Soziallehre: Papst ermahnt Neoliberale und deren Helferlinge

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otto
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Beitrag von otto »

Franziska hat geschrieben:
Angelika hat geschrieben: Regelsatz: € 331,-- / € 345,--
Verdienst aus dem 1-Euro-Job (bei einer angenommen Monatsstundenzahl von 160): € 160,--
Gesamt: € 491,-- / € 505,--
Stundenlohn: € 3,01 / € 3,16 (aufgerundet)

Lächerlich, sowas. :roll:
Du gehst hier von einer falschen Zahl aus. Hinzu kommen noch die Leistungen für Miete, Heizung, bestimmte Versicherungen.
Drei künftige Arbeitslosengeld-II-Bezieher, die ihre Bewilligung schon in Händen haben, bekommen so zwischen 630 und 700 Euro ausbezahlt. Dazu können dann maximal noch 160 Euro aus einem 1-Euro-Job kommen. Das ergibt dann etwa 5 Euro pro Stunde.
Lächerlich? Ich meine nicht.
Eine meiner Bekannten wird auf diese Weise wohl für 5 Euro pro Stunde in der städtischen Bibliothek aushelfen und freut sich drauf. Ganz besonders freut sie sich darüber, dass sie nicht mehr von der Bundesagentur für Arbeit sondern von einer eigens beim Landratsamt neu geschaffenen Dienststelle verwaltet wird, von der sie sich bei der Vermittlung einer regulären Arbeitsstelle mehr erhofft. Der 1-Euro-Job in der Bibliothek könnte ein Einstieg sein. Übrigens erhält sie auch als 1-Euro-Jobberin eine verbilligte Monatsfahrkarte zum Arbeitsplatz, die Kosten hierfür werden erstattet.
Ich habe vor kurzem im WEB folgendes Beispiel gefunden

1 Euro - Rechnung

Beispiel:

Ein 42 jährige/r Arbeitsuchende/r wurde zum 01.01.04 Arbeit suchend.

Wenn sie/er 20 Jahre im Schnitt mit brutto 2000 €/Monat entlohnt wurde, dürfen wir bei einem durchschnittlichem Beitragssatz von 5 % (AG 2,5% AN 2,5%) von einem Beitragsvolumen von ca. 1200 €/Jahr in 20 Beitragsjahren von ca. 24000 € ausgehen.

Bei einem zuletzt erzieltem Einkommen von brutto 2200 € pro Monat, heißt das bei ca.40 % (880 €) Abgaben und Steuern = Nettoeinkommen 1320 €

Davon erhält der/die Arbeitsuchende/r 60% ALG also ca. 792 € pro Monat der Anspruch auf Arbeitslosengeld beträgt 12 Monate also ca. 9504 €.

Das Beitragsvolumen beträgt ca. 24000 € aus 20 Jahren Beitragszahlung in die Arbeitsuchendenversicherung (AV) der Anspruch erlischt nach ca.9504 € erhaltenen ALG.

Der Rest von 14496 € der Beiträge verbleibt bei der BA.

Der/Die Arbeitsuchende/r kann nun unter Umständen zum 01.01.05 das steuerfinanzierte ALG II beantragen.

Als Erstes stellt sich dabei die Frage wie viel EK – Steuer entrichtete der/die Arbeitsuchende/R in 20 jähriger Berufstätigkeit.
In unserem Beispiel hat der/die Arbeitsuchende in diesen 20 Jahren insgesamt 480000 € versteuert bei z.b. 15 % EK heißt, das er 72000 € alleine an EK – Steuern entrichtet hat.

Restbeiträge der AV von 14496 € + 72000 € an EK Steuer ergibt = 86496 €.

Wenn ich nun einen ALG II Regelsatz von 345 € + Wohnung 300 € zugrunde lege, heißt das der Arbeitsuchende 134 Monate ALG II beanspruchen könnte, ohne das die Solidargemeinschaft der Steuer und Beitragszahler nur mit 1 Cent belastet würde.

Ihr seht die Mär von der Leistung des Staates, der eine Gegenleistung zu erbringen ist, könnt ihr getrost den Bereich der Mythen zuordnen. Jeder ALG II Empfänger ist und war Steuerzahler auch (Mwst, Mineralölsteuer, etc)

Zuletzt sollten wir noch einen Blick auf andere staatl. Leistungen werfen.

