Auf Fels gebaut

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Lioba
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Lioba »

Die - für manche befremdlichen- Papstsympathien bei Evangelen ist zum Teil auch der aktuellen Misere zu schulden.
Es gibt in den Landeskirchen ja kaum noch Autoritäten. die ihren Gemeinden und Pfarrern Halt vermitteln können. Am krassesten sehe ich es in Schweden am Beispiel von Bo Giertz. Ein glaubenstreuer verantwortungsbewusster Bischof, der Hochkirchler und Pietisten zusammenbrachte und der dann in die oppositionelle Position geriet durch die FO, die im Rekordtempo zum Zerfall führte, pardon in die wunderbare Postmoderne mit Eva Brunne.
Die Tendenzen sind hier nicht besser.
Dazu kommt, dass Rom in Serie integere und sympathische Päpste hervorbrachte, auch wenn man nicht über jede Einzelentscheidung glücklich sein mag. Jedenfalls kann selbst der hartgesottenste Papistenfresser nicht behaupten, dass sich ein Guiseppe Roncalli oder Albino Luciani zum Antichristen geeignet hätte.
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Bernado
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Bernado »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Für das römische Selbstverständnis scheint mir wichtig, dass die Infallibilität kein Beschluss ist, sondern eine Feststellung einer Glaubenswahrheit. Ein Beschluss bringt in der Regel eine "Wahrheit" erst zustande (ob eine Wahrheit jedoch beschlossen werden könnte, daran habe ich meine Zweifel: eine Wahrheit ist einfach wahr oder sie ist nicht). Eine Feststellung dagegen konstatiert die Wahrheit nur. Bestanden hat sie aber immer, wenn sie vielleicht auch noch nicht so klar formuliert worden ist. Und weil es sich um eine Glaubenswahrheit handelt, die festgestellt, nicht aber geschlussfolgert, beschlossen oder sonstwas wird, handelt es sich auch nicht um einen Zirkelschluss, was ich mit zugegebenermaßen unzureichenden Begriffen oben darzulegen suchte.
Und das gilt nicht nur für dieses, sondern für jedes Dogma. Die Offenbarung ist abgeschlossen, wir haben alle Elemente in der Hand, die wir hienieden bekommen werden - aber manchmal besteht noch "Klärungsbedarf", was wir eigentlich in der Hand haben. Ich habe den Verdacht, Robert fällt mit seiner Idee vom Zirkelschluss in die gleiche Falle des rechtlich-logischen Denkens, in der er das I. Vatikanum zappeln sieht.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Sondern die Kirche hat schlicht und einfach konstatiert, dass der Papst ex kathedra unfehlbar ist. Fertig.
So. Ich konstatiere jetzt auch mal was:

Ich bin der Herr Napolium
und krauche hier im Busch herum.


Und nu? Glaubst du mir? Oder haste vielleicht
ein paar kritische Nachfragen?
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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

conscientia hat geschrieben:wärst Du bitte so freundlich, noch einmal den Link zu Deinen seinerzeit formulierten 95 (oder wieviel auch immer) Thesen über Papsttum etc. zu posten?
Zwölfe war’n ’s, über die Synoden: http://kreuzgang.org/viewtopic.php?f=4&t=494
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Bernado
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Bernado »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: So. Ich konstatiere jetzt auch mal was:
Ich bin der Herr Napolium
und krauche hier im Busch herum.
Und hast du dafür eine überzeugende Tradition über tausend Jahre oder mehr?
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Evagrios Pontikos
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Bernado hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben: So. Ich konstatiere jetzt auch mal was:
Ich bin der Herr Napolium
und krauche hier im Busch herum.
Und hast du dafür eine überzeugende Tradition über tausend Jahre oder mehr?
Bei der katholischen Kirche ist das viel einfacher. Sie konstatiert vom Papst in der Zusammenschau der entsprechenden biblischen Texte und der kirchlichen Tradition: "Du bist Petrus, der Fels, der Oberhirte der Kirche, der den Hirten samt der ganzen Herde Hirte sein soll, und auf diesen Felsen baut Christus seine Kirche." Dass dies zu Widerspruch führen muss, ist klar. Manche sagen, der Papst sei der letzte Diktator Europas. So sieht das Papsttum schlimmstenfalls in der Außenperspektive des Nichtkatholiken aus. In der Innenperspektive des katholischen Gläubigen ist er der Fels etc. Weil die Kirche, nicht eine Einzelperson, dies konstatiert. Ich möchte sogar behaupten, dass sich daran entscheidet, ob jemand römisch-katholisch ist, oder ob er nur durch Geburt und Tradition Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist.
Zuletzt geändert von Evagrios Pontikos am Samstag 6. Februar 2010, 14:31, insgesamt 1-mal geändert.

