Warum sitzt Europa auf dem Stier?

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kukHofnarr
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Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von kukHofnarr »

Der Mythos Europa wird bildlich dargestellt i. Z. mit einem Stier, aber

warum sitzt Europa auf dem Stier?

Die feministische Historikerin Annette Kuhn hält dem durch die Ovid-Überlieferung patriarchal geprägten Mythos eine alternative Lesart entgegen, die das frühe Matriarchat einbezieht. So sieht sie das Matriarchat am Wirken, da die Mutter Europas, Telephassa, über den triebgesteuerten Zeus zwei Strafen für sein liebestolles Verhalten gegenüber Europa verhängt, und zwar
a) die Verweigerung der Liebe Europas und
b) das Sterben der Natur. /1

Es erscheint durchaus nachvollziehbar, dass sich Zeus nicht als "kosmische Kuh" verkleidet, sondern als "kosmischer Stier":
Annette Kuhn interpretiert demnach den Europa-Mythos dahingehend, dass Zeus überhaupt erst in der „Verkleidung“ als Stier, welcher als ein Symbol für matriarchalische Ordnung fungierte – hervorgegangen aus dem damals noch weit verbreiteten mythologischen Symbol der „kosmischen Kuh“ –, sich Europa annähern konnte. Die einfache Botschaft des Europa-Mythos lautet ihrer Interpretation nach:

Liebe kann nicht erzwungen werden!
/2

Wenn dies die wesentliche Klage des Feminismus ist, dann wäre damit dessen Ursache geklärt.

Aber der mythologischen Erzählung vom "Raub der Europa" kann kein unmittelbarer Zwang entnommen werden, denn

der Mythos lautet zusammengefasst so:

Europa war die Tochter des phönizischen Königs Agenor, König von Phoenizien. Als sie sich eines Tages mit ihren Freundinnen am Strand des Mittelmeeres aufhielt, verliebte sich Göttervater Zeus in das schöne Mädchen und beschloss, es zu verführen und zwar unter der List der Verwandlung in die Gestalt eines weißen Stieres, der sich ganz zutraulich der scheuen Jungfer Europa näherte. Das Mädchen verlor seine Scheu und kletterte schliesslich verwegen auf den Rücken des weissen Stiers. "Wilder Ritt" hin, "freiwillige Entführung" her: Zeus brachte Europa nach Kreta. Dort erst gab er sich ihr in seiner wahren Gestalt zu erkennen und sie liess sich von ihm drei Söhne schenken, Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Nach einer Verheißung der Aphrodite wurde Europas heimatlicher Erdteil nach ihr benannt.

Erscheint die Geopolitik rund um den Mythos Europa mehr von (freiwilliger) Verführung oder von der Interpretation einer (zwangsweisen) Entführung mithin "Räuberei" geprägt?

Ist letztere Interpretation die natürliche Ursache für die beiden Strafen zu a) und b)?

Wenn es Zwang gab, worin bestand er?

Warum sitzt Europa auf dem Stier?

___
/1 Vgl.: Europa (Tochter des Agenor), Wikipedia,
(https://de.m.wikipedia.org/wiki/Europa_ ... es_Agenor) [Abruf: 14. Januar 2025]).
/2 Vgl.: Kuhn, Annette, Warum sitzt Europa auf dem Stier? Matriarchale Grundlagen von Europa, Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW: Frauen verändern EUROPA verändert Frauen. PDF, 2009, Archivierte Kopie, Internet Archive, 08.01.2015,
(https://web.archive.org/web/20150108160 ... 8_Kuhn.pdf [Abruf: 14. Januar 2025]), vgl. Dornkönig und Froschröschen, Kreuzgang org, 12.04.2022,
(viewtopic.php?p=929641#p929641 [Abruf: 14. Januar 2025]).
Zu Protokoll: Mein Schweigen ist weder als Zustimmung, noch als Ablehnung, noch als Gewähr dafür zu werten, den Sender verstanden zu haben.

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Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Die Interpretation von Kuhn ist schräg. :pfeif: :pfeif: :pfeif:

Das hört sich ja nach Genderstudies im Altertum an: Ein Stier, der immer männlich ist, steht für das Matriarchat, daß immer weiblich ist. :patsch:

Näherliegende Interpretation wäre, daß es schlicht um das Verhältnis von Mann und Frau geht. Der Mann hat die Frau zunächst "auf Händen zu tragen" (resp. "auf dem Rücken"), um durch diese Vorzugsbehandlung bei der Frau die Einwilligung zum Geschlechtsverkehr zu erreichen.

