Luther und die Bauern

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Johaennschen
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Luther und die Bauern

Beitrag von Johaennschen »

Gerade lief im zwoten Programm "Luther und die Nation" in der Reihe "Die Deutschen". Darin wurde ein freimaurerisch aufgepeppter Luther präsentiert, daß nur so die Schwarte kracht!

Er habe sich natürlich nur gegen die Bauern gewandt, weil er seinem Fürsten unterwürfige Treue schuldig war, quasi als Gegenleistung für seinen Schutz. Luther habe sich hier gegen sein Gewissen entscheiden müssen, einen inneren Kampf ausfechten usw. usf.
Daß die Obrigkeit von Gott eingesetzt und man ihr Gehorsam schuldig sei, wurde regelrecht als eine Erfindung Martin Luthers dargestellt, mit der er den Herrschern quasi nach dem Munde redete. "Unrecht mit Unrecht zu bekämpfen ist nicht Gottes Wille. Das ist des Teufels!" wird er zwar im Film zitiert, aber das war den Machern des Streifens wohl zu theologisch, um es verstehen zu können. :roll: Die sind wahrscheinlich auch der Meinung, Luther hätte heute für Obama gestimmt. :D

Sicherlich ist die Bewertung des Bauernaufstandes keine einfache Sache gewesen, aber daß die harte konterrevolutionäre Position Luthers eigentlich gar nicht seine eigene gewesen sein soll, halte ich doch nun wirklich nicht für sehr wahrscheinlich. :kratz:

Kennt sich hier jemand genauer aus mit der Bauernfrage? Kennt jemand vielleicht Belege für die präsentierte Deutung?
Vielleicht kenne ich mich ja nur zu schlecht aus und Luther war wirklich schon Befreiungstheologe... :hmm:
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
Nicolás Gómez Dávila

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Pit
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Re: Luther und die Bauern

Beitrag von Pit »

Johaennschen hat geschrieben: ...
Kennt sich hier jemand genauer aus mit der Bauernfrage? Kennt jemand vielleicht Belege für die präsentierte Deutung?
Vielleicht kenne ich mich ja nur zu schlecht aus und Luther war wirklich schon Befreiungstheologe... :hmm:
Befreiungstheologe war Luther sicher nicht, der Meinung, daß die Obrigkeit von Gott gewollt ist- solange sie nicht den Geboten Gottes zuwiderhandelt- schon.

Gruß,Pit
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Edi
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Beitrag von Edi »

Luther war zunächst nicht gegen die Bauern eingenommen, hat aber als er sah, was die Bauern anrichteten seine Meinung geändert.
Zitat:"Steche, schlahe, würge hie, wer da kann! Bleibst du druber tot, wohl dir! Seliglichern Tod kannst du nimmermehr uberkommen, denn du stirbst in Gehorsam göttlichs Worts und Befehls (Röm. am 13.) und im Dienst der Liebe, deinen Nähisten zu retten aus der Hellen und Teufels Banden. So bitte ich nu: Fliehe von den Bauren, wer da kann, als vom Teufel selbst."

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Zwar nicht die beste Quelle, aber inhaltlich richtig:
...Obwohl die Standpunkte der Reformation eine wesentliche Rechtfertigung für die aufständischen Bauern waren, distanzierte sich Martin Luther deutlich vom Bauernkrieg. Schon 1521 unterschied er genau zwischen weltlichem und geistlichem Bereich, da er mit der Reformation die Veränderung der Kirche und nicht – im Gegensatz zu Savonarola – eine Verchristlichung der Welt erreichen wollte. Von der Obrigkeit wurde er trotzdem zunehmend für die Geschehnisse im Bauernkrieg verantwortlich gemacht, wohl auch deshalb, weil er sich nicht eindeutig von den Forderungen der Bauern distanzierte. Noch 1525 kritisierte Luther in seiner "Ermahnung zum Frieden" das "hochmütige" Verhalten der Fürsten. Erst nach der Weinsberger Bluttat schlug er sich eindeutig auf die Seite der Fürsten und verurteilte die Aufständischen scharf:

wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern [...] man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.

Seine Schrift "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" veröffentlichte Luther allerdings erst zu einem Zeitpunkt, als die Niederlage der Bauern bereits absehbar war. Seine Rolle im Bauernkrieg wird daher von mehreren Historikern kritisch bewertet.

