Opfer/Rechtfertigung/Zorn Gottes etc. in der Ostkirche

Ostkirchliche Themen.
Benutzeravatar
Monergist
Beiträge: 225
Registriert: Dienstag 6. März 2007, 18:00

Opfer/Rechtfertigung/Zorn Gottes etc. in der Ostkirche

Beitrag von Monergist »

Hallo allerseits,

mich würde einmal interessieren, was ostkirchliche Gläubige bzw. Eure Gemeinde hierüber denken und lehren.

Ich habe mich in den letzten Jahren verstärkt in ostkirchliche Theologie eingelesen und dabei einen Akzent auch auf das gesetzt, was man westkirchlich als Gnaden- oder Rechtfertigungslehre bezeichnen würde.

Dabei – und in Besuchen der Göttlichen Liturgie und Gesprächen mit dem Priester – ist mir schon deutlich geworden, dass der Ansatz der Theosis ein ganz anderer ist als die westlichen Denkkategorien. Auch ist mir klar geworden, dass Christus mehr als Arzt denn als Richter gesehen wird, der alles für unsere Heilung bereitstellt, die Verbindung zu den ungeschaffenen Energien wieder schließt. Befreiung aus der Gefangenschaft des Teufels und des Todes, Sprengung des Todes von innen heraus.

Eine orthodoxe amerikanische Autorin hat deshalb auch geschrieben, dass das Opfer Christi mit einem jungen Polizeibeamten vergleichbar sei, der sich dem Polizeichef freiwillig für die Rettung von Geiseln aus der Hand eines Kriminellen anbietet und hierbei sein Leben opfert. Das Opfer sei auch dem Chef gewidmet gewesen, der dieses aber nicht verlangt hatte.

Was mich irritiert ist, dass teilweise in der Ostkirche davon ausgegangen wird – so habe ich z. B. Lossky verstanden –, dass der juridische Aspekt der Bezahlung unserer Schuld (und nicht nur der Opfergedanke) durchaus Teil des göttlichen Erlösungsgeschehens sei, dieses aber weiter sei und nicht auf diese Kategorien beschränkt werden könne.

Andere – z. B. die Stellungnahmen der amerikanischen OCA und der HOCNA (Letztere in Unterstützung von Dr. Kalamiros, der in seinem Werk The River of Fire eine ziemlich extreme Position darlegt) – scheinen hingegen die Ansicht zu vertreten, dass Gott selbst des Opfers Christi keinesfalls zur Vergebung unserer Schuld bedurft hätte, dass Christus zwar ein Opfer erbracht habe, aber nur zu unserem Besten, dass der Zorn Gottes letztlich nur eine Metapher sei. Der Mensch müsse sich ändern.

Manchmal geht dieser Widerspruch m. E. sogar durch ein Dokument: In What Christ Accomplished on the Cross von Hieromonk Damascene findet sich beispielsweise einerseits ausgeführt:

Why did the Son have to offer Himself in sacrifice to the Father? Why did God sacrifice Himself to God? Here we get at the crux of the mystery of Redemption. St. Gregory the Theologian urges us not to try to conform this mystery to human logic, not apply to it human conceptions that are unworthy of God. He says: "The Father accepts the sacrifice not because He demanded it or felt any need of it, but on account of economy," [19] that is, to fulfill the Divine plan of our salvation in accordance with the Divine ordering of creation.

Dann fährt er aber andererseits fort:

“St. Gregory Palamas sheds more light on this question. He says that God could have found other ways of saving man from sin, mortality and servitude to the devil. But He saved man in the way He did—by coming to earth, dying and resurrecting—because this was according to justice and righteousness. [20] As the Psalmist says: God is righteous and loveth righteousness … and there is no unrighteousness in Him (Ps. 11:7, 92:15). Death was the just penalty for sin, and Christ paid that penalty. But because He was sinless, His death was unjust. Therefore, He justly destroyed death. This was God's economy, completely in accordance with His righteousness.
The devil thought He could destroy Christ by inciting people to put Him to death. But Christ's death proved to be the devil's undoing because, unlike every other person who had ever lived, Christ did not deserve death. St. John Chrysostom offers us a vivid image to highlight this teaching: "It is as if, at a session of a court of justice, the devil should be addressed as follows: ‘Granted that you destroyed all men because you found them guilty of sin; but why did you destroy Christ? Is it not very evident that you did so unjustly? Well then, through Him the whole world will be vindicated." [21]
Christ saved us in the way He did not only to manifest His justice and righteousness, but also to manifest His love.”