Mythologien sind Wissensspeicher von Kulturen, mit Hilfe derer auf eher subkutane Weise von Generation zu Generation Wissen weitergegeben werden soll. Hier haben sie viele Ähnlichkeiten mit (Grimm's) Märchen. :doktor:

Mythologien spielen in der Götterwelt, wobei die Götter dort für die unbeherrschbaren Mächte der Natur stehen, die auch in Menschen wirken können. Schon nach der griechischen Aufklärung durch Sokrates, Platon und Aristoteles nahm die Wirkmächtigkeit der Mythologien geschwind ab. Die Ratio, um nicht zu sagen der Logos, übernahmen die führende Position.
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

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Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

In den Kontext der Problematik gehört m.E. auch die im folgenden von Prof. Norbert Bolz geäußerte Ansicht:

Warum ist Selbstkritik problematisch?

:hmm: :hmm: :hmm:
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kukHofnarr
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von kukHofnarr »

:hutab: Hiermit bedanke ich mich ausserordentlich innigst :hutab:
Zu Protokoll: Mein Schweigen ist weder als Zustimmung, noch als Ablehnung, noch als Gewähr dafür zu werten, den Sender verstanden zu haben.

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Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

kukHofnarr hat geschrieben:
Mittwoch 15. Januar 2025, 13:02
:hutab: Hiermit bedanke ich mich ausserordentlich innigst :hutab:
Ich reiche diesen Dank gerne an eine kluge Frau weiter! :ja:

Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
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Zeno Kortin
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Zeno Kortin »

Peduli hat geschrieben:
Mittwoch 15. Januar 2025, 16:53
kukHofnarr hat geschrieben:
Mittwoch 15. Januar 2025, 13:02
:hutab: Hiermit bedanke ich mich ausserordentlich innigst :hutab:
Ich reiche diesen Dank gerne an eine kluge Frau weiter! :ja:

Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
Ich bedanke mich auch, und habe den Link von Fr. Gerl-Falkovitz bei FB geteilt.
Die Gutmeinenden sind unberechenbar, und von daher Allgemeingefährlich.
Karl-Herbert Scheer

Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Peduli hat geschrieben:
Mittwoch 15. Januar 2025, 07:01
In den Kontext der Problematik gehört m.E. auch die im folgenden von Prof. Norbert Bolz geäußerte Ansicht:

Warum ist Selbstkritik problematisch?

:hmm: :hmm: :hmm:
Das, was hier von Prof. Bolz angesprochen wird, steht m.E. in einem größeren Zusammenhang. :hmm:

Das Kippen einer positiven Selbstkritik der westlichen Kulturen in einen negativen Selbsthaß ist eine Folge des Kulturmarxismus, wobei der Kulturmarxismus in der Tradition des dialektischen Materialismus steht. In Deutschland ist der Kulturmarxismus seit (bzw. mit) der sog. "68-er-Revolution" in Szene gesetzt worden.

Der russische Mathematiker und Dissident Igor Rostislawowitsch Schafarewitsch hat den Sozialismus, der ebenfalls dem Dunstkreis des dialektischen Materialismus entstammt, in seinem Buch Der Todestrieb in der Geschichte empirisch analysiert und kommt zu dem Ergebnis, daß der dialektische Materialismus dem Thanatos im Menschen entspringt.