Kindergeld – Erziehungsgeld wenn ich ihre Erklärung der Leistung und Gegenleistung weiter denke - und nur so können wir einen imaginären Stundenlohn für ALG II Empfänger errechnen - müssten die Bezieher von Kindergeld, Erziehungsgeld auch eine Gegenleistung erbringen z.b. die Betreuung von Grabbel – und Kindergartengruppen. Oder Mittagspausenaufsicht in Schulen usw…

Oder die Bezieher der Eigenheimzulage könnten durch Handreichungen bei öffentlichen Bauvorhaben eine Gegenleistung erbringen.

Wir sehen, wenn wir die Theorie von Leistung und Gegenleistung zu Ende denken würden, wäre das eine Umstrukturierung des Staatswesens von der steuerfinanzierten Gesellschaft zur
Steuer – und Arbeitserbringungsfinanzierten Gesellschaft. Diese Doppel Belastung der Bürger schließt sich aber auf Grund der UN – Sozialcharta aus.

Im Fazit heißt das, für mich das ein 1 € Job eben ein Job mit einem Arbeitsstundenlohn von 1 € ist, im Ergebnis werte ich das als Schnapsidee oder Arbeitsdienst.


Franziska mit welchem Recht berrechnest Du einen 1 € Job Stundenlohn mit Leistungen die bereits als Steuer bezahlt wurden.

Wenn du dieses Beispiel nachvollziehst siehst das du die Badarfsätze nicht auf ein 1 € Job Einkommen anrechenbar sind.

Wie kommst du auf die Idee das staatl. Leistungen zusätzlich zu der Steuerleistung der Bürger, durch Arbeit 1 € Job abzuleisten sind?


Der 1-Euro-Job in der Bibliothek könnte ein Einstieg sein.

Tätigkeiten müssen im öffentlichen Interesse,
•gemeinnützig und zusätzlich sein. (zusätzlich= was sonst aus finanziellen Gründen nicht gemacht würde)

Franziska ich erkenne in diesen Aussagen einen Widerspruch!
Ich fürchte das Gegenteil, die 1 € Jobs könnten in der Bibliothek bald die Regel sein - welche Kommune steht nicht unter Sparzwang? Somit würden die 1 € Jobs eher zum Ausstieg.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

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otto
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Beitrag von otto »

Franziska all diese Argumente begründen die Unvereinbarkeit der Arbeitsgelegenheiten (1 € Jobs) mit der kath. Soziallehre.

Noch einmal Franziska es hat keinen Sinn aus der Sicht von HEUTE über den Sinn oder Unsinn - Recht oder Unrecht dieser Arbeitsgelegenheiten "Beschäftigungsverhältnisse" zu diskutieren.
Die Frage ist viel mehr wie urteilen die nachfolgenden Generationen - auch wenn es HEUTE legitim und richtig erscheinen mag, sich an diesen Beschäftigungen zu beteiligen. Darf nie vergessen werden das sich politische Verhältnisse oft in kurzer Zeit verändern - die Kirche aber immer nur an das "Wort Gottes" gebunden bleibt. Was passiert wenn eines nahen oder fernen Tages diese "Beschäftigungsverhältnisse" abermals von den BVG oder einer nachfolgenden Generation als nicht legitim beurteilt werden?

Wer bezahlt dann die Entschädigungsleistungen an die Betroffenen?

Der einzelne (Person) 1 € Job Anbieter aus seinem persönlichem Vermögen?

Oder die Gesamtheit der Kirchenmitglieder?

Und vergesse nie die Welt differenziert nicht, wenn von Unrecht gesprochen wird trifft es immer das Ganze, auch die ganze Kirche und nicht die Einzelnen, die Grund zum Ärgernis geben.

