Preußendeutschland

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overkott
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Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Ein Strukturproblem von Preußendeutschland bezeichnete im Kaiserreich die Hegemonie des Nordens über den Süden und eine entsprechende Benachteiligung von Katholiken bei der Vergabe von öffentlichen Ämtern.

Heute scheint dieses Problem wiederzukehren als Hegemonie einer norddeutschen Minderheit über eine süddeutsche Mehrheit. Strukturell werden rund 29 Millionen Norddeutsche mit 39 Sitzen repräsentiert, während 36 Millionen Süddeutsche mit 36 Millionen Sitzen repräsentiert werden.

Vor allem die föderale Aufteilung der östlichen Bundesländer inklusive Berlin bläht nicht nur die Länderverwaltungen auf und kostet dadurch eine Menge Steuergelder, sondern begünstigt auch eine Minderheitenherrschaft.

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Niels
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

:hae?:

Tritonus
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Tritonus »

overkott hat geschrieben: ... während 36 Millionen Süddeutsche mit 36 Millionen Sitzen repräsentiert werden.
:daumen-rauf:
Das nenne ich mal 'ne echte Demokratie.

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Niels
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

Tritonus hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: ... während 36 Millionen Süddeutsche mit 36 Millionen Sitzen repräsentiert werden.
:daumen-rauf:
Das nenne ich mal 'ne echte Demokratie.
Der Ovi ist offensichtlich mal wieder im3D-Rausch...

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Tritonus hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: ... während 36 Millionen Süddeutsche mit 36 Millionen Sitzen repräsentiert werden.
:daumen-rauf:
Das nenne ich mal 'ne echte Demokratie.
36 Sitze, natürlich.

Aber man kann natürlich jetzt noch die Bundesländer historisch genauer Preußen zuordnen, so dass NRW zu Norddeutschland, Thüringen und Sachsen zu Süddeutschland gerechnet werden. Dann gibt es rechnerisch genauso viele Norddeutsche wie Süddeutsche, wobei die Norddeutschen im Bundesrat jedoch immer noch mit fünf Stimmen überrepräsentiert sind.

Das Problem ließe sich beheben, indem die überrepräsentierten Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt jeweils einen Sitz abgeben.

Tritonus
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Tritonus »

overkott hat geschrieben: Aber man kann natürlich jetzt noch die Bundesländer historisch genauer Preußen zuordnen, so dass NRW zu Norddeutschland, [...] gerechnet werden.

NRW und Preußen? Nein. Dann kannst Du auch gleich NRW wieder in mehrere Teile zerlegen, denn in den Augen der meisten Rheinländer waren die Preußen nie etwas anderes als Besatzerpack. (In der Gegend, wo ich gewohnt habe, war "Preuße" ein Schimpfwort, ein Synonym für "arrogantes A******ch", ungefähr so wie "Saupreiß" in Bayern oder "Piefke" in Österreich.)

Aus einem kleinen Rückblick aus Anlass des 2. Jahrestages der "Befreiung" der Stadt Köln im Kölner Stadtanzeiger -- zwangsläufig in jugendfreier, neutraler Sprache, denn wenn viele Kölner ihr Verhältnis zu Preußen und zu preußischer Mentalität frei formulieren dürfen, klingt das sehr viel deutlicher:
... viele der Beamten, die man aus „Altpreußen“ an den Rhein geschickt hat, machen sich schnell unbeliebt, weil sie sich wie in einem besetzten Land aufführten. Die höheren Chargen sind zudem zumeist protestantisch und stoßen mit ihrem autoritären Auftreten bei den Rheinländern auf wenig Gegenliebe: „Das Ministerium hat sich dadurch kreuzweis die Hände gebunden, indem es Fremde in die Provinz sandte, die weder das Land noch seine Sitten kennen und die völlig isoliert stehen ohne irgend einen Zusammenhang mit dem Volk und der öffentlichen Meinung,“ heißt es in einem Brief an den General Neidhardt von Gneisenau, ein Reformer.

... reimen Kölner Gassenjungen: „Rote Kragen, nix im Magen, Goldne Tressen, nix zu fressen – Stinkpreuß!“ Zudem geht das böse Wort von den „Litauern“ um.