Auszug aus der Rezension:
Demographisch, demokratisch, kulturell, moralisch und ökonomisch zehrt der Westen heute von der Vergangenheit. Und lebt auf Kosten der Zukunft. So ist das im Sozialismus. Immer. Der russische Mathematiker und Philosoph Igor Schafarewitsch erklärt in seinem lange vergriffenen Klassiker "Der Todestrieb in der Geschichte", warum jeder neue sozialistische Menschenversuch - und es gab im Laufe der Jahrhunderte viele - immer wieder aus vier Komponenten besteht, nämlich der Zerstörung von Privateigentum, Tradition, Familie und Religion. Insofern sind zum Beispiel die millionenfache Abtreibung in den westlichen Staaten oder die Unterbringung von Kleinkindern in "Krippen" genannten staatlichen Verwahranstalten heute auch Indikatoren dafür, wie weit der "schleichende Sozialismus" (Roland Baader) bereits vorangepirscht ist. Igor Schafarewitsch analysiert wie kein anderer, warum Sozialismus immer kulturzerstörerisch sein will und wirken muss und am Ende immer eins bedeutet: Tod! Dieses Buch ist längst mehr als ein Geheimtipp im Lager der so heterogenen Antisozialisten - und alle dürfen sich auf Igor Schafarewitsch berufen: Liberale und Libertäre, Konservative und Reaktionäre sowie orthodoxe und andere traditionsbewusste Christen.
Damit sollten genügend Hinweise gegeben worden sein, welch dunklem Schoß der dialektische Materialismus entspringt! :auweia: :auweia: :auweia:
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Zeno Kortin
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Zeno Kortin »

Peduli hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 05:54
Peduli hat geschrieben:
Mittwoch 15. Januar 2025, 07:01
In den Kontext der Problematik gehört m.E. auch die im folgenden von Prof. Norbert Bolz geäußerte Ansicht:

Warum ist Selbstkritik problematisch?

:hmm: :hmm: :hmm:
Das, was hier von Prof. Bolz angesprochen wird, steht m.E. in einem größeren Zusammenhang. :hmm:

Das Kippen einer positiven Selbstkritik der westlichen Kulturen in einen negativen Selbsthaß ist eine Folge des Kulturmarxismus, wobei der Kulturmarxismus in der Tradition des dialektischen Materialismus steht. In Deutschland ist der Kulturmarxismus seit (bzw. mit) der sog. "68-er-Revolution" in Szene gesetzt worden.

Der russische Mathematiker und Dissident Igor Rostislawowitsch Schafarewitsch hat den Sozialismus, der ebenfalls dem Dunstkreis des dialektischen Materialismus entstammt, in seinem Buch Der Todestrieb in der Geschichte empirisch analysiert und kommt zu dem Ergebnis, daß der dialektische Materialismus dem Thanatos im Menschen entspringt.

Auszug aus der Rezension:
Demographisch, demokratisch, kulturell, moralisch und ökonomisch zehrt der Westen heute von der Vergangenheit. Und lebt auf Kosten der Zukunft. So ist das im Sozialismus. Immer. Der russische Mathematiker und Philosoph Igor Schafarewitsch erklärt in seinem lange vergriffenen Klassiker "Der Todestrieb in der Geschichte", warum jeder neue sozialistische Menschenversuch - und es gab im Laufe der Jahrhunderte viele - immer wieder aus vier Komponenten besteht, nämlich der Zerstörung von Privateigentum, Tradition, Familie und Religion. Insofern sind zum Beispiel die millionenfache Abtreibung in den westlichen Staaten oder die Unterbringung von Kleinkindern in "Krippen" genannten staatlichen Verwahranstalten heute auch Indikatoren dafür, wie weit der "schleichende Sozialismus" (Roland Baader) bereits vorangepirscht ist. Igor Schafarewitsch analysiert wie kein anderer, warum Sozialismus immer kulturzerstörerisch sein will und wirken muss und am Ende immer eins bedeutet: Tod! Dieses Buch ist längst mehr als ein Geheimtipp im Lager der so heterogenen Antisozialisten - und alle dürfen sich auf Igor Schafarewitsch berufen: Liberale und Libertäre, Konservative und Reaktionäre sowie orthodoxe und andere traditionsbewusste Christen.
Damit sollten genügend Hinweise gegeben worden sein, welch dunklem Schoß der dialektische Materialismus entspringt! :auweia: :auweia: :auweia:

Na na, der "feine Herr" aus der SU unterschlägt gleich mehrere Sachverhalte und gibt uns die Jüdische Weltverschwörung.
Also, sozialistisches Gedankengut gab es schon im Mittelalter.
Der andere Punkt ist, daß er die Rolle von Thomas von Aquin für europäische Philosophie unterschlägt, denn ohne den Thomas, der die Dialektik wieder eingeführt hat, wären Hegel u. Marx nicht denkbar.