Ich verspreche Dir ich werde mich dann. für die persönliche Haftung der 1 € Anbieter einsetzen. Nur war es dann wieder einmal keiner der etwas gewußt oder gewollt hat.
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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

otto hat geschrieben:
Gut Geronimo was spricht dagegen, deine Arbeitsstelle in einen 1 € Job umzuwandeln? Nach einem Jahr könntest du diese dann als 1 € Jobber wieder antreten. Auch eine Möglichkeit, die der Träger nutzen könnte. [/
Nun, ich nehme an, dass liegt einfach daran, dass ein 1-Euro-Jobber keine Heimaufnahmen durchführen kann und evtl. mit der Heimkostenabrechnung und dem ganzen Verwaltungskram etwas ... überfordert wäre. Und dann hätten wir ja auch keinen mehr, der den 1-Euro-Jobber anleiten kann ...

Ich denke, da hätte die Heimaufsicht dann doch was dagegen.

Geronimo

PS: Damit will ich sagen, dass man qualifizierte Arbeitsplätze nicht in 1-Euro-Jobs umwandeln kann und deine Frage deshalb rein rhetorisch ist.

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Angelika
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Beitrag von Angelika »

otto hat geschrieben:Ich fürchte das Gegenteil, die 1 € Jobs könnten in der Bibliothek bald die Regel sein - welche Kommune steht nicht unter Sparzwang? Somit würden die 1 € Jobs eher zum Ausstieg.

In Berlin ist es geplant, die Museumsaufsicht mit 1-€-Jobbern zu verstärken. Klingt erstens auch nicht gerade gemeinnützig und zweitens werden wohl bald die "normalen" Aufsichten durch die billigeren ersetzt werden. :roll:


Geronimo hat geschrieben:Damit will ich sagen, dass man qualifizierte Arbeitsplätze nicht in 1-Euro-Jobs umwandeln kann und deine Frage deshalb rein rhetorisch ist.
Eine Freundin von mir arbeitet (zur Zeit noch freiwillig, ab Januar wohl verpflichtet) in einem 1-€-Job in einem Altenpflegeheim. "Offiziell" muss sie nur die untergeordneten Arbeiten verrichten, aber da sie ausgebildete Altenpflegerin ist, bleibt es natürlich nicht dabei. :roll:

Geplant ist ja auch, 1-€-Jobs für "Hilfslehrer" und "Hilfserzieher" einzurichten. Wenn ein langzeitarbeitsloser Lehrer oder Erzieher einen solchen Job annehmen muss, dann leistet er dort auch qualifizierte Arbeit.

Ich bin sicher, dass auch qualifizierte Arbeitsplätze von der Umwandlung in 1-€-Jobs nicht ausgenommen sind.

Gruß
Angelika

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Angelika hat geschrieben: Eine Freundin von mir arbeitet (zur Zeit noch freiwillig, ab Januar wohl verpflichtet) in einem 1-€-Job in einem Altenpflegeheim. "Offiziell" muss sie nur die untergeordneten Arbeiten verrichten, aber da sie ausgebildete Altenpflegerin ist, bleibt es natürlich nicht dabei. :roll:
Und als ausgebildete Altenpflegerin ist sie langzeitarbeitslos??? :shock: Wie kommt denn das? Nach meinen Informationen sucht man Altenpfleger(innen) überall händeringend! Hab auch eine Freundin mit diesem Beruf, und die kann sich vor Stellenangeboten gar nicht retten...
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll.
(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)

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caro1966de
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Beitrag von caro1966de »

Die Gefahr, daß richtige Arbeitsplätze in 1 EURO Jobs umgewandelt werden besteht natürlich schon. Sehe ich auch so. Für manche bedeutet so eine Arbeitsstelle aber sicher auch die Chance auf einen Wiedereinstieg
ins Berufsleben. Unserem Betrieb wurden schon einige Leute zu Wiedereingliederungsmaßnahmen vom Arbeitsamt zugewiesen. Das bedeutet 40 Stunden die Woche arbeiten und KEIN zusätzliches Geld. Manche sagen dann gleich:"Ich bin doch nicht blöd und arbeite ohne etwas dafür zu bekommen." Ich kann sagen, daß von denen die die Wiedereingliederung gemacht haben hinterher fast alle einen regulären Arbeitsplatz oder auch eine Lehrstelle erhalten haben. Gut, das ist nicht das gleiche wie ein 1 EURO Job.
Und es bleibt die Frage, was man mit Arbeitslosen macht die wirklich arbeitsunwillig sind. Das sind zwar sicher die Ausnahmen, aber geben tut es sie halt doch. Hier eine faire Lösung zu finden ist sicher sehr schwierig um nicht zu sagen fast unmöglich.

