Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Vinzenz Ferrer
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Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Vinzenz Ferrer »

1. Kor 3-5:
Denn ich als dem Leib nach abwesend, dem Geist nach aber anwesend, habe schon, als wäre ich anwesend, über den, der dies auf solche Weise begangen hat, beschlossen,
den Betreffenden im Namen unseres Herrn Jesus Christus und nachdem euer und mein Geist sich mit der Kraft unseres Herrn Jesus Christus vereinigt hat, dem Satan zu übergeben zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tag des Herrn Jesus.
In 1. Kor 5,5 kündigt der Apostel Paulus eine „Satansübergabe“ eines Gemeindemitglieds an.
Offensichtlich wird Satan hier als ein Instrument der Pastoral benutzt: Durch die „Satansübergabe“ soll das abtrünnige Gemeindemitglied „am Fleische“ geschädigt werden, dies aber mit dem eheren Ziel der Errettung des Geistes.
Können Christen Satan und Dämonen für gute Zwecke einsetzen? :hmm:
Glaube heißt Widerstand gegen die Schwerkraft. (Benedikt XVI.)

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Robert Ketelhohn
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Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Es handelt sich um eine Exkommunikation.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Lycobates
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Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Lycobates »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:15
1. Kor 3-5:
Denn ich als dem Leib nach abwesend, dem Geist nach aber anwesend, habe schon, als wäre ich anwesend, über den, der dies auf solche Weise begangen hat, beschlossen,
den Betreffenden im Namen unseres Herrn Jesus Christus und nachdem euer und mein Geist sich mit der Kraft unseres Herrn Jesus Christus vereinigt hat, dem Satan zu übergeben zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tag des Herrn Jesus.
In 1. Kor 5,5 kündigt der Apostel Paulus eine „Satansübergabe“ eines Gemeindemitglieds an.
Offensichtlich wird Satan hier als ein Instrument der Pastoral benutzt: Durch die „Satansübergabe“ soll das abtrünnige Gemeindemitglied „am Fleische“ geschädigt werden, dies aber mit dem eheren Ziel der Errettung des Geistes.
Können Christen Satan und Dämonen für gute Zwecke einsetzen? :hmm:
Mit der "Satansübergabe" ist nach den Kommentatoren der Kirchenbann, die Exkommunikation, gemeint. Das abtrünnige Kirchenmitglied wird aus der Gnadengemeinschaft (Sakramente, Gebete, Ablässe) ausgeschlossen und fällt damit dem Teufel anheim, der dadurch größere Macht erhält, ihm auch körperlich zu schaden.
Vgl. 1Tim. 1,20.
Natürlich fällt eine solche Maßnahme (ferendae sententiae in der heutigen Rechtssprache) unter die Schlüsselgewalt. Nur ein Apostel und seine legitimen Nachfolger vermögen dies.
Es ist dies übrigens eine Beugestrafe, der Betreffende soll sich bekehren: seine Seele soll gerettet werden.
Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Arnold Schönberg)
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Fac me Tibi semper magis credere, in Te spem habere, Te diligere
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... una cum omnibus orthodoxis, atque catholicae et apostolicae fidei cultoribus

Bruder Donald

Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Bruder Donald »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:15
Können Christen Satan und Dämonen für gute Zwecke einsetzen?
Ich an deiner Stelle würde erstmal fragen:
1. Deckt sich mein modernes Verständnis von "Satan" mit jenem von Paulus?
2. Wie war das "Satans-Verständnis" der damaligen Juden?
3. Welches Wort steht im Original für "Satan"? (steht das wirklich Satan oder ein anderes Wort das vielleicht falsch übersetzt wurde?)

Hierzu mag ich nur in Teilen Wikipedia zitieren, den gesamten Beitrag möge man sich gerne selber durchlesen:
Satan nach den jüdischen Quellen
[...]
Frühe rabbinische Kommentare zur Mischna zeigen, dass Satan beinahe keine Rolle im Judentum spielte. Je jünger ein rabbinischer Kommentar datiert wird, desto öfter tritt der Begriff Satan oder dessen Synonyme auf.[7] Seit der Zeit der Babylonischen Exils sind Einflüsse aus dem Zoroastrismus im Babylonischen Talmud festgehalten.
[...]
Die normative, rabbinische, klassische, jüdische Lehre, der zufolge Satan kein selbständiges Geistwesen ist, ist bis heute gültig und wichtig im Judentum. Es steht im Einklang mit den jüdischen Lehren, dass es keine Verkörperung des Bösen gibt und dass Gott als Schöpfer dessen bezeichnet wird, was Menschen als Böses beschreiben. Im Babylonischen Talmud[8] beteuert Rabbi Levi: „… alles was Satan tut, geschieht nach dem Willen des Himmels …“
[...]

