Sächsische Zeitung hat geschrieben: Sächsische Zeitung
Montag, 31. Dezember 2007
Die familienpolitische Sprecherin der Linkspartei im Saarland, Christa Müller, sorgt mit ihrem Familienbild vor allem bei Genossinnen im Osten für Verärgerung. Viele halten ihre Auffassungen für antiquiert. Müller wendet sich dagegen, einzelne Lebensmodelle durch staatliche Zuwendungen zu bevorzugen. Foto: ddp/Lennart Preiss
Ich will Wahlfreiheit für die Familien
Christa Müller von der Linkspartei wendet sich im SZ-Gespräch dagegen, einzelne Lebensmodelle finanziell zu bevorzugen.
Frau Müller, sind Sie eigentlich in der richtigen Partei?
Ja.
In der Familienpolitik unterscheidet sich die große Parteilinie aber schon von Ihren Vorstellungen. Führende Genossinnen werfen Ihnen ein antiquiertes Bild aus der Mottenkiste vor.
Die Konzepte in der Linkspartei auf Bundesebene bevorzugen ganz klar ein Familienmodell mit Eltern, die beide erwerbstätig sind und ihre Kinder in eine Betreuungseinrichtung geben. Solche Familien werden finanziell besser, die anderen schlechter gestellt. Für die Saarlinke ist es eine soziale Ungerechtigkeit, einzelne Lebensmodelle zu bevorzugen und andere damit automatisch zu benachteiligen. Wir schlagen ein Erziehungsgehalt für alle vor. Das schafft echte Wahlfreiheit. Das ist für uns moderne linke Politik. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass es in der Mottenkiste ein Erziehungsgehalt gab. Früher gab es die Hausfrau, die nicht bezahlt wurde. Moderne Politik heißt, Menschen zu entlohnen und sozial abzusichern, die Erziehungsarbeit und Pflegearbeit leisten, ob sie das zu Hause tun oder in Krippen oder in Pflegeheimen.
Mit so einer Art höherem Betreuungsgeld?
Nein, eben nicht. Das Betreuungsgeld von 150 Euro im Monat soll ja nur an die Eltern bezahlt werden, die keinen Krippenplatz für ihr Kind in Anspruch nehmen. Das Erziehungsgehalt sollen alle bekommen. Außerdem ist das Betreuungsgeld gemessen an der Leistung, die von der Erziehungsperson erbracht wird, ein Almosen. Die Eltern kümmern sich praktisch rund um die Uhr um das Kind und sollen dafür 150 Euro bekommen. Das ist eine Frechheit.
Zum Erziehungsgehalt: Wer soll es kriegen, wie hoch soll es sein?
Das Erziehungsgehalt soll in den ersten drei Jahren 1600 Euro pro Kind und Monat betragen. Das entspricht den Kosten eines guten Betreuungsplatzes. Wenn man so viel Geld dafür ausgibt, kann man es auch Müttern oder Vätern geben, die sich zu Hause gut um ihre Kinder kümmern. Ab dem vierten bis zum 18. Lebensjahr soll es 500 Euro pro Kind geben. Dann ist ja die Betreuungsarbeit nicht mehr so intensiv, wie wenn das Kind sehr klein ist. Und dann reicht praktisch die Nachmittagsbetreuung. Das ließe sich auch gut mit den Lebensmodellen der meisten Familien vereinbaren, in denen beide Ehepartner Beruf und Familie verbinden wollen.
Was kostet das und vor allem: Wer soll es bezahlen?
Das Erziehungsgehalt kostet netto 48 Milliarden Euro im Jahr. Bezahlt werden soll das über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und der Börsenumsatzsteuer, über eine Anhebung der Erbschaftssteuer, insbesondere für sehr Vermögende, und über einen Familienlastenausgleich. Der müsste von Kinderlosen finanziert werden, die ja vom heutigen Steuer- und Sozialsystem massiv profitieren. Im Jahr 2004 betrug das Pro-Kopf-Einkommen von kinderlosen Ehepaaren 1700 Euro im Monat, das von einer Familie mit drei Kindern 893 Euro. Das heißt also, eine Familie mit drei Kindern hat pro Kopf ungefähr die Hälfte des Einkommens von kinderlosen Ehepaaren. Das ist eine soziale Ungerechtigkeit.
Viele Ihrer Parteifreunde im Osten haben eher Probleme mit Ihrem Ansatz, dass kleine Kinder „in den Familien am besten aufgehoben sind, in denen Vater und Mutter Teilzeit arbeiten oder die Mutter Hausfrau ist“. Die finden das „wundersam“.