Caro

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

@Angelika: ich habe ja nicht gesagt, dass keine qualifizierten Arbeitskräfte vom Arbeitsamt 1-Euro-Jobs zugewiesen bekommen. Und dass damit u.U. Personallücken kostengünstig gestopft werden, steht außer frage.

Allerdings ist es trotzdem nicht angebracht, auf diese Arbeitskräfte zu verzichten (wie Otto es so feinsinnig meint). Das Stammpersonal arbeitet sowieso bis zum Umfallen. Und hier gehts nicht ums Mülleinsammeln im Stadtpark, sondern um Hilfe am Mitmenschen.

Ich finde es irgendwie von Otto schräg gedacht, dass wir vor lauter Großmut auf Hilfe verzichten sollen, nur weil diese Hilfe minderbezahlt wird. Damit strafen wir in grader Linie unsere Heimbewohner und sonst niemanden. Denn wen wir nicht nehmen, der geht halt Müllaufsammeln, was sonst? Also, wäre es nicht angebrachter, er würde bei uns arbeiten?

Geronimo

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:14, insgesamt 3-mal geändert.

Edith
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Beitrag von Edith »

sagt was Ihr wollt.... die Richtung... gefällt mir nicht.
Billiglöhne..... wie Robert sagte, sollte ein Ganztagsarbeiter von seinem Lohn leben können, ggf auch eine Familie ernähren können.

Da... entwickeln wir uns gerade rasch weg.
Amerikanisierung.
Raubtierkapitalismus.

Die rote Edith. :D

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:18, insgesamt 2-mal geändert.

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:19, insgesamt 2-mal geändert.

Stefan

Beitrag von Stefan »

Ich sehe auch keine Unvereinbarkeit mit der kath. Soziallehre, wohl aber eine Wettbewerbsverzerrung.
Es ist durchaus zu erwarten, daß Arbeitsplätze nicht mehr entstehen, weil man sich ja der 1 E Jobs bedienen kann.
Eine Lösung - außer einer wirtschaftsfreundlichene, lebensbejahenden und verantwortungsvollen Mentalitätsänderung sehe ich aber auch nicht.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Die Richtung gefällt mir auch nicht, Edith. Bloß ... es gibt schon seit geraumer Zeit Dipl. Ingenieure, die an Krankenhauspforten arbeiten und Physiker, die irgendwo am Flughafen jobben ... Die Welt ist voller qualifizierter Kräfte, die die seltsamsten Jobs annehmen, weil sie leben müssen. Möglicherweise auch, weil sie nicht vom Arbeitsamt abhängig sein wollen ...

Die sozialen Merkwürdigkeiten hierzulande machen sich ja nicht erst am Hartz IV bemerkbar.

Und dass jemand mit seinem Gehalt eine Familie ernähren könnte - wann war das jemals möglich?

Ehrlich gesagt, meine Familie und ich wären finanziell besser dran, wenn meine Frau und ich arbeitslos wären bzw. Sozialhilfeempfänger.

Aber um mal auf die Ausgangsfrage zu kommen - welche Möglichkeiten hat denn die Kirche, dem allem entgegenzusteuern, wenn sie selbst wie wild Outscourcing, Verschlankung und Synergie betreibt?

Geronimo

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:19, insgesamt 1-mal geändert.

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Angelika
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Beitrag von Angelika »

Biggi hat geschrieben:Und als ausgebildete Altenpflegerin ist sie langzeitarbeitslos??? :shock: Wie kommt denn das?
Wahrscheinlich liegt's daran, dass sie Mitte 40 ist, einen Sohn hat und damit nicht flexibel genug für den heutigen Arbeitsmarkt ist. :roll:

Gruß
Angelika

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caro1966de
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Beitrag von caro1966de »

Stefan hat geschrieben: Eine Lösung - außer einer wirtschaftsfreundlichene, lebensbejahenden und verantwortungsvollen Mentalitätsänderung sehe ich aber auch nicht.
Genau das ist der Knackpunkt!! Mentalitätsänderung!

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:20, insgesamt 1-mal geändert.