Irgendwie macht das doch keinen Sinn: Entweder erfordert die göttliche Gerechtigkeit, dass die Sünden der Menschen gesühnt werden oder nicht. Entweder ist das Opfer Christi zur Vergebung der Sünden nötig oder es ist es nicht.

Kann mir da jemand helfen? Über Antworten würde ich mich freuen.

Viele Grüße von M.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Benutzeravatar
FranzSales
Beiträge: 976
Registriert: Dienstag 14. Oktober 2003, 08:46

Beitrag von FranzSales »

Schade, dass bislang hier noch gar nichts geschrieben wurde.
:(
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Benutzeravatar
Monergist
Beiträge: 225
Registriert: Dienstag 6. März 2007, 18:00

Beitrag von Monergist »

FranzSales hat geschrieben:Schade, dass bislang hier noch gar nichts geschrieben wurde.
:(
Ja, zumal die Fragen, was Christus für uns getan hat, wie wir davon profitieren können, warum sein Tod erforderlich gewesen ist etc. etc. in meinen Augen die wichtigsten überhaupt für einen Christen sind und auch am Anfang jedes interkonfessionellen Gesprächs stehen sollten.

Wenn man in diesem Punkt nämlich keine gemeinsame Basis hat, erübrigen sich m. E. Detaildiskussionen über andere Dinge.

Viele Grüße von M.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Benutzeravatar
incarnata
Beiträge: 2047
Registriert: Mittwoch 8. November 2006, 01:11

Beitrag von incarnata »

Ich habe nicht Theologie studiert,aber doch einiges darüber gehört gelesen
und viel darüber nachgedacht.Das iuristische Vokabular von Schuld,Zorn
Gericht und Rechtfertigung trifft das Wesentliche m.E. nur unzureichend.
GOTT ist die Liebe und da die Liebe immer auf ein Gegenüber gerichtet ist
in das sie sich verströmt(sonst wär`s ja Eigenliebe) ein GOTT in drei Personen.
Die schöpferische Kraft der Liebe bringt die Schöpfung hervor::Wesen freien
Geistes und freien Willens(die Engel),die Materie der belebten und unbelebten Natur mit ihren Wandlungsprozessen,energetischen Wechseln,Raum-und
Zeitkategorien und ein Mischwesen,körperlich funktionierend wie ein Tier
aber eben auch begabt mit dem was wir Seele nennen,dem freien Geist nach
Gotteserkentnis zu streben,oder auch nicht...Gott will die Materie heiligen,indem er den Menschen dazu veranlasst freiwillig in eine immer tiefere, Seine Liebeerwidernde Beziehung zu Ihm zu treten.
.Das Geistwesen aber,dem diese Verbindung von Materie und Geist
zuwider ist und das sich selbst die Materie unterwerfen will in seiner Abwendung von GoTT(der Teufel) säht Mißtrauen in das Menschenherz gegenüber seinem Schöpfer..Der Mensch will sich nun nicht mehr wie
ein Kind langsam mit immer tieferer Gotteserkenntnis beschenken lassen,
sondern auf eigene Faust zur Erkenntnis kommen; Er will nach eigener
Facon "sein wie GOTT",nicht wie GOTT ihn sich als sein Ebenbild
gedacht hat..Mit diesem Schritt aber vollzieht er den Abfall--die Trennung
von Gott ist gleichbedeutend mit dem ewigen Tod,denn GOTT ist das
Leben; und da der Mensch ein Mischwesen ist, reisst er die Materie mit hinein:
Die Schöpfung ist nicht mehr "gut so" sondern voller Leid und der Teufel
der Herr der Welt.
GOTT aber hat eine überströmende Liebe zu seinem Geschöpf Mensch und
seiner Schöpfung Welt.Er will und kann sie nicht in diesem Zustand lassen.
Um wieder den ursprünglichen Zustand herzustellen ,lässt er seinen Sohn
Mensch-wie man früher sagte -Fleisch werden,dh. Materie annehmen;er
erfährt daher alle Folgen der Eigenwilligkeit des Menschen,das Leid,
die Schwäche,die Unbehaustheit und-unfaßbares Geheimnis-sogar die totale
Gottverlassenheit im Tode.Aber da Jesus eben nicht nur ganz Mensch sondern
zugleich auch ganz Gott ist,kann er den Tod überwinden und uns auf den
Flügeln der Morgenröte,wie Papst Benedikt XVI in seiner Ostervigilpredigt
sagte, wieder zum Vater aufsteigen lassen.So kann am Ende der Zeiten
dann mit allen,die diesen Weg mit Seiner Hilfe gefunden haben auch eine
neue Erde entstehen und auch die Leiden der schuldlosen Geschöpfe
sind nicht sinnlos..

