Abtreibung -- Wann?

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Wann würdet ihr eine Abtreibung erlauben?

Niemals ist ein aktiver Eingriff (Tötung) möglich
8
89%
Aktiver Eingriff möglich, wenn das Leben der Mutter in ernsthafter Gefahr ist.
0
Keine Stimmen
A.E.m., wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist.
1
11%
A.E.m., wenn das Leben aufgrund einer Vergewaltigung oder Inzest entstanden ist
0
Keine Stimmen
A.E.m., wenn eine schwere Behinderung vorliegt
0
Keine Stimmen
A.E.m., wenn die wirtschaftliche Lage der Eltern schwierig ist.
0
Keine Stimmen
Aktiver Eingriff immer möglich.
0
Keine Stimmen
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 9

philipp

Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

Wann darf man eurer Meinung nach abtreiben?

Bruder Donald

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Bruder Donald »

Naja, was heißt hier "darf"?
Wenn ich richtig verstanden habe "erlaubt" die Kirche eine Abtreibung, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Ob nur in so einem Fall, weiß ich nicht.

Wann "darf" ich grundsätzlich einen Menschen töten? Eigentlich gar nicht, aber im Falle von Notwehr ist es (unter Umständen) gerechtfertigt. Als Soldat hätte ich im Fall der Fälle auch einen anderen Kombatanten töten "dürfen".
Im oberen Fall könnte man auch von einer Notwehrsituation ausgehen, in der das Leben der Mutter (indirekt) vom Kind bedroht wird. Ist es aber noch eine Notwehrsituation, wenn "nur" die wirtschaftliche Existenz bedroht wird? Ist es noch ein andauernder Angriff, wenn die Frucht einer Vergewaltigung in einem heranwächst?

Ist es ein Trost für eine werdende Mutter, die ihr Kind abtreiben muss, damit sie selbst überlebt? Bringt ihr die Information, jetzt nicht (schwer) gesündigt zu haben, etwas, weil sie es "offiziell" durfte?
Egal wie die konkrete Situation sein mag, man sollte sich dessen bewusst sein, dass man bei einer Abtreibung ein (unschuldiges) menschliches Lebewesen tötet. Wann so ein schwerer Akt gerechtfertigt ist, mag und will ich echt nicht entscheiden, aber Punkt 2 oder 3 (wo ist da der Unterschied?) scheinen mir noch am "vernünftigsten"/"gerechtfertigsten".

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Protasius
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Protasius »

Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 14:54
Naja, was heißt hier "darf"?
Wenn ich richtig verstanden habe "erlaubt" die Kirche eine Abtreibung, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Ob nur in so einem Fall, weiß ich nicht.
Ich kann eine solche Erlaubnis aus dem Katechismus nicht herauslesen (KKK 2270ff).
2271 Seit dem ersten Jahrhundert hat die Kirche es für moralisch verwerflich erklärt, eine Abtreibung herbeizuführen. Diese Lehre hat sich nicht geändert und ist unveränderlich. Eine direkte, das heißt eine als Ziel oder Mittel gewollte, Abtreibung stellt ein schweres Vergehen gegen das sittliche Gesetz dar:

„Du sollst ... nicht abtreiben noch ein Neugeborenes töten" (Didaché 2,2) [Vgl. Barnabasbrief 19,5; Diognet 5,5; Tertullian, apol. 9].

„Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen" (GS 51,3).



2272 Die formelle Mitwirkung an einer Abtreibung ist ein schweres Vergehen. Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation. „Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu" (CIC, can. 1398), „so daß sie von selbst durch Begehen der Straftat eintritt" 1463 (CIC, can. 1314) unter den im Recht vorgesehenen Bedingungen [Vgl. CIC, cann. 1323-1324.]. Die Kirche will dadurch die Barmherzigkeit nicht einengen; sie zeigt aber mit Nachdruck die Schwere des begangenen Verbrechens und den nicht wieder gutzumachenden Schaden auf, der dem unschuldig getöteten Kind, seinen Eltern und der ganzen Gesellschaft angetan wird.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Lycobates
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Lycobates »

Protasius hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 15:08
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 14:54
Naja, was heißt hier "darf"?
Wenn ich richtig verstanden habe "erlaubt" die Kirche eine Abtreibung, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Ob nur in so einem Fall, weiß ich nicht.
Ich kann eine solche Erlaubnis aus dem Katechismus nicht herauslesen (KKK 2270ff).
Ganz klar.
Eine etwaige Lebensgefahr für die Mutter erlaubt niemals eine Abtreibung.

