Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

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umusungu
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von umusungu »

Cath1105 hat geschrieben:Was sind klandestine Ehen?
Unter einer klandestinen Ehe wurde früher eine in Heimlichkeit geschlossene Ehe verstanden, die aber kirchenrechtlich Gültigkeit hatte.
Um diese zu verhindern, wurde die kanonische Formpflicht eingeführt.

Lilaimmerdieselbe
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Immerhin wußten die Partner der von umusungu erwähnten Ehen, dass sie kirchlich gültig verheiratet waren und betrieben dafür einigen Aufwand. Heute sind Paare katholisch verheiratet und merken das erst, wenn sie jemand anders kirchlich heiraten wollen.

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taddeo
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von taddeo »

Petrus_Agellus hat geschrieben:Danke für den Hinweis taddeo, mir war diese neue (alte) Rechtslage völlig unklar. Die Frage, die sich stellt - und zwar sowohl für RomanesEuntDomus als auch meinen zuvor erwähnten Freund (als ausgetrener Protestant knappe vier Jahre mit einer ausgetretenen Katholikin standesamtlich verheiratet, noch dazu explizit ohne Kinderwunsch): Ist diese Änderung rückwirkend gültig? Selbst wenn nicht, müsste bei einem entsprechenden Annullierungsverfahren doch deutlich den Betroffenen zugute kommen, dass sie lt. derzeit gültigem CIC erst gar keins bräuchten. :hmm:

Schönen Sonntag euch allen!
Gern geschehen - und denk dir nichts: Solche Feinheiten zu kennen, ist eben Aufgabe von uns Kanonisten und gerade noch von trauungsberechtigten Geistlichen. Ein normaler Mensch kann und muß das üblicherweise nicht wissen. (Ich habe über "Omnium in mentem" eine kanonistische Prüfungsklausur geschrieben, deshalb hängt das noch im Oberstübchen rum.)

Rückwirkend gilt das selbstverständlich nicht. Wer zB vor 1983 geheiratet hat, dessen Annullierungsverfahren wird heute noch nach den materiellen Gründen des CIC von 1917 geführt, evtl. mit den Änderungen von "Matrimonia mixta" und solchen späteren Dingen. Nur das Prozeßrecht ist dann das aktuelle nach "Mitis Iudex".
Wenn sich das "explizit ohne Kinderwunsch" irgendwie nachweisen läßt (durch übereinstimmende Aussagen eines oder beider Eheleute und von mindestens zwei Zeugen - es muß aber für den Zeitraum VOR der Heirat belegt werden können!), dann würde das für ein erfolgreiches Annullierungsverfahren ohnehin ausreichen. Ich würde da, falls überhaupt Interesse an einer Annullierung besteht, unbedingt zu einem Erstberatungsgespräch bei einem zuständigen Konsistorium raten.

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Marion
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Marion »

PascalBlaise hat geschrieben:
Siard hat geschrieben:
PascalBlaise hat geschrieben:Letztlich kann ich in bestimmten Szenarien eine gültige Ehe bekommen, indem ich vor der Hochzeit aus der Kirche austrete? :patsch:
Du kannst sogar eine sakramentale Ehe bekommen! (Nicht jede gültige Ehe ist sakramental.)
Es ist schlicht irrational.
Jürgen hatte das mal nett beschrieben:
Juergen hat geschrieben:
Marion hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Das ist ja gerade der Irrsinn!
Katholiken unterliegen der Formpflicht. Wenn sie diese nicht einhalten, gibt es keine gültige Ehe.
Getaufte Nichtkatholiken hingegen handeln sich Null-Komma-Nix eine sakramentale Ehe ein.
Heißt das jetzt, daß vor 1984, oder auch vor dem Daskonzil™ die Ehen zwischen getauften Nichtkatholiken keine sakramentalen Ehen waren? Und Naturehen können (konnten) irgendwie aufgelöst werden?
Sie konnten früher sakramental sein, sie konnten es aber auch nicht sein.
Heute können sie nur noch sakramental sein. Ein Nicht-Sakramentalsein ist ausgeschlossen.
http://kreuzgang.org/viewtopic.php?f=3&t=13893&p=78987
Christus vincit - Christus regnat - Christus imperat

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Siard
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Siard »

Cath1105 hat geschrieben:Hat denen denn niemand erklärt, dass es eine geistige Kommunion gibt?
:hmm: Habe ich nicht irgendwo im Kreuzgang mal gelesen, daß auch die nicht ohne weiteres erlaubt ist?
Petrus_Agellus hat geschrieben:
Florianklaus hat geschrieben:Stimmt denn 2b) heute noch? Unterliegt nach " omnium in mentem " nicht auch der Apostat der Formpflicht?
Tut er - das ist ja der Punkt von "Omnium in mentem". Auch eine Ehe zwischen einem Apostaten und einem Anderskonfessionellen braucht die Erlaubnis des Ordinarius.
Das spart viele Ehenichtigkeitsprozesse.
Ich gestehe, daß ich in den letzten Jahren das Ganze (mangels persönlicher Relevanz) nicht verfolgt habe.
Die Auskünfte auf der Homepage einer Diözese waren da übrigens nicht so eindeutig. :blinker:

Ich habe von Fällen gehört, in denen mit den Vorschriften sehr, sagen wir … lax umgegangen wurde.