Theologen an die Front:Ist dieser mein Glaube gut Katholisch? Auch von
Orthodoxen akzeptabel?Im Lichte lutherischer Rechtfertigungslehre
verständlich?
Mir jedenfalls ist er Licht und Orientierung
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Benutzeravatar
Monergist
Beiträge: 225
Registriert: Dienstag 6. März 2007, 18:00

Beitrag von Monergist »

Hallo incarnata,

auch in bin zwar kein Theologe, antworte Dir aber trotzdem :). Leider etwas lang.

Meiner Meinung nach kann man auch von lutherischer Seite aus Deinen Ausführungen auf gewisse Weise zustimmen. Das gilt auch für den im Wesentlichen mit Dir konform gehenden ostkirchlichen Ansatz, demzufolge Christus Tod und Teufel besiegt, die nach dem Sündenfall über den Menschen herrschen. Und ich gebe zu, dass es gut klingt, wenn Gott nur zu unserem Besten sich opfert, dunkle Mächte besiegt.

Nur - wir denken, dass eine alleinige Fokussierung auf die Liebe Gottes genauso falsch ist wie ein ständiges Herumreiten auf Zorn und Verdammnis. Denn wer nur die Liebe Gottes sieht und ihn ausschließlich als Therapeuten (nicht negativ, sondern im Sinne von Heiler gemeint) des gefallenen Menschen, verkennt m. E. die Schwere der menschlichen Schuld und welche dramatischen Folgen die Sünde auch in Bezug auf unser Verhältnis zu Gott hat. Vor allem aber geht dabei das Bewusstsein verloren, dass Gott als unser Schöpfer eben auch unser Richter und in allererster Linie heilig sowie gerecht ist.

Beides geht auch untrennbar zusammen, Gott richtet nicht aus Spaß, sondern aufgrund seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit. Psalm 97,2: Gerechtigkeit und Gericht sind seines Thrones Stütze. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße Eigenschaft Gottes, sondern um sein essentielles Wesen. Jede Handlung Gottes ist von Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit durchdrungen. 1. Mose 18,25: Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten? Hieran hält aber auch das NT fest, z. B. Apg. 17,31: Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat,... und Joh. 16,8ff. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;über die Sünde: daß sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Allerdings darf man dabei nicht außer Acht lassen, dass Dinge allein deshalb gerecht und richtig sind, weil Gott sie so will; anders als der Mensch ist Gott also keinem von außen aufgesetzten Standard unterworfen (was die Ostkirche dem Westen jedoch oft vorwirft).

