Nietenolaf hat geschrieben:Robert hat geschrieben:Roman, hast du den Begriff der Läuterung nicht
verstanden, oder verstehe ich dich nicht?
(Deine »Bezahlung« ist viel juristischer als meine »Läuterung«.)
Ja, Robert, es ist "Deine »Läuterung«", aber ich habe keine Anhaltspunkte dazu, die Läuterung im Purgatorium als Mittel zur Vollendung der Theosis zu erkennen. Hier ein Abriß, wie ich die "Läuterung" bzw. das Purgatorium verstehe - inkl. der Angaben darüber, worauf ich mich dabei stütze:
- Die Idee des Fegfeuers beruht in erster Linie auf der Aufteilung der Sündenfolgen in Schuld und für die Sünde zu tragender Strafe, bzw. allgemein dem lateinischen Verständnis davon, was genau "Sünde" ist. Dieses Verständnis findet man v.a. bei Anselm von Canterbury, cf. v.a. in seinem "Cur Deus homo": zu sündigen heißt, Gott das zu rauben, was Ihm zusteht, d.h. der Herr wird dessen beraubt, was der Knecht ihm schuldig ist (ibid., Buch I, Kap. XI). Der Sünder muß Gott das zurückgeben, was er Ihm "stahl", plus eine Kompensation (satisfactio) für die Beleidigung der Göttlichen Majestät. Jede Sünde muß von satisfactio oder von einer Strafe gefolgt sein (Buch I, Kap. 15). Daß Gott Sünden ohne Satisfaktion vergeben könne, sei lächerlich ("derisio est, ut talis misericordia Deo attribuatur", ibid. Kap. XXIV): das würde ja Gottes absoluter Gerechtigkeit widersprechen.
Entsprechend reicht eine Beichte nicht, um die Sünde zu glätten: es muß Satisfaktion geleistet werden. Es reicht kein Sinneswandel (metanoia), eine bloße Abkehr vom Bösen ist unzulänglich. Nun ist Anselm mit dieser Ansicht nicht allein, sondern u.a. das Tridentinum schreibt diese seine Lehre zum Dogma fest: "Wenn jemand sagt, daß ... die beste Reue nur ein neues Leben sei: der sei anathema." (Sitzung XIV, Kanon XIII). Und kurz zuvor: "Wenn jemand sagt, daß Gott immer mit der Schuld zusammen auch die Strafe erläßt..., der sei anathema." (Sitzung XIV, Kanon XII). Charakteristisch ist, daß Kanon XIII unter den Bußübungen, die für eine Sünde zu leisten sind, auch das Gebet erwähnt; das Gebet, der Dialog mit Gott, wird als Strafe gehandelt. Diese Bußübungen befreien von den Strafen und den temporalen Leiden im Fegfeuer; ebenso geht das aber auch mittels der Ablässe, was wiederum zuletzt im offiziellen KKK fixiert ist (§§1471-1479). Das heißt, die unbedingte Satisfaktion in Entsprechung der Schwere von Sünden ist in der lateinischen Kirche fester Bestandteil der Lehre. Durch die Lehre von den Ablässen gewinnt sie sogar eine gewisse ständige stoffliche Präsenz im Bewußtsein der Gläubigen.
- Das Fegfeuer ist nun die Konsequenz daraus, daß man im Leben gemeinhin nicht genug Satisfaktion zu "erleiden" vermag; das geht im Fegfeuer, denn die Qualen dort sind ja "schlimmer als die schlimmste Qual auf Erden, aber weniger schlimm als die geringsten Qualen der Hölle". Hier wird die zu Lebzeiten nicht geleistete Satisfaktion erbracht, bis die Seelen geläutert sind. Die Gebete der Kirche und die Ablässe helfen den Seelen dabei, die Leiden zu lindern oder zu verkürzen. "Purgatory (Lat., "purgare", to make clean, to purify) in accordance with Catholic teaching is a place or condition of temporal punishment for those who, departing this life in God's grace, are, not entirely free from venial faults, or have not fully paid the satisfaction due to their transgressions." (Catholic Encyclopedia, "On Purgatory").
Also, Robert, Deine Meinung von der Vollendung der Theosis und der Apophatie in Ehren, aber so, wie sich das mir darstellt, sieht das eben ziemlich anders aus. Es ist durchaus genau definiert, was das Fegfeuer machen soll, und das ist sicher kein Mittel zur Theosis.
