Konstruktivismus

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cathol01
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Konstruktivismus

Beitrag von cathol01 »

Seit längerem liegt der Konstruktivismus im Trend der Zeit. Er entfaltet seine Wirksamkeit in den verschiedenen Wissenschaften, vor allem auch in der Pädagogik, in der Schule, im Religionsunterricht. Was haltet ihr davon?
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Thierry hat geschrieben:»… vor allem auch in der Pädagogik, in der Schule, im Religionsunterricht.«
Im Baugewerbe leider weniger. Schade. Dabei gäbe es viel zu tun. (»Bau auf, deutsche Jugend …«)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Stefan

Re: Konstruktivismus

Beitrag von Stefan »

cathol01 hat geschrieben:Seit längerem liegt der Konstruktivismus im Trend der Zeit. Er entfaltet seine Wirksamkeit in den verschiedenen Wissenschaften, vor allem auch in der Pädagogik, in der Schule, im Religionsunterricht. Was haltet ihr davon?
Der Konstruktivismus ist eine Lerntheorie, in der ein Lerner seinen Lernprozess selbst steuert. Er konstruiert sich seine individuelle Lernsituation, in der er selbst bestmöglich lernen kann.

Das Lernen selbst findet spielerisch-explorativ statt; dem Lernenden muss eine Möglichkeit gegeben werden, sich eine Lernsituation zu konstruieren und aus geeigneten Wissensquellen wie zum Beispiel dem Internet auszuwählen sowie für ihn adäquate Lernmethoden anzuwenden.

Das erlernte Wissen ist hierbei eine individuelle Repräsentation der Welt, da jeder Lerner etwas eigenes lernt und dies von der eigenen Erfahrung abhängt.

Aufgrund der Tatsache, dass der Lernende das Wissen selbst konstruiert, kann davon ausgegangen werden, dass dieses Wissen dauerhaft beim Lerner gespeichert wird und der Lerner besonders in der Lage ist, dieses Wissen auf andere Situationen anzuwenden und seine Erfahrungen adaptiv zu nutzen. Man denke beispielsweise an die Vorteile beim arbeitsplatznahem Lernen in der innerbetrieblichen Weiterbildung.

Der Lehrende tritt bei Anwendung dieser Lernform aus der Rolle des Wissensvermittlers in die Rolle des Lernprozessberaters. Er hält sich hierbei im Hintergrund, nimmt eine beobachtende Position ein und greift nur unterstützend ins Lerngeschehen ein, wenn der Lernprozess ins Stocken zu geraten scheint.

Andere Lerntheorien sind beispielsweise

Instruktionalismus
Behaviorismus
Kognitivismus
Anwendungen findet der Konstruktivismus häufig im E-Learning-Kontext. Hier werden E-Learning-Systeme (ELS) oftmals dazu verwendet, einem Lernenden die Möglichkeit zu geben, in vielen verschiedenen Informationsquellen zu recherchieren sowie Aufgaben mit Unterstützung diverser Werkzeuge zu lösen.
So gesehen nicht falsch. Und ein hoher Begriff für eine triviale Angelegenheit.

Davon zu unterscheiden und auch gefährlich, weil die Existenz der absoluten Wahrheit immanent ablehnend:
Radikaler Konstruktivismus:

Grundlegend geht der radikale Konstruktivismus davon aus, dass all unser Wissen über die Welt durch unser Gehirn aus Sinneswahrnehmungen konstruiert und dass eine objektive Erkenntnis nicht möglich ist, sondern höchstens Intersubjektivität erreicht werden kann. Danach ist der Mensch auf die Daten, die ihm seine Sinnesorgane liefern, beschränkt, und jede Erkenntnis ist eine Konstruktion aus diesen Daten.

max72
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Re: Konstruktivismus

Beitrag von max72 »

cathol01 hat geschrieben:Seit längerem liegt der Konstruktivismus im Trend der Zeit. Er entfaltet seine Wirksamkeit in den verschiedenen Wissenschaften, vor allem auch in der Pädagogik, in der Schule, im Religionsunterricht. Was haltet ihr davon?
Also wie ich es verstehe, ist Konstruktivismus so ziemlich das, was Ratzinger als Relativismus versteht. Konstruktivismus geht davon aus, dass jeder seine Wirklichkeit "konstruiert", dass also Wahrheit rein kulturell und zeitlich bedingt ist. Der Gedanke kommt aus der Erkenntnis, dass Wahrnehmung nicht neutral ist. Wir sind nicht unabhaengige Beobachter die die Welt kartieren, sondern Wahrnehmung ist selektiv und beeinflusst von vielerlei Bedingungen. Teilweise sah man das in der Entwicklungspsychologie, in verschiedenen Stadien sieht das Kind die Welt ganz anders. Aehnlich, sagt man, sei das mit Voelkern in verschiedenen Stadien der Entwicklung; Ein Steinzeitmensch lebt in iner anderen Wirklichkeit als wir.

