Robert Ketelhohn hat geschrieben:John, ich habe in meinem Eröffnungsbeitrag von den USA überhaupt nicht geredet. Die hast du in die Debatte eingeführt. Auf deinen Widerspruch hin habe ich dich lediglich daran erinnert, daß es in den USA sehr wohl Kräfte gibt, die militärische Operationen auf pakistanischem Territorium befürworten.
Du hast von NATO gesprochen, und das Land, das NATO führt, ist die USA. Der klare Vorwurf war, daß es in NATOs Interesse sei, wenn Bhutto ermordet wird. Denn Du sagtest:
Robert Ketelhohn hat geschrieben: Eine chaotische Lage in Pakistan kann hervorragend als Vorwand dienen, die Nato-Besatzungsarmee in Afghanistan aufzustocken und zu perpetuieren, unter Umständen auch in Pakistan selbst direkt militärisch einzugreifen.
"Vorwand" hört sich schwer nach "Vorsatz" an. Und daß NATO nun die Situation irgendwie auszunutzen vermag, halte ich weiterhin für absurd. Es gibt nichts nützliches für NATO oder die USA von Bhuttos Tod und die Politik der Bush-Regierung in Pakistan ist beinahe getilgt worden -- ein Totalversagen. Ein GAU.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Daß es nicht im Interesse der USA liegt, wenn Pakistan in die Luft fliegt, darüber sind wir uns völlig einig. Aber nicht jeder, der in der amerikanischen Politik etwas zu melden hat, vertritt die Interessen Amerikas und des amerikanischen Volks.
Es lag und liegt auch nicht im Interesse des amerikanischen Volks, Krieg gegen Afghanistan, Irak, Iran, Serbien oder sonst wen zu führen.
Ob diese Personen tatsächlich im Interesse der Amerikaner handeln, ist eine Sache. Daß sie meinen, in diesem Interesse zu handeln, darüber läßt sich streiten -- aber die meisten denken, sie tun genau das. (Der amerikanische Idealismus wird von Europäern so gut wie nie verstanden oder wahrgenommen. Ihr seid dazu einfach zu zynisch.) Das ist das, was sie eigentlich so gefährlich macht -- sie sind von ihrem Idealismus so verblendet, daß sie sich anderen aufzwingen wollen. Utopia at the point of a gun.
Daß die Situation von bösartigen Gestalten und Profiteuren auch ausgenutzt wird, ist mir klar -- aber die melsten s.g. Neokonservativen sind (leider!) Idealisten und Träumer, die meinen, Demokratie und Freiheit könne man durch Krieg realisieren.
Andererseits muß man sagen, es kann u.U. tatsächlich im Interesse Amerikas sein, Krieg gegen z.B. den Iran zu führen, wenn der Iran wirklich vor hätte, Atomwaffen zu bauen und gegen z.B. Israel, Europa oder die USA selbst anzuwenden (was leider nicht ausgeschloßen werden kann). Es war auch im Interesse Amerikas, die Taliban zu stürzen und bin Laden zu finden. Soll nicht heißen, daß ich Krieg befürworte (um Himmels Willen) aber manchmal muß ein Land sich wehren.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Offensichtlich herrscht in den USA zwischen einer Kriegspartei und eher traditionellen Eliten (die indes auch keine Waisenknaben sind) ein erbittertes Tauziehen um die Frage eines Angriffs auf den Iran. Ich habe darauf seit längerem immer wieder hingewiesen. Die Kriegspartei hat dabei jüngst erneut Federn lassen müssen. Denk an den CIA-Bericht, der „eingestand“, die Perser hätten ihr (angebliches) Atomwaffenprogramm bereits 2003 eingestellt. Natürlich gibt es auch weiterhin keinerlei Belege, daß der Iran jemals ein solches Programm gehabt habe. Aber mit diesem geschickten Schachzug hat man einerseits der Kriegspartei die Begründung für einen Angriff genommen, andererseits aber mit Blick auf eigene frühere Behauptungen das Gesicht gewahrt. Überraschend war für mich, daß hier die CIA plötzlich nicht mehr auf seiten der Kriegspartei stand. Das dürfte auch damit zusammenhängen, daß man von Bush & Co. zu oft im Regen stehen gelassen worden war.
