Zentrum, SPD und „Machtergreifung“

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Kurt
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Beitrag von Kurt »

Edi hat geschrieben:Ich weiss nicht, ob die Zentrumspartei nicht auch Ähnliches vertritt.
Die Zentrumspartei fühlt sich unmißverständlich dem christlichen Menschenbild verpflichtet. Es ist an der Zeit, konkret darüber nachzudenken, den ehemaligen politischen Arm des Katholizismus wieder zu reaktivieren und den Aufbau der Zentrumspartei aktiv zu unterstützen.

Die Zentrumspartei gibt einen monatlichen Zentrumskurier als PDF heraus, über den man sich ein Bild über den derzeitigen Zustand der Partei machen kann!

Tritt noch jemand ein?

Natbar
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Re und Anfrage auf Kurt

Beitrag von Natbar »

@Kurt ich habe zwar die Geschichte überflogen von der Zentrumspartei aber ich habe das noch so in der Schule gelernt: sie waren diejenigen die bewußt mit für Hitler gestimmt haben - es war doch die Zentrumspartei die den Weg mit frei gemacht hat Jahre vorher für ihn, oder täusche ich mich da?

Bitte korrigieren, da ich oft echt Fehler mache, und mich deutsche Geschichte sehr wohl intressiert, obwohl ich nicht deutsch bin - habe ich allerdings an der dt. Schule so gelernt.
Fallen ist menschlich, liegen bleiben teuflisch, aufstehen göttlich.

Gottheit tief verborgen, betend nach ich Dir, weil unter diesem Zeichen bist Du wahrhaft hier.....

Kurt
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Beitrag von Kurt »

(Bei Bedarf kann ja ein Ermächtigter den Diskussionsstrang auslagern.)
Natbar hat geschrieben: @Kurt ich habe zwar die Geschichte überflogen von der Zentrumspartei aber ich habe das noch so in der Schule gelernt: sie waren diejenigen die bewußt mit für Hitler gestimmt haben - es war doch die Zentrumspartei die den Weg mit frei gemacht hat Jahre vorher für ihn, oder täusche ich mich da?

Bitte korrigieren, da ich oft echt Fehler mache, und mich deutsche Geschichte sehr wohl intressiert, obwohl ich nicht deutsch bin - habe ich allerdings an der dt. Schule so gelernt.
Es ist korrekt, dass die Zentrumspartei für das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Auch wenn ohne jeglichen Kontext nun ein Ausflug ins Dritte Reich gemacht wird, was bei jeder zweiten Diskussion der Fall ist (der übrige Rest landet im finsteren Mittelalter oder bei den Hexenverbrennungen), so sei Dir verziehen, denn Du möchtest ja wissen, wie es damals war.

Also, Zentrumspartei hat dafür gestimmt, die SPD dagegen. Man muss aber die Gründe kennen, die zum Abstimmungsverhalten geführt haben. Die Gründe wurden in der Reichstagssitzung vom 23. März 1933 in der Berliner Krolloper einerseits von der Zentrumspartei durch Dr. Kaase erbracht, die Rede kannst Du hier nachlesen.
Andererseits hat Otto Wels für die SPD begründet, warum sie dagegengestimmt hat.