Der Mensch wiederum muss sich an dem Willen Gottes und an seiner Gerechtigkeit messen lassen; denn Gott ist nicht nur selbst gerecht, er verlangt dies auch von seinen Kreaturen. Immer. Psalm 99,4: Du hast bestimmt, was richtig ist, du schaffest Gericht und Gerechtigkeit ...

Gottes Gesetz bindet und verpflichtet uns also, wir müssen uns an seiner Gerechtigkeit und seinem Gesetz messen lassen. Das ist etwas, was die meisten unserer Zeitgenossen nicht mögen; sie wünschen sich vielmehr einen Gott, der sich ihren Wünschen anpasst.

Das "Problem" ist nämlich - und das ahnt man irgendwie -, dass die Gerechtigkeit Gottes auch strafend ist. Dies in dem Sinne, dass keine Ungerechtigkeit ungestraft bleiben kann. Das war schon Adam und Eva klar gemacht worden und ist in 5. Mose 27,26 überdeutlich: Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllt, daß er danach tue! Und alles Volk soll sagen: Amen. Und weiter, Psalm 96,13: Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit. und Röm. 12,19: Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr. sowie zuvor Röm. 1,18: Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. etc. etc.

Ich denke, dass man anhand dieser Stellen deutlich sieht, dass Gottes Wille nicht auf die Heilung und Heiligung des Menschen reduziert werden kann; vielmehr straft Gott Ungerechtigkeit und Gesetzesbruch, einst - heute - immer. Sünde muss bestraft werden, das Wesen Gottes lässt gar nichts anderes zu. Was wäre er auch für ein Gesetzgeber, wenn der Gesetzesbruch folgenlos wäre? Nahum1,2: Der HERR ist ein eifernder und vergeltender Gott, ja, ein Vergelter ist der HERR und zornig. Der HERR vergilt seinen Widersachern; er wird es seinen Feinden nicht vergessen.


Das NT verschlimmert die Situation sogar noch für uns Menschen, Strafe kann graduell sein (u. a. Hebr. 10,29-31, übrigens eine Stelle, die das Obige noch einmal ausdrücklich bestätigt), nicht nur böse Taten zählen, sondern sogar jedes nichtsnutzige Wort (Mt. 12,36).

Wer ehrlich ist, weiß, dass der Mensch deshalb nur fortlaufend selbst Zorn anhäuft (Röm. 2,5).

Die Erkenntnis ist unbequem, aber sie ist wahr. Wenn es Gott gibt und wenn er gerecht ist, dann bestraft er Ungerechtigkeit. Nach den Maßstab seiner Perfektion sieht es für uns nicht gut aus. Das Gesetz ist daher nicht etwa nur eine unvollständige oder unvollkommene Offenbarung Gottes, sondern ein Fluch. Deshalb steht in Gal. 3,10ff.: Denn die aus den Werken des Gesetzes leben, die sind unter dem Fluch. Denn es steht geschrieben (5. Mose 27,26): «Verflucht sei jeder, der nicht bleibt bei alledem, was geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, daß er's tue!». Daß aber durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist offenbar; denn c«der Gerechte wird aus Glauben leben» (Habakuk 2,4). Das Gesetz aber ist nicht «aus Glauben», sondern: «der Mensch, der es tut, wird dadurch leben» (3. Mose 18,5). Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er dzum Fluch wurde für uns; denn es steht geschrieben (5. Mose 21,23): «Verflucht ist jeder, der am Holz hängt».

Bis hierher klingt diese (lutherische) Lehre zugegebenermaßen nicht sonderlich sympathisch oder freundlich. Sie ist es auch nicht. Denn entweder übergeht man sie oder man stellt sich die Frage, wer denn demnach überhaupt vor Gott bestehen kann. Die Antwort liegt auf der Hand: Niemand. Auch wenn wir über alles Bisherige in unserem Leben ein Blatt legen könnten und von nun an perfekt leben würden, so blieben doch unsere vergangenen Sünden. (Das ist übrigens auch der Punkt, der uns Lutheraner an den Heiligen und ihrer r.-k. Form der Verehrung stört.) Alles in allem keine guten Perspektiven.