Der Arzt muß alles tun, um beide Leben zu retten, und jede Handlung unterlassen, die direkt lebensbedrohend ist entweder für die Mutter, oder für das Kind.
Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Arnold Schönberg)
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philipp

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 14:54
Punkt 2 oder 3 (wo ist da der Unterschied?)
Bei Punkt 2 ist es wahrscheinlich dass die Mutter stirbt,

bei Punkt 3 ist es wahrscheinlich dass sie irgendwelche Störungen, Folgeschäden etc. davonträgt (das habe ich zumindest damit gemeint)
Im oberen Fall könnte man auch von einer Notwehrsituation ausgehen, in der das Leben der Mutter (indirekt) vom Kind bedroht wird.
Naja, auch wenn das stimmt, heisst das umgekehrt, dass das Leben des Kindes durch den Lebenswunsch der Mutter bedroht wird. Ich würde das so auflösen, dass einfach beide sich gegenseitig nicht töten dürfen (auch wenn das Kind das gar nicht selbst kann). Und meines Wissens erlaubt die Kirche auch den Kindsmord nicht, selbst wenn die Mutter in Todesgefahrt ist.

Auf den ersten Blick ist es wohl die beste Lösung der Arzt versucht zu schauen dass möglichst beide überleben und die üblichen Prinzipien anzuwenden, die man als Arzt anwendet wenn es heisst "Leben vs. Leben".

Bruder Donald

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Bruder Donald »

Protasius hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 15:08
Ich kann eine solche Erlaubnis aus dem Katechismus nicht herauslesen (KKK 2270ff).
Lycobates hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 15:28
Ganz klar.
Eine etwaige Lebensgefahr für die Mutter erlaubt niemals eine Abtreibung.
philipp hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 15:36
Und meines Wissens erlaubt die Kirche auch den Kindsmord nicht, selbst wenn die Mutter in Todesgefahrt ist.
Wie gesagt, ich habe es nur von "Hören-Sagen". Es hat mich aber schon immer gewundert, dass die Kirche das so tatsächlich sieht. Abseits dessen kann ja der KKK nicht der einzige Referenzpunkt sein?
philipp hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 15:36
Auf den ersten Blick ist es wohl die beste Lösung der Arzt versucht zu schauen dass möglichst beide überleben und die üblichen Prinzipien anzuwenden, die man als Arzt anwendet wenn es heisst "Leben vs. Leben".
Tja, dieses "Leben vs. Leben" ist schon sch... genug. :(
philipp hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 15:36
bei Punkt 3 ist es wahrscheinlich dass sie irgendwelche Störungen, Folgeschäden etc. davonträgt (das habe ich zumindest damit gemeint)
Ups, hätte ich mal genau gelesen! :tuete: Ich habe bei Punkt 3 "Leben" statt "Gesundheit" gelesen!

Trisagion
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Trisagion »

Abtreibung im üblichen Sinne ist selbstverständlich im Katholizismus verboten. Allerdings gibt es viele erlaubte Praktiken die dem rein äußerlich sehr nahe kommen, und die haben i.d.R. mit einer Gefährdung der Mutter zu tun. Hier wird das ethische Prinzip der Doppelwirkung eingesetzt.

Als offensichtlich unschuldiger Mensch kann ein Fötus nicht gewollt getötet werden, das ist schlicht eine Form von Mord. Das ist normale "Abtreibung". Es ist aber möglich die Tötung des Fötus vorherzusehen, und ungewollt in Kauf zu nehmen, wenn dadurch ein mindestens gleichwertiges Gut erlangt wird. Soll heißen, ich kann etwas tun, was das Leben der Mutter rettet, auch wenn ich weiß daß als ungewollte Folge dieses Tun der Fötus stirbt. Ich kann hingegen nicht einfach den Fötus töten, gewollt, um die Rettung zu erreichen. Das artet manchmal etwas in Haarspalterei aus, ist aber im Prinzip ein wichtiger Unterschied. Es geht nicht darum, daß der Zweck die Mittel heiligt. Es geht darum, daß manches Mittel mehr als eine Wirkung hat, und eine mag gewollt sein, die andere bedauert. In diesen Fällen kann man die Wirkungen gegeneinander abwägen.