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Lioba
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Lioba »

Kann es sein, dass wir hier begrifflich durcheinandergeraten- auch logische Schlussfolgerungen sind keine Beschlüsse, sondern Feststellung von etwas, das ist.
Der Satz des Pythagoras stimmte auch schon bevor Pythagoras den Beweis für seine Richtigkeit lieferte.Und er stimmte schon, bevor die Menschen überhaupt anfingen sich mit Geometrie zu beschäftigen.Ein Widerspruch zwischen der Tatsache, dass etwas immer schon war und nur erkannt werden muss und der Anwendung von Logik bei diesem Geschehen stehen absolut nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: die Logik ist hier der normale Weg . Der andere Weg - die rein empirische Betrachtung führt erstens immer nur zu mehr oder weniger grossen Wahrscheinlichkeiten und ist bei der Frage nach der päpstlichen Unfehlberkeit gar nicht erst anwendbar.
Die intuitive Erkenntnis allein ist jedenfalls höchst angreifbar.
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Lioba
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Lioba »

Sie konstatiert vom Papst in der Zusammenschau der entsprechenden biblischen Texte und der kirchlichen Tradition:
Wie aber geschieht diese Zusammenschau- ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mutter der Scholastiok da plötzlich irgendwie intuitiv zu der Erkenntnis kam, dass man das jetzt mal irgendwie so glauben solle. Da wären wir tatsächlich näher am Beschluss als an der Erkenntnis.
Ich habe es noch nicht geschafft, Gamaliels Link richtig durchzuackern, aber ich bin sicher, dass dort durchaus nachvollziehbar argumentiert wird- ebenso wie es bei der Gegenseiter der Fall ist.
Ich habe es
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Bernado
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Bernado »

Lioba hat geschrieben:Kann es sein, dass wir hier begrifflich durcheinandergeraten- auch logische Schlussfolgerungen sind keine Beschlüsse, sondern Feststellung von etwas, das ist.
Der Satz des Pythagoras stimmte auch schon bevor Pythagoras den Beweis für seine Richtigkeit lieferte.Und er stimmte schon, bevor die Menschen überhaupt anfingen sich mit Geometrie zu beschäftigen.Ein Widerspruch zwischen der Tatsache, dass etwas immer schon war und nur erkannt werden muss und der Anwendung von Logik bei diesem Geschehen stehen absolut nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: die Logik ist hier der normale Weg . Der andere Weg - die rein empirische Betrachtung führt erstens immer nur zu mehr oder weniger grossen Wahrscheinlichkeiten und ist bei der Frage nach der päpstlichen Unfehlberkeit gar nicht erst anwendbar.
Die intuitive Erkenntnis allein ist jedenfalls höchst angreifbar.
Du verwechselst/vermischst die Ebenen. Naturgesetzliche Sachverhalte und andere Eigenschaften der geschaffenen Welt sind nicht Gegenstand der Offenbarung. Sie sind so, wie sie sind, weil Gott die Welt so geschaffen hat - und uns hat er einen Verstand gegeben, mit dem wir diese Sachverhalte in fortschreitendem ausmaß erkennen können (wenn auch nicht immer leicht oder gar irrtumsfrei). Dabei spielt die Logik in der Tat eine große Rolle.

Die Gegenstände der Offenbarung liegen auf einer anderen Ebene. Sie sind dem Menschen nicht durch Forschen erreichbar, sondern werden ihm geoffenbart. In erster Linie durch die Schriften des ST und des NT, in dem uns sein WORT selbst begegnet, aber es gibt wohl auch schon eine vorhergehende "Uroffenbarung", mit der Gott dem Menschengeschlecht eine Erinnerung daran geschenkt hat,wie er dieses Geschlecht ursprünglich geschaffen hat.

Eine in gewissem Umfang vertretbare Verbindung/Durchdringung dieser beiden Ebenen findet da statt, wo man geoffenbarte Wahrheiten mit logischem Denken in Theologoumena "weiterentwickelt". Irrtumsfrei wären diese Weiterentwicklungen trotz aller Logik nur dann, wenn wir imstande wären, die Gedanken Gottes zu verstehen und weiterzudenken, wenn Gottes Logik und unsere Logik die gleichen wären. Dem ist aber nicht so. Und da kommt uns jetzt die Tradition hilfreich zur Hand. Wenn etwas immer und von allen geglaubt worden ist, dann befinden wir uns auf sicherem Boden - wo nicht, da nicht.

