lich gar keiner. Nichts Aktuelles. Das Problem ist alt und altbekannt.
Ich erinnere mich, das Problem bereits vor mindestens zehn, zwölf
Jahren diskutiert zu haben. Gewiß hat es sich seitdem eher noch ver-
schärft, jedoch nicht jetzt plötzlich oder überhaupt merklich in den
letzten paar Jahren.
Vielmehr hat man einerseits viele Jahre lang überhaupt nichts Wirk-
sames unternommen oder wenigstens versucht; andererseits schreit
nun plötzlich ganz Deutschland au weh!, was mir die Frage auf-
drängt, wer da und wozu diese politische Kampagne – denn nichts
anderes ist es – gerade jetzt losgetreten hat.
Den Hintergrund bildet der vorgebliche „Krieg gegen den Terror“,
das Angstschüren allenthalben, bilden die polizeistaatlichen Maßnah-
men, denen die Angstpropaganda als Vehikel dient. Den Hintergrund
bilden auch Kopftuchverbote und nun Einwanderergesinnungsprü-
fungen, und überhaupt die ganze Propaganda rund um den angeb-
lich unvermeidlichen, in Wahrheit aber herbeimanipulierten „Clash
of civilisations“.
Nota bene: gerade die ach so konservativen Scharfmacher und Freun-
de harten Durchgreifens sind es – ein Koch oder Schäuble – , die sich
besonders dafür erwärmen, daß als Quintessenz unserer „Kultur“ öf-
fentlich beinahe-kopulierende Sodomiten und klaffende Spalten statt
auf dem Gletscher am Nackedei-Strand präsentiert werden.
Ein Schelm, der Arges dabei denkt? – Man frage sich einmal ernst-
lich, wer da welches Spiel spielt.
Aber kommen wir zur tatsächlichen Lage. Zunächst einmal ist es
schlicht falsch, daß es sich bei der Gewalt an Schulen um ein Auslän-
der- oder gar Muslimproblem handele. Vielmehr entstehen Banden-
unwesen und gewalttätige Schülerkriminalität in bestimmten sozia-
len Kontexten, die auch unter Deutschen und bei geringem Auslän-
deranteil vorliegen können.
Allerdings begünstigen „multikulturelle“ Milieus die soziale Entwur-
zelung der Jugendlichen, den Verlust der eigenen, gesunden Indenti-
tät und daraus folgend den Versuch sekundärer Identitätsfindung
in der Bande.
Das allein reicht aber meines Erachtens nichts als Erklärung aus. Viel-
mehr müssen die Wurzeln bereits im Elternhaus verlorengegangen
oder überhaupt nie dagewesen sein. Das aber betrifft Angehörige al-
ler Völker in gleicher Weise.
Schon darum greift der Verweis auf die 1968er Kulturrevolution zu
kurz, wenigstens wenn man sie als direkte Wirkursache sehen will.
Man bedenke auch, daß die heutigen jugendlichen Gewalttäter und
Bandenkriminellen Kinder der Nach-Wende-Zeit sind. Geboren in
den neunziger Jahren.
Womit sind diese Kinder aufgewachsen, wovon sind sie geprägt wor-
den, seit den ausgehenden achtziger Jahren und seitdem unter anhal-
tender Beschleunigung der Fahrt?
Mit dem Fernseher als Kindermädchen von früh bis spät. Mit Com-
puterspielen, Ballerspielen, virtuellem Gemetzel. Mit Privatfernsehen.
Mit Pornographie und Sodomitenpropaganda. Mit Arbeitslosigkeit,
Drogen und Ehescheidung. Mit Horrorfilmen und Brutalität auf der
Mattscheibe. Mit neoliberaler Wirtschaftsvernichtung und Geldes-
vergötzung bei eigener Armut und sozialem Abstieg. Mit Verblöd-
ungs- und Enthemmungsserien am frühen Abend. Mit Mobiltelephon
und Internet und immer wieder Pornographie. Verblödungs- und Ent-
hemmungsgewäsch in nachmittäglichen Pseudodiskussionen. Und
immer so weiter.
Und da wundert sich einer, daß eine Jugend, die von der Gesellschaft
wie erbärmliches Vieh mit billigstem, verdrecktem Zucker gefüttert
wird, auch wirklich vertiert?
Ja, die 1968er Kulturrevolution ist historisch ohne Zweifel eine Vor-
aussetzung der kulturellen Katastrophe, die wir erleben. Die heute
Agierenden sind aber nicht mehr die 68er Greise, nicht nur ihre ge-
schädigten Kinder, sondern die ganze Gesellschaft hat sich zu einem
Strudel beschleunigt, der sich am Ende selber verschlingt.
Ich könnte aufzählen, was dagegen zu tun wäre. Allein es ist zu spät.
Die Hirne sind längst auf breiter Front von allem Geiste reingewa-
schen. Und die Herrschenden, die’s wohl begreifen, schicken sich an,
die rechten Maßnahmen zu ergreifen, das blöde Volk noch besser be-
herrschen und manipulieren zu können. Und hart zu reagieren, wenn
doch einmal sich welche wehren oder aufbegehren, wenn’s mal am
Brote zu den Spielen hapert.