Das Problem ist allerdings, dass man als Folge den Begriff einer objektiven Wahrheit, die Unabhaengig vom Menschen existiert, vollkommen ueber Bord geworfen hat. ALLE Wirklichkeit sei konstrtuiert, man muess also alles "dekonstruieren".

Wer sich ueber dieses wundert weiss nicht, wie weit das, auch in Universitaetskreisen, verbreitet ist. Besonders auch New Age/Esoterik-angehauchte Personen sind davon begeistert. Die Idee: Konflikte entstehen weil jeder meint er habe Wahrheit und der andere nicht. Also schaffen wir Wahrheit vollkommen ab, alles ist wahr, absolute Wahrheit gibt es eigentlich nicht. Ich habe schon so viele Diskussionen darueber gefuehrt mit Leuten die sagen "es gibt keine Wahrheit". Meist kommen die dann ins schleudern zu begruenden, warum Nazis schlecht sind. Wenn alles wahr ist, dann muesste ja auch Naziideologie wahr sein.

Genau das ist wo Ratzinger gegen Relativismus schreibt. Interessanterweise ist mit ihm hier ein alternativer Denker, Ken Wilber, vollkommen einig. Ken Wilber ist in Esoterikkreisen sehr beliebt, obwohl er eher etwas buddhstisch gepraegt ist, aber auch er schreibt leidenschaftlich gegen diese kontruktionsidee der Postmoderne. Er sagt, dass die eine Reaktion auf ein schwarz-weiss Denken sei, ein fundamentalistisches "wir haben recht als haben andere vollkommen unrecht". Die Postmoderne erkennt dass die Welt nicht so einfach ist, aber hat einen Fehlschritt gemacht zu sagen, es gaebe keine Wahrheit. Er sagt, die meisten Theorien sind Abbilder der Wahrheit, aber manche entspraechen eben der Wahrheit besser als andere. Wie in der Physik, Newtons Mechanik ist nicht falsch, aber Einsteins Relativitaetstheorie ist naeher an der Wahrheit. Ein Atommodell mit "Kugeln die umeinander fliegen" ist nicht ganz falsch, aber Quantenphysik gibt eine bessere Beschreibung. Wie eben Landkarten, manche sind besser als andere.

Wilber meint man koenne dekonstruieren solange man wolle, Diamant schneidet Glas in jeder Wirklichkeit. Das ist nun mal Wahrheit. Er erwaehnte auch die irrwitzigen Folgen dieses Denkens: In Kalifornien wurde tatsaechlich ein indischer Mann frei gesprochen, der seine Frau getoetet hatte. Die Begruendung war, dass in Indien so eine "Ehrenmord" eben Realitaet ist und man nicht "westliche Wahrheit" vom inder erwarten koenne. China argumentiert, Menschenrechte seien etwas westliches.

Der Konstruktivismus faellt uebrigens ganz leicht zusammen: Er sagt es gaebe keine Wahrheit. Ist diese Aussage wahr? Wenn ja, dann hat sich der Konstruktivismus selbst verneint, wenn nein, dann stimmt er nicht. Wie man's dreht, es ist eine verrueckte, und wirklich etwas gefaehrliche Philosophie.

Gruesse

Max

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Lerntheorien

Konstruktivismus

Daraus
Im Gegensatz zum Behaviourismus betont der Konstruktivismus die internen Verstehensprozesse. In Abgrenzung zum Kognitivismus lehnt er jedoch die Annahme einer Wechselwirkung zwischen der externen Präsentation und dem internen Verarbeitungsprozeß ab. Stattdessen wird der individuellen Wahrnehmung, Interpretation und Konstruktion eine wesentlich stärkere Bedeutung eingeräumt (vgl. [Tulodziecki et al. 96, 46]).