PS: Die "Bezahlung" an den "Zollstationen" ist eine Analogie, und darüberhinaus kein Dogma.[/color]
Hervorgeholt, damit sich ad-fontes was einlesen kann.
Ich habe leider nicht die Zeit auf alles einzugehen, aber eines möchte ich doch sehr korrigieren, und zwar die wahrscheinlich unbewußt vollkommen verzerrte Darstellung der Canones des aus unserer (der Katholiken) Sicht 19. Ökumenischen Konzils. Ich bringe einfach mal die genannten Canones in Gänze.
Nietenolaf zitiert den 12. und den 13. Canon aus der 14. Sitzung ("Session" auf deutsch klingt für mich als Rheinländer zu sehr nach Karneval). Diese lauten:
Canon 12:
Si quis dixerit totam poenam simul cum culpa remitti semper a deo satisfactionem que poenitentium non esse aliam quam fidem qua apprehendunt christum pro eis satisfecisse: a(nathema) s(it).
Deutsche Übersetzung von
hier:
Wenn jemand sagt, immer werde von Gott zugleich mit der Schuld die ganze Strafe nachgelassen und die Genugtuung der Büßenden sei nichts anderes, als der Glaube, durch den sie ergreifen, dass Christus für sie genug getan habe, der sei im Banne.
Das ist erst einmal nichts überraschendes - es geht um die Glaubenswahrheit, daß es noch eine "Strafe" für die Schuld gibt (nämlich den Läuterungsort).
Canon 13:
Si quis dixerit pro peccatis quoad poenam temporalem minime deo per christi merita satisfieri poenis ab eo inflictis et patienter toleratis vel a sacerdote iniunctis sed neque sponte susceptis ut ieiuniis orationibus elemosynis vel aliis etiam pietatis operibus atque ideo optimam poenitentiam esse tantum novam vitam: a(nathema) s(it).
Deutsche Übersetzung:
Wenn jemand sagt, in Bezug auf die zeitliche Strafe werde Gott für die Sünden nicht im geringsten, mittelst der Verdienst Christi, durch die von ihm verhängten und geduldig ertragenen oder durch die vom Priester auferlegten Strafen und ach nicht durch die freiwillig Übernommenen, wie nämlich durch Fasten, beten, Almosen oder auch andere Werke der Frömmigkeit, genug getan und die beste Buße sei daher nur ein neues Leben, der sei im Banne.
Hier werden zwei Sachen klar: erstens ist das Gebet keinesfalls als Strafe gedacht, sondern eine freiwillig auf sich genommene Genugtuung, daß heißt ein Weg zur Wiederaufnahme der innigen Beziehung zum Dreifaltigen. Und vor allem zeigt sich hier die Ablehnung der protestantischen Theologie, daß Buße als solche keinen Heils-Wert habe.
Eigentlich ist die katholische Sicht der Dinge ganz einfach, ich versuche das mal ohne fachtheologische Termini, da diese wieder zu Mißverständnissen führen:
So wie ich Nietenolaf verstanden habe, versucht die Kirche durch ihr Gebet für die Verstorbenen denen dahingehend zu helfen, daß sie "näher an Gott ran rücken", er sprach da ja von der Gottesschau bzw. Gottesferne, die erste sei zu erbeten, die andere zu vermeiden. Wir im Westen haben ein vielleicht etwas einfacheres Bild der Gottesschau (über die "Nähe" - ich bitte das alles nicht zu räumlich zu verstehen), aber bei uns geht es weniger um die "Entfernung" zu Gott, sondern im Purgatorium erst einmal um die "Grundreinigung", um überhaupt Gott schauen zu können.
Beim Ablaß, der nichts anderes ist als eine kirchliche Zusage der Wirksamkeit des Gebetes (so wie die Absolution so eine Zusage ist), geht es also nicht ums "näher ran", sondern ums "schneller ran".
Auch wenn ich jetzt verallgemeinere mit den Zuteilungen - aber wie weit dann die "Entfernungen" (orthodox) oder wie lang die "Zeiträume" (katholisch) sind, verbleibt im Raum der theologischen Spekulation (das kann ja durchaus Spaß machen).
Die ganzen "" habe ich bewußt gesetzt, um das Abstrakte dieser Formulierungen hervorzuheben. Alles Reden über das Danach birgt das Risiko des Allzumenschlichen.
(Übrigens habe ich jetzt gerade selbst das erste Mal den Ablaß verstanden)