Was mich an ihnen fasziniert ist die Konsequenz, mit der sie ihren Glauben leben wollen. Alles Politische und Weltliche läßt sie - scheinbar - "kalt".
Ja, die Betonung muß wohl auf "scheinbar" liegen. Tatsächlich sind die meisten Ultraorthodoxen unpolitisch. Sie sehen Israel weder positiv noch negativ. Sie lehnen Israel genauso wenig ab wie sie Deutschland oder die Niederlande oder die USA ablehnen würden.
Alles was sie ablehnen ist der Anspruch Israels eine irgendwie geartete Form des Judentums zu sein.
Diese Leute haben eine Lesart des Judentums die streng religiös ist, die Entwicklung die mit Aufklärung oder Zionismus auch unter der jüdischen Bevölkerung eingesetzt hat, wird von ihnen eigentlich nicht abgelehnt, aber schlicht ignoriert. Sie leben in Israel genauso unbeteiligt wie sie in Deutschland oder Russland leben würden.
Die von ihnen glorifizierte Gruppierung ist aber erstens nur eine verschwind geringe Minderheit selbst unter den Ultraorthodoxen und zweitens sehr wohl politisch.
Das Verbrennen der Fahne des säkularen Israel kann man wohl als politischen Akt bezeichen oder nicht?
Diese Gruppierung vertritt also sehr wohl politische Zielsetzungen. Und zwar erzreaktionäre. Sie verurteilen (oder verteufeln) ganz einfach Aufklärung, Säkularismus und Nationalstaat (bzw. Zionismus) und wollen zu Zuständen zurück die vor all dem liegen.
Was waren das für Zustände.
Naja, damals lebten die Juden in Ghettos unter weitgehender Selbstverwaltung. Eine Autorität (wenn nicht sogar die heraus ragende Autorität) war der örtliche Rabbiner.
Und genau zu solchen Zuständen will die von ihnen umjubelte radikale Gruppierung zurück. Sie möchte Israel in ein einziges großes Ghetto, oder etwas schöner formuliert: in einen Gottesstaat unter dem Gesetz der Halacha verwandeln.
Diese Leute verbrennen die israelische Fahne nicht weil sie über die Besetzung des Westjordanlandes so empört wären, sondern weil sie vorgeben über den Lebensstil ihrer säkularen Zeitgenossen empört zu sein!
Ihr Problem, Alexandra Zayadeh, besteht darin, daß Sie sich einbilden, daß diese Leute die israelische Fahne aus Empörung über das Vorgehen der Armee verbrennen. Das ist aber nicht der Fall. Diese Leute sind überhaupt nicht empört über die Besetzung der Palästinensergebiete. Das sind Strenggläubige! Die glauben an jeden Buchstaben der Thora, die glauben, daß jedes Sandkörnchen in Jericho heilig ist.
Tatsächlich findet man in Israel zwei unterschiedliche Variationen von Anhängern eines Gottesstaates, Die erste ist die von mir geschilderte, die den Zionismus als Irrweg ablehnen und den Weg korrigieren möchten indem sie die Halacha als Gesetzesgrundlage einführen.
Die zweite Gruppierung sieht den (säkularen) Zionismus als Vorform eines Kommens des jüdischen Messias und möchte einen Gottesstaat einführen, dessen ideologische Grundlage weitgehend mit der Grundlage des shiitisch-iranischen Gottesstaates korrespondieren dürfte. Diese Richtung wird besonders von den amerikanischen Evangelikalen unterstützt, die mit ihrer wörtlichen Lesart der Bibel und hier besonders der Johannes Offenbarung in der Staatsgründung Israels den ersten Schritt auf dem Weg zu einer Apokalypse sehen. Freilich verschweigen sie dabei, daß - bevor das Ende nach christlich-evangelikaler Sicht kommt - ein kleiner Teil der Juden zum Christentum konvertiert, der Rest aber in einer Art Holocaust umkommt.
Die von mir erwähnte erste Variante der israelischen Anhänger der Idee eines Gottesstaates findet besonders im katholisch geprägten Europa Anhänger. Hier ist die - typisch evangelikale - Idee der Apokalypse tradtitionell nicht sehr verbreitet. Dies würde wohl den Selbstanspruch der Katholischen Kirche zuwider laufen. Aus diesem Grund bevorzugen strenggläubige Katholiken eher die nicht-messianische Lesart der israelischen religiösen Rechten, die zum Beispiel in der von Alexandra Zayadeh zitierten Gruppierung verwirklicht ist!
Nur bilden Sie sich doch bitte nicht ein, daß diese die Fahne verbrennen aus Empörung über den Umgang mit den Palästinensern! Das möchten Sie vielleicht heraus lesen. Es entspricht aber nicht den Tatsachen!