Du interpretierst das Ereignis vom heutigen Stand aus. Das ist metho-
disch nicht korrekt, weil unhistorisch und anachronistisch.
Natürlich bedeutete die Installation Morosinis (auf Drängen Venedigs)
ein Schisma. Jedoch eines, wie es sie sowohl innerhalb der griechischen
als auch innerhalb der lateinischen Kirche immer wieder gab, auch
und gerade auf den Stühlen von Byzanz und Rom selbst.
Was es nicht gab, waren parallele Hierarchien: eine für die Lateiner,
eine andere für die Griechen. Nein, wo oder wann ein griechischer
Hierarch amtierte, unterstanden ihm ebenso die Lateiner, und umge-
kehrt.
Gerade in den Anfängen der erzwungenen Latinisierung der Episko-
pate wird dies deutlich. Da saßen dann die ersten lateinischen Bischöfe
in der Patriarchalsynode eines noch griechischen Patriarchen.
Richtig ist, daß man in den nicht von den Kreuzfahrern kontrollierten
Gebieten begann, griechische Gegenbischöfe aufzustellen. Später um-
gekehrt: Als die Kreuzfahrer Gebiet um Gebiet verloren, wurden ver-
schiedene Bistümer und namentlich die Patriarchate als „Titularbistü-
mer“ weitergeführt.
Das ist natürlich eine schismatische Situation, keine Frage. Aber die-
sen griechischen oder lateinischen Titular- oder Gegenbischöfe hatten
in „ihren“ Titulardiözesen faktisch keine Jurisdiktion, auch nicht im
Untergrund, wie man vielleicht denken möchte. Und wo ein Sprengel
durch verschiedene weltliche Herrschaft geteilt war, da war auch die
kirchliche Jurisdiktion territorial geteilt, nicht etwa national oder rituell.
Diese Titularbischöfe hielten bloß den Anspruch aufrecht. Und zwar
den Anspruch auf immer ein und dieselbe Diözese.
Macht das etwas klarer, worum es mir geht? (Sonst morgen weiter, für
heute reicht’s …<schnarch>)