Der Sichtweise von Lernen als einem Informationsverarbeitungsprozeß wird die Vorstellung von Wissen als der individuellen Konstruktion eines aktiven Lerners in einem sozialen Kontext gegenübergestellt. Dabei ist das Vorwissen des Lernenden von entscheidender Bedeutung, da das neue Wissen immer im Bezug darauf konstruiert wird. Beim Lernen spielt die Aktivierung von Vorkenntnissen, ihre Ordnung, Korrektur, Erweiterung, Ausdifferenzierung und Integration eine entscheidende Rolle.

Durch Lernen werden also individuelle Konstrukte aufgebaut, verknüpft, reorganisiert und modifiziert. Lernen ist die zweckmäßige Modifikation kognitiver Strukturen [Klimsa 93, 134]. "Lernen bedeutet nach dem konstruktivistischen Paradigma: Wahrnehmen, Erfahren, Handeln, Erleben und Kommunizieren, die jeweils als aktive, zielgerichtete Vorgänge begriffen werden." [Klimsa 93, 22]. Anstelle des Auswendiglernens von Fakten treten "skills and strategies" in den Vordergrund [Honebein/Duffy/Fishman 91, 106].

...
...

Insgesamt steht der Konstruktivismus der Instruktion eher skeptisch gegenüber. Wenn Lernen primär durch das Individuum und nicht durch die Umwelt bestimmt wird und Wissen als individuelle Konstruktion aufgefaßt wird, ist Instruktion als "Vermittlung von Wissen" streng genommen unmöglich. Zumindest es ist nicht möglich, eine bestimmte Instruktion zu schaffen, die direkt dafür sorgt, daß die Lernenden nach einer gewissen Zeit ein bestimmtes erwünschtes Verhalten aufweisen [Knuth/Cunnigham 91, 166]. Die Lernprozesse sind individuell und nicht vorhersagbar. Damit ist es auch nicht möglich, eine Lehrstrategie oder Darstellungsweise zu finden, die "optimales" Lernen sichert, wie es bei der "Task Analysis" im Instructional Design angestrebt wird. Konstruktivisten stehen dem Instructional Design entsprechend kritisch gegenüber (zum Verhältnis von Konstruktivismus und Instructional Design siehe auch Instructional Design, [Schulmeister 96, 150ff], [Winn 91], [Duffy/Jonassen 92b]).
Gruß Jürgen

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max72
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Beitrag von max72 »

Insgesamt steht der Konstruktivismus der Instruktion eher skeptisch gegenüber. Wenn Lernen primär durch das Individuum und nicht durch die Umwelt bestimmt wird und Wissen als individuelle Konstruktion aufgefaßt wird, ist Instruktion als "Vermittlung von Wissen" streng genommen unmöglich.
Ganz schoen irre. Wir konstruieren unsere Welt. Das heisst ich bin der Schoepfer meiner Welt. Wissen ist nur Konstruktion. Und da kann ich natuerlich konstruieren was ich will.

Ich habe tatsaechlich einen getroffen der das vertreten hatte und mir sagte "Du existierst in meiner Welt, in meinem Bewusstsein. Ich kann nicht wissen ob Du objektiv existierst"

Menschen gefangen in ihrem Bewusstsein, das eine eigene Welt konstruiert, die mit anderen Welten keinen Kontakt hat. Klappsmuehle sag ich da...

Gruss

Max

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roncalli
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Re: Konstruktivismus

Beitrag von roncalli »

max72 hat geschrieben: ...die sagen:"es gibt keine Wahrheit".
Wenn es keine Wahrheit gibt, ist auch der Satz: "Es gibt keine Wahrheit" nicht wahr, wobei wir wieder... :kratz:

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Einzeige Möglichkeit: Radikaler Skeptizismus?
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

max72
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Beitrag von max72 »

cathol01 hat geschrieben:Einzeige Möglichkeit: Radikaler Skeptizismus?
Wie meinst Du?

Einzige Moeglichkeit: Nach Wahrheit und Antwort suchen.

Gruss
Max

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

cathol01 hat geschrieben:Einzeige Möglichkeit: Radikaler Skeptizismus?
Oder wir beginnen einfach wieder mal zu glauben, dass das Ganze doch einen Sinn hat, und bemühen uns redlich, ihn wenigstens ansatzweise zu erkennen.
"Stückwerk ist unser Erkennen" (Paulus) , aber ein Stück ist nicht nichts.