Und noch etwas persönliches:
Ich bin historischer-dialektischer Materialist, und deshalb habe ich mich auch immer gut mit Katholiken verstanden, weil uns nur eine Sache trennt Idealismus/Materialismus aber wie schon gesagt, was wären wir ohne die Dialektik.
Die Gutmeinenden sind unberechenbar, und von daher Allgemeingefährlich.
Karl-Herbert Scheer

Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:17
Und noch etwas persönliches:
Ich bin historischer-dialektischer Materialist,
Herzliches Beileid!
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:17
und deshalb habe ich mich auch immer gut mit Katholiken verstanden,
Was zu beweisen wäre ...................
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:17
weil uns nur eine Sache trennt Idealismus/Materialismus aber wie schon gesagt, was wären wir ohne die Dialektik.
Lies die Bibel und dabei insbesondere die Stelle, wo Jesu sagt:
Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.
(Lk 11,23)
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
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Zeno Kortin
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Zeno Kortin »

Peduli hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:26
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:17
Und noch etwas persönliches:
Ich bin historischer-dialektischer Materialist,
Herzliches Beileid!
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:17
und deshalb habe ich mich auch immer gut mit Katholiken verstanden,
Was zu beweisen wäre ...................
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:17
weil uns nur eine Sache trennt Idealismus/Materialismus aber wie schon gesagt, was wären wir ohne die Dialektik.
Lies die Bibel und dabei insbesondere die Stelle, wo Jesu sagt:
Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.
(Lk 11,23)

1.) Hatte ich von Katholiken geschrieben
2.) Was eben Zweitens nichts mit der Bibel zu tun hat, sondern mit der philosophischen Grundlage
3.) Hatte ich nicht den Eindruck von der Rezi, über das Buch kann ich nichts schreiben aber eines ist ziemlich deutlich, daß der Rezensent keine Ahnung von europäischer und russischer Geschichte hat.
4.) Denn sonst wäre ihm Bakunin u.A. Anarchisten ein Begriff. Auch darf eben, und ich wiederhole mich, Savanarola, Thomas von Aquin und die Albigenser nicht fehlen.
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Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:49
4.) Denn sonst wäre ihm Bakunin u.A. Anarchisten ein Begriff.
Anarchie ist Gaga!
Sowohl geisteswissenschaftlich als auch als Gesellschaftsform.
Sie ist dem menschlichen Wesen entgegengesetzt ..............
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:49
Auch darf eben, und ich wiederhole mich, Savanarola, Thomas von Aquin und die Albigenser nicht fehlen.
Savonarola und die Albingenser sind Häretiker.
Der Aquinat ist Vieles, aber mit Sicherheit kein historisch-dialektischer Materialist! 8)
Zuletzt geändert von Peduli am Samstag 18. Januar 2025, 07:44, insgesamt 1-mal geändert.
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Zeno Kortin »

Peduli hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 07:14
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:49
4.) Denn sonst wäre ihm Bakunin u.A. Anarchisten ein Begriff.
Anarchie ist Gaga!
Sowohl geisteswissenschaftlich als auch als Gesellschaftsform.
Sie ist dem menschlichen Wesen entgegengesetzt ..............
Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 06:49
Auch darf eben, und ich wiederhole mich, Savanarola, Thomas von Aquin und die Albigenser nicht fehlen.
Savonarola und die Albingenser sind Häretiker.
Der Aquinat ist Vieles, aber mit Sicherheit kein historischer-dialektischer Materialist! 8)
Habe ich das Alles behauptet? Wohl eher nicht.
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Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Zeno Kortin hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 07:23
Habe ich das Alles behauptet? Wohl eher nicht.
Habe ich behauptet, Du hättest das behauptet? :roll: :roll: :roll:

Das können wir gerne noch ein bißchen weiterspielen, trägt dann aber nicht zur Klärung der Sachlage bei!
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von kukHofnarr »

Öffentlich abgelegte Glaubensbekenntnisse zu Ideologien halte ich für Aufforderungen des Unterbewussten, davon befreit zu werden.

Ich vermute, dass stoische Festhalter an Ideologien rund um den Materialismus sich der Transzendenz der Dinge nicht deshalb verweigern, weil sie keinen Sinn dafür haben, sondern weil ihnen ihr Intellekt zur Interpretation der Wirklichkeit im Wege steht ...

