Hubertus hat geschrieben: ↑Dienstag 5. März 2019, 17:47
Der Text der
Kurzen kritischen Untersuchung liegt mittlerweile online vor:
https://gloria.tv/text/hQVsp48uvsjf1iSbXY8HLw4w6
Ich habe biher allerdings nicht ein Eindruck gedhabt, daß man hier im Forum überhaupt bereit ist, die Argumente auch nur zur Kenntnis zu nehmen.
Für interessierte Mitleser möchte ich hier eine höchstpersönliche subjektive Zusammenfassung der Argumente aus dieser sogenannten Ottaviani-Intervention (die allerdings nicht von Kardinal Ottaviani, sondern von 12 Theologen verfasst wurde) aus 1969 anbieten. Ich versuche, die Argumente hier möglichst sachlich aus der Perspektive der Autoren wiederzugeben, damit mit dem Novus Ordo Vertraute sich selbst ein Bild davon machen können, ob und inwiefern diese Kritikpunkte von vor 50 Jahren auf die je eigene Erfahrung und Wahrnehmung von Novus-Ordo-Messen im Jahr 2019 zutreffen.
In Teil I: Kritik an der Entstehung und Notwendigkeit des Novus Ordo
- Eine substanziell große Minderheit der Bischöfe der Synode war gegen die Einführung des Novus Ordo oder hat sich der Stimme enthalten
- Die Bischofskonferenzen wurden vor der Einführung nicht um ihre Meinung gefragt
- Der Novus Ordo widerspricht der Zielsetzung von der Apostolischen Konstitution Sacrosanctum Concilium, dass die Liturgie grundsätzlich unverändert bleiben aber besser verständlich sein soll
- Die Gläubigen, spezifisch jene in Missionsländern, haben nicht um eine Liturgiereform ersucht
- Der Novus Ordo ist in vielen Punkten so gestaltet, dass er selbst sehr modernistischen Protestanten gefallen müsste
In Teil II: Kritik an der Definition des Messopfers im Novus Ordo
- Die Heilige Messe wird in den einführenden Erklärungen primär als "Mahl" bezeichnet, das vor allem eine "Versammlung" unter Vorsitz des Priesters und eine "Erinnerungsfeier" an den Gründonnerstag ist. Zentrale dogmatische Aussagen über die Messe als unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Christi, Realpräsenz und Transsubstanziation werden kaum oder gar nicht hervorgehoben und dadurch zumindest in der Praxis geleugnet.
- Durch Hervorhebung der Anwesenheit Christi gemäß dem Bibelwort "Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind..." wird vielmehr die spirituelle Anwesenheit Christi mit Seiner sakramentalen eucharistischen Präsenz auf eine Stufe gestellt.
- Die oftmalige Nebeneinanderstellung von Wort und Sakrament, von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier, und die vielfältige Bezeichnung der Messe durch mehrdeutige Ausdrücke (Mahl, gemeinsame Teilnahme am Tisch des Herrn, Gedächtnisfeier etc.) überbetonen den Mahlcharakter und die Erinnerung und verdunkeln damit den Opfercharakter der Messe
In Teil III: Kritik an der Bedeutung der Messe im Novus Ordo
- Dass die Messe ein Opfer des Lobes an die heilige Dreifaltigkeit ist, kommt im N.O. gar nicht mehr bzw. nur einmal im Jahr (Dreifaltigkeitssonntag) vor
- Dass die Messe ein Opfer für die Vergebung der Sünden der Lebenden und Toten ist, wird im N.O. nicht ausreichend betont; stattdessen wird nun der Fokus auf Stärkung und Heiligung der Lebenden gelegt.
- Dass die Messe gottgefällig sein muss und es nur sein kann, weil das unschuldige Opferlamm Jesus Christus geopfert wird, kommt im N.O. nicht zur Geltung; stattdessen wird die Natur des Opfers geändert auf eine Art Austausch von Gaben zwischen Mensch und Gott: Der Mensch bringt Brot und Wein, und Gott macht daraus "Brot des Lebens" und "Kelch des Heiles". Hier wird im N.O. stillschweigend Realpräsenz geleugnet und stattdessen eine nur spirituelle Wandlung insinuiert.
- Durch die Abschaffung zweier großartiger Gebete im N.O. wird die ständige Anwesenheit von Gott und Hinwendung zu Gott im Hochgebet unterdrückt, es gibt keine klare Unterscheidung zwischen göttlichem und menschlichem Opfer.