Edith
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Beitrag von Edith »

caro1966de hat geschrieben: Genau das ist der Knackpunkt!! Mentalitätsänderung!
mhm.
Und... wohingehend?

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caro1966de
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Beitrag von caro1966de »

Franziska hat geschrieben:
caro1966de hat geschrieben:Genau das ist der Knackpunkt!! Mentalitätsänderung!
Welche Mentalität soll sich zu welcher anderen Mentalität ändern?

Mir geht eine Mentalität auf den Zeiger, die - noch bevor Hartz IV einschließlich der 1-Euro-Jobs überhaupt greifen kann - Zeter, Mordio, unzumutbar und der katholischen Soziallehre widersprechend schreit...

(Um Missverständnissen vorzubeugen: auch für mich ist Hartz IV nicht das Gelbe vom Ei - und schon gar nicht "die Lösung" der wirtschaftlichen Probleme).
Ich bin da durchaus Deiner Meinung.
Aber es gibt bei uns immer noch zuviel Leute (sicher Ausnahmen), die meinen der Staat hätte für sie aufzukommen und das für NULL Gegenleistung.
Mir sind in meiner beruflichen Tätigkeit schon genug Leute über den Weg
gelaufen, die der Meinung sind: "Wenn ich die Kosten für das Benzin rechne wenn ich jeden Tag in die Arbeit fahre usw. Also wegen den 150 Euro mehr im Monat, da lebe ich lieber weiter von der Stütze."
Sowas oder so ähnlich habe ich nicht nur einmal gehört.
Und da wäre eine Änderung der Einstellung wohl mehr als angebracht! :kratz:

Edith
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Beitrag von Edith »

stinkt der Fisch nicht auch am Kopf?

Heiner Geißler mein ich... sagte heute im Radio..... dass ein Wirtschaftssystem "sittenwidrig" sei, in dem der Unternehmenswert (Aktienwert) steigt, wenn Leute entlassen werden.
Zuletzt geändert von Edith am Donnerstag 9. Dezember 2004, 10:59, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:20, insgesamt 2-mal geändert.

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:21, insgesamt 6-mal geändert.

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caro1966de
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Beitrag von caro1966de »

Edith hat geschrieben:stinkt der Fisch nicht auch am Kopf?

Heiner Geißler mein ich... sagte heute im Radio..... dass ein Wirtschaftssystem "sittenwidrig" sei, in dem der Unternehmenwert (Aktienwert) steigt, wenn Leute entlassen werden.
Völlig richtig!!
Ich finde es auch nicht richtig, wenn sich Manager ihre Spitzengehälter erhöhen obwohl ihre Unternehmen Verluste einfahren und massenhaft Leute entlassen.
Es wird aber oft übersehen, daß der Großteil der Arbeitsplätze von
Klein- und Mittelbetrieben zur Verfügung gesellt wird.
Und da sieht das ja wohl ein bisschen anders aus.

Edith
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Beitrag von Edith »

jaja... die Unternehmensverluste....
ich arbeite in einem Zeitarbeitsunternehmen.
Wir haben heuer 150 Leute fest eingestellt... (uns also verdoppelt!)... weil die Unternehmen.... die grad soviel entlassen.... uns die Tür einrennen... nach Arbeitskräften über Leiharbeit.

Das kostet die zwar mehr.... aber... auf einer anderen Buchungsnummer... Buchhaltungsspielchen halt.

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 12:21, insgesamt 1-mal geändert.

Edith
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Beitrag von Edith »

sagen wir so: ein Zeitarbeitsunternehmen muss eine "Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung" besitzen. Diese ist auf Verlangen vorzuzeigen - auch einem Bewerber, der sie sehen will.
(Erlaubnispflicht nach §1 AÜG) Mein Laden hat die Erlaubnis seit über 10 Jahren. :ja:
http://www.gesetzesweb.de/AUeG.html

Diese Erlaubnis erteilt das Arbeitsamt. Ich denk doch mal..... dass die das prüfen.... ähm.....

Cicero
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Beitrag von Cicero »

Edith hat geschrieben:jaja... die Unternehmensverluste....
ich arbeite in einem Zeitarbeitsunternehmen.
Wir haben heuer 150 Leute fest eingestellt... (uns also verdoppelt!)... weil die Unternehmen.... die grad soviel entlassen.... uns die Tür einrennen... nach Arbeitskräften über Leiharbeit.