Doch glücklicherweise hat die Gerechtigkeit Gottes auch eine andere Facette, die erlösende. Dieses – in gewisser Hinsicht – Paradoxon ist bereits in Psalm 71,2 angedeutet: Errette mich durch deine Gerechtigkeit… Ja, sogar das Evangelium wird als die Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes bezeichnet (Röm. 1,17)! Wie kann Gott aber gerecht sein, wenn er uns unsere Sünden vergibt (1. Joh. 1,9)?

Wie eben dargestellt, vollzieht sich die erlösende Gerechtigkeit Gottes jedoch gerade nicht dadurch, dass Gott von seinen Standards abweicht und Sünde einfach übersieht.

Nein, Er bleibt sich und seinem Wort treu; damit ein Gott, auf dessen Zusagen man sich verlassen kann. Er muss Sünde bestrafen und tut es auch – und zwar an Jesus Christus, Seinem Sohn. Röm. 8,32ff.: Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.

Liest man hiernach beispielsweise Gal. 3,13 – 1. Petr. 2,24 – 2. Kor. 5,21 – 1. Petr. 3,18 – Jes. 53,4ff. -, dann wird deutlich, dass Gott auch dann, wenn er sein Volk rettet, gerecht handelt. Seine erlösende Gerechtigkeit ist demnach nicht zu trennen von seiner strafenden Gerechtigkeit, beides vollzieht sich zusammen. Allerdings nimmt er die dramatischen Konsequenzen dieses unbeirrten Festhaltens an Gerechtigkeit auf sich selbst und bestraft seinen eigenen Sohn anstatt der Sünder. Wir sollten uns daher nicht über Gott und seine Kompromisslosigkeit beschweren, sondern über dieses Handeln staunen.

Denn der Tausch ist – nach lutherischem Verständnis – nicht darauf beschränkt, dass der Gerechte die Strafe der Ungerechten trägt, sondern die perfekte Gerechtigkeit des Gerechten wird auch noch die der Ungerechten, 1. Kor. 1,30: Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit… Er stirbt aufgrund unserer „Karteikarte“, wir leben aufgrund seiner. So kann Paulus rufen (Röm. 3,26), dass Gott …selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus. DAS und nichts anderes ist für die Lutherische Kirche das Evangelium. Nicht ein vielleicht, wahrscheinlich oder sonst irgendwie Gerettet-Werden aufgrund eigener Leistungen, sondern völlig unverdient durch Christi Werk. Wenn wir uns Gott ohne dieses Erlösungswerk nähern, dann verbrennen wir.

Schließlich bleibt festzuhalten, dass Gott auch nach lutherischem Verständnis gute Werke belohnt und zwar wiederum aufgrund seiner Gerechtigkeit. Nicht weil er es müsste, sondern weil er es versprochen hat (u. a. Jak. 1,12). Hier geht es aber nicht darum, in den Himmel zu kommen, das hat er für uns selbst vollbracht. Das Gute, das wir tun, belohnt er aber dennoch – wenn wir damit nicht fordernd vor ihn treten.

Fazit: Gott hat sicherlich auch andere Eigenschaften außer Gerechtigkeit, allen voran Gnade und Liebe. Aber – das sollte nie vergessen werden – bei alldem handelt er immer auch gerecht. Die Ostkirche und Andere, die diesen Ansatz weitgehend ausblenden, gehen für mich daher fehl. Das „Aufschwingen des Menschen“ funktioniert nur, wenn sich der Sünder der Gerechtigkeit Gottes in all ihren Aspekten bewusst wird. Christus besiegt den Tod nicht als eine Art fremder Dämon oder dunkle Macht (denn Gott herrscht nach dem Zeugnis der Schrift ohnehin auch über den Tod), sondern in Vollzug der Gerechtigkeit Gottes: Er nimmt das hinweg, was für uns unvermeidlich wäre.