Leider ist aber auch die Hilfe der Tradition aber nicht absolut, denn ob etwas immer und von allen geglaubt worden ist, muß natürlich erforscht und begründet werden, und darin liegen Fehlermöglichkeiten und Streitquellen. Also ist noch eine zusätzliche und letztlich ausschlaggebende Hilfe erforderlich: Die des Hl. Geistes, dessen Leitung dem Petrus fest zugesagt ist. Und damit sind wir allerdings bei einem Glaubenspunkt, der nicht mehr weiter zu "beweisen" ist, sondern eben geglaubt wird, oder auch nicht.
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Evagrios Pontikos
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Lioba hat geschrieben:
Sie konstatiert vom Papst in der Zusammenschau der entsprechenden biblischen Texte und der kirchlichen Tradition:
Wie aber geschieht diese Zusammenschau- ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mutter der Scholastiok da plötzlich irgendwie intuitiv zu der Erkenntnis kam, dass man das jetzt mal irgendwie so glauben solle. Da wären wir tatsächlich näher am Beschluss als an der Erkenntnis.
Ich habe es noch nicht geschafft, Gamaliels Link richtig durchzuackern, aber ich bin sicher, dass dort durchaus nachvollziehbar argumentiert wird- ebenso wie es bei der Gegenseiter der Fall ist.
Ich habe es
Schrifterkenntnis vertieft sich immer aus konkreten geschichtlichen Situationen heraus. Das war schon beim christologischen und beim tritinarischen Dogma so. Die entsprechenden Begriffe und Denkmuster kamen in der Bibel nicht vor, sondern wurden in Zustimmung und Abgrenzung von den jeweiligen Gegnern aufgegriffen usw. Beim Dogma der Unfehlbarkeit scheint mir als ganz wesentlicher historischer Kontext der Kulturkampf der Neuzeit mitbedacht werden zu müssen, der gerade in jener Zeit tiefgreifende staatsrechtliche Konsequenzen nach sich zog: Bismarck in Preußen bzw. Deutschland und dann auch die massiven Kämpfe in der Schweiz um Gaspard Mermillod. In beiden Fällen legte es der Staat darauf an, die katholische Kirche staatlich zu domestizieren.

Die Folgen dieses Kulturkampfes wirken bis heute nach bzw. der neuzeitliche Kulturkampf verschärft sich weiter: Heute bildet sich mehr und mehr eine "Zivilreligion" heraus, die sich als Autorität über die kirchliche Religion stellen will. So verteidigte die Süddeutsche Zeitung die Kritik von Bundeskanzlerin Merkel an Papst Benedikt XVI. wegen Bischof Williams mit der Bemerkung, der Papst habe gegen die Zivilreligion verstoßen, die in diesem Lande gilt. Und diese Zivilreligion fordert eben, dass Williams wegen seiner Äußerungen zum Holocaust exkommuniziert werden muss.

Ich sehe im Dogma der Unfehlbarkeit - vom Kontext des modernen Kulturkampfes her betrachtet - etwas durchaus biblisch Wesentliches: Wird es der "Kirche vor Ort" gelingen, sich gegen den Sog der Zivilreligion erfolgreich zur Wehr zu setzen? Oder wird sie sich funktional in diese einordnen lassen und dadurch ihre alleinige Bindung an Gott verspielen? Wenn ich die Intention des Vatikanum I. richtig verstanden habe, geht es bei der absolutien Bindung der Kirche an den Papst im Moment der ex-kathedra-Entschedungen um die Bewahrung dieser Freiheit gegenüber dem staatlich-gesellschaftlichen Zugriff.

Die Bindung an Gott bewahrt die Freiheit gegenüber den Menschen. Wieder einmal hat die Evangelische Kirche z.B. in der Frage des Schutzes der Embryonen im Zusammenhang der Stammzellendebatte sich vom Sog der politischen Forderung wegspülen lassen. Bei anderen ethischen Diskussionen war dies auch schon der Fall, z.B. bei der Stellung zur Abtreibung. Als nächstes zeichnet sich dasselbe bei der Euthanasiefrage ab. Frau Käßmanns Äußerungen zu diesem Thema sind erschreckend. Die Zivilreligion fordert eben die Unterwerfung.

Raphael

Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Raphael »

Eine Anmerkung meinerseits:
Als bekennender Ultramontanist finde ich diesen Strang ausgesprochen erfreulich; insbesondere die ausgewogenen Stellungnahmen aus dem protestantischen "Lager"!

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Lioba
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Lioba »

Der Widerstand gegen die sittliche Normsetzung durch den Staat ist aber nicht nur in Rom stark, sondern auch in der Orthodoxie und in den meisten ev. Freikirchen. Als Argument für die Notwendigkeit der Infallibilität ist das also nicht So stark. Richtig ist, dass dieses Dogma genau auf dem Hintergrund des Kulturkampfs entstand.
Andere Dogmen entstanden aber meist da, wo die christliche Lehre präzisiert werden musste zur Abgrenzung gegen Irrlehren.
Aber die Frage nach dem Vat. I ist nicht zwingend an die grundsätzliche Primatsfragegebunden und diese nicht nur an die Frage, wer oder was denn nun mit dem Fels gemeint ist.
Also verrennen wir uns besser nicht nur an diesem Aspekt.
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Ilija
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Ilija »

Freunde, kann es sein das hier Zensiert wird? Der einzige, der das Thema richtig wieder gibt ist Robert, aber seine Ev. und Römischen Freunde scheinen dies nicht zu verstehen.... :/

Evagrios Pontikos
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Lioba hat geschrieben:Der Widerstand gegen die sittliche Normsetzung durch den Staat ...
Der sittliche Aspekt ist nur ein Aspekt. Die Schlagseite der Orthodoxie ist durch ihr Autokephalieprinzip die Gefährdung durch den Nationalismus und durch ihr Glaubensverständnis die Neigung zur Innerlichkeit, die politisch sich eher zurückhält. Die Freikirchen wiederum spielten zum Teil eine umstrittene Rolle in der Nazizeit, gerade auch in Bezug auf einen heilsgeschichtlich begründeten Antisemitismus. Außerdem neigen die Freikirchen auch dazu, Glaube und Politik zu trennen.

