den Anfang der Oration gestellt.

Diese offizielle deutsche Fassung ist also nur zum Teil als (sehr freie) Übersetzung anzusehen, zum Teil ist sie frei erfunden. Inhaltlich kann ich freilich keinen besondere qualitative Differenz zur lateinischen Vorlage erkennen, die selbst bereits sprachlich auf wackligen Stelzen daherkommt, die formal ein frommer Wunsch ist, kein Gebet, und die inhaltlich an einer Gedankenführung krankt, die an ein altersschwaches Kamel auf der Echternacher Springprozession erinnert.

Ein Beispiel dafür, daß vielfach für eine „Reform der Reform“ eine Neuübersetzung nicht ausreicht. Hier liegt die Leiche im lateinischen Original begraben. Hier hilft bloß Wiederherstellung der alten lateinischen Oration. Eine neue deutsche Übersetzung braucht man dann nicht einmal anzufertigen, die liegt im alten Schott schon – meist brauchbar – vor.

(Bitte um Nachsicht, daß ich im Augenblick keine Zeit habe, eine ausführlichere Analyse anzufertigen.)
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Robert Ketelhohn »

ad-fontes hat geschrieben:So schaue ich mir die Arbeit der IAG Arbeitsgruppe an und sehe wie die deutschen Liturgiegestalter sich immer weiter vom vorgegebenen "Original" entfernen und entfremden, so daß am Ende auch andernorts eine Gedankeninversion stattfindet:
Tagesgebet am 2. So im Jk. hat geschrieben:Omnipotens sempiterne Deus, qui caelestia simul et terrena moderaris, supplicationes populi tui clementer exaudi, et pacem tuam nostris concede temporibus. Per.
MB 1975, ebd. hat geschrieben:Allmächtiger Gott, du gebietest über Himmel und Erde, du hast Macht über die Herzen der menschen. Darum kommen wir voll Vertrauen zu dir; stärke alle, die sich um Gerechtigkeit mühen, und schenke unserer Zeit deinen Frieden. Darum.
Revisionsentwurf der Studienkommission für die Meßliturgie und das Meßbuch, AG 3 hat geschrieben:Allmächtiger Gott, Himmel und Erde hältst du in deiner Hand, du lenkst die Herzen der Menschen. Wir kommen voll Vertrauen zu dir: Stärke unser Mühen um Gerechtigkeit, und mache uns zu einem Werkzeug deines Friedens. Darum.
Der lateinische Text unterscheidet sich vom vorigen wie der Tag von der Nacht. Das springt sofort ins Auge. Eine echte Oration im Geist der Kirche. Der Blick ins alte Missale bestätigt die Vermutung: Zur Dominicæ II post Epiphaniam finden wir denselben Text. Hier hat man in der Eile der Revolutionswirren das Alte erst einmal belassen und die Dinge erst beim Übersetzen auf den Kopf gestellt.

Obige deutsche Versionen sind natürlich auch nicht entfernt Übersetzungen. Ich übertrage das erst einmal selbst:
Allmächtiger ewiger Gott, der du den himmlischen Dingen ebenso wie den irdischen das Maß setzest, erhöre mild die flehentlichen Bitten deines Volks und gewähre unsern Zeiten deinen Frieden. Durch.
Jedem, der einen Funken kirchlichen Sinns hat, zeigt der Vergleich dieses Textes mit der offiziellen deutschen Fassung und dem noch einmal verschlimmerten Revionsentwurf jener Kommission alles, weiterer Kommentar erübrigt sich. Da herrscht derselbe (kaum noch semi-)pelagianische Geist, auf welchen ich mit Bezug auf die neuen Orationen schon wiederholt hingewiesen habe. Was zu tun ist, ist evident: Die lateinische Oration muß bleiben – anders als bei der Adventsoration –, die Übersetzungen gehören ins Feuer.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Jedem, der einen Funken kirchlichen Sinns hat
"Das wird schon seine Richtigkeit haben, wenn die da oben das so beschlossen haben." So oder ähnlich würde wohl die Antwort ausfallen, wenn man den Durchschnittsgläubigen damit konfrontieren würde. Er vertraut seinen Hirten. Und auf die gleiche Weise müßten die Hirten ihren Vorderen Vertrauen in Hingabe schenken, die diese alten, wunderbaren Orationen geschaffen und für ihre Weitergabe durch die Jahrhunderte gesorgt haben.

Geschichte als Wissenschaft entstand zu einem Zeitpunkt als die historischen Dokumente größtenteils noch rechtlich relevant waren und die "Architektonik" der Reichsverfassung noch stand.

Liturgiewissenschaft entstand ebenfalls zu einem Zeitpunkt als die liturgischen Dokumente noch Teil der gelebten Gebets- und (mit Einschränkungen) Gesangspraxis war und die "Architektonik" der Gottesdienste noch weitgehend erhalten war.

Merkwürdig..

