Huldigung des "man"

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Juergen
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Huldigung des "man"

Beitrag von Juergen »

Unser Erzbischof hat in seiner Libori-Predigt u.a. einen m.E. interessanten Gedanken ausgefaltet.

Er sprach über das Dienen und das Halten von Geboten. Dabei bedachte er den Vorwurf, daß der Mensch durch das Halten der Gebote in seiner Freiheit eingeschränkt würde.

Er stellt - gleichsam als Gegenargument - fest, daß jene, die die Freiheit und Selbstbestimmtheit als höchstes Gut propagieren, gar nicht so frei seien, wie sich sich geben.
Es gebe - so Becker - gleichsam Vorgaben, der Medien, Presse etc.
Ein Buch, das "man" gelesen haben muß.
Einen Film, den "man" gesehen haben muß.
Welche CD "man" gehört haben muß.
Wo "man" seinen Urlaub verbringt.

----------------

Ist die Freiheit der "Freidenker" eigentlich nur eine Huldigung des "man"?
Ist es nur eine Fremdbestimmung durch das "man"?
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Petra
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Beitrag von Petra »

Wer keine eigenen Werte hat, muss sich nach denen der Mehrheit richten. Und da orientiert "man" sich gern bei den Medien.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Hinter "man" kann "man" sich gut verstecken. Das "man" ist Ausdruck & Geist des Beliebigen und Unverbindlichen. Das "man" ist ......demokratisch.

Raphael

Re: Huldigung des "man"

Beitrag von Raphael »

@ Juergen
Juergen hat geschrieben:Ist die Freiheit der "Freidenker" eigentlich nur eine Huldigung des "man"?
Ist es nur eine Fremdbestimmung durch das "man"?
Das "man" ist ein versteckter männlicher Sexismus! ;)
Man (sic!) lese das "man" nur einmal als ein englisches Wort ......

SCNR
Raphael

Stefan

Re: Huldigung des "man"

Beitrag von Stefan »

Juergen hat geschrieben:Er sprach über das Dienen und das Halten von Geboten. Dabei bedachte er den Vorwurf, daß der Mensch durch das Halten der Gebote in seiner Freiheit eingeschränkt würde.
Freiheit bedeutet nicht, daß der Mensch tun darf, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was andere wollen. Freiheit hat deshalb u.a. ihre Grenzen in der Freiheit des Anderen.
Um aber zu wissen, was man selber darf oder nicht darf, braucht jeder ein solides Fundament an Werten, für welches er sich eben frei entscheiden kann.
Er stellt - gleichsam als Gegenargument - fest, daß jene, die die Freiheit und Selbstbestimmtheit als höchstes Gut propagieren, gar nicht so frei seien, wie sich sich geben.
Es gebe - so Becker - gleichsam Vorgaben, der Medien, Presse etc.
Ein Buch, das "man" gelesen haben muß.
Einen Film, den "man" gesehen haben muß.
Welche CD "man" gehört haben muß.
Wo "man" seinen Urlaub verbringt.
Das stimmt. Hier handelt der Unfrei nach dem, was ihm andere sagen.
Ist die Freiheit der "Freidenker" eigentlich nur eine Huldigung des "man"?
Ist es nur eine Fremdbestimmung durch das "man"?
Das "man" ist ein persönliches Schlupfloch, um nicht "ich" oder "du" sagen zu müssen.

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Juergen
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Re: Huldigung des "man"

Beitrag von Juergen »

@ Stefan
Stefan hat geschrieben:
Ist die Freiheit der "Freidenker" eigentlich nur eine Huldigung des "man"?
Ist es nur eine Fremdbestimmung durch das "man"?
Das "man" ist ein persönliches Schlupfloch, um nicht "ich" oder "du" sagen zu müssen.
Hier meinte ich (und so meinte es in seiner Predigt, wenn ich ihn richtig verstanden habe, auch unser Erzbischof) mit dem "man" eigentlich eine den Menschen bestimmende und denn och gleichsam nicht greifbare Masse.