... also ich meine nicht etwa die Intelligenz, sondern ein gigantisches Konvolut an Wissen, das im Setzkasten der natürlichen Ordnung Unordnung dadurch schafft, da es wegen falscher Begrifflichkeiten in falschen Kategorien abgelegt ist und dadurch Verwirrung bei Sendern und Empfängern stiftet.

Die Frage nach der Wirklichkeit ist die entscheidende Frage und damit einher geht die Frage nach der Übereinstimmung in den verwendeten Begrifflichkeiten gegen alle Versuche des diabolos.

Die Vereindeutigung der Begriffe war ist und bleibt immerdar nötig zur Klärung dessen, was man an der Realität wahrzunehmen fähig ist. Der Hebel von Mythen und Märchen ist weder Dialektik und schon gar nicht Linguistik, sondern ein Hilfsinstrument zum Erkennen der Realität der Transzendenz, also dessen, was zwischen den Zeilen, hinter den Dingen steht.

Es ist diese Metaebene in Mythos und Märchen, die mir in der Kindheit den Sinn (die Augen) für die Realität der Transzendenz der Natur eröffnete. Von hier aus vereindeutigte sich mir der Fokus aufs Wesentliche, von dem ich anfangs keine klaren Begriffe hatte. Etwas später setzte mich der doctor angelicus auf die Spur der Ordnung in der Natur. Er macht mich dankbar für das Werkzeug der Scholastik, das immer mehr Ordnung in die ratio zu bringen vermag, um schliesslich über die causa finalis zurück zur Realität der Natur zu kommen.
Zu Protokoll: Mein Schweigen ist weder als Zustimmung, noch als Ablehnung, noch als Gewähr dafür zu werten, den Sender verstanden zu haben.

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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Der dialektische Materialismus ist ein Musterbeispiel für das Vorgehen von Ideologien!

Man mag mir die Personalisierung dieser Ideologie bitte nachsehen, aber selbstverständlich stehen hinter einer Ideologie immer Menschen, die diese Ideologie vertreten.

Die Ideologie des Materialismus hängt sich zunächst an der Idee der Materie auf. Materie hat den großen Vorteil, daß sie der natürlichen Erfahrung zugänglich ist und daher als allgemein akzeptiert gilt. Aufgehübscht wird der Materialismus dann mit dem Attribut dialektisch. Das klingt wissenschaftlich und ist es sogar. Denn Dialektik ist eine anerkannte Methode des wissenschaftlichen Arbeitens. Dialektik denkt in einem Dreischritt von These, Antithese und Synthese.

Dadaistisch wird das Ganze jedoch, wenn man eben diese beiden Begrifflichkeiten miteinander verbindet, denn selbstverständlich hat Materie nix, aber auch gar nix mit Dialektik zu tun.
Es handelt sich um - der Mann mit den Glöckchen hatte es schon angedeutet :blinker: - um zwei unterschiedliche Ebenen der Wirklichkeitswahrnehmung.

Unterm Strich resultiert aus der Verbindung der Begrifflichkeiten eine irreführende Weltanschauungstheorie, die den Menschen auf den falschen Pfad locken möchte.
Hinweg von seinem Schöpfer, der keine Materie ist, aber Fleisch angenommen hat. Amen!
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von kukHofnarr »

Materie ist ein transzendenter Begriff.

Wer Materie auf Teilchen reduziert, bewegt sich im Bereich der Ideologie des Materialismus.

Die Wissenschaft beschreibt Transzendenz als das, was durch das Sichtbare hindurchscheint. Diesem Hindurchscheinenden haben sich die Philosophen des Altertumes gewidmet, denn der Wesenskern und das Geistige sind nicht schlechthin un-erfahrbar.

Wie wird das, was durch das Sichtbare hindurchscheint, erfahren?

Im ersten Schritt durch Reflexion in Auseinandersetzung mit einem "Du", durch die der Mensch sein Denken und Wollen inmitten seines physischen Da-Seins erfährt und selbständig entwickelt.
Im zweiten Schritt wird das Erfahrene benannt, mit Begriffen belegt.
Im dritten Schritt werden die Interaktionen und immer grösseren Zusammenhänge gefunden.