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Hubertus
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Hubertus »

Reflector1 hat geschrieben:
Petrus_Agellus hat geschrieben:Von göttlichem Recht kann die Kirche nicht dispensieren.
Natürlich nicht. Wenn es denn göttlichen Rechts ist. Dafür spricht die Tradition der Westkirche, dagegen jene der Ostkirche, das Privilegium Petrinum und wohl auch die Unzuchts-Ausnahme bei Matthäus.
Ich zitiere dazu mal L. Ott, Grundriß der Dogmatik (Freiburg i.Br. u.a. 10/1981) 553f:
Die sog. Unzuchtsklausel (μὴ ἐπὶ πορνείᾳ) [...] will nach dem Zusammenhang keine Ausnahme von dem Gesetz der Unauflöslichkeit feststellen; denn die Absicht Jesu geht dahin, die ursprüngliche Ordnung, welche die Ehescheidung nicht kannte, wiederherzustellen und dem laxen Gebot des Moses in bewußter Antithese (vgl. Mt 5,31 f) sein neues Gebot entgegenzustellen. Will man nicht die Antithese zerstören und einen Widerspruch zwischen Mt einerseits und Mk und Lk (sowie 1 Kor 7, 10 f) anderseits schaffen, so muß man die Klausel entweder im herkömmlichen ausschließenden Sinn verstehen, wonach sie zwar ausnahmsweise die Entlassung der Frau, nicht aber die nachfolgende Wiederverheiratung gestattet, also nur die sog. Trennung von Tisch und Bett, oder im einschließenden Sinn, wonach nicht eine Ausnahme von dem Verbot der Ehescheidung festgestellt, sondern auch der in Dt 24, 1 vorgesehene Scheidungsgrund ('erwath dabar = etwas Schändliches) in das Scheidungsverbot einbezogen wird. Bei letzterer Deutung ist die Klausel als Parenthese aufzufassen und zu übersetzen: "Wer seine Frau entläßt - auch nicht bei unzüchtigem Verhalten (soll er sie entlassen) - und eine andere heiratet, begeht Ehebruch" (Mt 5 ,32: "unter Ausschluß des Falles der Unzucht").
Um das vom Griechischen her beurteilen zu können, fehlt mir allerdings die Expertise.
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

Reflector1
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Reflector1 »

Ich kenne die verschiedenen Versuche zur Auslegung der Unzuchtklausel und kann leider auch nicht ausreichend Altgriechisch, um das zu beurteilen. Abgesehen davon, dass der HERR Aramäisch gesprochen haben dürfte.

Die Frage ist doch, ob Schrift und Tradition so stark sind, dass sie eine Änderung der (westkirchlichen) Lehre in diesem Punkt ausschließen. Manche bezweiflen das. Trient hat ja bewusst auf eine Verurteilung der ostkirchlichen Praxis verzichtet ("Wer sagt, dass die Kirche irre ...."). Dass es eine Änderung wäre (oder besser gesagt: ist), liegt ja wohl auf der Hand.
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Hubertus
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Hubertus »

Reflector1 hat geschrieben:Ich kenne die verschiedenen Versuche zur Auslegung der Unzuchtklausel und kann leider auch nicht ausreichend Altgriechisch, um das zu beurteilen. Abgesehen davon, dass der HERR Aramäisch gesprochen haben dürfte.

Die Frage ist doch, ob Schrift und Tradition so stark sind, dass sie eine Änderung der (westkirchlichen) Lehre in diesem Punkt ausschließen. Manche bezweiflen das. Trient hat ja bewusst auf eine Verurteilung der ostkirchlichen Praxis verzichtet ("Wer sagt, dass die Kirche irre ...."). Dass es eine Änderung wäre (oder besser gesagt: ist), liegt ja wohl auf der Hand.
Dazu vllt. ganz interessant: http://www.thepublicdiscourse.com/214/1/13934/

Daraus:
The more plausible explanation for the sudden turn is that the Council Fathers remained convinced that marriage cannot be dissolved on account of adultery, or anything else, and that they should teach this as a truth of faith. They had been willing to teach it in the form of a direct anathema condemning its denial. But Venice’s intervention had alerted them to a possible consequence of doing so—namely, the disrupting of the delicate balance of relations between Greek Christians and the Roman hierarchy in the Mediterranean islands. They believed the proposition asserting the absolute indissolubility of marriage was true and that it pertained to divine revelation, and they intended to teach both of these, but to do so in a way that minimized undesirable consequences.
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

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taddeo
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von taddeo »

Siard hat geschrieben:Das spart viele Ehenichtigkeitsprozesse.
Genau deshalb wurde die Änderung von Papst Benedikt eingeführt. Solche Ehen sind natürlich nach wie vor häufig (welcher aus der Kirche Ausgetretene kommt schon auf die Idee, vor seiner Heirat mit einer Protestantin die Kirche zu fragen?), aber es reicht dann ein einfacher Dokumentenbeweis aus, um die Nichtigkeit zu deklarieren, falls er doch mal auf die Idee kommt, nochmal kirchlich heiraten zu wollen.