Satanskonzept der hebräischen Bibel (Tanach/Tora)

Im Tanach ist Ha-Satan („der Satan“) ein Name, der verschiedenen Engeln gegeben wird, mit deren Hilfe Gott die religiöse Rechtschaffenheit und Integrität verschiedener Menschen auf die Probe stellt (vergleiche: Advocatus Diaboli). Im normativen Judentum ist Satan der Hauptankläger, Staatsanwalt, Gegner, Feind im Kampf und die spirituelle Kraft, die im Judentum die Neigung zum Bösen (jezer ha-rah) genannt wird. Satan ist dabei jedoch wie alle Engel unter vollkommener Kontrolle und Befehl von Gott, er ist keinesfalls ein Wesen von freiem Willen, das gegen Gott rebellieren könnte oder als "Gegenspieler" und Führer des Bösen auftritt.
[...]
Das normative Judentum hat kein religiöses Konzept einer unheiligen Dunkelheit in Opposition zu Gott. Es lehrt nicht die Vorstellung einer Verkörperung des Bösen als Gegenspieler bzw. Gegenkraft von Gott. Da HaSchem („Gott“) als Schöpfer von Licht und Dunkelheit verehrt wird, gibt es in jüdischer Tradition und Glauben keinen Ort oder Raum, der nicht von Gott erfüllt bzw. transzendiert ist.
Inwieweit überhaupt in Wikipedia etwas richtiges steht, ist wiederum eine andere Frage.

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Vinzenz Ferrer
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Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Vinzenz Ferrer »

Lycobates hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:37
Es ist dies übrigens eine Beugestrafe, der Betreffende soll sich bekehren: seine Seele soll gerettet werden.
Ja, nur so ergibt es ekklesiologisch Sinn: Das exkommunizierte Mitglied soll sich – motiviert durch die Züchtigungen Satans – bessern und noch zu Lebzeiten wieder Teil der Kirche werden. Paulus hat aber in der besagten Textstelle etwas Anderes versprachlicht.
Glaube heißt Widerstand gegen die Schwerkraft. (Benedikt XVI.)

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Robert Ketelhohn
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Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lycobates hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:37
Mit der "Satansübergabe" ist nach den Kommentatoren der Kirchenbann, die Exkommunikation, gemeint. Das abtrünnige Kirchenmitglied wird aus der Gnadengemeinschaft (Sakramente, Gebete, Ablässe) ausgeschlossen und fällt damit dem Teufel anheim, der dadurch größere Macht erhält, ihm auch körperlich zu schaden.
Vgl. 1Tim. 1,20.
Natürlich fällt eine solche Maßnahme (ferendae sententiae in der heutigen Rechtssprache) unter die Schlüsselgewalt. Nur ein Apostel und seine legitimen Nachfolger vermögen dies.
Es ist dies übrigens eine Beugestrafe, der Betreffende soll sich bekehren: seine Seele soll gerettet werden.
Genau. Danke für die ausführlichere Erklärung! :)
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:37
3. Welches Wort steht im Original für "Satan"? (steht das wirklich Satan oder ein anderes Wort das vielleicht falsch übersetzt wurde?)
Olle Paule hat geschrieben:παραδοῦναι τὸν τοιοῦτον τῷ Σατανᾷ
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Haiduk
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Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Haiduk »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:30
Es handelt sich um eine Exkommunikation.
:daumen-rauf:
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Lycobates
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Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Lycobates »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Freitag 15. Mai 2020, 18:18
Lycobates hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:37
Es ist dies übrigens eine Beugestrafe, der Betreffende soll sich bekehren: seine Seele soll gerettet werden.
Ja, nur so ergibt es ekklesiologisch Sinn: Das exkommunizierte Mitglied soll sich – motiviert durch die Züchtigungen Satans – bessern und noch zu Lebzeiten wieder Teil der Kirche werden. Paulus hat aber in der besagten Textstelle etwas Anderes versprachlicht.
Wieso?
Der Wortlaut des Korintherbriefes wird doch buchstäblich übernommen (unten fett), wenn der Bischof feierlich das Anathem über einen Getauften verhängt (was allerdings selten geschieht).
Das betreffende Gebet im dritten Teil des Pontifikale (Ordo excommunicandi) lautet folgendermaßen:
Quando vero anathema id est, solemnis excommunicatio pro gravioribus culpis fieri debet, Pontifex paratus amictu, stola, pluviali violaceo, et mitra simplici, assistentibus sibi duodecim Presbyteris superpelliceis indutis, et tam ipso, quam Presbyteris candelas ardentes in manibus tenentibus, sedet super faldistorium ante altare majus, aut alio loco publico, ubi magis sibi placebit, et ibi pronuntiat, et profert anathema, hoc modo:

