Jacinta hat geschrieben:Angelus Silesius hat geschrieben:Hat Samson 1000 mit einem Eselsbacken erschlagen? Damit tut sich der Verstand schwer.
Mir wurde mal beigebracht, dass diese unwahrscheinlichen Zahlen nur sprachliche Bilder seien, mit denen bestimmte Aussagen unterstrichen werden sollen. Z. B. wenn einer sehr viele Frauen und Söhne hatte, dann war er ein reicher und angesehener Mann. Um das zu untersreichen hätten die Autoren dann mit den Zahlen ordentlich übertrieben. Inwiefern das jetzt so richtig ist, kann ich nicht sagen. Katechese kann man ja leider nicht mehr ernst nehmen, ohne sie kritisch zu hinterfragen.
Natürlich sind das und vieles andere auch nur Bilder. Bilder aus einer weit entfernten Zeit und einer uns weitgehend unzugänglichen materiellen Kultur. Die HKM kann in begrenztem Umfang zum Verständnis solcher Stellen beitragen. Sie könnte - ich konstruiere das jetzt mal - z.B. herausfinden, daß das mit "Eselskinnbacken" übersetzte hebräische Wort eine Verschreibung für ein assyrisches Fremdwort darstellt, das ein beidhändig geführtes Breitschwert bezeichnet - na und? Sie könnte genausogut herausfinden, daß tatsächlich immer und überall zweifellos "Eselskinnbacken" geschrieben steht, und das eine idiomatische Redewendung war, ähnlich wie unsere Redensart, jemanden "mit einem nassen Handtuch erschlagen" - na und?
Diese Dinge haben
auf dieser Ebene mit unserem Glauben genausowenig zu tun wie die Einreihung des Hasen unter die Wiederkäuer (3. Mose 11,6) oder die Frage, ob ein "Schöpfungstag" schon vor Erschaffung von Sonne und Mond 24 Stunden lang war.
Gott spricht zu uns oft in Gleichnissen - selbst sein fleischgewordenes Wort, unser Bruder (sag ich mal ganz ausnahmsweise) Jesus Christus, der uns so nahe war wie Gott sonst nie (selbst Abrahman durfte nur seine "Rücken" sehen - was auch immer das war), sprach zu uns über vieles nur in Gleichnissen.
Eine der großen Errungenschaften des neuen Testaments ist, daß es fast immer explizit sagt, wann etwas als Gleichnis gemeint ist und wann es über ein Ereignis berichtet. Daran kann man sich halten - und wer es nicht tut, verdinet dafür in der Regel keinerlei Vertrauen.
Noch viel mehr Halt gewinnt man, wenn man der sog. "kanonischen Exegese" folgt, also nicht einzelne "Stellen" isoliert und nach allen Regeln der Sprachwissenschaft und Frühgeschichte zergliedert, sondern im Zusammenhang des Wortes Gottes einordnet und ausdeutet. Zusätzlichen Halt gewinnt man dadurch, daß wir mit dieser Aufgabe ja nicht in jeder Generation bei Null beginnen müssen, sondern in den (auch ihrerseits freilich oft interpretationsbedürftigen) Erklärungen der Väter und in den festgestellten Lehren der Kirche aus der Tradition weitere Verständnishilfen haben.
Und genau da haben wir das Dilemma der modernen "Bibelwissenschaft": In diesem seit Jahrtausenden gewachsenen Gefüge der Überlieferung ist natürlich für umstürzende Neuerungen, wie sie heute selbst bei kleinen Geistern von einer Dissertation oder gar Habilitation verlangt werden, kein Platz. Das Streben nach "Originalität" führt nicht zwangsläufig, aber praktisch, zur Infragestellung der Lehre.