Versetzt man sich in die damaliger Zeit, so muss man anerkennen, dass Hitler auch ohne diese Scheinlegitimation die Macht an sich gerissen hätte. Der SPD war das klar, sie wusste sowieso, dass sie verloren war. Umso interessanter ist, dass sie Hitler nicht etwa - wie man vermuten sollte - wegen seines Nationalismus die Gefolgschaft verweigerte, sondern weil er nicht sozialistisch sei:
Die Herren von der Nationalsozialistischen Partei nennen die von ihnen entfesselte Bewegung eine nationale Revolution, nicht eine nationalsozialistische. Das Verhältnis ihrer Revolution zum Sozialismus beschränkt sich bisher auf den Versuch, die sozialdemokratische Bewegung zu vernichten, die seit mehr als zwei Menschenaltern die Trägerin sozialistischen Gedankengutes gewesen ist und auch bleiben wird. Wollten die Herren von der Nationalsozialistischen Partei sozialistische Taten verrichten, sie brauchten kein Ermächtigungsgesetz. Eine erdrückende Mehrheit wäre Ihnen in diesem Hause gewiß. Jeder von Ihnen im Interesse der Arbeiter, der Bauern, der Angestellten, der Beamten oder des Mittelstandes gestellte Antrag könnte auf Annahme rechnen, wenn nicht einstimmig, so doch mit gewaltiger Majorität.
Im Grunde genommen ist die Argumentation übler als die Zustimmung des Zentrums für das Ermächtigungsgesetz. Diese wiederum ist nämlich, liest man die Rede von Dr. Kaase, eher von Naivität geprägt als von Zustimmung in der Sache:
Manche der von Ihnen, Herr Reichskanzler, abgegebenen sachlichen Erklärungen geben uns, wie ich mit Befriedigung in aller Offenheit hier feststelle, bezüglich einzelner wesentlicher Punkte des deutschen Staats-, Rechts- und Kulturlebens - vor allem auch in Verbindung mit den bei den Vorverhandlungen gemachten Feststellungen - die Möglichkeit, eine Reihe wesentlicher Bedenken, welche die zeitliche und die sachliche Ausdehnung des Ermächtigungsbegehrens der Regierung bei uns ausgelöst hatte und auslösen musste, anders zu beurteilen.
In der Voraussetzung, dass diese von Ihnen abgegebenen Erklärungen die grundsätzliche und die praktische Richtlinie für die Durchführung der zu erwartenden Gesetzgebungsarbeit sein werden, gibt die deutsche Zentrumspartei dem Ermächtigungsgesetz ihre Zustimmung.

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Grundsatzprogramm des ZENTRUMS hat geschrieben:Das ZENTRUM will es allen Müttern (Vätern) ermöglichen, sich ganz ihrer Familie zu widmen. Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Betreuungsurteil vom 19.01.1999 fest, dass der Aufwand der Kindererziehung und Betreuung gleich zu bewerten ist, unabhängig davon ob die Eltern die Kinder selbst betreuen oder diese Leistung durch Dritte erbracht wird.
Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, die Bedingungen so zu gestalten, dass beide Erziehungs- bzw. Betreuungsmodelle die gleichen Chancen erhalten.
Leider wurde die Forderung des Bundesverfassungsgerichtes so umgesetzt, dass wiederum eine Besserstellung der Fremdbetreuung gegenüber der Eigenbetreuung erfolgt. Mit großer Sorge müssen wir feststellen: Je umfassender die Eltern ersetzt werden, desto höher ist die staatliche Förderung.
Die Hauptverantwortung der Erziehung muss bei den Eltern liegen. Das ZENTRUM widersetzt sich der Ausweitung der Schulpflicht zur Ganztagsschulpflicht. Im Falle der Ganztagesschule sind die Kinder die meiste Zeit der Woche der Obhut der Schule überlassen. So ist der Zeitanteil des Erziehungseinflusses von Schule und Staat größer als der der eigenen Familie. Gerade in den unterrichtsfreien Zeiten sind die Schüler den Gefahren ausgesetzt, die durch den Wegfall der Pausenaufsicht verstärkt werden (Gruppenzwänge, Zugang zum
Internet ohne Kontrolle, Verbreitung von Drogen, Gewalt usw.). Das dies in Zukunft für die Charakterentwicklung unserer Kinder bedeutet, ist heute noch nicht abzusehen.
Das ZENTRUM setzt auf eine Erziehungsoffensive, bei der den Eltern die Möglichkeit gegeben wird, dass ihre Erziehungsarbeit von Staat und Gesellschaft anerkannt wird.
Das ZENTRUM setzt sich für ein Erziehungsgehalt ein und fordert in diesem Zusammenhang die Anerkennung des Berufs ”Mutter” bzw. ”Vater”. Dadurch wird die Erziehungsarbeit finanziell gewürdigt und anerkannt.
Das Erziehungsgehalt wird für das erste Kind derzeit 1.000 EUR im Monat und für jedes weitere Kind 600 EUR im Monat betragen und unterliegt ganz normal den Sozialabgaben und Steuern. So kann auch während der Erziehungszeit eine Rente aufgebaut werden und der Krankheitsfall ist abgesichert. Auf diese Weise wird die Schlechterstellung der Familien mit Kindern beendet. Anspruch auf Erziehungsgehalt hat der Ehepartner, der sich der Kindererziehung widmet. Das Kindergeld entfällt. Wird kein Erziehungsgehalt in Anspruch genommen, werden steuerliche Kinderfreibeträge geschaffen.
Satzung des ZENTRUMS hat geschrieben:(5) Kein Mitglied soll sich derart für das ZENTRUM engagieren, daß darunter seine Familie Schaden nimmt.
(6) Verunglimpfungen anderer Parteien sind eines Mitgliedes des ZENTRUM unwürdig.
Also, ich finde das alles sehr sympathisch :) 8)