Viele Grüße von M.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Benutzeravatar
incarnata
Beiträge: 2047
Registriert: Mittwoch 8. November 2006, 01:11

Beitrag von incarnata »

Auch ich will mit meinem Preis der Liebe Gottes keineswegs jenen
modernen Theologen das Wort reden,die Seine strafende Gerechtigkeit
völlig ausblenden und von einer leeren Hölle faseln.Ich bin aber doch froh,
daß ich als Katholikin nicht bei der blossen Erkenntnis meines ständigen
Fehlens vor Seiner Gerechtigkeit und gegen Seine Liebe stehen bleiben muß
und nur auf Rechtfertigung durch den Glauben hoffen kann,sondern daß mir
im Sakrament Seiner Versöhnung (Beichte) schon in diesem Leben die
Möglichkeit gegeben ist,mich durch Seine erlösende Gerechtigkeit immer
wieder auf-richten zu lassen und neu anzufangen.Wir Katholiken glauben in der Tat,daß wir danach immer wieder sind, wie kleine,neu getaufte Kinder.
Gerade die Heiligen haben dieses Bad der Vergebung zusammen mit der eucharistischen Vereinigung mit dem Herrn oft genutzt--nur von sich aus aus eigener Kraft kann kein Mensch heilig bzw. ein Gerechter werden !
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

@Monergist:
Der heilige Apostel Petrus hat geschrieben:...worin Einblick zu gewinnen sogar die Engel begehren. (1. Petrus 1:12)
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Benutzeravatar
Monergist
Beiträge: 225
Registriert: Dienstag 6. März 2007, 18:00

Beitrag von Monergist »

Alexander hat geschrieben:@Monergist:
Der heilige Apostel Petrus hat geschrieben:...worin Einblick zu gewinnen sogar die Engel begehren. (1. Petrus 1:12)

Na ja, falls Du damit andeuten möchtest, dass man das Geheimnis des Opfertodes Christi nicht ergründen kann, so ist das sicher teilweise richtig. Hier auf Erden werden wir ihn gewiss niemals in seiner ganzen Tiefe erfassen.

Dennoch gibt uns die Bibel - so denke ich - genügend Anhaltspunkte dafür, den Tod Christi im Wesentlichen zu verstehen. Und für jeden Christen sollte es doch eine essentielle Frage darstellen, warum Christus gestorben ist und wie der Mensch hierdurch erlöst wird. Auch für die Ostkirche kann dies nicht ohne Interesse sein.

Mir ist dabei aufgefallen, dass die Ansichten innerhalb der Ostkirche von einem fast gänzlich westlichen Ansatz bis zu einem solchen reichen, bei dem Schuld der Menschen und Sühne fast keine Rolle mehr spielen. Letzteres wird scheinbar gerade in den USA immer populärer, mit dem Bestreben sich von dem "juridischen Westen" abzusetzen. Es geht dann nur noch darum, dass der Mensch sich ändert, wenn auch durch Gnade.

Ich persönlich kann eine solche Bbelauslegung jedoch nicht nachvollziehen. Für mich ist es offensichtlich, dass die Sünden der Menschen ein Opfer erforderten, um die göttliche Gerechtigkeit wiederherzustellen. Hiernach steht der Weg zu Gott wieder offen.

Viele Grüße von M.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Benutzeravatar
overkott
Beiträge: 19634
Registriert: Donnerstag 8. Juni 2006, 11:25

Beitrag von overkott »

Monergist hat geschrieben:Für mich ist es offensichtlich, dass die Sünden der Menschen ein Opfer erforderten, um die göttliche Gerechtigkeit wiederherzustellen.
Das war auch dem historischen Christus klar, der sich in der Geschichte seines Volkes gut auskannte:

2Makk 12,39-45

Am nächsten Tag kamen die Leute des Judas, um die Leichen der Gefallenen zu überführen - es war inzwischen höchste Zeit geworden - und sie inmitten ihrer Angehörigen in den Familiengräbern zu bestatten.