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Cath1105
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Cath1105 »

Siard hat geschrieben:
Cath1105 hat geschrieben:Hat denen denn niemand erklärt, dass es eine geistige Kommunion gibt?
:hmm: Habe ich nicht irgendwo im Kreuzgang mal gelesen, daß auch die nicht ohne weiteres erlaubt ist?
Ist das, was im Kreuzgang steht, die Lehrmeinung der Kirche?
ET VERBUM CARO FACTUM EST

CIC_Fan

Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von CIC_Fan »

das werden hier 20 verschiedene User 20 mal unterschiedlich beantworten

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taddeo
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von taddeo »

CIC_Fan hat geschrieben:Jetzt wird Klartext geredet wenn jetzt immer noch "Dubia" bleiben zeigt das die intellektuellen Möglichkeiten der Fragenden
http://www.katholisch.de/aktuelles/aktu ... mmunion-zu
Eine Zulassung zu dem Sakrament soll im Bistum Rom laut Vallini nur dann möglich sein, wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist. Dies ist zuvor durch das Gericht zu klären.
Das halte ich persönlich für eine sehr sinnvolle Regelung. Sie würde nämlich wirklich nur eine geringe Zahl von "Einzelfällen" betreffen und alles andere als eine "Generalabsolution" für Wiederverheiratete darstellen. Es gibt tatsächlich nicht wenige Fälle, in denen die Ungültigkeit einer Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, aber ein förmliches Annullierungsverfahren aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder zum Scheitern verurteilt ist - wenn zB der Nichtigkeitsgrund und die Beweismöglichkeiten (Zeugen etc.) beim nichtklagenden Partner liegen und der es ablehnt, sich am Verfahren zu beteiligen, so daß der Kläger kein Beweisangebot machen kann.

CIC_Fan

Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von CIC_Fan »

hier angeblich Kardinal Müller der seinen Posten offenbar doch noch etwas behalten mag eine ordentliche Ohrfeige für die 4 Kardinäle
https://www.gloria.tv/article/aHXy77E1DRNZ4f9bqhV2XyiFD

Josef Steininger
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Josef Steininger »

taddeo hat geschrieben:
Eine Zulassung zu dem Sakrament soll im Bistum Rom laut Vallini nur dann möglich sein, wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist. Dies ist zuvor durch das Gericht zu klären.
Das halte ich persönlich für eine sehr sinnvolle Regelung. Sie würde nämlich wirklich nur eine geringe Zahl von "Einzelfällen" betreffen und alles andere als eine "Generalabsolution" für Wiederverheiratete darstellen. Es gibt tatsächlich nicht wenige Fälle, in denen die Ungültigkeit einer Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, aber ein förmliches Annullierungsverfahren aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder zum Scheitern verurteilt ist - wenn zB der Nichtigkeitsgrund und die Beweismöglichkeiten (Zeugen etc.) beim nichtklagenden Partner liegen und der es ablehnt, sich am Verfahren zu beteiligen, so daß der Kläger kein Beweisangebot machen kann.
Nun ja, immerhin ist so der Grundsatz gewahrt, dass, wer durch eine gültige Ehe gebunden ist, kein anderes sexuelles Verhältnis unterhalten darf, wenn er zur Kommunion gehen will. Offensichtlich ist der Papst unter dem Druck der 4 Kardinäle zurückgerudert, denn mit dem Gesamtduktus von AL lässt sich das nicht vereinbaren. Da hieß es ja, dass gerade keine Regel vorgegeben werden soll.
Das zeigt, dass die Aktion der 4 Kardinäle gut und sinnvoll ist, sie haben auf jeden Fall einen Teilerfolg erzielt, zu dem man sie beglückwünschen kann. Es zeigt auch, darauf sollten Außenstehende achten, dass es in der Katholischen Kirche möglich ist, trotz seiner umfassenden Vollmachten dem Papst Widerstand zu leisten, wenn er eine Willkürherrschaft beginnt.

CIC_Fan

Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von CIC_Fan »

in ihrer Phantasie den das Dokument ist unverändert
Abenteuerlich ist was die 4 Eminenzen und andere fromme Seelen in eine Fußnote hineininterpretieren
Im übrigen ist die Äußerung von Kardinal Müller nicht amtlich was man daraus nur ersieht daß der Papst nicht bereit ist dieses Spiel mit zu machen
und der Kardinal den Standpunkt der 4 Eminenzen nicht teilt
in der Sache selbst hat die Äußerung nicht mehr Bedeutung als die Idee von Em Arinze letztes Jahr die dann ja sogar offiziell als Privatmeinung des Kardinal deklariert wurde
ich bin auf die Reaktion von Em Burke neugierig sie ist sicher nicht so Originell wie die des Abbe de Nantes anno 1975

Josef Steininger
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Josef Steininger »

Natürlich ist es nur ein Teilerfolg und man kann nur hoffen, dass die 4 Kardinäle jetzt nicht lockerlassen, sondern weiter Druck machen und dem Papst "ins Angesicht widerstehen".