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Ich sage mir immer: Wir besitzen nicht die Wahrheit, die Wahrheit besitzt uns.
Ist das häretisch?
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
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max72
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Beitrag von max72 »

cathol01 hat geschrieben:Ich sage mir immer: Wir besitzen nicht die Wahrheit, die Wahrheit besitzt uns.
Ist das häretisch?
Nun ja, wir muessen erkennen, dass wir eigentlich sehr wenig wissen. Je mehr man weiss, desto klarer sieht man das. Auch wenn wir die Wahrheit nur stueckweise sehen, so sind wir mitten in dieser Wirklichkeit, in dieser Wahrheit und koennen ihr nicht entfliehen. (zB auch wenn ich nicht weiss, dass Rauchen Krebs verursacht, kann mich diese Wahrheit persoenlich treffen.) Sind abhaengig von ihr. Von daher besitzt sie uns vielleicht...

Gruss

Max

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »


Ziemlich jeck das Ganze Denkschema um den Konstruktivismus, würd ich meinen.
Lernen ist ein ständiger Prozess ,er findet statt in allen Bereichen des Lebens. Diese Bereiche vergrößern sich ständig, so dass das Wissensnetz sich ständig vergrößert.Die einzelnen Lebensbereichwissennetze vernetzen sich untereiander ständig,und erweitern und vergrößern und vertiefen sich ständig dadurch.
Wenn man dazu dann noch eine freudige positve Einstellung zum bewußten und unbewußten Lernen hat,und sich solcher merkwürdigen Denkschemata enthält wie von Anderen weiter oben beschrieben,dann hat man eine sehr bequeme Hängematte aus vernetzem Wissen.Nur das man dann auch eine Befestigung für die Wissenshängematte benötigt. Das eine vom Konstruktivismus beeinflusste Denkweise /Denkart ,frei wie ein fliegender Teppich in unserm Gehirn schweben kann,wäre das neueste Weltwunder.

Und wenn die Wissenhängematte konstutivistisch schweben muß,dann ist das jedoch Mega XXXL Jeck! Oder solche Leute sind einfach volkstümlich ausgedrückt GaGa.
Das Gerichtsurteil aus Kalifornien lässt leider befürchten, daß der Konstruktivismus auch schon Richterhirne und oder Geschworenen gehirne befallen hat.
Hoffen wir das es net so bald zu solchem Konstruktivismusbefall deutscher Hirne in allen sich nur vorstellbaren Bereichen der Gesellschaft kommt.
Man könnte es auch als eine Art von geistiger Srappie Erkrankung ,oder geistiger Kreuzfeld Jacob Erkrankung bezeichnen.
Gruß,
Elisabeth

anselm
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Beitrag von anselm »

cathol01 hat geschrieben:Einzeige Möglichkeit: Radikaler Skeptizismus?
Ich würde es mit "kritischem Rationalismus", also dem von Popper vertretenen Ansatz versuchen. Dabei wird der Gedanke einer "absoluten Wahrheit" nicht aufgegeben, wohl aber die Möglichkeit der Letztbegründung. Das entspricht einer theoriegeleiteten pragmatischen Vorgehensweise: wir werden nie wissen, ob wir der Wahrheit wirklich nahe gekommen sind, aber es gibt immerhin einen Korrekturmechanismus für Theorien: die Konfrontation mit Beobachtungen.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

cathol01 hat geschrieben:Ich sage mir immer: Wir besitzen nicht die Wahrheit, die Wahrheit besitzt uns.
Ist das häretisch?
Theologisch dürftest du Recht haben, da ist ja die Wahrheit letztlich jemand:
"Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin." (Phil 3,12)

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Joh 4,6

max72
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Beitrag von max72 »

mr94 hat geschrieben:Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Joh 4,6
Wie oft habe ich schon von manchen gehoert, dass sie sich genau daran stossen, dass jemand behaupte er habe bzw sei die Wahrheit....

Die einen sind skeptisch mit Recht, so eine Behauptung ist radikal und muss geprueft werden. Die anderen sind skeptisch mit Unrecht, die meinen sowas darf es sowieso nicht geben. Und meinen es so ein Satz beweise nur die Arroganz des Christentums (und behaupten faelschlicherweise die asiatischen Religionen seien da ganz anders, obwohl das falsch ist)

Gruss

Max

anselm
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Beitrag von anselm »

max72 hat geschrieben:
mr94 hat geschrieben:Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Joh 4,6
Wie oft habe ich schon von manchen gehoert, dass sie sich genau daran stossen, dass jemand behaupte er habe bzw sei die Wahrheit....