Die Einsicht über den Zusammenhang der Transzendenz mit dem physisch Erfahrenen ist das Ergebnis des schlussfolgerndes Denkens in der Abstraktion der sichtbaren Form. Die Einsichten hieraus ermöglichen das Verstehen und die richtige Anwendung der Begriffe der Transzendenz, aufgrund dessen der Mensch das Gute zu tun und das Böse zu lassen ableiten kann. Das Gute jedoch zuerst abstrakt transzendent zu denken und sodann auch praktisch zu tun, fördert alles Leben. Das Böse bewirkt das Gegenteil.

Hieraus ist zu schliessen, dass die Verwendung des Begriffes Transzendenz geradezu wissenschaftlich geboten ist, will man sich nicht als Leugner einer Notwendigkeit schlussfolgernden Denkens bekennen. /*

___
/* Heliosch, Paul Michael, Freie wissenschaftliche Ausarbeitung: Das Streben nach Ordnung im Naturrecht - Eine Antwort auf das Great Reset-Projekt des World Economic Forum W.E.F. unter
Berücksichtigung der Katholischen Soziallehre
, Kapitel 6.5, (Mit den darin abgebildeten Grundsätzen wird die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Naturrechtes bei der Entwicklung sozioökonomischer und ordnungspolitischer Projekte begründet), Bad Königshofen 2023.
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

kukHofnarr hat geschrieben:
Sonntag 19. Januar 2025, 09:33
Materie ist ein transzendenter Begriff.

Wer Materie auf Teilchen reduziert, bewegt sich im Bereich der Ideologie des Materialismus.
...........
Interessanterweise hat auch die Physik - zumindest soweit ich das in Erfahrung bringen konnte :tuete: - keine präzise Definition von Materie vorlegen können. Dort ist eher von Masse die Rede, wobei dieser Begriff wiederum ganz andere Assoziationen erweckt, die wiederum mit naturwissenschaftlichen Kriterien überhaupt nicht zu fassen sind.
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von kukHofnarr »

Primärmaterie und Sekundärmaterie werden erläutert in

"Naturrecht und causa finalis":

"... Die einzelnen Disziplinen der Wissenschaften beschäftigen sich i.d.R. mit zwei Ursachenebenen, nämlich mit den materiellen Bestandteilen eines Gegenstandes und mit deren Bearbeitung. Solche Ursachenbetrachtung wird mit dem Begriff Materialismus belegt in der Bedeutung der dem Naturrecht zuwiderlaufenden Verzweckung der Materie. Zur naturrechtlichen Legitimation im Umgang mit Materie wird geschlussfolgert, die Ursachenbetrachtung der Materie vervollständigen zu müssen. Was der Materialismus mit Materie meint, beschreibt Thomas von Aquin als materia secunda, als Sekundärmaterie. Materie im ursprünglichen Sinne sei dagegen noch gänzlich unbestimmt - zwar existierend, jedoch sozusagen in einer Warteposition auf eine Möglichkeit hin als Materie in Potenz, dies sei die materia prima.

In ihrer Vollständigkeit wird die materia secunda im Kontext von vier Ursachenebenen beschrieben: ..."
/*

Die naturrechtliche Legitimation im Umgang mit der Materie in Form des weissen Stieres im Europa-Mythos besteht also darin, der schönen Jungfer Europa drei Söhne zu entlocken, ...

... OK ...

...aber diese haben mit den beiden Problemen zu kämpfen, die ihre düpierte Grossmutter verursachte:
a) die Verweigerung der Liebe Europas und
b) das Sterben der Natur.

Fazit:

Die Existenz der Nachkommen Europas ist geprägt vom Widerstand gegen Liebesentzug und Umweltzerstörung, also gegen die Ursache des Todes.

___
/* Naturrecht und causa finalis, Kreuzgang org, 23.11.2021,
(https kreuzgang org/viewtopic.php?p=925978#p925978 [Abruf: 20. Januar 2025]).
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von kukHofnarr »

kukHofnarr hat geschrieben:
Samstag 18. Januar 2025, 10:29
(...)
Die Vereindeutigung der Begriffe war ist und bleibt immerdar nötig zur Klärung dessen, was man an der Realität wahrzunehmen fähig ist. Der Hebel von Mythen und Märchen ist weder Dialektik und schon gar nicht Linguistik, sondern ein Hilfsinstrument zum Erkennen der Realität der Transzendenz, also dessen, was zwischen den Zeilen, hinter den Dingen steht.