CIC_Fan

Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von CIC_Fan »

ich bezweifle daß sie dazu gelegenheit bekommen

Raphael

Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Raphael »

CIC_Fan hat geschrieben:ich bezweifle daß sie dazu gelegenheit bekommen
Das ist eine originär protestantische Einstellung: :pfeif:
Der Zweifel ist mit dem Glauben untrennbar verbunden! :roll:

Fragesteller
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Fragesteller »

Josef Steininger hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
Eine Zulassung zu dem Sakrament soll im Bistum Rom laut Vallini nur dann möglich sein, wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist. Dies ist zuvor durch das Gericht zu klären.
Das halte ich persönlich für eine sehr sinnvolle Regelung. Sie würde nämlich wirklich nur eine geringe Zahl von "Einzelfällen" betreffen und alles andere als eine "Generalabsolution" für Wiederverheiratete darstellen. Es gibt tatsächlich nicht wenige Fälle, in denen die Ungültigkeit einer Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, aber ein förmliches Annullierungsverfahren aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder zum Scheitern verurteilt ist - wenn zB der Nichtigkeitsgrund und die Beweismöglichkeiten (Zeugen etc.) beim nichtklagenden Partner liegen und der es ablehnt, sich am Verfahren zu beteiligen, so daß der Kläger kein Beweisangebot machen kann.
Nun ja, immerhin ist so der Grundsatz gewahrt, dass, wer durch eine gültige Ehe gebunden ist, kein anderes sexuelles Verhältnis unterhalten darf, wenn er zur Kommunion gehen will. Offensichtlich ist der Papst unter dem Druck der 4 Kardinäle zurückgerudert, denn mit dem Gesamtduktus von AL lässt sich das nicht vereinbaren. Da hieß es ja, dass gerade keine Regel vorgegeben werden soll.
Das zeigt, dass die Aktion der 4 Kardinäle gut und sinnvoll ist, sie haben auf jeden Fall einen Teilerfolg erzielt, zu dem man sie beglückwünschen kann. Es zeigt auch, darauf sollten Außenstehende achten, dass es in der Katholischen Kirche möglich ist, trotz seiner umfassenden Vollmachten dem Papst Widerstand zu leisten, wenn er eine Willkürherrschaft beginnt.
Ich sehe hier kein Zurückrudern. Wessen Ehe sich formal für ungültig erklären lässt, der braucht die Sonderregelung nach AL nicht; das ist absolut folgerichtig, dass sie für solche Leute nicht gilt. Entscheidend wären nun eben die Kritierien, nach denen die Einzelfallentscheidung erfolgt: Handelt es sich, wie taddeo vermutet, um eine Ungültigkeitserklärung "nach Augenmaß", die die dort greift, wo die Erstehe nicht gültig ist, sich das aber nicht rechtsgültig nachweisen lässt? Oder können nach anderen Kriterien auch tatsächlich Zweitverheiratete zugelassen werden?

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taddeo
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von taddeo »

Fragesteller hat geschrieben:Handelt es sich, wie taddeo vermutet, um eine Ungültigkeitserklärung "nach Augenmaß", die die dort greift, wo die Erstehe nicht gültig ist, sich das aber nicht rechtsgültig nachweisen lässt? Oder können nach anderen Kriterien auch tatsächlich Zweitverheiratete zugelassen werden?
Nein, das wäre eben gerade nicht eine "Ungültigkeitserklärung nach Augenmaß". Es würde geprüft, ob eine reguläre gerichtliche Annullierung möglich ist. Das geschieht ja ohnehin nur, wenn Anhaltspunkte für eine Ungültigkeit vorliegen. Aber eine rechtswirksame Annullierung ist immer und ausschließlich auf gerichtlichem Weg möglich, anders kann es keine geben.
Wenn man nun solche Personen, bei denen die Annullierungsmöglichkeit geprüft und negativ beurteilt wurde, zu den Sakramenten zuläßt, dann wäre das ein klassischer Fall von "oikonomia" nach ostkirchlichem Vorbild: eine gnadenweise Abweichung vom unveränderten Gesetz im Einzelfall. Bisher galt das aber in der lateinischen Kirche als absolut ausgeschlossen, wenn es um göttliches Recht wie die Unauflöslichkeit der Ehe geht.

Josef Steininger
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Josef Steininger »

Hierzu ergänzend aus einem Aufsatz von Kardinal Ratzinger, veröffentlicht im Osservatore Romano 2011, zu finden auf katholisches.info mit Suche "Ehepastoral":

"Epikie und Aequitas canonica sind im Bereich menschlicher und rein kirchlicher Normen von großer Bedeutung, können aber nicht im Bereich von Normen angewandt werden, über die die Kirche keine Verfügungsgewalt hat. Die Unauflöslichkeit der Ehe ist eine dieser Normen, die auf den Herrn selbst zurückgehen und daher als Normen göttlichen Rechts bezeichnet werden. Die Kirche kann auch nicht pastorale Praktiken – etwa in der Sakramentenpastoral – gutheißen, die dem eindeutigen Gebot des Herrn widersprechen. Mit anderen Worten: Wenn die vorausgehende Ehe von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen gültig war, kann ihre neue Verbindung unter keinen Umständen als rechtmäßig betrachtet werden, daher ist ein Sakramentenempfang aus inneren Gründen nicht möglich. Das Gewissen des einzelnen ist ausnahmslos an diese Norm gebunden."

