Aber Mathew und die Anglikaner spielten m.W.n. bei den liturgischen Reformen der Alt-Katholiken keine besondere Rolle. Vielmehr muß man im Auge behalten, dass die Alt-Katholiken nicht nur eine Reformbewegung des Katholizismus waren/sind, sondern eine Gegenreaktion waren -- gegen Rom des späten 19. Jhd. Das heißt, viele Alt-Katholiken reagierten allergisch auf römische Praxis und wollten sich möglichst davon entfernen -- und in der Zeit gingen Anglikaner genau in Gegenrichtung!
Bis heute spüre ich etwas von dieser ablehende Haltung bei manchen Alt-Katholiken -- wenn was "römisch" vorkommt, will man das nicht. Aber im Großen und Ganzen denke ich, dass diese allergische Haltung schwindet und gerade bei uns in Hannover feiert man relativ "high church", und zwar mit Gelassenheit. Wir feiern m.E. deutlich "higher" als unsere benachbarte römische Gemeinde.
Das gleiche Problem gibt es heute. Der Novus Ordo Missae Pauls VI. (1969/1970) wird ja oft bewusst von den "konziliaren" Pfarrern so Protestantisch möglich zelebriert, obwohl die Protestantischen Gemeinschaften ja oft obwohl radikal evangelikalisch-pentekostalisch werden óder zu "römischen" Traditionen greifen (z.B. Wiederbelebung der Beichte, wenn auch nicht sakramentell, daneben auch die High Church Bewegung die immer mehr akzeptiert wird unter Anglikanern und Lutheranern).
Die Antibewegung und die "Reformen" der Altkatholiken und Anglikaner werden seit dem II. Vatikanischen Konzil bis heute von den deutschen römisch-katholischen Bistümern weitergeführt und imitiert.
Wie Du schon sagst, sieht die Liturgie einer römisch-katholischen Gemeinde im Deutschland von 2006 protestantischer aus als die Liturgie in einer anglikanischen Gemeinde. Ja, in Schweden zelebrieren sogar die meisten männlichen Pastore der Lutherischen Staatskirche "römischer" als die r.-k. Bischöfe von Deutschland und Frankreich zusammen.
Der tridentinische Ritus ist ja der römisch-ste Ritus der es heute gibt. Gerade deswegen, weil er an dem Rom eines seligen Pius IX. erinnert, wird er von weiten Teilen der "anti-römischen" und "anti-dogmatischen" Kreise "in" der heutigen "Kirche" (röm.-kath. angeblich) verworfen und heftig bestritten, ja ausgegrenzt.
Übrigens konnte Max Thurian, als er noch lutherischer Pastor war und von 1965-1969 als Berater und Observator der Liturgiekommission Bugninis in Rom bei Seite stand, mit dem Novus Ordo Missae im II. Eucharistischen Gebet, und dann am liebsten ohne Heilige, vereinigen. Das zeigt schon, dass der NOM weitestgehend protestantisiert ist und vom Begriff der Transsubstantiation und vor allem des sühnenden Opfers fast nichts mehr stehen lässt.
Dennoch kann ich auch nicht sagen, dass der NOM an sich explizit häretisch ist, oder gar schlecht oder ungültig. Schlecht nur im Sinne der indirekten Absicht der Erschaffer dieser Liturgieform, und im Sinne der im NOM fast überall eingewachsenen Missbräuche (Finger-Handkommunion, Messdienerinnen, ad-populum-Zelebration, falsche Übersetzungen).
Es gibt in dieser Hinsicht leider bei den aus unserer römischen Sicht
häretischen Altkatholiken weniger Missbräuche und Entgleisungen als in unseren eigenen "römischen" Pfarreien nebenan. Zum Beispiel habe ich zwar gesehen, dass Altkatholiken kniend die Handkommunion praktizieren, aber auch, dass man Mundkommunion macht, und dazu auch das "für viele" benutzt, anstatt der Falschübersetzung "für alle Menschen".