Es ist diese Metaebene in Mythos und Märchen, die mir in der Kindheit den Sinn (die Augen) für die Realität der Transzendenz der Natur eröffnete. Von hier aus vereindeutigte sich mir der Fokus aufs Wesentliche, von dem ich anfangs keine klaren Begriffe hatte. Etwas später setzte mich der doctor angelicus auf die Spur der Ordnung in der Natur.
(...)
"... Wenn wir die extrinsische Autorität oder genauer die kanonische Autorität des heiligen Thomas von Aquin betrachten, können wir erkennen, dass die Kirche die Lehren des heiligen Thomas mit Sicherheit über alle anderen gestellt und ihm mehr Autorität zugesprochen hat als jedem anderen Theologen. ..." /1 "... Wegen seiner Unschuld und auch wegen seiner Geistesanlagen wurde er mit den Engeln verglichen und erhielt darum mit Recht den Namen engelgleicher Lehrer. Dieser wurde auch amtlich vom heiligen Pius V. bestätigt. Leo XIII. aber nahm bereitwillig die Anträge und Wünsche fast aller kaholischen Bischöfe entgegen und bestellte auf Vorschlag der heiligen Ritenkongregation durch ein apostolisches Schreiben den heiligen Thomas zum himmlischen Patron aller katholischen Schulen. Damit wollte er den vielen verderblichen, falschen Systemen der Philosophie einen Damm entgegensetzen und wollte zum Wohl der ganzen Menscheit der Wissenschaft neuen Auftrieb geben." /2

___
/1 Über die universale Autorität des Hl. Thomas von Aquin, Beiboot-Petri/OnePeterFive, 07.03.2025,
(https://beiboot-petri.blogspot.com/2025 ... es-hl.html [Abruf: 09. März 2025]).
/2 Auszug aus der Vita des hl. Thomas v. Aquin aus dem (alten) Brevier zur Tageslesung am 7. März: 4. - 6. Lesung, Kreuzgang org, 07.03.2025,
(viewtopic.php?p=946270#p946270 [Abruf: 09. März 2025]).
Zu Protokoll: Mein Schweigen ist weder als Zustimmung, noch als Ablehnung, noch als Gewähr dafür zu werten, den Sender verstanden zu haben.

"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Zu dem Thema hat Pater Engelbert Recktenwald FSSP in der Tagespost vom 6.3.2025 einen meines Erachtens sehr luziden Artikel veröffentlicht und erweist sich damit als ein würdiger Schüler seines Lehrers Robert Spaemann: :ja:
Pater Engelbert Recktenwald FSSP hat geschrieben:FIDES ET RATIO
Die Vernunft geht dem Verstehbaren voraus

Wer verstehen will, warum die Wirklichkeit unserer Vernunft zugänglich ist, wird eher bei Thomas von Aquin und C.S. Lewis als bei Evolutionstheoretikern fündig


Was war zuerst da: die Henne oder das Ei? Gemäß der Biologie ist die Antwort klar: Die Entwicklung geht vom Ei zum Huhn, nicht umgekehrt. Das Ei ist ein potenzielles Huhn, aber das Huhn kein potenzielles Ei. Auch wenn Ernst Haeckels biogenetisches Grundgesetz, demgemäß die Individualentwicklung die Artentwicklung rekapituliert, als widerlegt gilt, so ist doch beiden Entwicklungen das Prinzip gemeinsam: „Die Möglichkeit geht der Wirklichkeit voraus." Durch die Evolutionstheorie ist es zum Welterklärungsprinzip avanciert.