Nach 1525 verlor der Protestantismus seinen revolutionären Geist und zementierte, auch von Luther unterstützt, die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse mit dem Glaubenssatz „Seid untertan der Obrigkeit“...
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_ ... eformation
Andere, aber ähnliche Erzählung:
...Die Lage der Bauern in der damaligen Zeit war sehr unterschiedlich; rein wirtschaftlich standen sie sich vielfach nicht schlecht, aber rechtlich waren sie faktisch rechtlos, den „Herren“ ausgeliefert, insbesondere seit der Einführung des römischen Rechts, und litten unter enormen Steuerdruck. Die Botschaft der Reformation wurde von ihnen begeistert aufgenommen, aber vielfach missverstanden, Gottes Reich und Weltreich vermischt. Sie stellten ihre Forderungen in den „Zwölf Artikeln“ auf, die insgesamt gemäßigt waren. Luther riet in seiner „Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel“ zur Verständigung und verwarf die Vermengung der beiden Reiche. Keine Seite hörte auf ihn; der Bauernaufstand brach los und wütete mit entsetzlicher Brutalität; zum Teil auch durch den Schwarmgeist Thomas Müntzer geschürt. Auf diese furchtbare Anarchie antwortete Luther mit „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“, um aber in einer dritten Schrift zur Milde gegen die zu mahnen, die überwunden waren. Aber die Fürsten wüteten ebenso entsetzlich wie die Bauern...

Quelle: http://www.lutherische-bekenntnisgemein ... hichte.htm
P.S. Ich denke, man darf nicht außer Acht lassen, dass Luther durchaus auf der Seite der Bauern war und das Verhalten der "Herren" auch öffentlich kritisierte. Einige Bauern mutierten allerdings von den "Unterdrückten" zu mordenden Bestien. Sich in so einer Situation auf der Seite der Obrigkeit zu stellen, war folglich auch kein Gewissensverrat, sondern eine weitsichtige und politisch völlig vertretbare Entscheidung. Man kann schließlich Unrecht nicht mit Unrecht vergelten und dabei noch unschuldige Menschen mit ins Verderben reißen. Aber genau das taten die Bauern. Noch nicht einmal die völlig inakzeptable und unchristliche Unterdrückungen bzw. Ausbeutungen unter der Herrschaft der Fürsten und Lehnsherren rechtfertigten ihre Verbrechen.
Zuletzt geändert von Marcus am Dienstag 4. November 2008, 22:44, insgesamt 1-mal geändert.

Johaennschen
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Beitrag von Johaennschen »

Daß er die Lage immerhin etwas differenziert gesehen hat, legen ja solche Äußerungen nahe:
Luther im Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern hat geschrieben:Die wütigen, rasenden und unsinnigen Tyrannen, die auch nach der Schlacht nicht mögen Blutes satt werden und in ihrem ganzen Leben nicht viel fragen nach Christo, habe ich mir nicht vorgenommen zu unterrichten. Denn solchen Bluthunden gilt es gleich viel, sie würgen Schuldige oder Unschuldige. - Was sollte ich solchen Rangen und Säuen schreiben?

Ich hätte beide, die Bauern gern gestillt und fromme Obrigkeit unterrichtet. Nun aber die Bauern nicht wollten, haben sie ihren Lohn dahin. Diese aber wollen auch nicht hören; wohlan, sie werden ihren Lohn auch haben.
Aber die Darstellung der Position Luthers in dem Film war ja so, daß er eigentlich ganz bei Müntzer gewesen wäre, nur leider nicht konnte wie er wollte. Woraus dieser Schluß gezogen wird, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht haben die Filmemacher ja Luthers Tagebuch gefunden.
Hat eigentlich jemand die Sendung gesehen?
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Nicolás Gómez Dávila

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Das Problem ist, dass viele Luther so präsentieren wollen, wie er ihnen selbst am besten gefällt. So kann er dann für vieles herhalten, und zwar im positiven wie auch im negativen Sinne.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Text sind immer Auslegungssache (das gilt ja auch für die Bibel) und es ist im Nachhinein oft schwer zu sehen, was auch aus dem Zeitgeist heraus geschrieben wurde. Jeder Mensch ist auch ein Kind seiner Zeit. Da kann man jetzt über manche Schriften Luthers rätseln und jeder das hereinlesen, was ihm zu seiner Denkweise passt.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Lutheraner hat geschrieben:Text sind immer Auslegungssache (das gilt ja auch für die Bibel) und es ist im Nachhinein oft schwer zu sehen, was auch aus dem Zeitgeist heraus geschrieben wurde. Jeder Mensch ist auch ein Kind seiner Zeit. Da kann man jetzt über manche Schriften Luthers rätseln und jeder das hereinlesen, was ihm zu seiner Denkweise passt.
Ja Lutheraner, Luther macht seinen Anhängern echte Probleme, was? 8)
Aber ohnehin bin ich der Meinung, dass Du mehr katholische Grundansichten vertrittst, als es für Deinen protestantischen Glauben gut ist. 8)

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Johaennschen
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Beitrag von Johaennschen »

Wie wird denn die Sache mit dem Bauernkrieg eigentlich von den römisch-katholischen gesehen? Ihr standet doch eigentlich auch meist auf der Seite der Konterrevolution, oder? Ich denke da an Donoso Cortez, Franco und andere (den aus meiner Signatur z. B.).
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

ad_hoc hat geschrieben:Aber ohnehin bin ich der Meinung, dass Du mehr katholische Grundansichten vertrittst, als es für Deinen protestantischen Glauben gut ist. 8)
Das Katholische unterscheidet den bekenntnistreuen Lutheranern von den anderen christlichen Konfessionen ;-)
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