Die einen sind skeptisch mit Recht, so eine Behauptung ist radikal und muss geprueft werden. ...
Na ja, das ist schon eine extrem starke Behauptung, zumal es aller Erfahrung nach "die" Wahrheit nicht gibt in menschlichen Angelegenheiten (inkl. allen Wissenschaften).

Und der dogmatische Ansatz der Kirche ist ja auch keine übliche Begründung, sondern ein erratischer Block, den man akzeptieren kann oder eben nicht

max72
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Beitrag von max72 »

anselm hat geschrieben:
Na ja, das ist schon eine extrem starke Behauptung, zumal es aller Erfahrung nach "die" Wahrheit nicht gibt in menschlichen Angelegenheiten (inkl. allen Wissenschaften).
Na ja, genau diese Behauptung ist etwas problematisch. Klar, Wahrheit ist nicht einfach und nicht schwarz/weiss. Aber es gibt Wahrheit. Wir leben in dieser Wirklichkeit. Alle Theorien sind wie Landkarten, die diese Wirklichkeit mehr oder weniger genau abbilden. Landkarten darf man nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Aber Wahrheit gibt es. Diamant ist haerter als Glas. Das ist wahr. Viele sagen heute, es gaebe nur Landkarten, aber keine Landschaft mehr.

Wir Menschen sind wie Blinde, die versuchen die Welt zu verstehen. Koennte man die Welt vollkommen sehen wie sie wirklich ist, dann kann man sagen man habe die Wahrheit. Oder man sei die Wahrheit. Und das kann eben wirklich nur Gott.

Gruss

Max

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

anselm hat geschrieben: Na ja, das ist schon eine extrem starke Behauptung, zumal es aller Erfahrung nach "die" Wahrheit nicht gibt in menschlichen Angelegenheiten (inkl. allen Wissenschaften).

Und der dogmatische Ansatz der Kirche ist ja auch keine übliche Begründung, sondern ein erratischer Block, den man akzeptieren kann oder eben nicht
Auch wenn ich sage: "Die Welt hat einen Sinn!" oder: "Mein Leben hat einen Sinn" spreche ich zuerst einmal eine Überzeugung, vielleicht auch nur eine vage Hoffnung aus. Etwas (oder jemand?) spricht mich an, obwohl es keine zwingenden Grund dafür gibt. Doch ich kann mich darauf einlassen - mit Herz und Hirn -, ich kann mein Leben danach ausrichten und sehen, was sich dann tut, sehen, ob sich das Angenommene "be-währ-t"... Die Wahrheit ist nur als Weg und Leben zu haben.
Ich persönlich sehe sie nirgends deutlicher als in Christus...

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

roncalli hat geschrieben:
anselm hat geschrieben: Na ja, das ist schon eine extrem starke Behauptung, zumal es aller Erfahrung nach "die" Wahrheit nicht gibt in menschlichen Angelegenheiten (inkl. allen Wissenschaften).

Und der dogmatische Ansatz der Kirche ist ja auch keine übliche Begründung, sondern ein erratischer Block, den man akzeptieren kann oder eben nicht
Auch wenn ich sage: "Die Welt hat einen Sinn!" oder: "Mein Leben hat einen Sinn" spreche ich zuerst einmal eine Überzeugung, vielleicht auch nur eine vage Hoffnung aus. Etwas (oder jemand?) spricht mich an, obwohl es keine zwingenden Grund dafür gibt. Doch ich kann mich darauf einlassen - mit Herz und Hirn -, ich kann mein Leben danach ausrichten und sehen, was sich dann tut, sehen, ob sich das Angenommene "be-währ-t"... Die Wahrheit ist nur als Weg und Leben zu haben.
Ich persönlich sehe sie nirgends deutlicher als in Christus...
Das kann ich voll unterschreiben., es geht mir genauso.

Was die Frage nach der Wahrheit angeht:

Aus dem inneren Gefühl, daß Christus DER Weg usw. ist, läßt sich für die Frage nach der Wahrheit nichts ableiten, es reduziert Wahrheit auf Bewährung. Dazu kommt: innere Gewißheit ist nichts spezifisch Christliches. Sie ist vielmehr - über den Umweg der Mystik ein religionsübergreifendes Phänomen. Die Mystik verleiht größtmögliche innere Sicherheit. Insofern wären die Religionen gleichwertig, und dann stellt sich wieder die Frage nach der Wahrheit. Daher glaube ich, daß der Weg nach innen für die Wahrheitsfrage zweitrangig ist.