Natbar
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Re @ Kurt

Beitrag von Natbar »

Kurt ich danke Dir für die vielen Infos ich muß das allerdings nochmal alles genau betrachten und nachlesen.

Natbar
Fallen ist menschlich, liegen bleiben teuflisch, aufstehen göttlich.

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Petra
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Beitrag von Petra »

Kurt hat geschrieben:
Satzung des ZENTRUMS hat geschrieben: (6) Verunglimpfungen anderer Parteien sind eines Mitgliedes des ZENTRUM unwürdig.
Also, ich finde das alles sehr sympathisch :) 8)
Allerdings verhindern sie damit die Parteizugehörigkeit diverser Kreuzgang-User. :roll:

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Kurt hat geschrieben:Im Grunde genommen ist die Argumentation übler als die Zustimmung des Zentrums für das Ermächtigungsgesetz. Diese wiederum ist nämlich, liest man die Rede von Dr. Kaas, eher von Naivität geprägt als von Zustimmung in der Sache:
Das kann man so mE gar nicht sagen. Zwei Dinge sprechen dagegen.

Das Zentrum hatte sich bis Beginn 1933 innerlich weitgehend von einer Verteidigung der Demokratie verabschiedet und sich der Möglichkeit einer Diktatur geöffnet. "Die vaterländische und kulturelle Not" (Dr. Kaas 1929) bedrücke allen dermaßen die Seele, daß der Ruf nach einem Führertum großen Stils niemals größer gewesen sei. Kaas scheint dies zu begrüßen.

Eugen Bolz, Zentrumspolitiker und Ministerpräsident in Württemberg, schrieb bereits Anfang 1930 an seine Frau:
Ich bin längst der Meinung, daß das Parlament die schweren innenpolitischen Fragen nicht lösen kann. Wenn ein Diktator für zehn Jahre möglich wäre - ich würde es wünschen.
Wenn man diesen Zeugnissen noch Naivität attestieren kann, so ist dies bei der Zustimmung des Zentrums zum Ermächtigungsgesetz im März 1933 nicht mehr möglich. Direkt nach der Machtübernahme der Nazis im Januar 1933 hatten die Verfolgungen politisch Andersdenkender eingesetzt. Davon war auch das Zentrum bereits betroffen, wenn auch nicht im gleichen Maße wie Kommunisten und Sozialdemokraten. Trotzdem haben die Sozialdemokraten gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt, das Zentrum nicht. Das ist nicht Naivität, sondern ein Einknicken vor der Macht. Man kann das angesichts der Situation vielleicht erklären und auch verstehen, aber schönreden sollte man das nicht, vor allem weil es eben auch das Beispiel der SPD gibt, die trotz der Repressionen dagegen gestimmt haben. Ich kann den Mut der SPD-Abgeordneten nur bewundern.
Zuletzt geändert von Stephen Dedalus am Sonntag 25. Februar 2007, 12:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Kurt
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Beitrag von Kurt »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Das Zentrum hatte sich bis Beginn 1933 innerlich weitgehend von einer Verteidigung der Demokratie verabschiedet und sich der Möglichkeit einer Diktatur geöffnet. "Die vaterländische und kulturelle Not" (Dr. Kaas 1929) bedrücke allen dermaßen die Seele, daß der Ruf nach einem Führertum großen Stils niemals größer gewesen sei. Kaas scheint dies zu begrüßen.
Die Probleme der Weimarer Demokratie sind ja hinlänglich bekannt. Damit hat nicht nur das Zentrum gehadert, bei den Wahlen 1932 haben die antidemokratischen Parteien ja auch in der Bevölkerung die Mehrheit erhalten. Der Ruf nach einer strafferen Führung resultierte ja aus der Schwäche der zersplitterten Demokratie. Auch der Nationalismus war damals europaweit en vogue. Das ist der damalige Zeitgeist gewesen, dem sich auch das Zentrum, aber auch die SPD nicht versagt haben.
Es zu kurz gesprungen, dem Zentrum eine größere Mitschuld am Dritten Reich zu geben als den Sozialisten. Und insbesondere ist es wenig hilfreich, aus dem Fehlverhalten der damaligen Handelnden Rückschlüsse auf die heutigen Parteien zu ziehen. Hitler wurde nicht verhindert, und er würde auch heute nicht verhindert werden, wären die Umstände entsrechend. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Vielzahl zeitgenössischer Kritiker in den 30er Jahren sich nicht sehr viel anders verhalten hätten. Eher schon in den 40ern, als der Irrweg sichtbarer wurde, wie es auch die Katholiken im Deutschen Reich zunehmend getan haben.
Man kann das angesichts der Situation vielleicht erklären und auch verstehen, aber schönreden sollte man das nicht, vor allem weil es eben auch das Beispiel der SPD gibt, die trotz der Repressionen dagegen gestimmt haben. Ich kann den Mut der SPD-Abgeordneten nur bewundern.
Ich kann dem Abstimmungsverhalten nur bedingt etwas abgewinnen, denn in dem, was Sozialisten und Kommunisten in den Jahrzehnten davor angerichtet haben, muss man auch den Nährboden für das Nazireich sehen. Es wird Zeit, dass diese Gruppierungen der Ismen des 19. und 20. Jahrhunderts ihre Schuld eingestehen, anstatt mit Fingern stets nur auf andere zu zeigen.