Die CIA war nie auf Bushs Seite. George Tenet, der damalige Direktor der CIA, war von der CIA selbst nie besonders beliebt, und Tenet hat Bush nur erzählt, was er hören wollte -- die CIA war nicht gerade begeistert. In so fern überrascht mich der Bericht nicht so sehr. Was mich allerdings überrascht, ist daß der Bericht von ALLEN Geheimdiensten gemeinsam verfaßt und unterschrieben wurde (die CIA ist nur eins von vielen Geheimdiensten in den USA).
Der Pentagon war auch nicht unbedingt auf Bushs Seite. Das US-Militär ist alles andere als kriegsgeil -- man denke an Powell, der eigentlich lieber Diplomatie versuchen wollte (und Vietnam durchgemacht hat). Man hat sich die Finger genug verbrannt, daß man Kriege lieber vermeiden will -- oder wenn man Krieg führt, dann mit einem so massiven Einsatz, daß der Sieg rasant schnell und endgültig ist (bevor das amerikanische Volk den Mut verliert, wie in Vietnam und fast in Korea). Rumsfeld aber hatte andere Ideen und hat den Kommandeuren absichtlich so wenig Truppen und Material gegeben, wie möglich -- als Experiment sozusagen. Der Preis: Ein Guerillakrieg und Terrorkampagne, wo beides hätte vermieden werden können.
Im Falle Irans kommt die weitere Dimension der russischen Rüstung hinzu, denn der Iran hat hochentwickelte Anti-Schiff-Raketen von Rußland gekauft, vor denen die US-Marine wehrlos ist. (Die Russen damals konnten beim Wettrüsten der Flotten nicht mithalten, also entwickelten sie Rakete, die auf dem Gipfel der technologischen Entwicklung sind. Dazu zählen die Shkval- und Moskit-Reihen.) Die US-Kriegsmarine hat keine Lust, zwei, vielleicht drei Flotten zu verlieren -- sie wissen ganz genau, daß das passiert, wenn der Iran anfängt, ihre Flugzeugträger als Zielscheibe zu verwenden. Die US-Armee steckt im Irak und Afghanistan fest. Und das amerikanische Volk ist kriegsmüde.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Aber zurück zu Pakistan. Ich kann ohne weiteres Gruppierungen und Personen in den USA und anderswo ausmachen, die an einer eskalierenden Entwicklung in Pakistan interessiert sind, welche die USA zu weiteren Maßnahmen zwänge (oder zu zwingen schiene). Diese Frage nach der Interessenlage aller irgendwie Involvierten stellt sich der Kriminalist in jedem Mordfall, und wenn es um politische Morde und politische Interessen geht, sollte man das erst recht tun.
Was solche Personen
wollen und was sie
können sind völlig unterschiedlich. Die Neokonservativen sind völlig diskreditiert und am Rückzug. Der Pentagon will keinen weiteren Krieg. Die CIA auch nicht. Die einzigen mir bekannten Figuren, die einen Krieg im Pakistan auslösen, würden das eher aus Naïveté machen als Vorsatz -- wie Barack Obama, der vor ein paar Monaten von einem Militärschlag im Pakistan sprach, um bin Laden zu finden. Offensichtlich hat er die Konsequenzen eines solchen Anschlags nicht durchdacht (wie Hillary Clinton in der Debatte gnadenlos klarstellte).
Cheers,
John
Der Beweis, dass Gott einen Sinn für Humor hat: Er hat die Menschheit geschaffen.
[ Alt-Katholisch/Anglikanisch in Hannover ]