Unvergesslich wird mir die Begegnung mit dem inzwischen verstorbenen katholischen Priester Hermann Scheipers sein, damals letzter noch lebender deutscher Priester-Häftling vom KZ Dachau. Er hatte im Gehorsam gegen den Papst und natürlich auch aus Überzeugung 1937 die Enzyklika Pius' XI. "Mit brennender Sorge" im Gottesdienst verlesen. Er schreibt in seiner Autobiographie "Gratwanderungen" (S. 20): Zwei Wochen vor Ostern wurde das Rundschreiben in allen katholischen Kirchen verlesen. In meinem Heimaturlaub habe ich es damals mit dem Leichtmotorrad persönlich den einzelnen Pfarrern des Kreises Steinfurt überbracht mit der Anweisung, es bis zum Augenblick der Verlesung zu verstecken." In diesem Akt zeigt es sich für mich in einer höchst beeindruckenden Weise, wie sich die weltumspannende Kirche, die Una Sancta, dem Zugriff der Vereinnahmung, nicht nur durch die Politik, sondern durch das Partikularinteresse einer antichristlichen Macht, sei es nationaler oder sonstiger Art entzieht.

Es geht hier nicht nur um eine sittliche Normsetzung durch den Staat, wie Lioba es nennt. Das kann es auch sein. Es geht hier um den Machtanspruch eines Partikularinteresses, egal in welchem Gewand er herkommt, eines Partikularinteresses, das die Kirche zwingen will, aufzuhören Catholica zu sein (Nationalsimus, Kapitalismus, Sozialismus usw.). Wenn der Papst hier unbeugsam seine Stimme erhebt, dann ist er in Wahrheit der Fels, gegen den die Höllenmächte anrennen. Und ob wir Evangelischen und auch Orthodoxen es wollen oder nicht: der Papst ist und bleibt die einzige "Weltstimme". Der Lutherische Weltbund ist es nicht. Der Bischof ovn Canterbury ist es nicht. Und auch der ökumenische Patriarch ist es nicht.

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Sempre
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Sempre »

Irenäus († um 200) - Contra Haereses hat geschrieben:Weil es aber zu weitläufig wäre, in einem Werke wie dem vorliegenden die apostolische Nachfolge aller Kirchen aufzuzählen, so werden wir nur die apostolische Tradition und Glaubenspredigt der größten und ältesten und allbekannten Kirche, die von den beiden ruhmreichen Aposteln Petrus und Paulus zu Rom gegründet und gebaut ist, darlegen, wie sie durch die Nachfolge ihrer Bischöfe bis auf unsere Tage gekommen ist. So widerlegen wir alle, die wie auch immer aus Eigenliebe oder Ruhmsucht oder Blindheit oder Mißverstand Konventikel gründen. Mit der römischen Kirche nämlich muß wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allerwärts, denn in ihr ist immer die apostolische Tradition bewahrt von denen, die von allen Seiten kommen.

Nachdem also die seligen Apostel die Kirche gegründet and eingerichtet hatten, übertrugen sie dem Linus den Episkopat zur Verwaltung der Kirche. Diesen Linus erwähnt Paulus in seinem Briefe an Timotheus. Auf ihn folgt Anacletus. Nach ihm erhält an dritter Stelle den Episkopat Klemens, der die Apostel noch sah und mit ihnen verkehrte. Er vernahm also noch mit eignen Ohren ihre Predigt und Lehre, wie überhaupt damals noch viele lebten, die von den Aposteln unterrichtet waren. Als unter seiner Regierung ein nicht unbedeutender Zwist unter den Brüdern in Korinth ausbrach, da sandte die römische Kirche ein ganz nachdrückliches Schreiben an die Korinther, riet ihnen eindringlich zum Frieden und frischte ihren Glauben auf und verkündete die Tradition, die sie unlängst von den Aposteln empfangen hatte.
Multi venient in nomine meo, id est in nomine corporis mei. (Tichonius Africanus)
———
Quomodo facta est meretrix civitas fidelis (Is 1:21)

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taddeo
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von taddeo »

Ilija hat geschrieben:Freunde, kann es sein das hier Zensiert wird? Der einzige, der das Thema richtig wieder gibt ist Robert, aber seine Ev. und Römischen Freunde scheinen dies nicht zu verstehen.... :/
Mein Gutester, Robert besitzt Infallibilität nur dann, wenn er als Administrator ex cathedra spricht. In Glaubens- und Sittenfragen hingegen nicht. ;D :pfeif:

Raphael

Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Raphael »

taddeo hat geschrieben:
Ilija hat geschrieben:Freunde, kann es sein das hier Zensiert wird? Der einzige, der das Thema richtig wieder gibt ist Robert, aber seine Ev. und Römischen Freunde scheinen dies nicht zu verstehen.... :/
Mein Gutester, Robert besitzt Infallibilität nur dann, wenn er als Administrator ex cathedra spricht. In Glaubens- und Sittenfragen hingegen nicht. ;D :pfeif:
Und wenn ihm die FSSPX zustimmt! ;D

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Lioba
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Lioba »