Das kostet die zwar mehr.... aber... auf einer anderen Buchungsnummer... Buchhaltungsspielchen halt.
Ich muß an dieser Stelle, glaube ich mal eine Lanze für die Manager brechen.
Von einem (Top-)Manager in einem größeren Unternehmen kann ich aus systematische Gründen kein ethisches oder moralisches Verhalten verlangen. Jeder unternehmerisch tätige Angestellte ist aus Gründen der internen wie der externen Konkurrenz gezwungen die Grenzen der Rahmenordnung in vollem Maße auszuschöpfen. Sonst ist er nämlich weg vom Fenster. Das gleiche gilt für das Gesamtunternehmen, den Gesamtkonzern. Wir haben gerade das Beispiel Opel vor Augen. Den Managern im GM - Konzern kann ich keinen Vorwurf machen. Die sind gezwungen den Konzern wettbewerbsfähig zu halten. Sonst geht er den Bach runter. Daß GM in Europa handwerkliche Fehler begangen hat steht außer Frage, ist allerdings hier nicht Thema.
Gleiches gilt für jeden Betrieb will er bestehen, muß er wettbewerbsfähig sein. Das bedeutet nichts anderes, als daß er bei minimalen Kosten maximale Gewinne erwirtschaften muß.
Ich formuliere es mal bewußt krass: Wäre es erlaubt Sklaven zu halten, müßten Firmen dazu übergehen, Sklaven anzuschaffen oder vom Markt zu verschwinden. Daß die gegenwärtige Wiederkehr des Manchester- oder Raubtierkapitalismus nicht gut ist und zu größeren Katastrophen führen wird, ist wie ich glaube unter uns hier unbestritten.
Ob 1 € - Jobs am Ende nicht in ein volkswirtschaftes Desaster führen, weiß ich nicht, halte es aber für wahrscheinlich. Der Manager, der vor der Entscheidung steht 1€ - Jobs im Unternehmen einzurichten oder vom Markt gedrängt zu werden, wird nicht lange überlegen.
Spätestens hier wird klar, wo der Ort für eine "Wirtschaftsethik" ist, nämlich in der Rahmenordnung einer Volkswirtschaft (nationale Gesetze und internationale Verträge) und nicht in der Chefetage des Unternehmens. Im gesetzlichen Rahmen, resp. internationalen Verträgen muß festgelegt werden, was geht und was nicht geht. Der einzelne (kleine) Unternehmer kann sehr wohl über die Frage, komme ichmit ein bißchen weniger auch noch "über die Runden" sehr wohl entscheiden, ob er dies oder jenes mitmacht oder nicht. Der Manager, der vor seinem Aufsichtsrat rechtfertigen muß, warum er auf soundsoviel Mio. Gewinn verzichtet hat, zugunsten eines ihm ethisch angemessener erscheinenden Verhaltens, wird anschließend ethisch auf seinen Posten verzichten müssen.
Darüber kann man lamentieren und klagen, laut und vernehmlich, man kann dagegen sein und sich dabei gut fühlen, man kann auch dagegen sein, daß es morgen regnet. Beides hat in etwa gleich viel Bedeutung.

In der sog. globalisierten Wirtschaft gibt es kaum Regeln, somit kann (und muß s.o.) jeder mal die Grenzen austesten, was geht und was nicht geht. Die GM - Manager jenseits des Teichs haben diesen Testballon mal gestartet und festgestellt, daß es in good old Germany noch funktionierende Gewerkschaften gibt, was im angelsächsischen und anglo-amerikanischen Raum dank "Thatcherism" und "Reagenomics" nicht mehr der Fall ist. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahin gestellt. In Deutschland haben die Gewerkschaften eine Aufgabe, die in der Rahmenordnung unserer Volkswirtschaft - Stichwort Tarifautonomie - geregelt ist. In der kleinen, gemütlichen Deutschland AG vor der Wende, hat das gut funktioniert. Die bis dahin sehr regionalisierte Wirtschaft hat uns einen gewaltigen Wohlstand beschert, der jedoch einer globalen Konkurrenz ohne diese Rahmenordnung nicht standhalten konnte. Die Manager in Fernost müssen sich um Beschränkungen der "Sozialen Marktwirtschaft" nicht kümmern.
Wir hatten (und haben noch) in Deutschland hohe "Sozialstandards", die andere Länder so nicht haben und vielleicht gar nicht haben wollen. In den USA haben die Menschen (in der Mehrheit) lieber Freiheit statt Sicherheit, sie sind wesentlich flexibeler. Jetzt bekommen wir die Quittung dafür, daß wir nicht sehen wollten, daß andere Länder uns abzuhängen drohen.