( http://www.ksta.de/koeln/2-jahre-preu ... 8368.html )

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Tritonus hat geschrieben:NRW und Preußen? Nein. Dann kannst Du auch gleich NRW wieder in mehrere Teile zerlegen, denn in den Augen der meisten Rheinländer waren die Preußen nie etwas anderes als Besatzerpack. (In der Gegend, wo ich gewohnt habe, war "Preuße" ein Schimpfwort, ein Synonym für "arrogantes A******ch", ungefähr so wie "Saupreiß" in Bayern oder "Piefke" in Österreich.)

Aus einem kleinen Rückblick aus Anlass des 2. Jahrestages der "Befreiung" der Stadt Köln im Kölner Stadtanzeiger -- zwangsläufig in jugendfreier, neutraler Sprache, denn wenn viele Kölner ihr Verhältnis zu Preußen und zu preußischer Mentalität frei formulieren dürfen, klingt das sehr viel deutlicher:
... viele der Beamten, die man aus „Altpreußen“ an den Rhein geschickt hat, machen sich schnell unbeliebt, weil sie sich wie in einem besetzten Land aufführten. Die höheren Chargen sind zudem zumeist protestantisch und stoßen mit ihrem autoritären Auftreten bei den Rheinländern auf wenig Gegenliebe: „Das Ministerium hat sich dadurch kreuzweis die Hände gebunden, indem es Fremde in die Provinz sandte, die weder das Land noch seine Sitten kennen und die völlig isoliert stehen ohne irgend einen Zusammenhang mit dem Volk und der öffentlichen Meinung,“ heißt es in einem Brief an den General Neidhardt von Gneisenau, ein Reformer.

... reimen Kölner Gassenjungen: „Rote Kragen, nix im Magen, Goldne Tressen, nix zu fressen – Stinkpreuß!“ Zudem geht das böse Wort von den „Litauern“ um.

( http://www.ksta.de/koeln/2-jahre-preu ... 8368.html )
NRW, Bayern und Baden-Württemberg stellen zusammen die Hälfte der Bevölkerung, verfügen aber nur über ein Viertel der Stimmen im Bundesrat. Das mag vor allem die Bayern als Zahlmeister der Nation ärgern. Heute leiden sie unter dem Bundesrat als Relikt des Feudalismus, der früher unter dem Namen Herrenhaus oder Fürstenkammer fungierte.

Tatsächlich ist nämlich mit dem Übergang von der Monarchie zur Republik zwar zunächst die Macht des Staatsoberhauptes zeitlich stark begrenzt worden, aber der Ersatzkaiser verfügte auch als Miniturausgabe noch über zu viel Macht, so dass in der Bonner Republik das Parlament als Legislative aufgewertet wurde, indem es auch den Kanzler beruft und entlässt, während der Bundespräsident nur noch repräsentiert. Die Fürstenkammer blieb in Form des Bundesrates jedoch immer noch ein Instrument der Minderheitenherrschaft. Dieses Problem wurde mit der deutschen Einheit verschärft.

Eine Föderalismusreform ist überfällig.

Tritonus
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Tritonus »

overkott hat geschrieben:NRW, Bayern und Baden-Württemberg stellen zusammen die Hälfte der Bevölkerung, verfügen aber nur über ein Viertel der Stimmen im Bundesrat. [...]

Eine Föderalismusreform ist überfällig.
Stimmt.

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Palmesel
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Palmesel »

Ist schon überzeugend. Gibt es irgendwelche Gründe gegen eine Anpassung der Stimmverhältnisse im BR an die Bevölkerungsgrößen? K.A., aber ich sehe grad keine.

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Siard
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Siard »

Jetzt jammern die Rheinländer in der (seperatistischen) Tradition Adenauers, daß ihre Hegemonie endet. :roll:
Das Problem ist weder ›Preußen‹, noch eine preußische Tradition – eher im Gegenteil. Diese ganze Aufteilung ist zweifelhaft.
Übrigens gab es Regionen, in denen die Preußen sehr wohl als Befreier begrüßt wurden, wenn auch eher nicht im Rheinland.
Weiters scheinen mir manche der genannten Probleme eher an einem insgesamten Demokratiedefizit in Deutschland zu liegen, vor allem ist es aber kaum so einfach, wie manche es hier schildern – schon weil sich im Laufe der Zeit Gegebenheiten ändern.
Bitte weitet Euren Blick.

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Tritonus hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:NRW, Bayern und Baden-Württemberg stellen zusammen die Hälfte der Bevölkerung, verfügen aber nur über ein Viertel der Stimmen im Bundesrat. [...]

Eine Föderalismusreform ist überfällig.
Stimmt.
:daumen-rauf:

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Palmesel hat geschrieben:Ist schon überzeugend. Gibt es irgendwelche Gründe gegen eine Anpassung der Stimmverhältnisse im BR an die Bevölkerungsgrößen? K.A., aber ich sehe grad keine.
:daumen-rauf:

Caviteño
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Caviteño »

overkott hat geschrieben: NRW, Bayern und Baden-Württemberg stellen zusammen die Hälfte der Bevölkerung, verfügen aber nur über ein Viertel der Stimmen im Bundesrat. Das mag vor allem die Bayern als Zahlmeister der Nation ärgern. Heute leiden sie unter dem Bundesrat als Relikt des Feudalismus, der früher unter dem Namen Herrenhaus oder Fürstenkammer fungierte.
Was sollte sich denn ändern, wenn man - ob zweckmäßig oder nicht - die Stimmenzahl der Vertreter der Landesregierungen im Bundesrat an die Bevölkerungszahl des Landes koppeln würde?
Die Geberländer wären doch weiterhin in der Minderheit - von den Voraussetzungen (2/3 - Mehrheit in Bundestag und Bundesrat), die im GG festgeschriebenen Grundsätze des Finanzausgleichs, zu ändern, brauchen wir garnicht erst zu reden.

Von den 80 Mio Einwohnern wohnen ca. 16 Mio im den neuen Ländern, die somit ca. 20% der Stimmen hätten. Dazu kämen noch die Pleiteländer des Westens (Bremen, Saarland) und mit Schleswig-Hostein, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz weitere Länder, die ihre Finanzen nicht im Griff haben. Eine Sperrminorität von über einem Drittel wäre überhaupt kein Problem, wahrscheinlich werden die "armen" Länder sogar problemlos eine Mehrheit haben (hängt vermutlich von NRW ab).
overkott hat geschrieben: Eine Föderalismusreform ist überfällig.
Wir hatten in den letzten Jahren doch schon zwei: 2006 trat die Föderalismusreform I in Kraft und 2009 folgte die Föderalismusreform II.

Was sollte Gegenstand einer neuen Föderalismusreform sein?
Nur eine Änderung der Stimmrechte oder auch eine Änderung des Finanzausgleichs? Dafür reichen aber normale Änderungen des GG aus, denn die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern ändert sich dadurch nicht. Bei den Aufgaben und ihrer Finanzierung muß man ansetzen und mehr Kompetenzen an die Länder geben.

Ein vielversprechender Ansatz wäre es beispielsweise, den Ländern eine eigene Steuerhoheit einschl. eigener Steuer(hebe)sätze zu geben, eine strikte Aufgabenteilung mit der Maxime "wer bestellt, bezahlt" und dann folgerichtig den Finanzausgleich abzuschaffen. Wer kein Geld hat, kann sich eben auch keinen Luxus leisten......

Aber hälst Du das für realisierbar? :nein:
Die Tendenz geht doch in die entgegengesetzte Richtung: Immer mehr Gemeinschaftsaufgaben, Mischfinanzierungen, Ergänzungszuweisungen usw. usf.. Bei der Erbschaftsteuer (das Aufkommen fließt vollumfänglich den Ländern zu) wartet man auf eine Gesetzesvorlage des Bundes und bei der Vermögensteuer (ebenfalls eine reine Landessteuer) ist man nicht in der Lage, einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zu erarbeiten.
Es ist wie in der EU: Die Politiker faseln von Subsidiarität und gleichzeitig geben sie freudig immer mehr Kompetenzen nach Brüssel ab.

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Caviteño hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: NRW, Bayern und Baden-Württemberg stellen zusammen die Hälfte der Bevölkerung, verfügen aber nur über ein Viertel der Stimmen im Bundesrat. Das mag vor allem die Bayern als Zahlmeister der Nation ärgern. Heute leiden sie unter dem Bundesrat als Relikt des Feudalismus, der früher unter dem Namen Herrenhaus oder Fürstenkammer fungierte.
Was sollte sich denn ändern, wenn man - ob zweckmäßig oder nicht - die Stimmenzahl der Vertreter der Landesregierungen im Bundesrat an die Bevölkerungszahl des Landes koppeln würde?
Zunächst einmal würde sich eine gerechtere Repräsentation ergeben und dadurch ein mehr an Demokratie, weil das Mehrheitsprinzip zur Geltung gebracht würde.

Das ist eine grundsätzliche Frage, unabhängig von den jeweils sich ändernden konkreten Mehrheiten.

Sollte ein Land dem Grundsatz zustimmen oder nicht zustimmen, weil es davon einen aktuellen finanziellen Vorteil hätte, wäre es mit der demokratischen Kultur in Deutschland nicht weit her.

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Caviteño hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: Eine Föderalismusreform ist überfällig.
Wir hatten in den letzten Jahren doch schon zwei: 2006 trat die Föderalismusreform I in Kraft und 2009 folgte die Föderalismusreform II.

Was sollte Gegenstand einer neuen Föderalismusreform sein?
Nur eine Änderung der Stimmrechte oder auch eine Änderung des Finanzausgleichs?
Die Reform des Föderalismus ist bisher schrittweise erfolgt. Und so muss es weitergehen. Die Reformschritte müssen das Wünschenswerte mit dem Machbaren verbinden. Gerade eine Große Koalition bietet Möglichkeiten zu solch grundlegenden Reformschritten. Der nächste Schritt wäre die Änderung der Sitzverteilung im Bundesrat zur angemessenen Repräsentation der Bevölkerungszahl der Länder.

Eine wünschenswerte Neugliederung der Länder steht vor der hohen Hürde des Volksentscheids. Eine solche Föderalismusreform ist mit der Gründung des Landes Baden-Württemberg 1952 tatsächlich gelungen. Ein weiterer Versuch mit der Fusion von Berlin und Brandenburg ist 1996 allerdings vorerst gescheitert.

Soweit die Förderalismusreform an Grenzen stößt, ist auszuloten, welche pragmatischen Schritten einen ähnlichen Effekt erzielen können. Landesregierungen können ausloten, in welchen Bereichen der Verwaltung sie intensiver kooperieren wollen.

Caviteño
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Caviteño »

overkott hat geschrieben: Zunächst einmal würde sich eine gerechtere Repräsentation ergeben und dadurch ein mehr an Demokratie, weil das Mehrheitsprinzip zur Geltung gebracht würde.

Das ist eine grundsätzliche Frage, unabhängig von den jeweils sich ändernden konkreten Mehrheiten.
Das Mehrheitsprinzip ist im Bundestag verwirklicht; dort sind die Kandidaten entsprechend dem Wahlanteil und dem Bevölkerungsanteil der Länder vertreten.

Der Bundesrat ist die Kammer der Länder; seine Mitglieder werden nicht gewählt, sondern von der Landesregierung dorthin entsandt. Das ist auch vertretbar, denn der Bundesrat soll kein zweiter Bundestag sein, sondern die Länder sollen dort ihre Interessen wahren können. Sie sind häufig für die Ausführung der Bundesgesetze zuständig und müssen so ein Mitspracherecht haben.
Dies bedingt nicht notwendigerweise ein Stimmverhältnis, das sich an der Bevölkerungszahl der jeweiligen Länder orientiert. Zwei bekannte Beispiele sind die Schweiz und die USA. Dort haben die Kantone/Staaten nur jeweils zwei Stimmen in der zweiten Kammer - unabhängig von der Größe und der Einwohnerzahl. Niemand käme auf die Idee, dies als undemokratisch zu bezeichnen.

Ein Stimmrechtsverhältnis nach der Bevölkerungszahl würde dazu führen, daß der Bundesrat noch mehr als bisher nicht die Länderinteressen beachtet, sondern parteipolitisch genutzt wird. Da ausschließlich die Landesregierung das Stimmverhalten im Bundesrat festlegt, besteht die Gefahr, daß kleinere Länder keine Rolle mehr spielen. NRW, Bayern und Baden-Württemberg würden den Bundesrat majorisieren und könnten von der jeweiligen Regierungs- bzw. Oppositionspartei als Abnicker oder Bremsklotz mißbraucht werden.

Ich bin mir daher nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, das Stimmrecht im Bundesrat an die Einwohnerzahl des Landes zu koppeln.

Mauritius
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Mauritius »

Ich will hier eine Lanze für Preußen brechen!
Berühmte Namen, wie Hufeland (Leibarzt,Thüringer), Moltke (ursprünglich am Dänischen Hof) und Eichendorff (kath. Schlesier) waren froh im preußischen Staatsdienst zu stehen. Preußen bot damals sichere Stellen im Staatsdienst (relativ moderne Verwaltung).
Hufeland ging nach Berlin und konnte dort die Charite aufbauen, Moltke war neben der militärischen Karriere auch wissenschaftliches
Arbeiten möglich. Der Dichter Eichendorff, wenn auch nicht immer glücklich, war im Staatsdienst finanziell abgesichert. Die anderen deutschen Kleinstaaten waren wirtschaftlich und personell am Ende. Beim Begriff "Saupreiß" spielt auch eine ganze Menge Neid mit.

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Niels
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

Nach denen sind in nahezu jeder größeren nordwestdeutschen Stadt Straßen benannt (in meiner Heimatstadt sind alle vertreten).

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umusungu
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von umusungu »

Hier ist niemand verewigt.

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Mauritius hat geschrieben:Ich will hier eine Lanze für Preußen brechen!
Berühmte Namen, wie Hufeland (Leibarzt,Thüringer), Moltke (ursprünglich am Dänischen Hof) und Eichendorff (kath. Schlesier) waren froh im preußischen Staatsdienst zu stehen. Preußen bot damals sichere Stellen im Staatsdienst (relativ moderne Verwaltung).
Hufeland ging nach Berlin und konnte dort die Charite aufbauen, Moltke war neben der militärischen Karriere auch wissenschaftliches
Arbeiten möglich. Der Dichter Eichendorff, wenn auch nicht immer glücklich, war im Staatsdienst finanziell abgesichert. Die anderen deutschen Kleinstaaten waren wirtschaftlich und personell am Ende. Beim Begriff "Saupreiß" spielt auch eine ganze Menge Neid mit.
So poetisch das mit dem Dichter klingt, die Wirklichkeit sah anders aus:

Als Katholik war es vor 1918 im preußischen Staatsdienst kaum möglich, beruflich aufzusteigen, zumal dann nicht, wenn der betreffende Beamte oder Richter im katholischen Vereinswesen und in der Zentrumspartei aktiv tätig ist. Das trifft für Marx zu ( Quelle: Konrad Adenauer Stiftung )

Wilhelm Marx, Jurist, Zentrumspolitiker, Kanzler ( 1923–1925 und 1926–1928 ).

Mauritius
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Mauritius »

Der Romantiker (eigentlich war er gar kein richtiger Romantiker) Eichendorff war in seiner Jugend Sekretär beim Oberkriegskommissar
in Berlin (auf Vermittlung Gneisenaus), später Oberpräsidialrat in Königsberg und zuletzt Geheimer Regierungsrat. Differenzen wegen seines Glaubens gab es aber immer wieder und führte später zur Pensionierung. Karriere war aber durchaus möglich (wenn man zum gut vernetzten Adel wie Eichendorff gehörte).

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Sicher ist die Länderkammer ein Relikt aus Preußendeutschland. Ihre Struktur ist undemokratisch und verschafft ausgewählten Kommunen in Deutschland ein groteskes politisches Gewicht.

Gleichwohl ist sie der richtige Ort für die Debatte von Belangen aller Länder.

Der Bundesrat ist jedoch kein Ersatzorgan des Bundestages. Daher wäre es institutioneller Missbrauch, über die verzerrten Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer Bundespolitik zu machen. Darauf hinzuweisen, wäre im Zweifel Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Demokratie und ihres institutionellen Rahmens.

Dass der Bundesrat sich heute in der Ehefrage mit einer Resolution begnügt hat, ist nur die geringste Form der Zurückhaltung.

Tatsächlich gibt es politisch kaum eine Selbstbeherrschung. Enttäuschend ist da vor allem die 25-Prozent-Partei, die sich einmal "Mehr Demokratie wagen" auf die Fahnen geschrieben hatte.

Gerade die Ehe- und Familienpolitik, die in der Länderkammer heute zur Debatte stand, ist ein Politikfeld, wo starke Begriffsverwirrung herrscht und wenig Problemlösungskompetenz. Statt Zukunftssicherung durch Föderung des familiären Nachwuchses zu betreiben, bedienen sich hedonistische Minderheiten.

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Niels
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

overkott hat geschrieben:Föderung des familiären Nachwuchses
Sehr föderal gedacht, Ovi! :zirkusdirektor:

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Förderung des familiären Nachwuchses!

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Niels
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

overkott hat geschrieben:Förderung des familiären Nachwuchses!
Sehr förderal! :emil:

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Juergen
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Juergen »

overkott hat geschrieben:Förderung des familiären Nachwuchses!
Friedensstiftung
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Niels
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

Gerade erst gelesen:
overkott hat geschrieben:wo starke Begriffsverwirrung herrscht
Das aus Deiner Feder! Genial! Brüllus maximus! Bild
Liege gerade vor Lachen unter dem Tisch. You made my day, Ovi!

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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

Juergen hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Förderung des familiären Nachwuchses!
Friedensstiftung
Manche Leute, die man da so gehört hat, müssten dringend mal zur Eheberatung: https://www.youtube.com/watch?v=ZhBOJMSQuZU
:narr:

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overkott
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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

Wo ist eigentlich Robert Ketelhohn mit seinem lateinisch hohen Niveau geblieben?

Oder sind unterm Strich nur noch Dumpfbacken :zirkusdirektor: übriggeblieben, Jürgen?

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Re: Preußendeutschland

Beitrag von overkott »

overkott hat geschrieben:Sicher ist die Länderkammer ein Relikt aus Preußendeutschland. Ihre Struktur ist undemokratisch und verschafft ausgewählten Kommunen in Deutschland ein groteskes politisches Gewicht.

Gleichwohl ist sie der richtige Ort für die Debatte von Belangen aller Länder.

Der Bundesrat ist jedoch kein Ersatzorgan des Bundestages. Daher wäre es institutioneller Missbrauch, über die verzerrten Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer Bundespolitik zu machen. Darauf hinzuweisen, wäre im Zweifel Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Demokratie und ihres institutionellen Rahmens.

Dass der Bundesrat sich heute in der Ehefrage mit einer Resolution begnügt hat, ist nur die geringste Form der Zurückhaltung.

Tatsächlich gibt es politisch kaum eine Selbstbeherrschung. Enttäuschend ist da vor allem die 25-Prozent-Partei, die sich einmal "Mehr Demokratie wagen" auf die Fahnen geschrieben hatte.

Gerade die Ehe- und Familienpolitik, die in der Länderkammer heute zur Debatte stand, ist ein Politikfeld, wo starke Begriffsverwirrung herrscht und wenig Problemlösungskompetenz. Statt Zukunftssicherung durch Förderung des familiären Nachwuchses zu betreiben, bedienen sich hedonistische Minderheiten.
Diese Anmerkungen sollen das Niveau anheben.

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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

overkott hat geschrieben:Wo ist eigentlich Robert Ketelhohn mit seinem lateinisch hohen Niveau geblieben?

Oder sind unterm Strich nur noch Dumpfbacken :zirkusdirektor: übriggeblieben, Jürgen?

Du schreibst doch immer noch hier, Ovi.
Danke übrigens für das Nichterwähnen.. :ikb_hammer:
Zuletzt geändert von Niels am Freitag 12. Juni 2015, 13:59, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Preußendeutschland

Beitrag von Niels »

overkott hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Sicher ist die Länderkammer ein Relikt aus Preußendeutschland. Ihre Struktur ist undemokratisch und verschafft ausgewählten Kommunen in Deutschland ein groteskes politisches Gewicht.

Gleichwohl ist sie der richtige Ort für die Debatte von Belangen aller Länder.

Der Bundesrat ist jedoch kein Ersatzorgan des Bundestages. Daher wäre es institutioneller Missbrauch, über die verzerrten Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer Bundespolitik zu machen. Darauf hinzuweisen, wäre im Zweifel Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Demokratie und ihres institutionellen Rahmens.

Dass der Bundesrat sich heute in der Ehefrage mit einer Resolution begnügt hat, ist nur die geringste Form der Zurückhaltung.

Tatsächlich gibt es politisch kaum eine Selbstbeherrschung. Enttäuschend ist da vor allem die 25-Prozent-Partei, die sich einmal "Mehr Demokratie wagen" auf die Fahnen geschrieben hatte.

Gerade die Ehe- und Familienpolitik, die in der Länderkammer heute zur Debatte stand, ist ein Politikfeld, wo starke Begriffsverwirrung herrscht und wenig Problemlösungskompetenz. Statt Zukunftssicherung durch Förderung des familiären Nachwuchses zu betreiben, bedienen sich hedonistische Minderheiten.
Diese Anmerkungen sollen das Niveau anheben.
Ob das gelingt? :hmm:

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