Du zeigst einige Ansichten, die ich trotz meiner Überzeugung als Katholik nicht verstehe (und bei manchen sehe, die an diesem Pontifikat leiden). Ich gebe Dir Recht, daß - da hat allerdings Papst Franziskus nichts mit zu tun - die gelebte Art und Weise der Stellung des Bischofs von Rom nicht unbedingt so sein muß (ganz ohne Änderung der Doktrin). Ich halte das ständige Starren (von uns allen!) auf den Bischof von Rom nicht für förderlich, fand das auch schon bei B16 und JP2 so.
Auf Christus sollen wir schauen, auf niemanden sonst! (Bestensfalls mit den Augen seiner (und unserer) Mutter.) Und was soll Dir der (jetzige oder nächste oder übernächste) Papst noch sagen, was Du nicht schon weißt? Die Lehre der Kirche ist erfahrungsgesättigt, ist im Katechismus in Grundzügen dargelegt. Die Erfahrung und das Vorbild der Heiligen - da kann jeder frei wählen oder es auch ganz lassen - gibt uns genug Anhaltspunkte. Und das reale Leben selbst bietet genug Gelegenheit der Anwendung.
Du schreibst, Du siehst niemanden, der die reiche Tradition der westlichen Kirche als Schatz heben würde. Warum benötigst Du andere dafür?
Du hast die Hl. Schrift, Du hast direkten Zugang zu Ihm über die Sakramente - was fehlt objektiv? Subjektiv vielleicht ein Gefühl der ekklesialen Geborgenheit?
Einen, Deinen letzten Punkt, sehe ich anders. Das Papsttum war der Anstoß zur Spaltung, ja, aber anders als von Dir dargelegt. Du kannst jeden Geistlichen fragen: Gehorsam ist das schwierigste Versprechen, und dem höheren Klerus, der schon weiß, wie Macht sich anfühlt, fällt das besonders schwer.
Ich habe letzten Sommer in rumänischen Klöstern (im Nordosten in der Moldauregion - himmlisch schön!) eine solch formal korrekte, aber hingerotzte "Göttliche" Liturgie erlebt (meine angeheiratete Familie ist rumänisch und ich verstehe und spreche es ganz gut), daß meine Angehörigen sich fremdschämten.
Wer meint, auf der orthodoxen Seite des Zauns sei das Gras grüner, der irrt. Es werden einfach nur die einen Probleme durch andere ersetzt.
Lieber Ralf,
ich bin beim ersten Punkt völlig bei Dir. Der absolute Bezugspunkt muss Christus selbst sein. Das ständige Starren nach Rom auf den Papst (ob begeistert oder kritisch) ist einem gesunden Glauben m.E. abträglich. Eine gewisse "Papolatrie" kann man in der Tat seit JPII feststellen. Genau das ist der Punkt: Der Papst soll das Glaubensgut unverfälscht weitergeben und nicht die Kirche "voranbringen in ein neues Zeitalter". Ja, er soll mir sagen, was ich möglicherweise schon weiß oder ggfs. auch nicht wahrhaben will. Sein Job ist es, die Einheit und Reinheit des Glaubens zu sichern und seinen "Schäfchen" auf dem Weg zur Heiligkeit und Vereinigung mit Christus zu helfen. Der Papst ist kein Politiker. Er ist kein CEO einer religiösen Organisation. Aber genau so verhält sich Rom und auch die Kirche hier in Deutschland.
Wenn ich davon sprach, dass die Schätze der westlichen Tradition gehoben werden sollten, dann meinte ich damit nicht ein "pick and choose" des einzelnen Gläubigen. Im Grunde backe ich mir doch dann meine eigene Religion. Genauso verhalten wir -verhalte ich- mich aber zur Zeit. Die Tradition von der ich sprach, sollte aber Auswirkungen auf die Liturgie, die Lehre, die Predigt und die gesamte Spiritualität der Kirche haben. Da kann ich aber gar nichts sehen. Wie sollten denn die Kinder dauerhaft geistlich wachsen, wenn "Mutter Kirche" sie nicht nährt? Wie lange kann ich einen gesunden Glauben leben, wenn ich im Grunde gegen den aktuellen Kurs der Kirche glauben muss, um überhaupt den Glauben zu halten? Was ist das für eine Kirche? Sicherlich gibt es die eine oder andere Insel, wo noch ein volles katholisches Leben möglich ist. Bei der ganz überwiegenden Zahl der Gemeinden, Bischöfe, Pfarrer und auch Gemeindemitglieder ist das anders. Die wollen diese Kirche mit ihren alten Dogmen und Lehrsätzen und Glaubensvollzügen nicht mehr. Sie wollen so sein wie alle. Das ist genauso wie bei den alten Israeliten, die immer wieder aus diesen Gründen sich vom HErrn abgewandt haben und Götzendienst betrieben haben. Das alles entfaltet sich von neuem (siehe ganz deutlich die Amazonassynode) vor unseren Augen und wird von den obersten Hierarchen nicht nur geduldet, sondern auch noch gefördert!