- Dadurch mussten die Schöpfer des N.O. zusätzliche Elemente einfügen, damit das Ganze nicht in sich zusammenfällt; und das waren dann zB Gesten der Einheit unter den Gläubigen, die dazu führen, dass die Teilnahme am Opfer eher einem philantropischen Event oder einer Wohltätigkeitsveranstaltung gleicht.
In Teil IV: Kritik am Wesen der Messe im Novus Ordo
- das Geheimnis des Kreuzesopfers Christi ist im N.O. nur mehr verschleiert oder versteckt dargestellt...
- ...dadurch, dass laut den Texten "die Gläubigen sich mit Christus vereinen, indem sie Gottes Wunder preisen und ein Opfer darbringen", aber nicht erwähnt wird, wer das Opfer darbringt und worin es besteht.
- ...und dass in den Gebeten der Messe nicht mehr gesagt wird, wer oder was hier als Opfer dargebracht wird, zeigt eine Änderung in der Lehre
- Damit steht statt der Realpräsenz von Christus mit Leib, Blut, Seele und Gottheit in der eucharistischen Gestalt nunmehr die "Stärkung" der Gläubigen im Vordergrund.
- Auch wird in den Gebeten nicht mehr explizit der Heilige Geist auf die Opfergaben herabgerufen und damit die Realpräsenz noch mehr verschleiert.
Kritik an der Form der Messe im Novus Ordo
- Zahlreiche Eliminierungen und Verschleierungen, u.a.
-- mehrfache Kniebeugen des Priesters
-- Purifikation und sorgfältiges Reinhalten der Finger des Priesters nach der Konsekration
-- Purifikation der eucharistischen Gefäße nach der Kommunion
-- die Anzahl der Altartücher
-- die Form und Anzahl der Gebete im Fall, dass eine konsekrierte Hostie zu Boden fällt
Kritik am Altar im Novus Ordo
- häufige Nutzung des Wortes "Tisch" anstelle von "Altar"
- Anforderung, der Altar müsse umschreitbar sein, damit auch versus populum zelebriert werden kann
- das Spannungsfeld der Aufmerksamkeit zwischen Tabernakel/Hochaltar und Volksaltar
- eine gewisse Schmähung des Tabernakel dadurch, dass dem Volk möglichst frisch konsekrierte Hostien ausgeteilt werden sollen
Kritik an der Wandlung im Novus Ordo
- das Geheimnis des Glaubens nach der Wandlung zu sprechen war dem Priester vorbehalten, als Zeichen des Glaubensbekenntnisses der hierarchischen Priesterschaft [diesen Kritikpunkt in IV.4.a. habe ich nicht verstanden und daher hier möglicherweise falsch wiedergegeben]
- die Wandlungsworte waren im Meßbuch deutlich abgesetzt, zentriert und in anderer Farbe, um die Formel entsprechend zu betonen
- die Anamnese wurde durch die Umformulierung "hoc facite in meam commemorationem" ("tut dies zu meinem Gedächtnis") in ein "nachträgliches Erinnern an ein vergangenes Ereignis" abgeändert und betont nicht mehr das Handeln Christi im Hier und Jetzt
- all das bedeutet in Summe, dass hier der Priester nur mehr eine historische Erzählung der Wandlung durch Jesus "damals" und nicht mehr ein Handeln des Priester in persona Christi
- die Akklamation des Volkes ("Deinen Tod o Herr verkünden wir...") deutet abermals darauf hin, dass nicht die Realpräsenz des Herrn in den frisch konsekrierten Gestalten das Wesentliche ist, sondern dass fast der Eindruck entstehen könnte, dass erst das künftige zweite Kommen ("bis du kommst in Herrlichkeit") das eigentliche Kommen Jesu wäre.
In Teil V: Kritik an der Opferung an sich im Novus Ordo
- Im N.O. hat die Versammlung der Gläubigen, was völlig falsch ist, eine essenzielle Bedeutung für das Wesen der Messe und die Präsenz Jesu
- das wird auch durch die mehrmalige Betonung der allgemeinen Priesterschaft des Volkes sowie die zuvor nie gesehene Unterscheidung von Messen "mit" und "ohne" Volk und andere Aspekte offensichtlich
- damit werden Aufgabe und Stellung des geweihten Priesters in der Messe minimiert, verändert und verfälscht
- das zeigt sich u.a. in der Zelebrationsrichtung und darin, dass im Schuldbekenntnis der Priester nicht mehr als Mittler zwischen Gott und dem Volk die Absolution ausspricht ("der Herr vergebe _euch_ die Schuld"), sondern als einer des Volkes um selbige bittet ("der Herr lasse _uns_ die Sünden nach...")