Quia NN. diabolo suadente, christianam promissionem, quam in Baptismo professus est, per apostasiam postponens, Ecclesiam Dei devastare, ecclesiastica bona diripere ac pauperes Christi violenter opprimere non veretur; idcirco solliciti, ne per negligentiam pastoralem pereat, pro quo in tremendo judicio, ante Principem Pastorum Dominum nostrum Jesum Christum rationem reddere compellamur, juxta quod Dominus ipse terribiliter comminatus dicens: Si non annuntiaveris iniquo iniquitatem suam, sanguinem ejus de manu tua requiram, monuimus eum canonice, primo, secundo, tertio, et etiam quarto, ad ejus malitiam convincendam, ipsum ad emendationem, satisfactionem, et poenitentiam invitantes, et paterno affectu corripientes. Ipse vero, proh dolor! monita salutaria spernens, Ecclesiae Dei quam laesit, superbiae spiritu inflatus, satisfacere dedignatur. Sane praeceptis Dominicis atque Apostolicis informamur, quid de hujusmodi praevaricatoribus agere nos oporteat. Ait enim Dominus: Si manus tua vel pes tuus scandalizat te, abscinde eum, et projice abs te. Et Apostolus inquit: Auferte malum ex vobis. Et iterum: Si is qui frater nominatur, est fornicator, aut avarus, aut idolis serviens, aut maledicus, aut ebriosus, aut rapax, cum ejusmodi nec cibum sumere. Et Joannes prae ceteris dilectus Christi discipulus, talem nefarium hominem salutare prohibet, dicens: Nolite recipere eum in domum nec AVE ei dixeritis. Qui enim dicit illi AVE, communicat operibus ejus malignis. Dominica itaque atque Apostolica praecepta adimplentes, membrum putridum et insanabile, quod medicinam non recipit, ferro excommunicationis ab Ecclesiae corpore abscindamus, ne tam pestifero morbo reliqua corporis membra, veluti veneno inficiantur. Igitur quia monita nostra, crebrasque exhortationes contempsit, quia tertio secundum Dominicum praeceptum vocatus, ad emendationem, et poenitentiam venire despexit, quia culpam suam nec cogitavit, nec confessus est, nec missa legatione excusationem aliquam praetendit, nec veniam postulavit, sed diabolo cor ejus indurante, in incoepta malitia perseverat, juxta quod Apostolus dicit: Secundum duritiam suam, et cor impoenitens thesaurizat sibi iram in die irae: idcirco eum cum universis complicibus, fautoribusque suis, judicio Dei omnipotentis Patris, et Filii, et Spiritus Sancti, et beati Petri principis Apostolorum, et omnium Sanctorum, necnon et mediocritatis nostrae auctoritate, et potestate ligandi et solvendi in coelo et in terra nobis divinitus collata, a pretiosi Corporis et Sanguinis Domini perceptione, et a societate omnium Christianorum separamus, et a liminibus sanctae matris Ecclesiae in coelo et in terra excludimus, et excommunicatum et anathematizatum esse decernimus; et damnatum cum diabolo, et angelis ejus, et omnibus reprobis in ignem aeternum judicamus; donec a diaboli laqueis resipiscat, et ad emendationem, et poenitentiam redeat, et Ecclesiae Dei, quam laesit, satisfaciat, tradentes eum satanae in interitum carnis, ut spiritus ejus salvus fiat in die judicii.

Et omnes respondent:
Fiat. Fiat. Fiat.

Quo facto, tam Pontifex, quam Sacerdotes debent projicere in terram candelas ardentes, quas in manibus tenebant. Deinde Epistola Presbyteris per Parochias, et etiam vicinis Episcopis mittatur, continens nomen excommunicati, et excommunicationis causam, ne quis per ignorantiam ulterius illi communicet, et ut excommunicationis occasio omnibus auferatur.
Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Arnold Schönberg)
*
Fac me Tibi semper magis credere, in Te spem habere, Te diligere
*
... una cum omnibus orthodoxis, atque catholicae et apostolicae fidei cultoribus

Raphael

Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Raphael »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:37
...........
Inwieweit überhaupt in Wikipedia etwas richtiges steht, ist wiederum eine andere Frage.
Warum wird derlei "Enzyklopädie" dann im Scriptorium zitiert? :pirat:

Raphael

Re: Satan als Instrument der Seelsorge? [1. Kor 5,5]

Beitrag von Raphael »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 14. Mai 2020, 11:15
...................
Können Christen Satan und Dämonen für gute Zwecke einsetzen? :hmm:
Keine einfache Frage, aber Christen leben nicht zuletzt aus der Hoffnung, daß die Frau der Schlange den Kopf zertreten hat (Genesis 3, 15)! :ja:

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