In der „offenen“ Kölner Jesuitengemeinde, zu der ich gehöre, finden relativ häufig Konversionen zur katholischen Kirche statt (hier im Forum gibt´s ja auch `ne Reihe Leute, die konvertiert sind – „von außerhalb“ zur katholischen Kirche oder aus der Entfremdung „bewusst zurück“ oder vom „liberalen“ zum „konservativen“ Kirchenflügel). „Mein“ Pfarrer, Pater Mennekes, erzählt gerne (gerade und auch) „seinen“ Konvertiten den halb scherzhaft, halb ernst gemeinten alten Klosterspruch: „Gott bewahre uns vor Heiligen und Konvertiten!“ „Ernst gemeint“ heißt: „Gott bewahre uns wirklich vor 150%igen, übereifrigen, übermotivierten Leuten, päpstlicher als der Papst!“ Dieses Problem ist bei den Konvertierenden „meines“ Pfarrers zwar nicht oder nur minimal gegeben (die sind durch die Bank un-radikal, un-fanatisch, un-verbissen, locker), und dennoch sagt er´s – für alle Fälle. Denn generell besteht diese Problematik tatsächlich.
Wobei, das sag ich gleich dabei, ich prinzipiell überhaupt nichts gegen Konversionen habe – wie könnte ich! Der Missionsauftrag Jesu an seine Gemeinde ist ja in der Folge unlösbar mit Konversionen zur Gemeinde hin verknüpft ... Wenn ich a = „Missionsauftrag besteht“ sage, muss ich logo auch b = „Menschen werden dann konvertieren“ sagen. Und außerdem ist mir ein bewusstes Hinkehren zum Glauben sympathischer als ein Christsein nur „dem Namen nach“. Ich kenne auch viele beeindruckende Konversionen/Konversionserlebnisse, z. B. das, von dem Blaise Pascal berichtet: „Feuer ... nicht der Gott der Philosophen und Gelehrten.“ Aber zurück zu problematischen Aspekten:
Von Konstantin Wecker hab ich den Satz in Erinnerung, dass „ jeder Konvertit seine Sache besonders gut machen will“. Das gilt, füge ich hinzu, sicher nicht für „jeden“ Konvertiten, aber doch für viele, unter anderem aus folgenden Gründen:
a) weil man es als Konvertit nicht so leicht hat, bei den „Alteingesessenen“ anerkannt zu werden – da wird man dann besonders eifrig in der Sache, will den anderen zeigen, wie „gut“ man ist, übertreibt´s auch (was wiederum den „Alteingesessenen“ auf den Keks gehen kann),
b) weil man eben von der neuen Sache so angetan/begeistert ist, dass man sich Hals über Kopf mit Feuereifer in sie hineinstürzt und alles absolut korrekt (150-prozentig) vollziehen will – eine besondere Radikalität bis hin zu fanatischen Zügen.
Wobei es manchmal aber auch gar nicht ums Besonders-gut-Machen geht, sondern um Eifer für den Erhalt dessen, weswegen man konvertiert ist. Beispiel: Viele ältere der Katholiken, die heute noch an der „alten“ lateinisch-„tridentinischen“ Messe festhalten, sind vor vielen Jahrzehnten insbesondere auch wegen dieser Mess-Form konvertiert und sind nun genau deshalb besonders eifrig auf deren Erhalt bedacht und setzen sich besonders vehement dafür ein.
Darüber hinaus gibt´s dann noch echte „Hardcore“-Konvertiten (so in der Richtung würde ich z. B. auch George Bush einordnen), für die nur ein rundum fanatisch vertretenes Schwarz-Weiß-Bild existiert:
In einer Untersuchung von Charles Strozier (1994), der in den neunziger Jahren psychoanalytisch orientierte lebensgeschichtliche Interviews mit protestantischen Fundamentalisten in den USA geführt hat, wird als Hauptmerkmal ihre „Gebrochenheit“ deutlich. Geschildert wird der entscheidende Einschnitt einer Bekehrung, die zumeist im späten Heranwachsendenalter oder im jungen Erwachsenenalter stattfand und zu einer Scheidung des Lebens in Vorher und Nachher führte und sich im Bild eines geteilten Selbst niederschlägt. Häufig sind schwere lang anhaltende persönliche Krisen oder Traumatisierungen vorausgegangen, dem dann eine Wiedergeburt zum Leben durch den Glauben folgte. Die Bekehrung wird zu einer überwältigenden authentischen Erfahrung, einem dramatischen Akt. Für diese Neukonstruktion von Lebensgeschichte bilden nun die fundamentalistischen kollektiven Sinnstrukturen das Gerüst, in das die individuellen Erfahrungen eingepasst werden. Der Konvertit taucht mit seiner persönlichen Geschichte in ein heilsgeschichtliches Drama von Zerstörung und Errettung ein. Die Vergangenheit ist schlecht und wertlos und wird abgespalten. Die Sehnsucht nach Verwandlung entfaltet eine Eigendynamik und steuert auf ein apokalyptisches Drama der Endzeit zu. Sie steht bald bevor, führt zur Vernichtung der Ungläubigen, zur Reinigung der Erde von Schmutz und Sünde und zur Errettung der Gläubigen, die in einem paradiesischen Endzustand mit Jesus in den Wolken über eine friedliche und harmonische Welt herrschen werden. In diesen Lebensberichten fällt die Kälte und Erbarmungslosigkeit auf, mit der die Vernichtung der ungläubigen Mitmenschen in diesem Enddrama geschildert wird. Die Ungläubigen verkörpern das in der Vergangenheit liegende eigene sündige schlechte Selbst des Konvertiten, das er aus sich selbst projektiv ausgeschlossen hat und dort endgültig vernichtet sehen will. So wird das apokalyptische Denken zum Vehikel für die eigene Destruktivität, gepaart mit einem idealen harmonischen Endzustand, in den der Gläubige eingehen wird.
Uli
www.textdienst.de/woran_christen_glauben.htm