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Petra hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:
Satzung des ZENTRUMS hat geschrieben: (6) Verunglimpfungen anderer Parteien sind eines Mitgliedes des ZENTRUM unwürdig.
Also, ich finde das alles sehr sympathisch :) 8)
Allerdings verhindern sie damit die Parteizugehörigkeit diverser Kreuzgang-User. :roll:
Vielleicht sollte der Kreuzgang die Satzung des Zentrums übernehmen ;)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Kurt hat geschrieben:Es zu kurz gesprungen, dem Zentrum eine größere Mitschuld am Dritten Reich zu geben als den Sozialisten.
Man muß diese Aussage differenzieren. Sicherlich sind die Sozialdemokraten nicht unschuldig daran, daß die Weimarer Republik am Schluß unregierbar wurde und als Alternativen nur noch Formen der Gewaltherrschaft möglich schienen, sei es von links oder von rechts. Hingegen haben die Sozis eindeutig klarer gegen die Nazis Stellung bezogen. Zum Untergang der Weimarer Republik haben alle ihr Scherflein beigetragen. Daß es die NSDAP war, die die Regierung dann übernahm, lag allerdings weniger an der SPD als am Zentrum (wenn man hier schon quantifizieren möchte, was an sich eigentlich unsinnig ist).

Ich kann dem Abstimmungsverhalten nur bedingt etwas abgewinnen, denn in dem, was Sozialisten und Kommunisten in den Jahrzehnten davor angerichtet haben, muss man auch den Nährboden für das Nazireich sehen. Es wird Zeit, dass diese Gruppierungen der Ismen des 19. und 20. Jahrhunderts ihre Schuld eingestehen, anstatt mit Fingern stets nur auf andere zu zeigen.
Das ist nun ein krasses historisches Fehlurteil.
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Gallowglas
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Registriert: Sonntag 30. Juli 2006, 17:27

Beitrag von Gallowglas »

Kurt hat geschrieben:
Petra hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:
Satzung des ZENTRUMS hat geschrieben: (6) Verunglimpfungen anderer Parteien sind eines Mitgliedes des ZENTRUM unwürdig.
Also, ich finde das alles sehr sympathisch :) 8)
Allerdings verhindern sie damit die Parteizugehörigkeit diverser Kreuzgang-User. :roll:
Vielleicht sollte der Kreuzgang die Satzung des Zentrums übernehmen ;)
Naja, wenn sich die User hier genausowenig daran halten, wie die Zentrumspolitiker, ist ja alles im Butter :mrgreen:

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