Aber die Liturgiewissenschaftler waren sich wohl uneins: die einen sahen in der hl. Messe ein "Gesamtkunstwerk" (Ildefons Herwegen), die anderen einen, wenn auch "imposanten Steinbruch" (laut Anton Baumstark, mündlich überliefert).
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ergänzen wir noch die lateinische Fassung des neuen Missalis, die mir damals nicht vorlag:
Omnipotens et misercors Deus, in tui occursum Filii festinantes nulla opera terreni actus impediant, sed sapientiæ cælestis eruditio nos faciat eius esse consortes. Per Dominum.
Dazu meine möglichst wörtliche Übersetzung:
Allmächtiger und barmherziger Gott, die zur Begegnung mit deinem Sohn eilen, hindere kein Werk irdischen Handelns, sondern die Unterrichtung in himmlischer Weisheit mache, daß wir seine Genossen seien. Durch den Herrn.
Mit dem „Entgegengehen“ wollen die Autoren der offiziellen neurituellen deutschen Fassung jedenfalls in occursum festinantes übersetzen, was den Sinn auch zumindest streift. Was du auf Latein von Ende zitierst, soll durch »Führe uns durch dein Wort und deine Gnade zur Gemeinschaft mit ihm« wiedergegeben sein soll, wobei sowohl das „Führen“ als auch „Wort“ und „Gnade“ hinzugedichtet sind. Dafür ist hier die „himmlische Weisheit“ weggelassen und mit zusätzlichen Ausschmückungen an den Anfang der Oration gestellt.
Seine, also des Herrn Genossen. Im Kanon während der Strophe Nobis quoque betet der Priester, daß wir in das consortium der Heiligen aufgenommen werden.

Aber was ist mit consortium gemeint? Eine Gemeinschaft von Teilhabern, eine Genossenschaft im Sinne eines Rechtsverbands, speziell eine Erbengemeinschaft, richtig?

Gibt es alte liturgische Texte, die uns als Konsorten des Herrn ausweisen? Ich denke, nein.

Hier handelt es sich wohl um mehr eine weitere subtile Akzentverschiebung: weg von der Gemeinschaft der Heiligen hin zur Tischgemeinschaft mit Christus!
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Robert Ketelhohn
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Konsorten Jesu Christi:
Deus, qui beatum Ludovicum Confessorem tuum de terreno regno ad caelestis regni gloriam transtulisti: eius, quaesumus, meritis et intercessione; Regis regum Iesu Christi Filii tui facias nos esse consortes (Die 25 Augusti. S. Ludovici Regis et Confessoris)
Konsorten der Herrlichkeit Christi:
Deus, qui fidei sacramenta in Unigeniti tui gloriosa Transfiguratione, patrum testimonio roborasti, et adoptionem filiorum perfectam, voce delapsa de nube lucida, mirabiliter praesignasti: concede propitius; ut ipsius Regis gloriae nos coheredes efficias, et eiusdem gloriae tribuas esse consortes (Die 6 Augusti. In Transfiguratione Domini Nostri Iesu Christi)
Konsorten der göttlichen Natur:
Sacramenta corporis et sanguinis tui, quae sumpsimus, Domine Iesu Christe, beati Cyrilli Pontificis precibus, mentes et corda nostra sanctificent: ut divinae consortes naturae effici mereamur (Die 18 Mart. S. Cyrilli Ep. Hierosolymitani, Conf. et Eccl. Doct.)
Konsorten der himmlischen Güter:
Deus, qui omnipotentiam tuam parcendo maxime et miserando manifestas: multiplica super nos misericordiam tuam; ut ad tua promissa currentes, caelestium bonorum facias esse consortes (Dominica X post Pentecosten)
Und öfter. Sehr oft umgekehrt, daß wir zum Konsortium des Herrn gelangen möchten, als etwa:
Da nobis, quaesumus, Domine Deus noster: ut, qui Nativitatem Domini nostri Iesu Christi mysteriis nos frequentare gaudemus; dignis conversationibus ad eius mereamur pervenire consortium (In Nativitate Domini. Ad primam missam in nocte)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Bernado
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:Hier handelt es sich wohl um mehr eine weitere subtile Akzentverschiebung: weg von der Gemeinschaft der Heiligen hin zur Tischgemeinschaft mit Christus!
Der Verdacht drängt sich mir nicht unmittelbar auf. Consors bedeutet umfassende Teilhabe am Leben und Schicksal eines anderen. Die mittelalterliche Königin hatte als consors regni teil an seiner Rechtspersönlichkeit, die consortes Christi sind in die volle Gemeinschaft mit ihm eingetreten, nicht nur eine (lockerere) Tischgemeinschaft. Vielleicht hilf auch die Etymologie weiter (ist riskant, ich weiß), aber "sors" steht für Schicksaal, Los, Gedeihen usw. - es zielt m. E. auf die ganze Fülle dessen, was "der Fall ist". Und all das teilt der "consors".

(Einzelne fehlende Buchstaben machen mit keine Probleme, aber wenn halbe Wörter fehlen, müssen die auch noch nach einem halben Tag ergänzt werden)
Zuletzt geändert von Bernado am Montag 14. Dezember 2009, 18:14, insgesamt 1-mal geändert.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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ad-fontes
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Re: Unterschiedliche Orationen der Messbücher von 1962 und 1970

Beitrag von ad-fontes »

Errare humanum est. :umkuck:
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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