Fragesteller
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Fragesteller »

taddeo hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Handelt es sich, wie taddeo vermutet, um eine Ungültigkeitserklärung "nach Augenmaß", die die dort greift, wo die Erstehe nicht gültig ist, sich das aber nicht rechtsgültig nachweisen lässt? Oder können nach anderen Kriterien auch tatsächlich Zweitverheiratete zugelassen werden?
Nein, das wäre eben gerade nicht eine "Ungültigkeitserklärung nach Augenmaß". Es würde geprüft, ob eine reguläre gerichtliche Annullierung möglich ist. Das geschieht ja ohnehin nur, wenn Anhaltspunkte für eine Ungültigkeit vorliegen. Aber eine rechtswirksame Annullierung ist immer und ausschließlich auf gerichtlichem Weg möglich, anders kann es keine geben.
Wenn man nun solche Personen, bei denen die Annullierungsmöglichkeit geprüft und negativ beurteilt wurde, zu den Sakramenten zuläßt, dann wäre das ein klassischer Fall von "oikonomia" nach ostkirchlichem Vorbild: eine gnadenweise Abweichung vom unveränderten Gesetz im Einzelfall. Bisher galt das aber in der lateinischen Kirche als absolut ausgeschlossen, wenn es um göttliches Recht wie die Unauflöslichkeit der Ehe geht.
Ich bezog mich hierauf:
taddeo hat geschrieben:Es gibt tatsächlich nicht wenige Fälle, in denen die Ungültigkeit einer Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, aber ein förmliches Annullierungsverfahren aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder zum Scheitern verurteilt ist - wenn zB der Nichtigkeitsgrund und die Beweismöglichkeiten (Zeugen etc.) beim nichtklagenden Partner liegen und der es ablehnt, sich am Verfahren zu beteiligen, so daß der Kläger kein Beweisangebot machen kann.
Wenn speziell solche Leute einzelfallweise zu den Sakramenten zugelassen werden, wäre das in der Tat eine Ungültigkeitserklärung nach Augenmaß: Die Ehe würde nicht rechtsgültig annulliert, aber Menschen, bei denen sie, wenn die äußeren Umstände das zuließen, annulliert werden müsste, werden gleichwohl so behandelt. Das wäre weniger eine gnadenweise Abweichung vom Gesetz der Unauflöslichkeit der Ehe, sondern eine gnadenweise Abweichung von dem Verfahren, mit dem die Zulassungsbedingungen normalerweise festgestellt werden.

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Petrus_Agellus
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Petrus_Agellus »

Fragesteller hat geschrieben:Wenn speziell solche Leute einzelfallweise zu den Sakramenten zugelassen werden, wäre das in der Tat eine Ungültigkeitserklärung nach Augenmaß: Die Ehe würde nicht rechtsgültig annulliert, aber Menschen, bei denen sie, wenn die äußeren Umstände das zuließen, annulliert werden müsste, werden gleichwohl so behandelt. Das wäre weniger eine gnadenweise Abweichung vom Gesetz der Unauflöslichkeit der Ehe, sondern eine gnadenweise Abweichung von dem Verfahren, mit dem die Zulassungsbedingungen normalerweise festgestellt werden.
... womit der ganze Aufstand rund um die Fußnote sich nie um die Lehre, sondern letztlich um Kirchenrecht gedreht hätte. Quasi eine "Annullierungsamnestie" bei undurchführbarem Verfahren.

Josef Steininger
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Josef Steininger »

Der Text von AL gibt keinerlei Hinweis, dass nur Leute gemeint seien, deren erste Ehe möglicherweise ungültig ist. Wenn man ihn unvoreingenommen liest, muss man annehmen, dass jedem Seelsorger erlaubt ist, "in gewissen Fällen", für die überhaupt keine Richtlinie gegeben wird, also nach seinen Ermessen, Wiederverheiratete zur Kommunion zuzulassen.
Insofern ist der "Aufstand" schon berechtigt.

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Jorge_
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Jorge_ »

taddeo hat geschrieben:
CIC_Fan hat geschrieben:Jetzt wird Klartext geredet wenn jetzt immer noch "Dubia" bleiben zeigt das die intellektuellen Möglichkeiten der Fragenden
http://www.katholisch.de/aktuelles/aktu ... mmunion-zu
Eine Zulassung zu dem Sakrament soll im Bistum Rom laut Vallini nur dann möglich sein, wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist. Dies ist zuvor durch das Gericht zu klären.
Das halte ich persönlich für eine sehr sinnvolle Regelung. Sie würde nämlich wirklich nur eine geringe Zahl von "Einzelfällen" betreffen und alles andere als eine "Generalabsolution" für Wiederverheiratete darstellen. Es gibt tatsächlich nicht wenige Fälle, in denen die Ungültigkeit einer Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, aber ein förmliches Annullierungsverfahren aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder zum Scheitern verurteilt ist - wenn zB der Nichtigkeitsgrund und die Beweismöglichkeiten (Zeugen etc.) beim nichtklagenden Partner liegen und der es ablehnt, sich am Verfahren zu beteiligen, so daß der Kläger kein Beweisangebot machen kann.
Diese enge Auslegung der Regelung von Vallini wurde auch auf kath.net angedacht, ich glaube sogar Msgr. Schlegl hatte das als Erster so verstanden. Ich denke aber trotzdem, diese engführende Deutung ist eher ein Wunschdenken der Wiederverheiratetenkommunionkritiker. Der Ausdruck wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist soll glaube ich nicht bedeuten, dass sich das nur auf die wenigen Fälle beschränkt, in denen ein Verfahren gar nicht stattfinden kann oder zu keinem Ergebnis gelangt, sondern dass alle Fälle erfasst sind, in denen die Ehe nicht annulliert werden kann (sei es, weil das Verfahren nicht durchführbar und die Gültigkeit nicht feststellbar ist, oder sei es eben auch, weil die Ehe wirklich gültig ist und das Verfahren das Weiterbestehen des Ehebandes feststellt oder feststellen müsste).

