Robert Ketelhohn hat geschrieben:Raphael hat geschrieben:Nach einigen diskursiven Zusammenstößen mit der orthodoxen Fraktion in diesem Forum, verfestigt sich bei mir die Ansicht immer mehr, daß den Orthodoxen ihr Glauben ins Unaussprechliche abgewandert ist.
Laß diese Ansicht sich nicht allzu sehr verfestigen, denn sie ist verkehrt.
Nun, jedes Mal wenn es um die "harten Fakten" geht, dann weichen sie ins Unaussprechliche aus oder fangen an, Begrifflichkeiten der katholischen Dogmatik zu destruieren.
Wie soll man sonst ein solches Verhalten einwerten?
Feigheit vor dem Freund will ich ihnen ja nicht vorwerfen ...................
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Raphael hat geschrieben:Dominus Jesus warnt jedoch vor folgender Fehlansicht:
Die Wurzeln dieser Auffassungen sind in einigen Voraussetzungen philosophischer wie auch theologischer Natur zu suchen, die dem Verständnis und der Annahme der geoffenbarten Wahrheit entgegenstehen. Einige davon sind: die Überzeugung, dass die göttliche Wahrheit nicht fassbar und nicht aussprechbar ist, nicht einmal durch die christliche Offenbarung ......
Diese (offizielle) Übersetzung ist nicht ganz korrekt. Der entscheidende Punkt lautet im Original: persuasio de incomprehensibilitate et inexprimibilitate veritatis divinae etiam ex parte revelationis christianae. Das ist zu übersetzen: »die Überzeugung von der Unbegreiflichkeit und Unausdrückbarkeit der göttlichen Wahrheit sogar von seiten der christlichen Offenbarung«. Das Irreführende an der offiziellen Übersetzung ist das Komma mit dem folgenden „nicht einmal“, als würden zwei verurteilte Haltungen aufgezählt. Es ist aber nur eine Haltung gemeint, nämlich daß sogar die Offenbarung keine Wahrheit über Gott aussagen könne. Das wird zurückgewiesen. Der Satz richtet sich gegen den Agnostizismus, nicht gegen die apophatische Theologie, die sogar, nach einhelliger Meinung der Väter, der erhabenere Weg der Theologie ist.
Vielen Dank für die Klarstellung, wobei ich - wie schon an anderer Stelle - darauf hinweisen muß, wie gefährdend apophatische Theologie sein kann, wenn sie falsch verstanden wurde.
Möglicherweise ist auch die Reformation Martin Luthers nicht unwesentlich von seinem Studium des Dionysius Areopagita beeinflusst worden.
Daneben sei noch auf den Prolog des Johannes-Evangeliums verwiesen, der seine normative Verbindlichkeit behält, auch wenn die Apophatik ein gangbarer Weg zur Erkenntnis Gottes ist.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die »Unbegreiflichkeit und Unausdrückbarkeit der göttlichen Wahrheit« ist auch gute „katholische“ Tradition. Tu doch nicht so, als sei dem lateinischen Westen die via negativa der Theologie fremd. Das ist sie nicht. Von der breiten Rezeption der »Himmlischen Hierarchien« des Dionysius Areopagita über Johannes Scotus Eriugena, den hl. Bonaventura, den Magister Eckhart und den sel. Heinrich Suso bis zu Nicolaus Cusanus findest du sie stets präsent, wenn auch zeitweise und besonders in der Neuzeit eher am Rande. Aber achte einmal darauf, wie offt quer durch die Jahrhunderte in lehramtlichen, theologischen und liturgischen Texten der Ausdruck ineffabilis Deus vorkommt.