Ilija hat geschrieben:Freunde, kann es sein das hier Zensiert wird? Der einzige, der das Thema richtig wieder gibt ist Robert, aber seine Ev. und Römischen Freunde scheinen dies nicht zu verstehen.... :/
Nein, Ilija- ich bin die Einzige, die im Augenblick hier moderiert und ich habe keinen Beitrag zensiert- Marcus ist im Moment nicht im Forum und Asderrix ist im Urlaub.
Im Übrigen unterstütze ich gerade Roberts Standpunkt in Bezug auf die Unfehlbarkeit.
Andererseits kann ich sehr gut das Bedürfnis westlicher Christen ob kath. oder ev. verstehen, einen Halt in dem kirchlichen Niedergang zu finden.
Dass der Strang geteilt wurde, hast du mitgekriegt? Da ist auch was von dir rübergewandert.
viewtopic.php?f=22&t=195
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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bernado hat geschrieben:manchmal besteht noch "Klärungsbedarf", was wir eigentlich in der Hand haben.
Diesen Klärungsbedarf sehe ich heute besonders dringlich gegeben – und erinnere an Kardinal Ratzingers Vortrag über die Ecclesia semper reformanda, auf welchen ich neulich schon einmal hinwies. Es geht heute mehr ums Abtragen denn ums Draufsatteln.
Bernado hat geschrieben:Ich habe den Verdacht, Robert fällt mit seiner Idee vom Zirkelschluß in die gleiche Falle des rechtlich-logischen Denkens, in der er das I. Vatikanum zappeln sieht.
Das sehe ich nicht so. Es geht mir vielmehr um historische Seriosität. Der Glaube ist keine Ideologie, sondern beruht auf historischen Fakten, und die Kirche ist keine Partei, auch keine „Glaubensgemeinschaft“, sondern ein Volk, das Gott der Herr berufen hat, herausgerufen aus Juden und Heiden, das er selber geschaffen hat und führt durch die Geschichte.

Darum brauchen wir vor der Geschichte auch keine Angst zu haben. Die Geschichte der Kirche ist die Geschichte des Heils, und die Wahrheit über sie und deren Erkenntnis bringt uns näher zum Herrn, nicht von ihm weg, stärkt die Kirche und schwächt sie nicht.

Darum muß, wenn es um eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern geht – und darum geht es heute, der erbärmliche Zustand läßt daran gar keinen Zweifel –, alles auf den Tisch, was zweifelhaft ist.

In diesem Sinne verstehe ich meine Thesen bezüglich einiger römischer Entscheidungen und, zum Beispiel, des Rangs einiger Konzilien. Dazu sehe ich mich – gewissen Anathematismen zum Trotz – schon darum berechtigt, daß die Wahrheit stets ihr eigenes Recht hat; daß ich dabei aber nicht sträflichem Subjektivismus anheimfalle, darin bestärkt mich jenes Wort des Kardinals Ratzinger, das besagte, bei den Bemühungen um die Wiederherstellung der Einheit mit den getrennten Ostkirchen könne man denen unsererseits nicht mehr abverlangen, als im ersten Jahrtausend gesamtkirchlich anerkannt war.
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Lioba »

Es gibt immer mal das Argument zum Vat I seien dis Orthodoxen eingeladen worden, aber ferngeblieben- also selber schuld. Allerdings könnte ich diesem Gedanken nur folgen, falls man ihnen Stimmrecht zugebillgt hätte. Bei reinem Beobachterstatus wäre angesichts des Ergebnisses eine unmögliche Situation entstanden und die Schäden noch schlimmer geworden.
Wie war das denn genau?
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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bernado hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben: So. Ich konstatiere jetzt auch mal was:
Ich bin der Herr Napolium
und krauche hier im Busch herum.
Und hast du dafür eine überzeugende Tradition über tausend Jahre oder mehr?
;D Nee, aber das Vaticanum I auch nicht. Hinsichtlich der von mir oben erwähnten überspitzten Definitionen sogar überhaupt keine. Ferner nützte mir eine Tradition über tausend Jahre auch nichts, wenn ich mich die tausend Jahre davor Ziethen nannte. Nicht einmal zweitausend Jahre nützten mir was, wenn alle andern die ganze Zeit über wußten, daß ich der Krepelhohn bin. (Bitte das jetzt nicht nahtlos auf 1870 zu übertragen; es soll bloß die „tausendjährige Tradition“ etwas anknabbern.)
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben: So. Ich konstatiere jetzt auch mal was:
Ich bin der Herr Napolium
und krauche hier im Busch herum.
Und hast du dafür eine überzeugende Tradition über tausend Jahre oder mehr?
Bei der katholischen Kirche ist das viel einfacher. Sie konstatiert vom Papst in der Zusammenschau der entsprechenden biblischen Texte und der kirchlichen Tradition: "Du bist Petrus, der Fels, der Oberhirte der Kirche, der den Hirten samt der ganzen Herde Hirte sein soll, und auf diesen Felsen baut Christus seine Kirche." Dass dies zu Widerspruch führen muss, ist klar. Manche sagen, der Papst sei der letzte Diktator Europas. So sieht das Papsttum schlimmstenfalls in der Außenperspektive des Nichtkatholiken aus. In der Innenperspektive des katholischen Gläubigen ist er der Fels etc. Weil die Kirche, nicht eine Einzelperson, dies konstatiert. Ich möchte sogar behaupten, dass sich daran entscheidet, ob jemand römisch-katholisch ist, oder ob er nur durch Geburt und Tradition Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist.
Du bist ein echter Protestant. Voluntaristisches, geschichtsloses Sola-Scriptura-Denken, auf eine einzelne Person focussiert. :|
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Evagrios Pontikos
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:...Bei der katholischen Kirche ist das viel einfacher. Sie konstatiert vom Papst in der Zusammenschau der entsprechenden biblischen Texte und der kirchlichen Tradition: "Du bist Petrus, der Fels, der Oberhirte der Kirche, der den Hirten samt der ganzen Herde Hirte sein soll, und auf diesen Felsen baut Christus seine Kirche." Dass dies zu Widerspruch führen muss, ist klar. Manche sagen, der Papst sei der letzte Diktator Europas. So sieht das Papsttum schlimmstenfalls in der Außenperspektive des Nichtkatholiken aus. In der Innenperspektive des katholischen Gläubigen ist er der Fels etc. Weil die Kirche, nicht eine Einzelperson, dies konstatiert. Ich möchte sogar behaupten, dass sich daran entscheidet, ob jemand römisch-katholisch ist, oder ob er nur durch Geburt und Tradition Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist.
Du bist ein echter Protestant. Voluntaristisches, geschichtsloses Sola-Scriptura-Denken, auf eine einzelne Person focussiert. :|
Dann hast Du meine Postings oben nicht richtig gelesen. Mir ein sola-scriptura-Denken vorzuwerfen? :/ Da solltest Du mich doch inzwischen besser kennen...