Die Säuglingsforschung, die Bildungsforschung und die neuere Hirnforschung kommen übereinstimmend zu der Auffassung, dass es in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes sehr wichtig ist, eine feste Bindungs- und Bezugsperson zu haben. Das ist in der Familie einfacher als in Krippen, wo es wechselndes Personal gibt und wo auch mal jemand krank oder im Urlaub ist. Zudem muss sich eine Erzieherin in den meisten Krippen um zu viele Kinder kümmern.
Sind Krippen für Kinder schädlich?
Es gibt Untersuchungen aus Amerika und aus Großbritannien, die darauf hinweisen, dass die Erziehung in Krippen Risiken beinhaltet. Es ist natürlich von Kind zu Kind unterschiedlich. Diese Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass bei den Kindern, die in der Krippe waren, zu einem größeren Teil auffälliges Verhalten festgestellt wurde als bei Kindern, die in Familien groß geworden sind. Natürlich bedeutet das nicht, dass es nicht auch in Familien Risiken gibt. Wir müssen über alles offen diskutieren und müssen dann entscheiden, in welchen Fällen es besser ist, dass die Kinder in den Familien bleiben und in welchen Fällen es auch besser sein kann, dass die Kinder in Betreuungseinrichtungen sind.
Wer ist wir, wer soll das entscheiden?
Das Konzept Erziehungsgehalt sieht Familienberater vor, die die Familien schon besuchen, wenn die junge Frau schwanger ist, Informationsmaterial mitbringen und die Familien beraten, sofern sie einen Bedarf haben. Diese Hausbesuche sollen in den ersten drei Lebensjahren des Kindes vierteljährlich und danach halbjährlich wiederholt werden. In der Normalfamilie wird es so sein, dass alles in Ordnung ist. Dort, wo es größere Probleme gibt, würden die Familienberater Vorschläge machen, wie die Situation des Kindes und der Familie verbessert werden kann.
Dann würden auch Situationen, in denen Eltern ihre Kinder verhungern lassen, erkannt, bevor es zu spät ist?
Ja. Wir wollen nicht nur Missbrauch und Vernachlässigung aufdecken, wir wollen sie verhindern.
Zurück zu den Krippen: Warum soll der vorgesehene Ausbau der Plätze den „Zwang zur Fremdbetreuung“ fördern?
Dieser Zwang zur Fremdbetreuung gilt nur für den Fall, dass man Betreuungsplätze über die Nachfrage hinaus schafft. Laut Umfragen sind 70 Prozent der deutschen Bevölkerung der Ansicht, dass es für die Kinder in den ersten drei Jahren besser ist, von den Eltern zu Hause betreut zu werden. Wenn man jetzt die 750000 geplanten Krippenplätze umrechnet auf die Zwei- bis Dreijährigen, kommt man zu einem Versorgungsgrad von 60 Prozent und nicht von 35 Prozent, wie das immer behauptet wird. Wenn eine Frau in der Situation bei ihrem Arbeitgeber drei Jahre Elternurlaub nehmen will, sagt der: „Es gibt doch Krippenplätze genug, Sie müssen in einem Jahr wiederkommen. Sonst kann ich nicht garantieren, dass Sie hier Ihren Arbeitsplatz wiederbekommen.“ Und dann entsteht ein Zwang für diese Frau.
Ihr Buch „Dein Kind will Dich“ erscheint im Augsburger Sankt Ulrich Verlag. Dafür werden Sie scharf kritisiert. Warum haben Sie das nicht woanders veröffentlicht?
Das habe ich versucht, aber leider einige Absagen bekommen. Wer die politische Korrektheit verletzt, ist auch linken Verlagen nicht genehm. Im Übrigen ist ein Bistumsverlag nicht schlechter als Springer oder Bertelsmann.
Gespräch: Peter Heimann
Das ist wirklich witzig. Eine sozialistische Politikerin setzt sicht eher für traditionelle familiäre Werte ein, als die CDU. Zudem verfasst besagte Poliitikerin ein Buch hierzu, daß in einem katholischen Verlag publiziert wird, weil linke oder Mainstreamverlage aus Gründen der PC hierzu nicht bereit sind.
PS: Aus meiner Sicht muss die Formel lauten: Mehr Familie, Weniger Staat. Daher müsste man zunächst die Familien von der Steuerlast befreien. Erst dann kann man beurteilen, ob noch Geld nachgeschossen werden muss. Insoweit gehe ich mit Fr. Müller also nicht konform. Allerdings steht sie mir wohl näher, als die Uschi vom Familienministerium.