Das Paradebeispiel ist die Extrauteringravidität. Hier ist es von katholischer Seite her erlaubt den Eileiter mit dem Embryo zu entfernen. Dies ermöglicht das Überleben der Mutter, aber tötet vorhersehbar den Embryo. Jedoch wird der Embryo nicht getötet um die Mutter zu retten, sondern nur als vorhersehbare (und im Prinzip ungewollte) Folge der Entfernung des Eileiters. Hingegen werden die anderen beiden Möglichkeiten - die chemische Abtötung des Embryos oder das Aufschneiden des Eileiters und Herauslöffeln des Embryos - von den meisten katholischen Kommentatoren als unzulässig angesehen. Hier wird der Embryo gezielt getötet um die Mutter zu retten, aber der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.

Diese Argumentationen sind in der Regel sowohl schwierig als auch emotional unbefriedigend. Ich erwähne sie nur um darauf hinzuweisen, daß es durchaus "katholisch erlaubte" Praktiken gibt, die ohne nähere Betrachtung kaum von einer "Abtreibung um die Mutter zu retten" zu unterscheiden sind.

Agricola
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Agricola »

Als ich das Obige sah, wollte ich schon schreiben: Wahrscheinlich geistert manchmal das Prinzip der Doppelwirkung mehr oder weniger unverstanden herum.

Thomas v. Aquin diskutierte es bereits in S. th. IIª-IIae q. 64 a. 7 co.: „Respondeo dicendum quod nihil prohibet unius actus esse duos effectus, quorum alter solum sit in intentione, alius vero sit praeter intentionem.“

Die Sache betrifft dabei nicht nur Dinge wie die Beendigung einer Schwangerschaft durch das Entfernen der Leibesfrucht, sondern auch so etwas wie die Folgen von Selbstverteidigung in einer Notwehr- oder Nothilfesituation.

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Lycobates
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Lycobates »

Agricola hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 17:47
Als ich das Obige sah, wollte ich schon schreiben: Wahrscheinlich geistert manchmal das Prinzip der Doppelwirkung mehr oder weniger unverstanden herum.

Thomas v. Aquin diskutierte es bereits in S. th. IIª-IIae q. 64 a. 7 co.: „Respondeo dicendum quod nihil prohibet unius actus esse duos effectus, quorum alter solum sit in intentione, alius vero sit praeter intentionem.“

Die Sache betrifft dabei nicht nur Dinge wie die Beendigung einer Schwangerschaft durch das Entfernen der Leibesfrucht, sondern auch so etwas wie die Folgen von Selbstverteidigung in einer Notwehr- oder Nothilfesituation.
Das Prinzip des voluntarium in causa ist aber nur zulässig, wenn der zu setzende Akt mit einer Doppelwirkung (einer guten und einer schlechten) nicht intrinsisch böse ist, die gute Wirkung direkt aus dem Akt (nicht aber als Folge der bösen Wirkung, denn dann müßte diese mitintendiert werden) auftritt und die Absicht des Aktes eine gute ist (sie muß sich auf die gute Wirkung beziehen, nicht auf die böse), und ein proportionaler Grund vorliegt, der schwerwiegend genug ist, den Akt zu setzen.
Die praktische Anwendung kann aber äußerst schwierig sein.
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Agricola
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Agricola »

Lycobates hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 18:35
Agricola hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 17:47
Als ich das Obige sah, wollte ich schon schreiben: Wahrscheinlich geistert manchmal das Prinzip der Doppelwirkung mehr oder weniger unverstanden herum.

Thomas v. Aquin diskutierte es bereits in S. th. IIª-IIae q. 64 a. 7 co.: „Respondeo dicendum quod nihil prohibet unius actus esse duos effectus, quorum alter solum sit in intentione, alius vero sit praeter intentionem.“

Die Sache betrifft dabei nicht nur Dinge wie die Beendigung einer Schwangerschaft durch das Entfernen der Leibesfrucht, sondern auch so etwas wie die Folgen von Selbstverteidigung in einer Notwehr- oder Nothilfesituation.
Das Prinzip des voluntarium in causa ist aber nur zulässig, wenn der zu setzende Akt mit einer Doppelwirkung (einer guten und einer schlechten) nicht intrinsisch böse ist, die gute Wirkung direkt aus dem Akt (nicht aber als Folge der bösen Wirkung, denn dann müßte diese mitintendiert werden) auftritt und die Absicht des Aktes eine gute ist (sie muß sich auf die gute Wirkung beziehen, nicht auf die böse), und ein proportionaler Grund vorliegt, der schwerwiegend genug ist, den Akt zu setzen.
Die praktische Anwendung kann aber äußerst schwierig sein.
Genau, genau, danke für das Angeben der "Zulässigkeitsbedingungen"!