Raphael

Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Raphael »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:...Bei der katholischen Kirche ist das viel einfacher. Sie konstatiert vom Papst in der Zusammenschau der entsprechenden biblischen Texte und der kirchlichen Tradition: "Du bist Petrus, der Fels, der Oberhirte der Kirche, der den Hirten samt der ganzen Herde Hirte sein soll, und auf diesen Felsen baut Christus seine Kirche." Dass dies zu Widerspruch führen muss, ist klar. Manche sagen, der Papst sei der letzte Diktator Europas. So sieht das Papsttum schlimmstenfalls in der Außenperspektive des Nichtkatholiken aus. In der Innenperspektive des katholischen Gläubigen ist er der Fels etc. Weil die Kirche, nicht eine Einzelperson, dies konstatiert. Ich möchte sogar behaupten, dass sich daran entscheidet, ob jemand römisch-katholisch ist, oder ob er nur durch Geburt und Tradition Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist.
Du bist ein echter Protestant. Voluntaristisches, geschichtsloses Sola-Scriptura-Denken, auf eine einzelne Person focussiert. :|
Dann hast Du meine Postings oben nicht richtig gelesen. Mir ein sola-scriptura-Denken vorzuwerfen? :/ Da solltest Du mich doch inzwischen besser kennen...
Nimm's nicht so schwer!
Hin und wieder schiebt sich bei Robert der Götze Polemos zwischen Glauben und Vernunft! :hmm:

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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bernado hat geschrieben:Eine in gewissem Umfang vertretbare Verbindung/Durchdringung dieser beiden Ebenen findet da statt, wo man geoffenbarte Wahrheiten mit logischem Denken in Theologoumena "weiterentwickelt". Irrtumsfrei wären diese Weiterentwicklungen trotz aller Logik nur dann, wenn wir imstande wären, die Gedanken Gottes zu verstehen und weiterzudenken, wenn Gottes Logik und unsere Logik die gleichen wären. Dem ist aber nicht so. Und da kommt uns jetzt die Tradition hilfreich zur Hand. Wenn etwas immer und von allen geglaubt worden ist, dann befinden wir uns auf sicherem Boden - wo nicht, da nicht.
:klatsch: :klatsch: :klatsch:
Bernado hat geschrieben:Leider ist aber auch die Hilfe der Tradition aber nicht absolut, denn ob etwas immer und von allen geglaubt worden ist, muß natürlich erforscht und begründet werden, und darin liegen Fehlermöglichkeiten und Streitquellen.
:klatsch: :ja:
Bernado hat geschrieben:Also ist noch eine zusätzliche und letztlich ausschlaggebende Hilfe erforderlich: Die des Hl. Geistes …
:ja: :klatsch: Zunächst natürlich unseres Verstandes, der aber der Erleuchtung durch den Geist bedarf. Freilich ist die Einwirkung des Heiligen Geistes nicht unmittelbar an Datum und Bleisiegel ablesbar. Nicht jeder, der sagt: »Geist, Geist«, der hat ihn auch. Wenn etwas evidentermaßen vernunftwidrig oder historisch unwahr ist, dann muß ich ernstlich bezweifeln, daß es geistgeleitet sei.
Bernado hat geschrieben:… dessen Leitung dem Petrus fest zugesagt ist.
Freilich nicht bloß ihm.
Bernado hat geschrieben:Und damit sind wir allerdings bei einem Glaubenspunkt, der nicht mehr weiter zu "beweisen" ist, sondern eben geglaubt wird, oder auch nicht.
„Geglaubt wird“ aufgrund des Vertrauens zur Offenbarung und ihrer Überlieferung durch die Apostel und von ihnen her. Darauf muß jeder Glaubenspunkt rückführbar sein, unmittelbar oder in legitimer und vernünftiger Entfaltung, aber doch rückführbar.
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rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Bernado
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Bernado »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: ;D Nee, aber das Vaticanum I auch nicht. Hinsichtlich der von mir oben erwähnten überspitzten Definitionen sogar überhaupt keine. Ferner nützte mir eine Tradition über tausend Jahre auch nichts, wenn ich mich die tausend Jahre davor Ziethen nannte. Nicht einmal zweitausend Jahre nützten mir was, wenn alle andern die ganze Zeit über wußten, daß ich der Krepelhohn bin. (Bitte das jetzt nicht nahtlos auf 1870 zu übertragen; es soll bloß die „tausendjährige Tradition“ etwas anknabbern.)
Daran habe ich inzwischen einige Zweifel, und die kommen ausgerechnet aus der Liturgiegeschichte.