Was Du sagst ist natürlich völlig richtig, aber eher ein anderes Thema.

Ich mache dazu einen eigenen Thread auf.
Zuletzt geändert von Juergen am Dienstag 9. August 2005, 23:44, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Jürgen

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Stefan

Beitrag von Stefan »

Also gut, der Erzbischof versteht den Begriff "man" als eine dunkle Masse, die dem "Es ist üblich, dieses oder jenes zu tun oder zu lassen" folgt.

Aber ist das nicht auch der Stoff, aus dem die Sitten sind? Man begrüßt sich, man gibt sich die Hand, man lacht nicht laut, wenn jemandem ein Mißgeschick passiert, man schwänzt die Schule nicht etc.

Das ist also so per se doch nichts Schlechtes.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Stefan hat geschrieben:Also gut, der Erzbischof versteht den Begriff "man" als eine dunkle Masse, die dem "Es ist üblich, dieses oder jenes zu tun oder zu lassen" folgt.

Aber ist das nicht auch der Stoff, aus dem die Sitten sind? Man begrüßt sich, man gibt sich die Hand, man lacht nicht laut, wenn jemandem ein Mißgeschick passiert, man schwänzt die Schule nicht etc.

Das ist also so per se doch nichts Schlechtes.
Doch das "man" kann m.E. nur schlecht als gute Begründung herhalten. Es kann zwar eine Begründung sein, aber doch vielfach nur eine "zweitbeste".

Die Entscheidung etwas zu tun, sollte doch eher auf einer ethischen oder sonstigen Basis ruhen, als auf einem Massenphänomen.

Sicher sind manche Sachen dann schwer zu begründen; etwa das von Dir angesprochene Händeschütteln.

Andere aber schon:
  • Ich lache nicht laut, wenn jemandem ein Mißgeschickt passiert. Und zwar nicht "weil man das nicht tut", sondern weil ich den anderen nicht in Verlegenheit bringen will und ihn nicht verletzen möchte.
  • Ich schwänze nicht die Schule. Und zwar nicht "weil man das nicht tut", sondern weil ich eingesehen habe, daß ich in der Schule was lernen kann und ich was lernen will.
  • ...
Ich denke, daß die Begründung "weil man es tut" bzw. "weil man es nicht tut" zu einer Verabschiedung des eigenen Denkens führt. Da wird der Masse das Denken und Begründen meiner Handlungen überlassen. Aber dann handele ich nicht mehr selbstbestimmt.

Dieses Nicht-selbstbestimmt-handeln öffnet im schlimmsten Falle Demagogen Tor und Tür.
War es nicht genau dieses "man", was viele davon abgehalten hat, sich gegen z.B. die Nazis zur Wehr zu setzten: Wenn ein Jude verhaftet wurde, sagte der Einzelne nichts, weil "man" eben nichts sagte...
Gruß Jürgen

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Stefan

Beitrag von Stefan »

Juergen hat geschrieben:
Stefan hat geschrieben:Das ist also so per se doch nichts Schlechtes.
Doch das "man" kann m.E. nur schlecht als gute Begründung herhalten. Es kann zwar eine Begründung sein, aber doch vielfach nur eine "zweitbeste".
Deshalb habe ich ja auch "per se" geschrieben. Umgekehrt formuliert: Nur weil "man" etwas tut, ist es nicht automatisch schlecht. Die Frage ist aber, welche Rolle der Faktor Masse bei der ethischen Beurteilung gewisser Verhaltensweisen spielt. Auf der Autobahn kann die Frage der Fahrtrichtung lebensentscheidend sein ;D
Die Entscheidung etwas zu tun, sollte doch eher auf einer ethischen oder sonstigen Basis ruhen, als auf einem Massenphänomen.
...
Ich denke, daß die Begründung "weil man es tut" bzw. "weil man es nicht tut" zu einer Verabschiedung des eigenen Denkens führt. Da wird der Masse das Denken und Begründen meiner Handlungen überlassen. Aber dann handele ich nicht mehr selbstbestimmt.
Ich weiß nicht, ob es hier ein entweder-oder gibt. Die Masse sollte als Indiz nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Ähnlich verhält sich m.E. das Argument "weil man(sic!) es schon immer so gemacht haben". Manche lassen eine geschichtlich konstantes Verhalten gänzlich außer Betracht, andere übertbetonen es. Auch hier kann es nicht ein Alleinstellungsmerkmal sein.