Was generell jene »Unbegreiflichkeit und Unausdrückbarkeit« betrifft, so lehrt natürlich die Kirche, daß Gott als solcher – also seine Existenz – und verschiedene Attribute – etwa daß er der Schöpfer ist – der natürlichen Vernunft zugänglich und erkennbar sind. Solche Erkenntnis bleibt aber notwendig begrenzt. Weiteres über Wesen und Attribute Gottes teilt er uns durch Offenbarung selbst mit. So erkennen wir kraft Offenbarung Wahres über Gott, aber die Wahrheit und Verständnis des göttlichen Wesens erreichen wir dennoch nicht, können wir nicht erreichen. Darüber hat sich das Vaticanum I in Dei Filius ausführlich und aufschlußreich geäußert. Über die begrenzte Offenbarungserkenntnis hinaus (also nicht nur verstehend in sie hinein) gelangen wir tatsächlich nur auf dem apophatischen Weg. Aber nicht aus eigener Herrlichkeit, sondern, wenn denn je, nur kraft besonderer Begnadung.
Du erwähnst hier große Namen der Christenheit, wobei ich nur den letzten herausgreifen möchte:
Die
docta ignorantia des Nikolaus aus Kues überschreitet die pure Apophatik, weil sie in paradoxer Weise Bildung und Unwissenheit in demütiger Weise verbindet. Gerade hoch Gebildete erkennen ihr
Teilwissen in besonderer Klarheit.
Dies ist jedoch keine Schande, sondern ganz im Gegenteil: Es ist konstitutiv für ihre hohe Bildung.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Raphael hat geschrieben:Als Beispiele für diese meine These seien genannt:
1. Die Ablehnung der Transsubstantiationslehre
Das ist unzutreffend. Insofern diese Lehre de fide ist, wird sie von den Orthodoxen geteilt (und mehr weiß auch kein normaler, gläubiger Katholik davon). Spezifische Begrifflichkeiten aristotelischer Herkunft, die dahinter stehen, machen sich die „Orthodoxen“ in der Regel nicht zueigen, manchmal lehnen sie sie ausdrücklich ab. Das ist aber legitim. Wir haben ja keine Philosophenschule „dogmatisiert“.
Gerade beim Disput über diese Begrifflichkeit stieg einst der "Sakristeiterminator" Roman (aka Nietenolaf) aus.
Was ist ihm wohl lieber: Eine klare Begrifflichkeit oder die christliche Lehre zum Sophismus zu degradieren?
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Raphael hat geschrieben:2. Das Beharren auf dem Hesychasmus als dem ausschließlichen Weg der Gotteserkenntnis
Das kann ich auch nicht erkennen. Es gibt da durchaus unterschiedliche Wege. Auch ist jener Weg in den Ostkirchen nach der Zeit des Gregor Palamas eher in den Hintergrund getreten. Er wurde eigentlich erst im Lauf des 19. Jht.s wiederentdeckt.
Hier wäre es schön, wenn ein Orthodoxer ein paar klärende Worte einwerfen könnte ...........
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Raphael hat geschrieben:3. damit einhergehend: Die Quasi-Dogmatisierung des Palamismus und daraus wiederum folgend:
Die mangelnde Auseinandersetzung mit der katholischen Gnadenlehre
Das mangelnde Verständnis scheint mir hier gegenseitig zu sein. Ich habe in einem Nachbarstrang ja Ansätze zu liefern versucht, wie Gnadenlehre und Energienlehre als eigentlich dasselbe meinend zu verstehen sind. Aber das führte hier zu weit.
Genau an diesem Punkt stand der damalige Disput mit Roman!
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Raphael hat geschrieben:Richtig verstanden besagt Apophatik ja nicht, Gott sei verstandesmäßig nicht faßbar, sondern sie besagt, daß es dem Menschen möglich ist, Gott negativ abzugrenzen. Der Mensch kann sagen: Dies ist göttlich (Kataphase), dieses aber ist nicht göttlich (Apophase).
Nein, das hast du falsch verstanden. Siehe oben.
Eine zugegebenermaßen etwas eigenwillige Definition von meiner Seite des Begriffs »Apophatik«.
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