Hm, ich war jetzt zweimal "drueben". Was mir auffiel: schoene Landschaften, aber sie "dauern" zu lang (war viel mit dem Auto unterwegs) = die ersten fuenf Minuten sind spannend, dann bleibt die Landschaft hunderte von Meilen gleich. Sofort wuenschte ich mir den Schwarzwald zurueck
. Die Leute: ganz unterschiedlich, aber alle freundlich (wenn auch meist oberflaechlich freundlich), bessere, tiefergehende Gespraeche ergaben sich meist eher mit gesellschaftlich schlechter Gestellten, Leute aus den oberen Schichten hielten in meinen Gespraechen mit ihnen (merkwuerdigerweise) eher an ihren Vorurteilen bzw. Nichtwissen fest (Eine wahrscheinlich oft erzaehlte Anekdote hab ich auch erlebt: "Hitler ist doch Praesident bei euch, oder?").
Die Oberflaechlichkeit ist hier Programm. Das kann angenehm sein, wenn sie einem in Form eines Zuwinkens von einem nach Tagen entgegenkommenden Autos (bzw. dessen Fahrer) begegnet, aber auch schlimm, wenn man mit Leuten redet. Besonders ausgepraegt ist solch ein Verhalten in Geschaeften; dort herrscht zwar eine Freundlichkeit, von der sich viele der hierzulande im Verkauf Taetigen eine Scheibe abschneiden koennten, allerdings geht`s halt ums Geld ("Man merkt die Absicht und ist verstimmt").
Was man manchmal merkt, ist die intellektuelle Unbeweglichkeit vieler Leute; das wirkt sich so aus, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass andere Kulturen eben anders leben und auch gar nicht anders leben wollen, u.U. auch ueberhaupt nicht dieselben Werte teilen. Das kann man allerdings nur der oberen Schicht anlasten, die entsprechenden Zugang zu einer ganzheitlichen Bildung hatten bzw. haben. Das Ignoranzpotential gegenueber anderen Laendern, Kulturen etc. ist wie gesagt hoch. Meine Tante (sie lebt seit fast 30 Jahren dort u. hat einen Amerikaner geheiratet) meint, dass die grosse Masse der Leute durch hohe Buchpreise, fehlenden Zugang zu wirklich oder eher unabhaengigen Medien (kosten Geld, z.B. CNN nur durch Kabel, ueberregionale Zeitungen etc., Internet wird selten zur Bildung benutzt) bewusst dumm gehalten werden sollen. Das halte ich fuer etwas ueberspitzt formuliert, aber kommt zumindest dem Effekt nach hin.
Nach dem Abschluss meiner Ausbildung haette ich die Moeglichkeit gehabt, dort eine Stelle zu bekommen, ich habe aber abgelehnt, weil ich mir das Leben dort nicht vorstellen konnte. Ich bereue das bis heute nicht.
Noch was zur Bildung, nur ein kleines Streiflicht: ich hab mir das Schulbuch meiner Nichte aus Texas angesehen; eine Seite ueber die Ausrottung der Indianer (ohnehin grotesk verzerrt), ganze 15 Seiten ueber die Shoa. Niemand will relativieren, aber das war symptomatisch. Mit den dunklen Seiten ihrer Vergangenheit befassen sie sich weniger gern, das scheint aber eine angelsaechsische Eigenart zu sein (bzw. gibt`s auch in Frankreich oder warum sind bis heute die den II. Weltkrieg betreffenden Archive in Paris, London und Washington gesperrt, wogegen man beschaemenderweise in Moskau mittlerweile fast durchgaengig freien Zugang bekommt?). Auch wenn speziell bei uns in Deutschland das manchmal etwas "ausgebatscht" wird, das ist mir dann doch lieber als diese konsequente Verdraengung.
In diesem Zusammenhang ist mir was die USA (aber auch Grossbritannien und Frankreich) betrifft aufgefallen, welcher fast schon quasireligioeser Kult um nationale Symbole betrieben wird. Im Oberstuebchen hab` ich mir dazu eine kleine Theorie zugelegt: Ueberall dort, wo uebermaessig Flaggen als nationale Symbole zu sehen sind, stimmt was nicht bzw. ist im Durchschnitt keine oder nur wenig Reflektionsvermoegen ueber die eigene Herkunft, Geschichte bis hin zur eigenen Biographie etc. vorhanden, als waere eine Stufe der Individuation in der Entwicklung ueberschritten oder ausgelassen worden (Trennung von Symbol und Symbolisiertem). Interessanterweise wurde mir das von Briten u. Amerikanern bestaetigt, allerdings mit dem Hinweis, dass "wir" Deutschen das auch uebertreiben wuerden. Da koennte was dran sein, wir neigen ja ein bissl zur Uebertreibung, aber ein wenig mehr Reflektion koennte manchmal Kriege verhindern...z.B. das ehrliche Nachgehen nach der Frage, warum man nur so unbeliebt ist? Erst wenn man sich diese Frage gar nicht erst mehr stellt, ist der Rubicon zur Hybris ueberschritten, bezeichnenderweise habe ich gerade in letzter Zeit Vergleiche der USA mit dem zusammenbrechenden roemischen Imperium gehoert. Analogien zur Naturwissenschaft bieten sich an: ein "sterbender" Stern blaeht sich auf, bevor er in einer Supernova implodiert.
Gruss, Yeti