Der Vortrag von Ebf. Vallini ist im ital. Original hier zu finden. Da klingt das so:
III. Quando la via processuale non è percorribile, perché il matrimonio è stato celebrato validamente ed è naufragato per altre ragioni, dunque la nullità matrimoniale non può essere né dimostrata, né dichiarata, è necessario sviluppare un’azione pastorale, che preveda un lungo “accompagnamento”, nella linea del principio morale del “primato della persona sulla legge”. (S. 11)
Die anschließenden Ausführungen Vallinis, besonders auch Pkt. IV. auf der nächsten Seite (S. 12), legen m.E. ebenfalls nahe, dass die Möglichkeit der "Begleitung", die dann unter Umständen auch den Empfang der Sakramente einschließt, für alle Betroffenen gelten soll, zumal am Ende auch nur zivilrechtlich Verheiratete und ohne Trauschein Zusammenlebende angesprochen werden, die ebenso betreut und nach "analogen Kriterien" beurteilt werden sollen. Diese Kriterien richten sich nicht nach dem Ergebnis eines etwaigen Nichtigkeitsverfahrens oder dem Grund, warum es nicht erfolgreich war, sondern es sind die in AL genannten Einzelfallkriterien (ob man ungewollt verlassen oder misshandelt wurde oder ob man selbst die Ehe zerstört hat usw.).

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Jorge_
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Jorge_ »

Hubertus hat geschrieben:
Reflector1 hat geschrieben:
Petrus_Agellus hat geschrieben:Von göttlichem Recht kann die Kirche nicht dispensieren.
Natürlich nicht. Wenn es denn göttlichen Rechts ist. Dafür spricht die Tradition der Westkirche, dagegen jene der Ostkirche, das Privilegium Petrinum und wohl auch die Unzuchts-Ausnahme bei Matthäus.
Ich zitiere dazu mal L. Ott, Grundriß der Dogmatik (Freiburg i.Br. u.a. 10/1981) 553f:
Die sog. Unzuchtsklausel (μὴ ἐπὶ πορνείᾳ) [...] will nach dem Zusammenhang keine Ausnahme von dem Gesetz der Unauflöslichkeit feststellen; denn die Absicht Jesu geht dahin, die ursprüngliche Ordnung, welche die Ehescheidung nicht kannte, wiederherzustellen und dem laxen Gebot des Moses in bewußter Antithese (vgl. Mt 5,31 f) sein neues Gebot entgegenzustellen. Will man nicht die Antithese zerstören und einen Widerspruch zwischen Mt einerseits und Mk und Lk (sowie 1 Kor 7, 10 f) anderseits schaffen, so muß man die Klausel entweder im herkömmlichen ausschließenden Sinn verstehen, wonach sie zwar ausnahmsweise die Entlassung der Frau, nicht aber die nachfolgende Wiederverheiratung gestattet, also nur die sog. Trennung von Tisch und Bett, oder im einschließenden Sinn, wonach nicht eine Ausnahme von dem Verbot der Ehescheidung festgestellt, sondern auch der in Dt 24, 1 vorgesehene Scheidungsgrund ('erwath dabar = etwas Schändliches) in das Scheidungsverbot einbezogen wird. Bei letzterer Deutung ist die Klausel als Parenthese aufzufassen und zu übersetzen: "Wer seine Frau entläßt - auch nicht bei unzüchtigem Verhalten (soll er sie entlassen) - und eine andere heiratet, begeht Ehebruch" (Mt 5 ,32: "unter Ausschluß des Falles der Unzucht").
Um das vom Griechischen her beurteilen zu können, fehlt mir allerdings die Expertise.
Eine „endgültig richtige“ Deutung dieser dunklen Klauseln wird es nicht geben, egal wie gut man Griechisch kann.
Sie ist rein von der bibeltheologischen Logik her aber auch nicht notwendig. Auch wenn es sich nicht genau klären lässt, muss jedenfalls mit der Möglichkeit einer echten Ausnahme vom Scheidungsverbot gerechnet werden. Dies allein reicht dann schon aus, damit es nicht dogmatisiert werden kann (gegen eine zulässige Lesart der Bibel kann ja kein Glaubensdogma aufgestellt werden). Das ist auch der tiefere Grund der Entscheidung von Trient, die Unauflöslichkeit der Ehe nur zur Hälfte zu dogmatisieren und den Fall des Ehebruchs von dem Dogma auszunehmen.