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Jakobgutbewohner
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Agricola hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 17:47
Die Sache betrifft dabei nicht nur Dinge wie die Beendigung einer Schwangerschaft durch das Entfernen der Leibesfrucht, sondern auch so etwas wie die Folgen von Selbstverteidigung in einer Notwehr- oder Nothilfesituation.
Übliche Notwehr/-hilfebeispiele beinhalten einen Angreifer, der dann zumindest in gewisser Weise "schuldhaft" handelt. Ich denke, das trifft hier aber die Umstände nicht gut. Wie sähe es z.B. mit einer Situation aus, in der ein "Experte für Irgendwas" bestätigt, daß die Nahrung in einer abgelegenen Schutzhütte nicht für beide Menschen darin ausreichen wird bis eine Nachlieferung oder Evakuierung möglich wäre. Wenn man hier Tötung als Lösung in Erwägung ziehen würde, dan wäre das meist wohl auf eine Legitimierung des "Rechts des Stärkeren" hinauslaufen?
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Lycobates
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Lycobates »

Agricola hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 18:39
Lycobates hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 18:35
Agricola hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 17:47
Als ich das Obige sah, wollte ich schon schreiben: Wahrscheinlich geistert manchmal das Prinzip der Doppelwirkung mehr oder weniger unverstanden herum.

Thomas v. Aquin diskutierte es bereits in S. th. IIª-IIae q. 64 a. 7 co.: „Respondeo dicendum quod nihil prohibet unius actus esse duos effectus, quorum alter solum sit in intentione, alius vero sit praeter intentionem.“

Die Sache betrifft dabei nicht nur Dinge wie die Beendigung einer Schwangerschaft durch das Entfernen der Leibesfrucht, sondern auch so etwas wie die Folgen von Selbstverteidigung in einer Notwehr- oder Nothilfesituation.
Das Prinzip des voluntarium in causa ist aber nur zulässig, wenn der zu setzende Akt mit einer Doppelwirkung (einer guten und einer schlechten) nicht intrinsisch böse ist, die gute Wirkung direkt aus dem Akt (nicht aber als Folge der bösen Wirkung, denn dann müßte diese mitintendiert werden) auftritt und die Absicht des Aktes eine gute ist (sie muß sich auf die gute Wirkung beziehen, nicht auf die böse), und ein proportionaler Grund vorliegt, der schwerwiegend genug ist, den Akt zu setzen.
Die praktische Anwendung kann aber äußerst schwierig sein.
Genau, genau, danke für das Angeben der "Zulässigkeitsbedingungen"!
Ich sehe erst jetzt, daß in dem von Trisagion angegebenen Link diese Bedingungen ebenfalls aufgeführt werden.

Vor fünf Jahren gab es dazu eine aufsehenerregende "Befragung" zum Film "Terror":
https://www.daserste.de/unterhaltung/fi ... index.html
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Trisagion »

Lycobates hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 20:41
Ich sehe erst jetzt, daß in dem von Trisagion angegebenen Link diese Bedingungen ebenfalls aufgeführt werden.
... und er dies auch anhand eines Beispiels kurz diskutiert hat. :unbeteiligttu:

Das Problem mit dem Prinzip der Doppelwirkung ist, daß "Wollen" in der Regel nicht eindeutig anhand der Handlung alleine festgestellt werden kann. Darum kommt oft sehr schnell der Eindruck einer "Ausrede" auf.

Bruder Donald

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 16:57
Diese Argumentationen sind in der Regel sowohl schwierig als auch emotional unbefriedigend. Ich erwähne sie nur um darauf hinzuweisen, daß es durchaus "katholisch erlaubte" Praktiken gibt, die ohne nähere Betrachtung kaum von einer "Abtreibung um die Mutter zu retten" zu unterscheiden sind.
Jupp, dann muss es damit gemeint gewesen sein. Ich bezweifle nämlich sehr stark, dass man in so einem Fall von "Leben vs. Leben" von einem gewollten Loswerden des Kindes ausgehen kann. Ob man nun das Wort "Abtreibung" hierbei bedienen will, ist dann wohl Auslegungssache. Der Otto-normal-Katholik wird dann wohl dieses Wort benutzen, wenn er nicht weiter mit ethischen Konzepten vertraut ist. :achselzuck:

Lycobates hat geschrieben:
Freitag 9. April 2021, 20:41
Vor fünf Jahren gab es dazu eine aufsehenerregende "Befragung" zum Film "Terror":
https://www.daserste.de/unterhaltung/fi ... index.html
Das war eine sehr interessante Sache. Damit erhielt ich über das PDW überhaupt erst Kenntnis. Artikel auf kath.net dazu haben Klärung verschafft.