Tatsächlich setzen wir seine Geltung in vielen Zusammenhängen voraus, zum Beispiel für unser Erkennen: Ein Ding muss, bevor es erkannt wird, überhaupt erst einmal erkennbar sein. Doch Immanuel Kant brachte die kopernikanische Wende: Das Erkannte verdankt sich den Konstitutionsleistungen des Verstandes. Die Vernunft geht der empirischen Wirklichkeit voraus und drückt ihr das Siegel der Vernünftigkeit auf. Auch das setzen wir im Alltag wie selbstverständlich voraus, zum Beispiel immer dann, wenn wir aus der Undenkbarkeit eines Sachverhalts auf seine Unmöglichkeit schließen. Wenn wir sagen: ,,Das ist völlig undenkbar!", dann ist dies die stärkste Art, unsere Überzeugung von der seinsmäßigen Unmöglichkeit des Gemeinten auszudrücken. Schon C. S. Lewis machte auf den überraschenden Umstand aufmerksam, dass sich selbst die Dinge, im fernsten Raum und der fernsten Zeit" nach den Gesetzen des Denkens richten. Unsere Vernunft urteilt demgemäß über sie, noch bevor sie weiß, um welche Dinge es sich handelt. Sie urteilt a priori. Sie ist der Wirklichkeit gegenüber gesetzgebend. Denkgesetze werden zu Seinsgesetzen.

Aber natürlich handelt es sich bei der gesetzgebenden Vernunft nicht um mein individuelles Vernunftvermögen. Dieses ist selbst ein kontingenter Teil der Welt. Die Welt ist so, wie sie ist, nicht deshalb, weil ich es mir so ausgedacht habe. Sie geht mir wie jedem anderen Menschen voraus. Wenn sie sich trotzdem nach meinen Denkgesetzen richtet, dann deshalb, weil ich durch meine Vernunft Anteil habe an einer ursprünglichen Vernunft, der sich die Welt verdankt. Deshalb setzen wir unreflektiert stets voraus, dass jeder andere Mensch denselben Denkgesetzen wie den unseren folgt. Würde jemand behaupten, dass für ihn andere Gesetze der Logik gälten, würden wir ihm das nicht abnehmen. Dasselbe nahm Kant für die moralische Vernunft an: Auch sie ist gesetzgebend; und ihr Gesetz, das Sittengesetz, ist so allgemeingültig wie die Gesetze der Logik. Der Idealist macht bei seiner Annahme, dass das Denken dem Denkbaren vorausgeht, lediglich den kleinen Schönheitsfehler, dass er seine Vernunft mit der göttlichen verwechselt. Das Prinzip selbst aber finden wir schon bei Thomas von Aquin: „Die Wirklichkeit geht der Möglichkeit voraus" (actus prior est potentia").

Die Wirklichkeit ist unserer Vernunft zugänglich, weil sie aus einer ewigen Vernunft hervorgegangen ist. Etwas ist denkbar, weil es tatsächlich einmal gedacht wurde. Schon vor Kant hatte Thomas die kopernikanische Wende vollzogen - aber auf richtige Weise.
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Zeno Kortin »

Peduli hat geschrieben:
Sonntag 9. März 2025, 09:17
Zu dem Thema hat Pater Engelbert Recktenwald FSSP in der Tagespost vom 6.3.2025 einen meines Erachtens sehr luziden Artikel veröffentlicht und erweist sich damit als ein würdiger Schüler seines Lehrers Robert Spaemann: :ja:
Pater Engelbert Recktenwald FSSP hat geschrieben:
👍
Die Gutmeinenden sind unberechenbar, und von daher Allgemeingefährlich.
Karl-Herbert Scheer

Peduli
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Re: Warum sitzt Europa auf dem Stier?

Beitrag von Peduli »

Zeno Kortin hat geschrieben:
Montag 10. März 2025, 13:31
Peduli hat geschrieben:
Sonntag 9. März 2025, 09:17
Zu dem Thema hat Pater Engelbert Recktenwald FSSP in der Tagespost vom 6.3.2025 einen meines Erachtens sehr luziden Artikel veröffentlicht und erweist sich damit als ein würdiger Schüler seines Lehrers Robert Spaemann: :ja:
Pater Engelbert Recktenwald FSSP hat geschrieben:
:daumen-rauf:
C.S. Lewis hat übrigens sinngemäß auch geschrieben, daß es zwei Möglichkeiten gibt:
1. Jesus Christus lehrt die Wahrheit!
2. Jesus Christus ist der größte Betrüger, der jemals seinen Fuß auf diesen Planeten Erde gesetzt hat!

Für C.S. Lewis (und viele andere auch) ist die erste Variante vollkommen korrekt! :ja:
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Das Sein definiert das Nicht-Sein!

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