Die Unzuchtsklauseln wurden in der katholischen Theologie immer als störend empfunden und sträflich vernachlässigt, oft wurde einfach so getan, als gebe es sie gar nicht.
Ott vertritt hier die beiden traditionellen Standarddeutungen der kath. Dogmatiker, die eine echte Ausnahmeregelung vom Scheidungsverbot ausschließen wollten. Beide sind so nicht haltbar, die Bedeutung des Textes wird ins Gegenteil verkehrt, indem man statt „außer“ im ausschließenden „auch nicht“ im einschließenden Sinn liest. Das ist offensichtlich apologetisch. Selbst wenn man den Text so verstehen könnte, bliebe die ausschließende Interpretation aber immer noch zumindest ebenso gut möglich und damit bibelhermeneutisch eben wenigstens auch zulässig. Es wäre also nichts gewonnen, solange man nicht beweisen kann, dass die eine Auslegung hundertprozentig stimmt und die andere klar falsch ist.
Eine ähnlich gestrickte Lösung aus jüngerer Zeit meinte, mit porneia als Scheidungsgrund sei wohl nicht Ehebruch, sondern vielmehr eine zu enge Verwandtschaft oder etwas ähnlich „Schändliches“ gemeint, sodass sich daraus dann nach moderner Logik im Ergebnis keine richtige Ehescheidung, sondern eine Art Trennung oder Annullierung einer sowieso schon ungültigen Verbindung ergeben würde. In solchen Fällen sei es dann zulässig, die Frau zu entlassen. Kardinal Müller hat noch kurz vor der Synode versucht, diese wohl in der evangelikalen Bibelwissenschaft entstandene Deutung der Klauseln als besonders überzeugend hinzustellen (was sie aber nicht ist). Es bliebe aber selbst dann noch unsicher und die viel einfachere Lesart, wonach da tatsächlich außer bei Ehebruch steht und auch so gemeint ist, bliebe immer mindestens genauso gut denkbar und damit eben auch als Verständisweise vom Text her zulässig.
Andere weisen darauf hin, diese Klauseln stünden ja nur im Matthäusevangelium und nicht bei den anderen Evangelisten und es sei unwahrscheinlich, dass die anderen Evangelien eine derart wichtige Ausnahmeregel einfach wegließen. Die Klauseln bräuchten deswegen nicht so ernst genommen zu werden. Bibeltheologisch gedacht ist das natürlich Unsinn. Das Gleiche würde auch für den (gar nicht unwahrscheinlichen und von vielen Exegeten angenommenen) Fall gelten, dass diese Klauseln spätere Zusätze sind und in der Erstfassung des Textes gar nicht drinstanden. Selbst dann gehörten sie aber unverändert zum kanonischen Text und müssen in jedem Fall, ganz egal wer sie geschrieben oder gesagt hat (Jesus, der Evangelist, oder ein späterer Redaktor) als "Wort Gottes" ernstgenommen werden. Man kann sie also nicht einfach unberücksichtigt lassen, es sei denn man erklärt sie für unkanonisch, aber das will niemand.

Kardinal Ratzinger hatte als Glaubenspräfekt in seiner nur auf Italienisch erschienenen Broschüre zum Wiederverheiratetenproblem von 1998 – das ist derselbe Text, der später (ich glaube 2011) in Auszügen erneut und diesmal auch auf Deutsch im L'Osservatore Romano veröffentlicht und hier im Strang schon zitiert wurde – die Linie vertreten, die Matthäusklauseln seien wegen der vielen Auslegungsmöglichkeiten einfach zu unklar und könnten deswegen nicht dogmatisch ausgewertet werden. Diese Position hat nachher auch Kdl. Müller eine Zeitlang vertreten, bis er die evangelikale Position übernahm. Bibeltheologisch ist das natürlich ebenfalls inkonsequent, denn es bleibt ja weiter möglich, sie als echte Ausnahmeregel zu verstehen (wie das die altkirchliche und orthodoxe Auslegung immer tat). Selbst wenn diese Auslegung unsicher ist und man es letztlich nicht genau wissen kann, darf man eine solche biblisch mögliche Deutung dogmatisch nicht völlig ausschließen und kann sie deshalb nicht für unzulässig erklären oder einfach ganz unbeachtet lassen.

Es bringt also letztendlich für die Lösung der strittigen dogmatischen Frage gar nichts, über die richtige Auslegung dieser Klauseln zu streiten oder Argumente für die eine oder die andere Interpretation zu sammeln, weil immer verschiedene Auslegungsweisen möglich und zulässig bleiben und immer auch die Annahme dazu gehören wird, es handele sich um eine wirkliche Ausnahme vom Scheidungsverbot für den Fall von "Ehebruch".

Von katholischer Seite m.W. zum ersten Mal nicht bloß exegetisch, sondern auch bibeltheologisch konsequent angegangen ist das Problem der Matthäusklauseln Thomas Söding in seinem Beitrag in dem 2014 erschienenen Sammelband von Markus Graulich (Zwischen Jesu Wort und Norm, QD 264, S. 48-81).
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Jorge_
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Jorge_ »

Hubertus hat geschrieben:
Reflector1 hat geschrieben:Ich kenne die verschiedenen Versuche zur Auslegung der Unzuchtklausel und kann leider auch nicht ausreichend Altgriechisch, um das zu beurteilen. Abgesehen davon, dass der HERR Aramäisch gesprochen haben dürfte.