Ob langfristig am deutschen Wesen der sozialen Marktwirtschaft die Welt genesen wird, glaube ich nicht. Die Mentalitätsunterscheide sind einfach zu groß.
Daß es allerdings langfristig eine Weltwirtschaftsordnung geben muß, die weseentliche Aspekte der katholischen Soziallehre berücksichtigt, darüber sind sich (bis auf die Turboliberalen) alle Wirtschaftswissenschaftler einig.
Denn ein Markt, der diesen Namen verdient (vgl. Sozialer Marktwirtschaft) bringt einer Mehrheit einen relativen Wohlstand. Der gegenwärtige globale Turbokapitalismus wird bereits Mittelfristig in diversen Katastrophen enden. Die sog. Tigerstaaten sind ein Beispiel dafür, wie tief der Fall ist, wenn der hohe Aufstieg zu steil verlaufen ist.

Deshalb drescht bitte nicht auf Blöd-Zeitungsniveau auf die bösen Unternehmer ein, sondern auf die Politiker (aller Couleur), die den globalen Turbokapitalismus wollen. Eine grundsätzliche Ablehnung der globalisierten Wirtschaft - eines globalen Marktes - geht nicht (s.o.). Ich gehe davon aus, daß ein deutscher (Wirtschafts-)Politiker ein Interesse an einer starken regionalen / deutschen Volkswirtschaft - ggf. noch im vereinten Europa - auf jeden Fall in der Form, daß die Regionen, das konkrete Lebensumfeldes der Menschen, gestärkt werden.

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Cicero hat geschrieben:Von einem (Top-)Manager in einem größeren Unternehmen kann ich aus systematische Gründen kein ethisches oder moralisches Verhalten verlangen.
Da sehe ich ein Bild vor mir: der Manager im letzten Gericht, wie er sich rechtfertigt vor dem Richterstuhl Gottes:

"Also mein Lieber, na gut, ich habe Tausende Leute den Stuhl vor die Türe gesetzt. Stimmt, davon sind etliche Dutzend ins Elend geraten, ABER (großes ABER) Du, mein Lieber, kannst mir dessenthalben keine Vorwürfe machen: von mir war aus systematischen Gründen kein ethisches oder moralisches Verhalten zu erwarten. Ich verlange Freispruch vor Deinem Richterstuhl wegen Mangels an zu erfüllendem Verhalten.

Übrigens: wenn ich mir ansehe wie viele Engel hier einfach nur so herumschweben: hast Du Dir nicht schon überlegt, dass sich die Effizienz Deines Unternehmens durch die Abwicklung einer Myriade davon wesentlich verbessern ließe? Dein Shareholder-Value würde dadurch einen geradezu himmlischen Kick erhalten".


"3 Milliarden Ewigkeiten Fegefeuer! Der nächste zum Gericht, bitte!"
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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otto
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Beitrag von otto »

Wo bleibt Euer Aufschrei?

In der globalen Wirtschaft herrscht die pure Anarchie. Die Gier zerfrisst den Herrschern ihre Gehirne.