Daher bedarf es meiner Meinung nach über die subj. Gewißheit hinaus den Glauben an die Offenbarung. In ihr hat das Gefühl dann eine obj. Grundlage. Wenn es einen Gott so wie offenbart gibt, habe ich dann auch das Recht so zu fühlen wie ich fühle. Insofern geht auch hier die Wahrheit dem Gefühl voran.

Was für ein Glück ist es daher, daß das Christentum wie das Judentum eine Offenbarungsreligion ist, in der es also nicht nur irgendwelche toll fühlenden Menschen gibt, sondern auch Propheten, die einfach nur verkünden, ohne dabei etwas zu fühlen, sogar gegen ihren Willen.

Und auf die Weise kommen wir wieder zur inneren Gewißheit, denn wenn es wahr ist, was Gott offenbart, dann muß der Glaube auch Erfüllung bieten, weil Gott uns auf sich hin geschaffen hat, und die Gefühle haben wieder ihr Recht.

Ralf

Beitrag von Ralf »

max72 hat geschrieben:Die einen sind skeptisch mit Recht, so eine Behauptung ist radikal und muss geprueft werden. Die anderen sind skeptisch mit Unrecht, die meinen sowas darf es sowieso nicht geben. Und meinen es so ein Satz beweise nur die Arroganz des Christentums (und behaupten faelschlicherweise die asiatischen Religionen seien da ganz anders, obwohl das falsch ist).
Den Vorwurf der Arroganz des Christentums kann ich getrost aushalten - letztlich ist er ja ein Vorwurf der Arroganz Jesu, so etwas zu behaupten - um diesem allerdings den Boden zu entziehen, wird schnell behauptet, Jesus habe diesen Satz nie gesagt - und zack, wieder eine Kante glattgebügelt.

Da halte ich doch lieber diese Behauptung aus, als ein vom Herrn wahrhaft gesprochener Satz, der mit aller Deutlichkeit die Wahrheitsfrage nach dem Was auf die richtige Basis des Wer stellt.

Eine Person ist die Wahrheit.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Steffen hat geschrieben:Was für ein Glück ist es daher, daß das Christentum wie das Judentum eine Offenbarungsreligion ist, in der es also nicht nur irgendwelche toll fühlenden Menschen gibt, sondern auch Propheten, die einfach nur verkünden, ohne dabei etwas zu fühlen, sogar gegen ihren Willen.
Nicht nur das - was für ein Glück ist es, daß wir die Kirche haben und sind, die jedem einzelnen von uns hilft, den Weg der Offenbarung Gottes durch überschwängliche Gefühle nicht zu verlassen. Denn sonst kann das Gefühl nicht mehr gottgeleitet sein, will Er sich nicht selbst widersprechen.

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mr94
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Beitrag von mr94 »

max72 hat geschrieben:
mr94 hat geschrieben:Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Joh 4,6
Wie oft habe ich schon von manchen gehoert, dass sie sich genau daran stossen, dass jemand behaupte er habe bzw sei die Wahrheit...
Nun ist es ja eben nur genau ein einziger Mensch, der diese Behauptung aufstellt. Und er kann das nur tun, weil er zugleich Gottes Sohn ist. Nur deshalb kann er Weg, Wahrheit und Leben sein.

Stellt sich nun die Frage: Kann ein anderer Mensch die Wahrheit sein? Oder im Besitz derselben? Ich denke nicht. Und die Unfehlbarkeit ist falsch verstanden, wenn damit der Besitz der Wahrheit gemeint sein soll.

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Wenn ich sage, dass nicht wir die Wahrheit besitzen, sondern die Wahrheit uns besitzt, ist das nicht gemeint in dem Sinne, dass die Wahrheit uns von allen Seiten bedrängen würde, sondern dass sie uns umgreift.
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

das dürfte wohl auch damit gemeint sein, wenn es heißt, daß der Hl. Geist die Herzen der Gläubigen erfüllt.

War es nicht Bernhard, der gesagt hat: Gott haben bedeutet von Gott gehbat zu werden?

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