Wenn die große Masse der Menschen schon immer etwas in einer bestimmten Weise getan haben, dann kommt dem ein größeres Gewicht zu als wenn jemand nur nachgedacht hat und - auch wenn es noch nie jemand getan hat - zu dem Ergebnis kommt, so sei es richtig.

In der Theorie wird es dann oft schwierig, dem Denker etwas zu entgegnen, in der Praxis werden sich die Menschen aber kaum dazu bewegen lassen, so ohne weiteres etwas Neues, Anderes zu machen.

Die Veränderungen im Verhalten, welche durch veränderte Denkweisen entstehen, geschehen stets allmählich und durchaus unter dem Einfluß der Massen. Es wird dadurch nicht falsch oder richtig, aber es ist notwendig, weil sonst das Richtige bloße Theorie bleibt.
Dieses Nicht-selbstbestimmt-handeln öffnet im schlimmsten Falle Demagogen Tor und Tür.
War es nicht genau dieses "man", was viele davon abgehalten hat, sich gegen z.B. die Nazis zur Wehr zu setzten: Wenn ein Jude verhaftet wurde, sagte der Einzelne nichts, weil "man" eben nichts sagte...
Einzelne haben durchaus etwa dagegen gesagt und gehandelt, weil es eben nicht alle immer getan haben. Es war etwas Neues.

Petra
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Beitrag von Petra »

Die Orientierung nach der Mehrheit ist eigentlich grundsätzlich positiv für das Gruppentier Mensch.

Da wo sich alle Katholiken noch nach dem kath. "man" richten, hätte es eine solche Predigt nicht gegeben. :hmm: :mrgreen:

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Das Wörtchen man steht für Modernität. Modern ist, was man gerade tut, was viele tun, was der Modus ist nach dem "man" gerade lebt ... Insofern ist unmodern sein für mich schon immer attraktiver gewesen als "modern" sein.

"Man tut das" in diesem Sinne kann für mich eigentlich nie ein bestimmtes ethisch relevantes Verhalten legitimieren, mir fällt im Moment jedenfalls keins ein. Selbst das von Stefan angesprochene Rechtsfahren auf der Autobahn - das tue ich ja nicht, weil es grade schick ist, sondern a) weil es Gesetz ist und b) weil das Gesetz sinnvoll ist da es Unfälle verhindert.

Anders bei ethisch nicht relevantem Verhalten: ich laufe ja auch nicht mehr gekleidet wie die Menschen der Spätantike rum.
Aber was tun, wenn "man" sich bei uns mal kleiden wird wie die Einwohner Papua Neuguineas? :hmm:

Petra
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Beitrag von Petra »

Hältst du Kopftücher oder Burkas für ethisch irrelevantes Verhalten? :hmm:

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Du hast recht, wenn Kleidung Signal einer ethischen Einstellung ist, hm, dann würde ich es auch unterlassen, sofern ich nicht diese Einstellung vertreten würde.
Zum Glück stellt sich bei mir die Frage nach dem Kopftuch nicht.

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Der gute Erzbischof hat einen wichtigen Aspekt übersehen: Es ist ja nicht so, als sei die Diktatur des "man" eine neuere Erfindung oder gar etwas, was erst durch die Abkehr von christlichen Werten entstanden sei, wie er ziemlich subtil durchklingen lässt.

Die Diktatur des "man" ist schon so alt wie die Menschheit!