Daß der Papst im Mittelalter und danach, als die Bischöfe oft genug nur aus der direkten Erblinie entfernte Adelssprösslinge und Politiker waren, ebenfalls im Weltgetriebe mehr seine Rolle spielte als in dem, was nicht von dieser Welt ist, sei unbestritten. Aber wenn man sich die Zeugnisse der frühen Liturgie anschaut, in denen alles (zumindest in Rom) auf den Papst hin geordnet ist, und wenn man dann bedenkt, welches Papstbild zu einer so bemerkenswerten Fälschung wie der von der konstantinischen Schenkung geführt hat - dann ahnt man schon, wie hoch die Westkirche dieses ihr Oberhaupt positionierte - und warum der Kollege in Byzanz, der ja schließlich einen veritablen Cäsar in der Nachbaschaft hatte, immer wieder angefressen reagierte.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Lioba
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Lioba »

Bleibt bitte höflich und sachlich - ja?
Weder sind alle Prottis voluntaristische geschichtslose sola- meine-ganz- privateigene scriptura Holzköpfe, noch können wir einfach behaupten, dass die Patriarchen von Byzanz aus dem Schmollwinkel heraus agiert haben.
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Bernado
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Bernado »

Lioba hat geschrieben:Bleibt bitte höflich und sachlich - ja?
Weder sind alle Prottis voluntaristische geschichtslose sola- meine-ganz- privateigene scriptura Holzköpfe, noch können wir einfach behaupten, dass die Patriarchen von Byzanz aus dem Schmollwinkel heraus agiert haben.
A Hetz muaß aba scho sei bei d'r Leich.
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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:
Irenäus (" um 2) - Contra Haereses hat geschrieben:Weil es aber zu weitläufig wäre, in einem Werke wie dem vorliegenden die apostolische Nachfolge aller Kirchen aufzuzählen, so werden wir nur die apostolische Tradition und Glaubenspredigt der größten und ältesten und allbekannten Kirche, die von den beiden ruhmreichen Aposteln Petrus und Paulus zu Rom gegründet und gebaut ist, darlegen, wie sie durch die Nachfolge ihrer Bischöfe bis auf unsere Tage gekommen ist. So widerlegen wir alle, die wie auch immer aus Eigenliebe oder Ruhmsucht oder Blindheit oder Mißverstand Konventikel gründen. Mit der römischen Kirche nämlich muß wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allerwärts, denn in ihr ist immer die apostolische Tradition bewahrt von denen, die von allen Seiten kommen.

Nachdem also die seligen Apostel die Kirche gegründet and eingerichtet hatten, übertrugen sie dem Linus den Episkopat zur Verwaltung der Kirche. Diesen Linus erwähnt Paulus in seinem Briefe an Timotheus. Auf ihn folgt Anacletus. Nach ihm erhält an dritter Stelle den Episkopat Klemens, der die Apostel noch sah und mit ihnen verkehrte. Er vernahm also noch mit eignen Ohren ihre Predigt und Lehre, wie überhaupt damals noch viele lebten, die von den Aposteln unterrichtet waren. Als unter seiner Regierung ein nicht unbedeutender Zwist unter den Brüdern in Korinth ausbrach, da sandte die römische Kirche ein ganz nachdrückliches Schreiben an die Korinther, riet ihnen eindringlich zum Frieden und frischte ihren Glauben auf und verkündete die Tradition, die sie unlängst von den Aposteln empfangen hatte.
Siehe auch hier: http://kreuzgang.org/viewtopic.php?p=81113#p81113 ;D

Danke dir für das Zitat. Es unterstreicht ja, was ich die ganze Zeit darlege.
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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Und gleich noch ein höchst interessantes Zitat:
Walter hat geschrieben:
Joseph Ratzinger hat geschrieben:Es werden zunächst die Maximalforderungen deutlich, an denen die Suche nach Einheit sicher scheitern müsste. Die westliche Maximalforderung an den Osten wäre es, eine Anerkennung für den Primat des römischen Bischofs in dem vollen Umfang zu verlangen, wie er 1870 definiert wurde, und sich damit auch einer Primatspraxis einzuordnen, wie sie von den Unierten angenommen worden ist. Die östliche Maximalforderung wäre es, die Primatslehre von 1870 als völligen Irrtum zu erklären und damit auch alle darauf beruhenden verbindlichen Aussagen aufzulösen, von der Streichung des Filioque im Credo angefangen bis hin zu den marianischen Dogmen des 19. und 20. Jahrhunderts.
...

