Lauralarissa hat geschrieben: ↑Freitag 24. Januar 2020, 18:30
Ralf hat geschrieben: ↑Freitag 24. Januar 2020, 15:55
Ich möchte mal versuchen ein wenig die Wogen zu glätten.
Was unstrittig zu sein scheint, ist, daß Papst Franziskus nicht zu verstehen scheint, daß manche Menschen einen enormen spirituellen Gewinn aus Elementen der langen kirchlichen Tradition beziehen.
Er unterwirft alles seiner eigenen Vision von Mission (nicht der Mission an sich, sondern seiner Vorstellung davon) - auch wenn dadurch Elemente der Tradition vor die Hunde gehen. Wer andere Prioritäten setzt wird nicht zwingend abgeurteilt, aber doch mindestens in die zweite, dritte Reihe geschickt
Genauso habe ich es bei den vorherigen Päpsten erlebt - und zwar mit dem umgedrehten Vorzeichen. Ich hatte das Gefühl, dass sie überhaupt nicht verstanden haben, dass es Menschen gibt, für die eben modernere Gottesdienstformen, liturgischer Tanz, freie Gebete etc. ein großer spiritueller Gewinn sind.
Ich hatte den Eindruck, dass das in manchen Diözesen alles, was diesen Menschen Heimat geben konnte, platt gemacht wurde - oft durch ein Denunziantentum an der Basis.
Ralf hat geschrieben: ↑Freitag 24. Januar 2020, 15:55
Auffallend ist das vor allem an dem Umgang seines Pontifikates mit traditionell ausgerichteten, oftmals jungen und zahlenmäßig erfolgreichen Orden. Sie scheinen ihm oder anderen, die er gewähren läßt, nicht in die Agenda zu passen.
Gute Frage. Hast du hier konkrete Beispiele? Die Nachrichten, die ich lese, über Orden, die gemaßregelt wurden, waren in der Regel wirkliche massive Missstände.
Mein Eindruck war, dass sich unter den vorherigen Pontifikaten einige (in der Tat oft junge) Gemeinschaften gebildet oder etabliert hatte, bei denen sehr fraglichen Praktiken bis zum geistlichen Missbrauch herrschten.
Ralf hat geschrieben: ↑Freitag 24. Januar 2020, 15:55
Das bezeugt aber noch keine Häresie, höchstens eine beschränkte Sicht auf den Hl. Geist oder schlimmstenfalls die Meinung, er hätte die Fülle der Geistesgaben der Unterscheidung qua Amt.
Auch damit ist er nicht allein ...
Ralf hat geschrieben: ↑Freitag 24. Januar 2020, 15:55
Nüchtern betrachtet ist es in meinen Augen ein fragwürdiger Ansatz das Petrusamt auszufüllen. Doch seine Sichtweisen hängen, so glaube ich, viel ehr mit seinem Charakter (Stichwort Kolvenbach-Report) und seiner Herkunft zusammen als mit seinem Glauben.
Ich glaube, vieles, was konservative Gruppen nicht verstehen, hängen mit der ignatianischen Spiritualität und der Theologie von Rahner etc. zusammen. Viele seiner Verhaltensweisen und Worte lassen sich genau damit gut erklären...
Danke für das Wogen-Glätten!
Laura
ad 1.: Mir wäre neu, daß bspw. JP2 oder B16 "modernere Gottesdienstformen, liturgischer Tanz, freie Gebete etc." verdammt hätten. Natürlich kann das alles passieren, solange es nicht in der Hl. Messe geschieht, die Liturgie der ganzen Kirche ist (übrigens der streitenden wie der himmlischen), die nicht zur Befriedigung unserer spirituellen Vorlieben gefeiert wird, die wir nicht machen, sondern die - siehe Sacrosanctum Concilium, also nichts antikonziliares - ein Abbild der himmlischen Liturgie ist.
Wo hat ein Papst Taizé verdammt? Wann freie Gebete (bspw. bei den Fürbitten) verboten?
Wieso darf eine Gemeinde keinen Gottesdienst mit Tänzen anbieten (wohlgemerkt keine Hl. Messe)? Das geht doch alles.
ad 2.: bekanntestes Beispiel, weil erstes, waren die Franziskaner der Immakulata. Dort hat bspw. Papst Franziskus allen Ordensbrüdern verboten, das Missale von 1962 zu verwenden (auch nicht intern nur im Orden, pastoral waren sie immer "birituell"). Das hat mit der Führung des Ordens wenig zu tun, das ist eine theologische Verengung.
Als weiteres schau mal hier nach, Du bist der französischen Sprache ja mächtig:
https://www.soutienpsm.com/
Als drittes Beispiel, auch aus dem frankophonen Raum, fällt mir noch die Fraternité des Saints Apôtres ein. Mit Unterstützung des Papstes wurde diese Gemeinschaft aufgelöst, weil sie sich erdreistete, die Zahl der Seminaristen in Brüssel von Null auf 21 zu heben. Der neue Ortsbischof, der gegen den Zölibat (wegen Priestermangel!) und für islam. Gebetsräume in katholischen Schulen ist, mochte sie einfach nicht. Rausschmeißen ist das eine, auflösen ohne Vergehen das andere. Und deren Seminaristen wollte er auch nicht weihen, wohl zu katholisch.
ad 3.: was Karl Rahner angeht (nicht den Bruder Hugo): er spielt außerhalb des dt. Sprachraums und der jesuitischen Tradition in der Weltkirche keine wirkliche Rolle, es gibt ganz im Gegenteil eine Rückbesinnung auf die großen Meister wie den Aquinaten, Bonaventura, Augustinus, die anderen Väter etc., von seinen Zeitgenossen eher Ratzinger, de Lubac (SJ!), von Balthasar, Congar usw.
Rahner war ja - wie Hans Urs von Balthasar schrieb, der nicht wirklich unjesuitisch war - gegen Ende sogar überzeugt, man könne ja "Priester auf Zeit" weihen, sozusagen mit Verfallsdatum des Sakramentes ...
Daher, ganz ehrlich: zu Rahner meint der Großteil der katholischen Welt: who cares?