Schaut euch mal ein durch und durch christlich geprägtes Dorf des 19. Jahrhundetts an und dann sagt mir mal, wo die "Diktatur des man" stärker war: damals oder heute?

Ich behaupte, von der "Diktatur des man" ist nur noch ein Schatten übrig geblieben, denn wen interessiert es letztlich, ob "man" das Biuch gelesen hat, das "man" gelesen haben muß usw.: Niemanden wirklich, der die Pubertät hinter sich gebracht hat.

Das war früher aber ganz anders!

Werner

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Werner001 hat geschrieben:Der gute Erzbischof hat einen wichtigen Aspekt übersehen: Es ist ja nicht so, als sei die Diktatur des "man" eine neuere Erfindung oder gar etwas, was erst durch die Abkehr von christlichen Werten entstanden sei, wie er ziemlich subtil durchklingen lässt.
So hat er es nicht gemeint.
Es war eher das Aufzeigen einer gewissen Fehleinschätzung.

Da sagen Leute: Ich will nicht dienen, oder ich will mir von der Kirche nicht vorschreiben lassen. Ich will frei sein. Ich will ganz alleine und frei entscheinden.
Dann aber entscheiden sie gar nicht so frei, sondern passen sich dem Mainstram an und machen das, was "man" eben macht.

Die von jenen geforderte Freiheit ist eher ein Illusion; denn sie beachten nicht, welchen Zwängen sie eigentlich folgen.
www.erzbistum-paderborn.de hat geschrieben:„Die Freiheit des Schöpfers und die Freiheit des Geschöpfes stehen nicht im Gegensatz oder in Konkurrenz zueinander. Vielmehr ist unsere geschöpfliche Freiheit freies Geschenk der göttlichen Liebe.“

Ein Leben in Freiheit entfalte sich da, wo der Mensch Gott diene und ihn allein anbete: „Dann wird er seinen Mitmenschen nicht als Begrenzung, sondern als Bereicherung seiner eigenen Freiheit erkennen können. Dann wird er seine Freiheit nicht mit Willkür oder Unordnung verwechseln, weil er sie im Gehorsam gegen Gott fest verankert hat.“

Jeder Gottesdienst, so Erzbischof Becker weiter, sei letztlich eine Besinnung auf dieses Fundament der menschlichen Freiheit. „Auch unsere liturgischen Formen am Hochfest unseres Bistumspatrons machen deutlich, wozu wir berufen sind, nämlich: Zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes!“
Gruß Jürgen

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Was der Erzbischof da über die Freiheit schreibt, ist zumindest sehr erklöärungsbedürftig.

So wie er es da hinstellt in deinem Link vom Erzbistum klingt es sehr nach Sinnumdeutung.... Frei ist nur wer Gott gehorcht... wenn das nicht begründet wird, braucht man sich aber nicht wundern, wenn die meisten Menschen nur den Kopf schütteln und sich abwenden...

Werner

Karin Istel
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man

Beitrag von Karin Istel »

Ich bin zwischen Amüsement und Verzweiflung hin und her gerissen, wenn ich die Diskussion um das Wörtchen "man" verfolge. Die Diskussion gab es schon zu Ende der 70er im vorigen Jahrtausend! Ja, das Wörtchen "man" ist sexistisch, denn es blended die Sicht von Frauen aus. (Das englische Wort "his-tory" zeigt ja auch ganz deutlich, um wessen Geschichte es geht.) Und nein, wir haben noch kein neutrales Äquivalent dafür gefunden.
Viel erschreckender finde ich aber, dass viele Menschen sich von den Medien bestimmen lassen. Ja, wir Medienmacher (ich gehöre dazu) haben die Macht, gewisse Informationen in den Vordergrund zu stellen und andere dafür zu ignorieren. Das enthebt doch aber den Medienkonsumenten nicht, sich seine eigene Meinung zu bilden! Der Spiegel berichtet über ein Geschehen anders als sie Zeit! "Man" kann also ein ziemlich einfaches Wörtchen sein, um sich aus der Verantwortung zu stehlen.

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