Gesundheit statt Gottheit

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Erich
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Gesundheit statt Gottheit

Beitrag von Erich »

Auszug aus einem Artikel in der Welt vom 25.10.2003 von Manfred Lütz

Gesundheit ist Kult. Wer behauptet, dass hier zu Lande die Religion verdunste, der irrt. Alle Üblichkeiten der Religion sind inzwischen im Gesundheitswesen wieder zu finden.

Krankenhäuser, das sind die Kathedralen des 20. Jahrhunderts und an den Wegekreuzen, wo früher Kapellen die Christen zum Gebet einluden, stehen heute Fitnessstudios, die die Menschen zu den persönlichen Riten der Gesundheitsreligion drängen. Im Jahr 2000 hat erstmals die Zahl der Mitglieder von Fitnessstudios die der sonntäglichen Messbesucher in Deutschland übertroffen. Diätbewegungen gehen wie wellenförmige Massenbewegungen über Land, in ihrem asketischen Ernst die Büßer- und Geißlerbewegungen des Mittelalters bei weitem übertreffend. Kein mittelalterlicher Beichtvater hätte dem bekennenden Sünder Bußwerke auferlegt, wie sie heute jeder Hausarzt ohne mit der Wimper zu zucken seinem Patienten verschreibt. Das sind Vorschriften im Stil verschärfter Ordensregeln. Und der Patient nimmt sie demütig auf, jeden Misserfolg nicht einem Mangel der ärztlichen Weisung, sondern der eigenen Inkonsequenz zurechnend.

„… denn das höchste Gut ist doch die Gesundheit“, dieser Satz darf inzwischen auf keiner Geburtstagsfeier jenseits der 65 fehlen. Selbst der Herr Pfarrer klatscht da Beifall, das gehört sich so. Dabei ist, näher besehen, dieser Satz barer Unsinn. Und er hat katastrophale Folgen.
Niemals war in der gesamten geistigen Tradition des Westens und des Ostens ein so zerbrechlicher Zustand wie die Gesundheit der Güter höchstes. Nähme man einen solchen rituellen Satz nur für einen Moment ernst, würde das zum sofortigen finanziellen Zusammenbruch des Gesundheitssystems führen. Denn dann wären maximale Diagnostik und maximale Therapie für jeden Einzelnen absolute Pflicht. Das wäre aber schon heute völlig unbezahlbar, wie jeder Kenner der Lage sehr gut weiß. Nur sagen darf man das nicht. Zumindest nicht als Politiker. Sonst braucht man sich die Mühe mit dem Wahlkampf gar nicht mehr zu machen. Denn auf dem Gebiet der Gesundheit ist die Political Correctness unerbittlich. Schließlich ist die Gesundheit die einzige satirefreie Zone in unserer Gesellschaft. Während jeder heute hemmungslos über Jesus Christus albern darf, hört bei der Gesundheit der Spaß auf.

Die totale Macht der Gesundheit hat aber noch eine weitere bedrohliche Folge. Wir erleben zurzeit die Zerstörung des abendländischen Menschenbilds, das davon ausging, jeder Mensch sei gleich wertvoll und besitze die gleiche Würde. Behinderte oder dauerhaft nicht gesunde Menschen gelten in unserer Gesundheitsgesellschaft bereits als Menschen zweiter Klasse. Und der alte medizinische Grundsatz „Wer heilt, hat Recht“ wird heute lebensgefährlich. Um Menschen gesund zu machen, plädiert man unter dem Begriff „Ethik des Heilens“ für die Tötung von Embryonen. Wer dagegen aufbegehrt, gilt als zynisch. Die so verstandene „Ethik des Heilens“ ist der Fundamentalismus der Gesundheitsreligion.
Freilich ist die Weise, wie die Gesundheitsreligion das Leben nimmt, nicht immer so drastisch. Sie tut das zumeist erheblich netter. Viele Menschen kommen gar nicht mehr zum eigentlichen Leben, weil sie nur noch vorbeugend leben. Fit for Fun heißt die Parole. Doch für den Spaß, für den man sich fit macht, haben dann die meisten gar keine Zeit mehr.
Daher muss man der Tyrannei der neuen Religion endlich die Stirn bieten, um wirklicher Lust am Leben wieder Platz zu schaffen – vielleicht schon dadurch, dass man sich weigert, die strengen Sprachregeln in diesem Bereich weiter zu beachten, und dadurch, dass man die Absurditäten des Gesundheitstrubels zwischen Realsatire und Horrorszenario beim Namen nennt.
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Ralf