Im Hinblick auf die Spaltung habe ich mittlerweile tatsächlich eine andere Auffassung als Du. Es geht nicht um Gehorsam, sondern um Reaktionen auf eine Ursupation von geistlicher Macht, die nicht dem Evangelium und auch nicht der alten ungeteilten Kirche entsprechen. Hier hat es eine ganz eindeutige Verschiebung geben. Das Thema ist zu komplex, um es hier zu behandeln (wäre vielleicht ein neuer Thread). Nur zwei Statements:
“Whoever calls himself universal bishop, or desires this title, is, by his pride, the precursor to the Antichrist.” Pope St Gregory the Great (540-604 AD)
Hier ging es darum, dass sich der Bischof von Konstantinopel diesen Titel angemaßt hat (bzw. Papst Gregor hat das so verstanden). Papst Gregor führt dazu weiter aus:
“Therefore, dearly beloved brother, have humility with all your heart. It is that which inspires peace among the brethren…What will you say to Christ, Who is the Head of the universal Church – what will you say to Him at the last judgment – you, who by your title of universal, would bring all His members into subjection to yourself? Whom I pray you tell me, whom do you imitate by this perverse title if not Lucifer who, despising the legions of angels, his companions, endeavored to mount to the highest?…But if anyone usurp in the Church a title which embraces all the faithful, the universal Church – O blasphemy! – will then fall with him, since he makes himself to be called the universal. May all Christians reject this blasphemous title – this title which takes the sacerdotal honor from every priest the moment it is insanely usurped by one.”
Und man vergleiche dazu Aussagen eines Papstes aus dem 11. Jhd.:
“The Roman pontiff alone can with right be called universal.” Pope Gregory VII (1015/1028 – 1085 AD)
Gerade im 11./12. Jhd. hat es im Westen schwere Verschiebungen in der Ekklesiologie gegeben.
Und genau diese Anmaßung, dass ein Mann alleine versucht die Richtung der Kirche zu ändern, merken alle aufmerksamen Christen (gerade auch die Traditionalisten). Sie sind aber letztlich gefangen in ihrer Ohnmacht des Gehorsams zum Papst, egal, was dieser tut. Das ist m.E. ein Systemfehler des römischen Katholizismus. Aus der Nummer kommt man ohne ein Schisma nicht mehr raus, es sei denn Gott tut ein Wunder.
Natürlich ist das Gras bei den Orthodoxen nicht grüner. Ich hatte ja schon gesagt, dass diese ihre eigenen Problem haben. Es ist auch keine Lösung jetzt wild in orthodoxen Gemeinden zu konvertieren, die dafür kein Verständnis haben und wo man letztlich ein ethnischer Fremdkörper ist und bleibt. Vater Bunge hat mir in diesem Zusammenhang gesagt, dass uns vermutlich nichts anderes übrig bleibt, als zu "überwintern". Möge Gott uns allen gnädig sein.
Ich habe jetzt etwas viel geschrieben, weil ich in der adventlichen Fastenzeit ein Medienfasten ausprobieren will und daher erstmal nichts kommen wird.
Ich würde mir für diesen Thread wünschen, dass er frei von Polemik bleibt und die Argumente offen und mit geschwisterlichem Respekt ausgetauscht werden können. Das gilt für die Hitzköpfe in beide Richtungen. Mit Schaum vor dem Mund hat man noch nie ein Herz bekehrt.
Pax et Bonum
Franz
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."