Wolfram Weimer sieht eine erhöhte Bedeutung, insbesondere für die bürgerlichen Parteien und erwartet ein Debakel für die CDU:
http://www.handelsblatt.com/politik/deu ... 4738.htmlDie Bürgerschaftswahl in Hamburg wäre für die Geschicke Deutschlands normalerweise so wichtig wie eine Hafenrundfahrt des Rotary-Cubs Blankenese. Eine gediegene Sache von örtlicher Bedeutung, für die Republik aber reichlich egal. Doch diesmal ist das anders. Das Land ist nach EZB-Geldflut und Griechenextremismus, nach Pegida-Märschen und islamistischen Attentaten aufgewühlt, und es wird 215 keine wichtigere Wahl mehr geben, denn nur Bremen darf noch an die Urnen.
(...)
Wirklich spannend aber wird die Hamburg-Wahl im bürgerlichen Lager. Gleich drei Signalüberraschungen könnte der Urnengang bringen. Erstens hat die schon mausetot geglaubte FDP eine echte Comeback-Chance. Das liegt nicht nur daran, dass Christian Lindner seiner schwer verwundeten Partei neue Farben und – deutlich wichtiger – ein gutes Stück Würde zurück verliehen hat. Auch die ungewöhnlich sichtbare und umtriebige Spitzenkandidatin Katja Suding spielt dabei eine Rolle.
Das zweite mit Spannung erwartete Ergebnis betrifft die AfD. Nach den hitzigen Debatten um Pegida wird die Hamburg-Wahl eine Art politische Wetterscheide. Hamburg ist das Heimatrevier der AfD-Granden Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel. Sollte die AfD hier an der Fünfprozent-Hürde scheitern, dann wäre die selbst ernannte Alternative schlagartig keine rechte Alternative mehr. Ginge der Aufstieg der konservativen Protestpartei aber weiter, und gelänge ihnen erstmals der Einzug in ein Westparlament - dann wäre die Pegida-Afd-Bewegung auf dem Weg zu einer republikverändernden Größe.
Das dritte und vielleicht am besten verborgene Drama spielt sich in der CDU ab. Denn der Union droht in Hamburg nicht weniger als ein Debakel. Das katastrophale und über Jahre hinweg als historisch einmalig abgetane Tief der vergangenen Wahl droht sich zu wiederholen. Und das ausgerechnet in der Geburtsstadt von Angela Merkel.
Sollte die Union wirklich – wie es Umfragen voraus sagen – nur bei 2 bis 23 Prozent der Stimmen landen, dann wäre das ein Desaster mit internationaler Signalwirkung, denn auch das Ausland schaut nach den Attentaten von Paris, den Demonstrationen von Dresden und den Griechenland-Turbulenzen genau auf das Abschneiden der Kanzlerin-Partei.
(...)
Seit Monaten rumort es bereits in der CDU, dass der Linksschwenk von Angela Merkel und der Großen Koalition viele Stammwähler entfremde. Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreis-Bremse, Doppelpass, Frauenquote, Migrations-Politik, EZB-Schuldensozialismus – die Merkel-Regierung würde lauter sozialdemokratische Projekte durchsetzen, die klassischen Kernthemen der Union wie Sicherheit, Wirtschaft, Werte, Familie, Religion spielten dagegen kaum noch eine Rolle.
Dazu kommt, daß die Hamburger keine Scheu haben, neue Parteien zu wählen - man denke nur an die inzwischen wieder verschwundene "Schill-Partei".