- in den Worten der eucharistischen Gebete findet sich nichts, das auf die Vollmacht des Priesters zur Darbringung des Opfers oder der Konsekration hinweist; er agiert wie ein protestantischer Pastor
- viele liturgische Gewänder des Priesters sind nicht mehr vorhanden oder nur optional
- das Verhältnis der Kirche zu Christus wird nicht mehr deutlich, was sich z.B. in der Weglassung der Phrase "durch Jesus Christus unseren Herrn" ausdrückt oder in dubiosen Eschatologismen, die die Realität der übernatürlichen Gnade auf eine zeitliche Ebene herabrufen und dort einer "pilgernden Kirche" zuführen wollen, anstelle die Verbindung mit der Ewigkeit zu betonen.
- die Kirche wird in ihrem Wesen reduziert, weil zB nur mehr für "alle Menschen guten Willens" gebetet wird anstelle für "alle Rechtgläubigen des katholischen und apostolischen Glaubens", oder weil zum Schaden der sichtbaren Einheit im Glauben auch für jene gebetet wird, "deren Glauben niemand kennt als Du"
- in keinem der drei Hochgebete wird der Seelen im Fegefeuer gedacht, was einmal mehr den Glauben an die Wirksamkeit und Erlösungskraft des Opfers verschleiert
- die Gemeinschaft der Heiligen wird quasi geleugnet u.a. durch die Streichung der expliziten Nennung vieler Apostel und Heiliger, der Engel und der Heiligen Jungfrau Maria, durch die Auslassung der Apostel Petrus und Paulus im Hochgebet, und durch das Weglassen des Schlußsegens am Ende der Messe wenn niemand außer dem Priester anwesend ist.
Weitere Kritikpunkte am Novus Ordo:
- Auslassung des doppelten Schuldbekenntnisses
- unwürdige Feiern des Opfers bei Feldmessen
- unwürdige Handhabung der heiligen Gefäße durch Ministranten oder durch Laien (bei Kelchkommunion)
- ablenkende Aktionen im Altarraum durch verschiedene Personen (Lektoren, Kantoren usw.)
- "Konzelebrationswut", also die häufige und damit für die priesterliche Ehrfurcht schädliche Konzelebration
In Teil VI: Weitere Kritikpunkte
- Das Thema ist so umfassend, dass diese Untersuchung nur die wichtigsten Aspekte abdeckt; viele weitere Fallen und Gefahren für Spiritualität und Psyche sind daher hier noch nicht erwähnt
- Das 2. Hochgebet ist so kurz und schlicht, dass es ohne jeden Gewissenskonflikt von einem protestantischen Pastor verwendet werden könnte, der weder an den Opfercharakter der Messe noch an die Transsubstanziation glaubt
- Latein als universale Sprache der Liturgie wird durch die Änderungen de facto, wenngleich nicht de jure, abgeschafft, ebenso der Gregorianische Choral
- damit wird auch die Einheitlichkeit der Verehrung aufgegeben, und daraus folgt dann logisch der Verlust der Einheit des Glaubens, die wir aber unbedingt verteidigen müssen
- Aus all dem ist evident, dass der Novus Ordo nicht den Glauben darstellt, so wie er im Konzil von Trient gelehrt wurde; und daher stehen loyale Katholiken mit der Promulgierung dieses Ordo in einem tragischen Gewissenskonflikt.
In Teil VII: Kritik am behaupteten Bezug auf die Ostkirchen
- Obwohl der N.O. angeblich Elemente der ursprünglichen ostkirchlichen Riten aufgreift, müsste der N.O. die ostkirchlichen Gläubigen de facto abstoßen
- Es sind nur wenige Elemente - mehrere Hochgebete, der Einsatz von Diakonen, die Kommunion in beiderlei Gestalt - die hier aufgegriffen wurden
- Dafür wurden viele wesentliche Elemente des Römischen aufgegeben
- In Summe ist der N.O. nicht den Ostkirchen, sondern protestantischen Liturgien näher und wird daher keineswegs die Ökumene mit den Ostkirchen fördern, sondern vielmehr jene beglücken, die die Kirche mit Glaubensabfall unterminieren und vergiften und die Einheit im Glauben, der Liturgie, der Moral und der Disziplin bedrohen.
In Teil VIII: Persönliche Stellungnahme der Autoren
(hier kommen noch einige weitere Punkte zur Sprache, die aber nicht primär gegen den Novus Ordo an sich gerichtet sind, sondern eher gegen jene in der Kirche, die eine Reform der Liturgie Paul V. für zulässig oder notwendig hielten)