Da entdeckten sie, daß alle Toten unter ihren Kleidern Amulette der Götter von Jamnia trugen, obwohl das den Juden vom Gesetz her verboten ist.

Da wurde allen klar, daß die Männer deswegen gefallen waren, und sie priesen nun alle das Wirken des Herrn, des gerechten Richters, der das Verborgene ans Licht bringt.

Anschließend hielten sie einen Bittgottesdienst ab und beteten, daß die begangene Sünde wieder völlig ausgelöscht werde.

Der edle Judas aber ermahnte die Leute, sich von Sünden rein zu halten; sie hätten ja mit eigenen Augen gesehen, welche Folgen das Vergehen der Gefallenen gehabt habe.

Er veranstaltete eine Sammlung, an der sich alle beteiligten, und schickte etwa zweitausend Silberdrachmen nach Jerusalem, damit man dort ein Sündopfer darbringe.

Damit handelte er sehr schön und edel; denn er dachte an die Auferstehung.

Hätte er nicht erwartet, daß die Gefallenen auferstehen werden, wäre es nämlich überflüssig und sinnlos gewesen, für die Toten zu beten.

Auch hielt er sich den herrlichen Lohn vor Augen, der für die hinterlegt ist, die in Frömmigkeit sterben. Ein heiliger und frommer Gedanke!

Darum ließ er die Toten entsühnen, damit sie von der Sünde befreit werden.

Benutzeravatar
incarnata
Beiträge: 2047
Registriert: Mittwoch 8. November 2006, 01:11

Beitrag von incarnata »

Die Stelle ist vor allem dazu gut,um zu zeigen,daß es uralter schon
im AT dokumentierter Glaube ist,daß es Sinn macht,für die toten
Sünder zu beten.Das glauben heute nämlich viele nicht mehr !In
Diskussionen hört man immer wieder: Mein Mann/Bruder etc. war
im Grunde ein anständiger Mensch,für den brauche ich keine
Messe lesen zu lassen.Ich sag dann immer,daß wir Menschen das nicht
wirklich beurteilen können und die nicht "benötigten" Messen/Gebete
ja den Toten zugewandt werden können,an die keiner denkt
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

Monergist hat geschrieben:
Alexander hat geschrieben:@Monergist:
Der heilige Apostel Petrus hat geschrieben:...worin Einblick zu gewinnen sogar die Engel begehren. (1. Petrus 1:12)

Na ja, falls Du damit andeuten möchtest, dass man das Geheimnis des Opfertodes Christi nicht ergründen kann, so ist das sicher teilweise richtig. Hier auf Erden werden wir ihn gewiss niemals in seiner ganzen Tiefe erfassen.

Dennoch gibt uns die Bibel - so denke ich - genügend Anhaltspunkte dafür, den Tod Christi im Wesentlichen zu verstehen. Und für jeden Christen sollte es doch eine essentielle Frage darstellen, warum Christus gestorben ist und wie der Mensch hierdurch erlöst wird. Auch für die Ostkirche kann dies nicht ohne Interesse sein.
Anscheinend haben sowohl Nietenolaf als auch ich wirklich hoffnungslosen Zeitmangel...
Monergist, es ist für die Ostkirche "nicht ohne Interesse", allerdings muß das Geheimnis mal ernstgenommen werden. Zu sagen, "eigentlich ist es unergründbar", und dann alles genaustens wissen zu wollen ist nicht allzu konsequent.

Bezüglich der von Dir angesprochenen Frage gibt es verschiedene Ansichten bei den heiligen Vätern, geschweige denn bei den sonstigen Theologen, die Diskussion ist sehr lebendig. Alles in allem sind Meinungen, die die Bedeutung des Opfers schmälern, Ausnahmen, die unter anderem an dem liturgischen Leben der Kirche scheitern. Was allerdings stimmt, ist die Tatsache, daß der westliche Juridismus der Gnadenlehre nicht akzeptiert wird.

So viel dazu

Euer in seiner Beteiligung gegen Null divergierdender Mod.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema