Einmal möchte ich ein Böser sein

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Erich_D
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Einmal möchte ich ein Böser sein

Beitrag von Erich_D »

Eine Website bittet zur Beichte: Group Hug nennt sich der virtuelle Tummelplatz für veröffentlichte Bekenntnisse aller Art.

"In about 4 hours I will be so drunk I hope I piss myself."

"I love my husband but I fucking hate his family! Every last one of them! God this feels good. I HATE THEM!"
"If I had one wish and one wish only it would be to have a big penis."


Group Hug funktioniert ähnlich wie ein Blog mit vollständig freigegebenem Schreibzugriff. Auf der Startsteite werden die 10 aktuellsten "Beichten" angeführt. Wer immer möchte, kann sein eigenes Geständnis hinzufügen und für kurze Zeit den Ruhm geniessen, an der Spitze der Bekenner zu stehen. Allerdings währt dieser Ruhm nicht für lange: etwa 700 "Beichten" laufen täglich über die Startseite.

Die meisten Bekenntnissen dürften sich wohl auf sexuelle Handlungen, ausgeführte ebenso wie auch nur erwünschte oder erträumte, beziehen. Nach Gabriel Jeffrey, dem Erfinder von Group Hug, ist "das wahrscheinlich am weitesten verbreitete Wort in den Geständnissen ... masturbieren". Doch werden selbst Straftaten unter dem Mantel der Anonymität einer ebenso anonymen Öffentlichkeit anvertraut: ein Verlobungsring, erworben mit gestohlenem Geld und dem Erlös von Drogendeals, ein Angestellter, der vertrauliche Firmeninformationen der Konkurrenz zuspielt, weil er seinen Chef für einen Idioten hält und davon träumt eines Tages dessen Platz einzunehmen ... . Bislang aber wurde laut Jeffrey weder eine Vergewaltigung noch ein Mord gestanden.

Einmal möchte ich ein Böser sein, eine miese Sau.
Einmal richtig hundsgemein, für einen Tag genau.


Getreu diesem Motto sonnen sich manche "Confessores" im Wohlgefühl ihrer anonym veröffentlichten Bosheiten:

"Wenn ich zu Weihnachten durch große Menschenmengen gehe, laufe ich oft absichtlich junge Kinder nieder, die nicht aufpassen, wo sie hingehen. Sie gehen mir auf die Nerven, und ich finde es lustig, wenn sie manchmal hinfallen und ihre Eltern mir böse Blicke zuwerfen. Sie sind selber schuld, wenn sie nicht aufpassen, wohin sie gehen." - News ORF: 700 Beichten täglich

Nach Ansicht der Soziologin E. Doyle McCarthy erfüllt Group Hug ein Bedürfnis der Menschen heutzutage:
"geheime Dinge zu erzählen, verborgene Dinge, böse Dinge. Aber diese Beichtenden brauchen keine Vergebung, und sie wollen auch keine. Sie erfreuen sich einfach an der öffentlichen Zurschaustellung". - News ORF: Experten orten Exhibitionismus.

EAV - Einmal Möchte Ich Ein Böser Sein
Ich bin ein Niemand, ich bin ein Wicht, bin einer, der stets kroch
Bin zuhause, wo's nach Zwergen riecht, bin das letzte Loch.
Ich kann nackt am Hauptplatz stehen, im hellsten Sonnenschein
Trotzdem werd ich übersehen, nach mir da pfeift kein Schwein.
Doch einmal wird das anders sein, dann kommt mein großer Tag
Ich werde bi-ba-bu-böse sein, superbös, bumm und zack.
Einmal möchte ich ein Böser sein, eine miese Sau
Einmal richtig hundsgemein, für einen Tag genau.
Einmal möchte ich ein Böser sein, grausam und brutal
Und dann zieh ich meine Spur durch dieses Jammertal.
Die Bösen, die Bösen, die Bösen sind nicht gut.
Ich stecke meinen Opapa ins Altersheim, denn bei uns, da fühlt er sich zu wohl
Und statt Schnitzel kriegt er nur mehr Haferschleim, und Kamillentee statt Alkohol.
Prost! Prost!
Dann vergifte ich den Weihnachtsmann, und das Osterhasi auch
Nur den Krampus, den bösen, rührt mir keiner an, weil ich den als Vorbild brauch.
Einmal möchte ich ein Böser sein, eine miese Sau
Einmal richtig hundsgemein, für einen Tag genau.
Einmal möchte ich ein Böser sein, grausam und brutal
Und dann zieh ich meine Spur durch dieses Jammertal.
Die Bösen, die Bösen
Die Bösen, die Bösen
Die Bösen, die Bösen
Die Bösen, die Bösen
Die Bösen sind nicht gut.
Ich stecke meinen Hamster in das Tiefkühlfach und fahr ein eisiges Programm
Da ist er dann drei Tage lang der Nager, der aus der Kälte kam.
Ich wünsche der Menschheit einen Super-GAU, daß die Erde auseinanderfällt
Und dann hau ich mir selber meine Augen blau, denn ich hasse mich und diese Welt!
Einmal möchte ich ein Böser sein, eine miese Sau
Einmal richtig hundsgemein, für einen Tag genau.
Einmal möchte ich ein Böser sein, grausam und brutal
Und dann zieh ich meine Spur durch dieses Jammertal.
Ich wünsche der Menschheit einen Super-GAU, daß die Erde auseinanderfällt
Und dann hau ich mir selber meine Augen blau, denn ich hasse mich und diese Welt!
Die Bösen, die Bösen, die Bösen sind nicht gut.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

sofaklecks
Beiträge: 2776
Registriert: Sonntag 28. Mai 2006, 16:29

Richard III.

Beitrag von sofaklecks »

Die literarische Überhöhung solcher Gedanken findet sich im Eingangsmonolog des Herzogs von Gloster, des schrecklichsten Kriegsherrn des Hauses York, der den Sieg des "Sohnes von York" (son of York) wortspielerisch mit dem Sieg der Sonne Yorks (sun of York) gleichsetzt, die den Winter seines Missvergnügens abgelöst habe, aber nur dazu tauge, ihm den Schatten seiner Missbildungen zu zeigen. Er indessen, verkrüppelt von Natur sei für diese neue Zeit nicht geschaffen und also willens, ein Bösewicht zu werden:

Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens

Glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks;

Die Wolken all, die unser Haus bedräut,

Sind in des Weltmeers tiefem Schoß begraben.

Nun zieren unsre Brauen Siegeskränze,

Die schart'gen Waffen hängen als Trophä'n;

Aus rauhem Feldlärm wurden muntre Feste,

Aus furchtbarn Märschen holde Tanzmusiken.

Der grimm'ge Krieg hat seine Stirn entrunzelt,

Und statt zu reiten das geharn'schte Roß,

Um drohnder Gegner Seelen zu erschrecken,

Hüpft er behend in einer Dame Zimmer

Nach üppigem Gefallen einer Laute.

Doch ich, zu Possenspielen nicht gemacht,

Noch um zu buhlen mit verliebten Spiegeln;

Ich, roh geprägt, entblößt von Liebesmajestät

Vor leicht sich dreh'nden Nymphen mich zu brüsten;

Ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt,

Von der Natur um Bildung falsch betrogen,

Entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt

In diese Welt des Atmens, halb kaum fertig

Gemacht, und zwar so lahm und ungeziemend,

Daß Hunde bellen, hink ich wo vorbei;

Ich nun, in dieser schlaffen Friedenszeit,

Weiß keine Lust, die Zeit mir zu vertreiben,

Als meinen Schatten in der Sonne spähn

Und meine eigne Mißgestalt erörtern;

Und darum, weil ich nicht als ein Verliebter

Kann kürzen diese fein beredten Tage,

Bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden

Und feind den eitlen Freuden dieser Tage.


Und das wird er denn auch. Bis er, in Blut watend, von seinen Feinden besiegt, sein Königreich für'n Pferd geben würde, um zu entkommen.

sofaklecks

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