Trisagion
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Samstag 10. April 2021, 03:43
Ich bezweifle nämlich sehr stark, dass man in so einem Fall von "Leben vs. Leben" von einem gewollten Loswerden des Kindes ausgehen kann.
Wobei "gewollt" hier aber nur "absichtlich" meint, nicht "gewünscht". Man kann zu Tode betrübt sein, daß man den Embryo töten muß um die Mutter zu retten. Aber wenn man das absichtlich tut, wenn man den Embryo tötet um die Mutter zu retten, dann ist das nach katholischer Moral nicht statthaft. Und um die Frage vorwegzunehmen: selbst wenn sowohl der Embryo als auch die Mutter sterben würden, außer wenn man den Embryo jetzt tötet, darf man den Embryo nicht töten. Man muß dann später die Mutter mit dem Embryo sterben lassen. Das Töten eines unschuldigen Menschen ist intrinsisch böse und somit niemals statthaft, egal welche guten Konsequenzen es haben mag, selbst wenn es "netto besser" wäre. Katholische Moral ist nicht utilitaristisch, mißt nicht primär an den Konsequenzen, sondern deontologisch, also eine "Wissenschaft der Pflichten".

philipp

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

Aber Eileiter ausschneiden und Embryo verrecken lassen darf ich? Wieso wird da ein unterschied gemacht?

Trisagion
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Trisagion »

philipp hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 14:54
Aber Eileiter ausschneiden und Embryo verrecken lassen darf ich? Wieso wird da ein unterschied gemacht?
Wegen des Prinzips der Doppelwirkung, das wir ja nun hier bereits seit einigen Beiträgen durchkauen?!

philipp

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

find ich eine unnötige theoretische diskussion. ob ich das embryo auslöffel oder ihm die lebenserhaltenden Notwendigkeiten entziehe macht in der praxis keinen unterschied. in beiden fällen töt ich das embryo weil ich weiss dass es geschickter ist ein leben zu retten (mutter) anstatt beide zugrunde gehen zu lassen.

sind nicht die fälle interessanter in denen es wirlich heisst Leben vs Leben? also entweder ich muss das baby töten und die mutter stirbt, oder ich muss die mutter sterben lassen um das baby ausserhalb künstlich weiter leben zu lassen.

übrigens heisst es im geteilten wiki artikel, dass folgende bedingung erfüllt sein muss:

(4) Das vorhergesehene Übel muss durch einen „entsprechend schwerwiegenden Grund aufgewogen werden.“

Ein solcher "schwerwiegender Grund" ist doch nur dadurch gegeben, dass Baby und Mutter bei der Eileiterschwangerschaft verrecken. Wenn es nur um das Leben der Mutter ginge, das Baby aber überleben könnte, bin ich mir unsicher ob dieser Eileiterschnitt bei der das Baby verreckt, erlaubt wäre.

Trisagion
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Trisagion »

philipp hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 16:07
find ich eine unnötige theoretische diskussion.
Aha.
philipp hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 16:07
Wenn es nur um das Leben der Mutter ginge, das Baby aber überleben könnte, bin ich mir unsicher ob dieser Eileiterschnitt bei der das Baby verreckt, erlaubt wäre.
Bist Du der Meinung, daß das Leben der Mutter weniger wert ist als das des Embryos?

philipp

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 19:22
Bist Du der Meinung, daß das Leben der Mutter weniger wert ist als das des Embryos?
Gleich viel. Deshalb ist Gott spielen unangebracht im von mir geschilderten Fall.