Von Heiner Geissler

Auszug aus dem Artikel Wo bleibt Euer Aufschrei? DIE ZEIT 11.11.2004 Nr.47

Das Triumphgeheul des Bundesverbandes der Deutschen Industrie über die Billiglohnkonkurrenz aus dem Osten noch in den Ohren, müssen marginalisierte und von der Marginalisierung bedrohte Menschen sich vom politischen und ökonomischen Establishment als Neonazis und Kommunisten beschimpfen lassen, wenn sie radikale Parteien wählen, weil es keine Opposition mehr gibt und sie sich mit einer Großen Koalition konfrontiert sehen,
die offensichtlich die Republik mit einem Metzgerladen verwechselt, in dem so tief ins soziale Fleisch geschnitten wird, dass das Blut nur so spritzt, anstatt durch Bürgerversicherung und Steuerfinanzierung die Löhne endlich von den Lohnnebenkosten zu befreien. Nur Dummköpfe und Besserwisser können den Menschen weismachen wollen, man könne auf die Dauer Solidarität und Partnerschaft in einer Gesellschaft aufs Spiel setzen, ohne dafür irgendwann einen politischen Preis bezahlen zu müssen. Warum wird tabuisiert und totgeschwiegen, dass es eine Alternative gibt zum jetzigen Wirtschaftssystem: eine internationale sozial-ökologische Marktwirtschaft mit geordnetem Wettbewerb?

Die Arbeiter in den Industriestaaten und ihre Gewerkschaften, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit mit dem Rücken an der Wand stehen, fühlen sich anonymen Mächten ausgeliefert, die von Menschen beherrscht werden, deren Gier nach Geld ihre Hirne zerfrisst. Die Menschen leben und arbeiten in einer globalisierten Ökonomie, die eine Welt der Anarchie ist – ohne Regeln, ohne Gesetze, ohne soziale Übereinkünfte, eine Welt, in der Unternehmen, Großbanken und der ganze »private Sektor« unreguliert agieren können. Die globalisierte Ökonomie ist auch eine Welt, in der Kriminelle und Drogendealer frei und ungebunden arbeiten und Terroristen Teilhaber an einer gigantischen Finanzindustrie sind und so ihre mörderischen Anschläge finanzieren.
Wo bleibt der Aufschrei der SPD, der CDU, der Kirchen gegen ein Wirtschaftssystem, in dem große Konzerne gesunde kleinere Firmen wie Kadus im Südschwarzwald mit Inventar und Menschen aufkaufen, als wären es Sklavenschiffe aus dem 18.Jahrhundert, sie dann zum Zwecke der Marktbereinigung oder zur Steigerung der Kapitalrendite und des Börsenwertes dichtmachen und damit die wirtschaftliche Existenz von Tausenden mitsamt ihren Familien vernichten?


Der Tanz um das Goldene Kalb ist schon einmal schief gegangen.
(c) DIE ZEIT 11.11.2004 Nr.47

Quelle: Ohnmacht_2fArbeiter

Ich bin nach wie vor der Meinung das die 1 € Jobs gegen das "Wort Gottes" und die kath. Soziallehre verstoßen.
Ihr seht unsere Meinung gegen die 1 € Jobs steht nicht alleine!
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

Edith
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Beitrag von Edith »

ja... wo bleibt mein Aufschrei?

Vielleicht... hab ich schon zu oft... meinen Job gewechselt.... und komme eben langsam in ein Alter..... in dem ich keine Chance mehr habe auf nen Job.... von daher.... entwickelt sich mein Duckmäusertum gerade zur Hochform.
Aber... was soll ich machen?
Erehobenen Hauptes unter der Brücke schlafen.... oder mit eingeklemmten Schwanz mir ne Miete leisten können?

Oder.... doch eine Würstchenbude aufmachen?

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otto
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Beitrag von otto »

Edith hat geschrieben:ja... wo bleibt mein Aufschrei?

Vielleicht... hab ich schon zu oft... meinen Job gewechselt.... und komme eben langsam in ein Alter..... in dem ich keine Chance mehr habe auf nen Job.... von daher.... entwickelt sich mein Duckmäusertum gerade zur Hochform.
Aber... was soll ich machen?
Erehobenen Hauptes unter der Brücke schlafen.... oder mit eingeklemmten Schwanz mir ne Miete leisten können?

Oder.... doch eine Würstchenbude aufmachen?
Edith es geht um den Aufschrei der Verantwortlichen in Kirche und Staat um die Intellektuellen und um die Intelligenz, der Aufschrei der Betroffenen verhallt wie der Ruf in der Wüste in den Wind der Bedeutungslosigkeit.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

Edith
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Beitrag von Edith »

schon recht Otto.... aber... ich frage mich schon.... ob wir ein Volk von obrigkeitsgläubigen Duckmäusern sind.

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