Beitrag von Ralf »

Auch wenn man den Körper als Tempel des Heiligen Geistes keineswegs verachten, sondern pflegen sollte, muss ich Lütz (obwohl selbst seit kurzem sportlich-fitnesstechnisch aktiv) im großen und ganzen Recht geben. Sowohl was die Beschreibung der Krankenhäuser (ich möchte mal bei ihm, dem Chefarzt, eine Chefarztvisite erleben) als auch bei der Vergötterung des Leibes und dem allgemeinen Willen zur Qual.

Schon der alte Paule schrieb ja dazu an die Korinther den für sie leicht verstehbaren Vergleich mit den Sportlern, heute mehr denn je gültig:

[bible]1 Korinther 9:24-27[/bible]

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Edi
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Beitrag von Edi »

Der Mann verwechselt Medizin mit Gesundheit. Im Himalya werden die Hunsas bis zu 120 Jahre alt und sind noch fit ohne unsere westliche Medizin und Fitness und was es so alles gibt. Hier bei uns aber schreitet nicht nur die psychische, sondern auch körperliche Degeneration massiv voran, trotz aller Fitnessclubs und vielem anderem mehr. Die moderne Medizin mit ihrem wahnsinnigen Medikamentenverbrauch, mit Hormongaben an die Frauen wegen Schwangerschaftsvermeidung, die Antibiotikamissbräuche, die von einem Bundesinstitut gut dokumentiert sind und vieles andere trägt dazu bei. Wer Ahnung hat, weiss auch dass simpel ausgedrückt das Immunsystem, das in 4 Staffeln vorliegt, vererbt wird und weiss auch wieviele Babys heute schon mit chronischen Erkrankungen auf die Welt kommen und es gibt da ganze Krebskliniken nur für Kinder. Die Verantwortlichen interessiert das aber nicht bzw. erkennen sie es nicht einmal.

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Erich
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Beitrag von Erich »

Im Himalya werden die Hunsas bis zu 120 Jahre alt

Ein Ehepaar im gesegneten Alter - der Mann ist 124, die Frau 123 Jahre alt - kommen in den Himmel und sind begeistert. Nur Luxus überall, alle Wasserhähne sind vergoldet, fantastisches Essen usw.
Doch der Mann wird ganz ärgerlich und raunzt seiner Frau zu: Du mit deinen dämlichen Knoblauchpillen. Das hätte wir alles schon 40 Jahre früher haben können.
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Edi
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Beitrag von Edi »

Ja da wärs ja gut wenn noch mehr Leute rauchen und saufen würden, damit sie früher in den Himmel kommen oder?

Gesundheit ist sicher nicht alles, es gibt höhere Werte, aber bei Gott spielt der Körper als Wohnung des heiligen Geistes durchaus auch eine Rolle. Vom Leib her kommen auch Versuchungen und ohne Heiligung des Leibes wird auch keiner Gott schauen. Geschieht das nicht hier, muss in der andern Welt nachgeholt werden.

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Erich
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Beitrag von Erich »

ohne Heiligung des Leibes wird auch keiner Gott schauen

und wie sieht die Heiligung des Leibes aus? Fittnesstudio??Joggen, Yoga....
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Erich hat geschrieben:ohne Heiligung des Leibes wird auch keiner Gott schauen

und wie sieht die Heiligung des Leibes aus? Fittnesstudio??Joggen, Yoga....

Fasten, mein Lieber, Fasten. Schließlich ist Fastenzeit (ich bin schon ein klein wenig enttäuscht, dass Du Dich all diesen anderen Dingen - Fitnesstudio, Joggen, Yoga ... - hingibst, nur das Fasten, daran denkst Du bei Heiligung des Leibes nicht ... ;) )
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Erich
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Beitrag von Erich »

Erich nach 3 Wochen Gummibärchenabstinenz in der Fastenzeit:

Bild
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Ha, da sehe ich noch einige Speckröllchen um die Hüfte.

Bei mir sieht's zur Zeit so aus:

Bild

Aber ein bisschen kasteien geht immer noch ...
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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