Die Frage ist doch, ob Schrift und Tradition so stark sind, dass sie eine Änderung der (westkirchlichen) Lehre in diesem Punkt ausschließen. Manche bezweiflen das. Trient hat ja bewusst auf eine Verurteilung der ostkirchlichen Praxis verzichtet ("Wer sagt, dass die Kirche irre ...."). Dass es eine Änderung wäre (oder besser gesagt: ist), liegt ja wohl auf der Hand.
Dazu vllt. ganz interessant: http://www.thepublicdiscourse.com/214/1/13934/

Daraus:
The more plausible explanation for the sudden turn is that the Council Fathers remained convinced that marriage cannot be dissolved on account of adultery, or anything else, and that they should teach this as a truth of faith. They had been willing to teach it in the form of a direct anathema condemning its denial. But Venice’s intervention had alerted them to a possible consequence of doing so—namely, the disrupting of the delicate balance of relations between Greek Christians and the Roman hierarchy in the Mediterranean islands. They believed the proposition asserting the absolute indissolubility of marriage was true and that it pertained to divine revelation, and they intended to teach both of these, but to do so in a way that minimized undesirable consequences.
Das ist auch sehr vereinfacht dargestellt. Es ist schon richtig, dass die politische Frage (Venedig nicht zu verärgern) eine Rolle gespielt und womöglich auch den letzten Ausschlag gegeben hat, weshalb sich dieses „halbe“ Unauflöslichkeitsdogma so schnell durchsetzen ließ. Die dogmatischen Argumente waren aber tiefreichender. Die Konzilsväter wussten, dass die Mehrzahl der Kirchenväter selbstverständlich noch davon ausgegangen war, dass eine Ehe durch den Ehebruch tatsächlich beendet wird und danach schlicht nicht mehr besteht (das „Eheband“, das auch nach der Trennung noch weiterbesteht, ist ja eine mittelalterliche Neuerung, die es in der Zeit der Kirchenväter so noch nicht gab). Diese Kirchenväter hatten auch dasselbe Verständnis der Matthäusklauseln, wie es heute noch in der Orthodoxie vertreten wird. Deshalb scheuten sich die Konzilsväter, die Unauflöslichkeit auch für den Fall des Ehebruchs voll zu dogmatisieren, weil sie damit eine ganze Reihe wichtiger Kirchenväter als Häretiker hätten dastehen lassen. Das wurde in den Diskussionen auch so gesagt. Piet Fransen hat das in den 5er Jahren sehr genau herausgearbeitet. Es gibt auch einen neueren Aufsatz von Jorissen aus 1995, der die Ergebnisse Fransens bestätigt.

Was fast immer ganz unterschlagen wird ist, dass das Konzil von Trient nicht nur in Kanon 7 diese etwas schwammige Formel benutzt, sondern gleich danach auch ein ausdrückliches Dekret für Zypern (glaube ich) erlassen hat, das den dortigen Priestern die Spendung der Sakramente an griechische Wiederverheiratete erlaubte, auch wenn deren erster Ehepartner noch lebte. Eine Art Amoris laetitia der Frühneuzeit sozusagen. Diese Regelung des Konzils war zwar lokal begrenzt und hielt auch nicht sehr lange (ich glaube sie wurde ca. 3 Jahre später vom Papst kassiert), bildet aber eben doch einen Präzedenzfall, hinter den man nicht zurück kann. Der Fall war glaube ich auch im Kreuzgang schonmal Thema. Deshalb sind alle Behauptungen, die Kirche könne so etwas wie AL nicht tun, weil sie damit ihrer "2-jährigen" Tradition widerspreche und gegen göttliches Recht verstoße, von vornherein widerlegt. Wenn das Konzil von Trient das durfte, darf es auch Papst Franziskus.
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Raphael

Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Raphael »

@ Jorge

Ja, dann ist ja jetzt endlich alles geklärt! :roll:

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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Cath1105 »

Droht da ein Bruch?

http://www.kath.net/news/58114
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Raphael

Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Raphael »

Cath115 hat geschrieben:Droht da ein Bruch?

http://www.kath.net/news/58114
Daraus:
In einem Interview hat Gerhard Ludwig Kardinal Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, den Vorschlag einer Korrektur des Papstes durch das Kardinalskollegium kritisiert. Dies sei nicht möglich, da keine Gefahr für den Glauben bestehe, hatte Müller seine Position begründet. Kath.net hat hier berichtet: Kardinal Müller kritisiert Brief der vier Kardinäle.
Warum sollte sich auch der Präfekt der Glaubenskongregation öffentlich gegen den amtierenden Papst positionieren? :roll:

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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Cath1105 »

Hat er das nicht schon einmal anders formuliert?
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Re: Nachsynodale Ermunterungen namens „Amoris laetitia“

Beitrag von Jorge_ »

Cath1105 hat geschrieben:Hat er das nicht schon einmal anders formuliert?
Ja, z.B.
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