Trisagion
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Trisagion »

philipp hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 23:23
Trisagion hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 19:22
Bist Du der Meinung, daß das Leben der Mutter weniger wert ist als das des Embryos?
Gleich viel. Deshalb ist Gott spielen unangebracht im von mir geschilderten Fall.
Nun, ich würde es eher as "Gott spielen" betrachten die Frau ohne Hilfe sterben zu lassen. Wenn Gott ihr Leben auf diese Weise hätten beenden wollen, dann irgendwo einsam auf einer Insel oder vor der Erfindung medizinischer Technologie. Wir können nicht so tun, als hätten wir nicht die Fähigkeiten die wir nun eben erworben haben. Moralische Entscheidungen beziehen sich auf die konkrete Situation, nicht auf einen theoretischen Naturzustand.

philipp

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

Du findest es ok die Frau zu retten und das Baby durch deinen willensakt zu töten?

Ich will das nicht entscheiden. Für mich ist das rausschneiden des Eileiters oder was auch immer da passiert auch eine Tötung. Genau dann, wenn eine fast sichere Wahrscheinlichkeit vorliegt dass das Kind verrecken muss.

Da is es besser ich greif gar nicht ein. Dann trifft die Natur/Gott ganz allein die Entscheidung.

philipp

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 13. April 2021, 00:45
Nun, ich würde es eher as "Gott spielen" betrachten die Frau ohne Hilfe sterben zu lassen.
Eingriff (indirekte Tötung) ist schlimmer als Unterlassung.


Edit:ich glaube es hängt sich alles daran auf dass ich das mit der doppelten Wirkung nicht akzeptieren kann. Warum sollte das bauchgefühl hier so stark irren. Wenn ich eine Handlung setze die zu 99.9999% zum Tod führt kann sie nicht gut sein. Naja. Gut dass ich solche Entscheidungen nicht treffen muss. Entschuldigung falls ich wen mit meinen Gefühlsmeinungen nerve.

Trisagion
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Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von Trisagion »

philipp hat geschrieben:
Dienstag 13. April 2021, 01:37
Du findest es ok die Frau zu retten und das Baby durch deinen willensakt zu töten?
Die Tötung des Babys als ungewollten jedoch vorhersehbaren Nebeneffekt meines Willensaktes in Kauf zu nehmen, ja...

Um ehrlich zu sein ist das bei mir letztlich andersherum. Alle drei übliche Behandlungsmethoden erscheinen mir intuitiv als angebracht, und ich akzeptiere gegen dieses Bauchgefühl das Argument als richtig, daß zwei davon als moralisch unzulässig zu gelten haben. In diesem Sinne entspricht der Argumentation via des Prinzips der Doppelwirkung zwar keineswegs an sich meinem Bauchgefühl (es ist nicht sehr intutitiv), aber das hiermit motivierte Resultat sehr wohl. Dank des Prinzips bleibt halt wenigstens eine Option übrig, an einer Stelle wo ich intuitiv eine Handlung gutheiße.

Hier ist noch eine interessante Beobachtung. Es kommt öfter mal vor, daß bestimmte weltliche Handlungen verboten sind, es aber oberflächlich ähnliche Taten gibt die katholischerseits erlaubt sind. Dies sind Situationen wo ein weltlicher Zyniker von einer wohlfeilen Ausrede des Katholizismus reden würde. Beispiele: Die "katholische Scheidung", die Annulierung der Ehe; die "katholische Pille", die moderne (sehr effektive) Natürliche Familienplanung; und eben hier die "katholische Behandlung" von Extrauteringravidität, das Herausschneiden des Eileiters mitsamt Embryo. Aber sehen wir mal komplett von der normalen Verteidigung aller dieser katholischer Praktiken ab, dann fällt eine Sache auf: die katholische Variante verlangt immer ein Opfer im Vergleich zu der weltlichen. Bei der "katholischen Scheidung" müssen die Eheleute von sich behaupten, entweder so dumm gewesen zu sein, daß sie nicht verstanden hatten was eine Ehe ist, oder so verderbt sie unter Vorspiegelung falscher Zustimmung eingegangen zu sein. Bei der "katholischen Pille" müssen die Eheleute regelmäßig für mindestens eine Woche auf Sex verzichten, und zwar zu einem Zeitpunkt wo die Frau dazu physiologisch besonders bereit ist. Und bei der "katholischen Behandlung" wird die Frau einseitig unfruchtbar gemacht (die andere Seite mag reichen, wie auch eine Niere reichen mag, aber dennoch).

Für die moralische Extrawurst ist quasi ein Preis zu zahlen, wenn es katholisch zugeht.

philipp

Re: Abtreibung -- Wann?

Beitrag von philipp »

Stimmt. Interessante Betrachtung

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