Wie aber stellen sich dann die Maximalforderungen von vorhin dar? Wer auf dem Boden der katholischen Theologie steht, kann gewiss nicht einfach die Primatslehre als null und nicht erklären, gerade auch dann nicht, wenn er die Einwendungen zu verstehen versucht und offenen Blicks die wechselnden Gewichte des geschichtlich Feststellbaren würdigt. Aber er kann andererseits unmöglich die Primatsgestalt des 19. und 20. Jahrhunderts für die einzig mögliche und allen Christen notwendige ansehen.

Obgleich uns nicht gegeben ist, die Geschichte stillzustellen, den Weg von Jahrhunderten zurückzunehmen, darf man doch sagen, dass nicht heute christlich unmöglich sein kann, was ein Jahrtausend lang möglich war. Immerhin hat doch im Jahr 1054 Humbert von Silva Candida in derselben Bulle, in der er den Patriarchen Kerularios exkommunizierte und damit das Schisma zwischen Ost und West einleitete, Kaiser und Bürger von Konstantinopel als „sehr christlich und rechtgläubig“ bezeichnet, obgleich deren Vorstellung vom römischen Primat sicher von der des Kerularios weit weniger unterschieden war, als etwa von der des I. Vaticanum. Anders gesagt: Rom muss vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde. Wenn Patriarch Athenagoras am 25. Juli 1967 beim Besuch des Papstes im Phanar diesen als Nachfolger Petri, als den ersten an Ehre unter uns, den Vorsitzer der Liebe, benannte, findet sich im Mund dieses großen Kirchenführers der wesentliche Gehalt der Primatsaussagen des ersten Jahrtausends und mehr muss Rom nicht verlangen. Die Einigung könnte hier auf der Basis geschehen, dass einerseits der Osten darauf verzichtet, die westliche Entwicklung des zweiten Jahrtausends als häretisch zu bekämpfen und die katholische Kirche in der Gestalt als rechtmäßig und rechtgläubig akzeptiert, die sie in dieser Entwicklung gefunden hat, während umgekehrt der Westen die Kirche des Ostens in der Gestalt, die sie sich bewahrt hat, als rechtgläubig und rechtmäßig anerkennt.

Natürlich ist ein solcher gegenseitiger Akt des Sich-Annehmes, des Sich-Wiedererkennens in der gemeinsamen unverlorenen Katholizität keine leichte Sache. Es ist ein Akt der Selbstüberwindung, des Selbstverzichts und so freilich gerade der Selbstfindung. Es ist ein Akt, der nicht diplomatisch verfügt werden kann, sondern geistlich vom Ganzen der Kirche in Ost und West bestanden werden muss. Damit das theologisch Mögliche auch kirchlich-tatsächlich möglich wird, muss dies Theologische in der Kirche geistlich vorbereitet und geistlich angenommen werden. Meine Diagnose über das Ost-West-Verhältnis in der Kirche lautet daher: Eine Kircheneinheit zwischen Ost und West ist theologisch grundsätzlich möglich, aber spirituell noch nicht genügend vorbereitet und daher praktisch noch nicht reif.
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Robert Ketelhohn
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lioba hat geschrieben:Bleibt bitte höflich und sachlich - ja?
Weder sind alle Prottis voluntaristische geschichtslose sola- meine-ganz- privateigene scriptura Holzköpfe …
Das war ganz sachlich und ernst gemeint. Von »Holzkopf« schrieb ich allerdings gar nichts. „Evagrius“ hatte auch nicht seine »privateigene« Sola-Scriptura-Methode durchgezogen, sondern das Prinzip auf eine einzelne Person projiziert, nämlich den Papst, welcher danach dann ganz „voluntaristisch“ und geschichtsvergessen entscheiden kann. Andersgesagt, er benutzt ein Konstrukt genuin protestantischer Theologie zu katholischer Apologie. Das fand und finde ich bemerkenswert genug, draufhinzuwiesen. Auch zweimal. ;)
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Sempre
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Re: Auf Fels gebaut

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Und gleich noch ein höchst interessantes Zitat:
Walter hat geschrieben:
Joseph Ratzinger hat geschrieben:...
Ja, das ist interessant.

Nur: was hat das mit Deiner Position zu tun? Wenn Dein Zirkelschlussargument anwendbar ist und zutrifft, dann irrt das erste Vatikanische Konzil.

Gruß
Sempre
Multi venient in nomine meo, id est in nomine corporis mei. (Tichonius Africanus)
———
Quomodo facta est meretrix civitas fidelis (Is 1:21)

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