Orthodoxer Oberrabbiner fordert Rehabilitierung Hohmanns

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uli
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Beitrag von uli »

Peter schreibt: „Lieber Uli, ich habe bei deinem und bei Beths Beiträgen so ein gewisses Ohren- und Magensausen. Ich halte sie für demagogisch um es frei heraus zu sagen. Zielrichtung ist, Robert – und mit ihm die katholische tradition (oder vielmehr einen missliebigen Teil der tradition) zu diskreditieren.“
Meine Antwort: Absoluter Unfug, ausgerechnet mir eine Diskreditierung der Tradition/Roberts zu unterstellen bzw. meinen Beiträgen in dieser Richtung „Demagogie“ unterzujubeln. Es gibt auch keinerlei Anlass zum Zweifel an meiner eigenen „Rechtgläubigkeit“ an Jesus, den Juden, als Sohn Gottes und Erlöser/Messias, der (unaufdringlich) allen (!) Menschen zu ihrem Heil zu verkündigen ist. Und das neutestamentliche Bild vom „Schleier“ umschreibt auch aus meiner Sicht durchaus zutreffend die Annahme bzw. Nicht/Noch-nicht-Annahme des Glaubens an Jesus. Nur ist bei diesem Bild die Frage, wer es wann wozu einsetzt... Und, nochmals: Ich kenne aus erzkonservativ-katholischen Publikationen leider genug Antisemitisches - ohne dass ich damit "die Tradition" insgesamt ablehne.

Geronimo schreibt: "Nun, es gibt auch Juden, die an Jesus an den Messias glauben ...ganz nebenbei bemerkt. Die Welt ist nicht schwarz-weiß ..."
Frage: Christen (Nicht-Juden), die an Jesus glauben = weiß? Juden, die nicht an Jesus glauben = schwarz? Und dazwischen (grau) die Juden-Christen, die an Jesus glauben? Apropos Juden, die an Jesus glauben: Petrus, der erste Papst, war Jude(nchrist), überhaupt die Apostel – Edith Stein war Jüdin(christin) - der heutige Kardinal von Paris, Lustiger, ist Jude(nchrist) ... Übrigens: Aus extrem "konservativen" Zirkeln wurde auch schon das Gerücht/die Mär gestreut, der heutige Papst sei Kind einer jüdischen Mutter und somit Jude - und zwar bezeichnenderweise in der böswilligen Absicht, den Papst "schlecht zu machen", weil für diese antisemitischen Zirkel Jude = schlecht ist ...

Edi schreibt u. a.: „Es ist doch nur eine Ausrede von ihnen (den Juden) bis heute, dass immer andere daran schuld seien.“ Oder er schreibt von der "Feindschaft Judentum/Christentum". Solche und ähnliche Sätze rufen bei mir mindestens Bauchweh hervor und bestätigen mich in der Meinung, dass in bestimmten kirchlichen Kreisen nach wie vor ein oft mit angeblichen Fakten verbrämter dumpfer Antisemitismus vorhanden ist.

Zu Roberts Einwand hinsichtlich Beth: „Also wir sollen bereuen, bekennen, wir haben Schmerz und Schande gehäuft – »wir«? Würde die Autorin dasselbe auch in der Einzahl sagen? – Wohl kaum, denn es geht ja gar nicht um meine, deine, unsere konkrete Schuld, um individuelle Reue, sondern um die tatsächliche oder vermeintliche Schuld unserer Vorväter. Nicht um Reue und Bekenntnis, sondern um Anklage und Urteil: Verdammen wir endlich die bisherigen knapp zweitausend Jahre Kirchengeschichte“ - hier ein Hinweis auf „Das Mea culpa der Kirche“, einen Artikel des gewiss nicht als „progressiv“ geltenden Salzburger Weihbischofs Andreas Laun:

http://www.kirchen.net/bischof/laun/tex ... chtnis.htm

Und gleich noch was von Laun: "Christen und Juden - Plädoyer für eine neue Geschwisterliebe":

http://www.kirchen.net/bischof/laun/tex ... -as-hp.doc

Uli

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Peter
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Beitrag von Peter »

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Peter
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Beitrag von Peter »

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Uli hat geschrieben:»Es gibt auch keinerlei Anlaß zum Zweifel an meiner eigenen „Rechtgläubigkeit“ an Jesus, den Juden, als Sohn Gottes und Erlöser/Messias, der (unaufdringlich) allen (!) Menschen zu ihrem Heil zu verkündigen ist. Und das neutestamentliche Bild vom „Schleier“ umschreibt auch aus meiner Sicht durchaus zutreffend die Annahme bzw. Nicht/Noch-nicht-Annahme des Glaubens an Jesus.«
Darauf können wir uns sofort einigen.
Uli hat geschrieben:»Nur ist bei diesem Bild die Frage, wer es wann wozu einsetzt...«
Ich mit der ganzen Tradition der Kirche nach dem Vorbild Pauli.
Uli hat geschrieben:»Und, nochmals: Ich kenne aus erzkonservativ-katholischen Publikationen leider genug Antisemitisches - ohne daß ich damit "die Tradition" insgesamt ablehne.«
Da müßtest du schon auf Leute wie Johannes Rothkranz oder Publikationen nach Art von »Kyrie eléison« zurückgreifen. Ob die aber irgendwie katholisch sind? Doch wohl nicht im Ernst. Nicht einmal bei gemäßigten Sedisvakantisten (wie z. B. Wiegand Siebel) finde ich Antisemitismus, mit Verlaub.
Uli hat geschrieben:»Frage: Juden, die an Jesus glauben = weiß? Juden, die nicht an Jesus glauben = schwarz? Apropos Juden, die an Jesus glauben: Petrus, der erste Papst, war Jude(nchrist), überhaupt die Apostel – Edith Stein war Jüdin(christin) - der heutige Kardinal von Paris, Lustiger, ist Jude(nchrist) ... «
Hier müßte man mal sauber die Begriffe trennen. Das eine sind „die Juden“ als das Volk des Alten Bundes. Ein Volk nach dem Fleisch, zugleich aber auch eine Gemeinschaft – wenn auch oft genug abgefallen, zerstritten und zersplittert, das bleibe hier mal außen vor – in der Verehrung des einen Gottes, also in der Religion.

Durch Jesus Christus wurde die Trennwand zu „den Völkern“, also den Heiden, niedergerissen. Er bildete eine einzige Gemeinschaft des Heils aus Juden nach dem Fleisch und Heiden nach dem Fleisch. Aus beiden wurde ein neues, geistliches Volk, die Kirche. Nun ist aber ein Teil der Juden nach dem Fleisch nicht in die Kirche eingetreten. Sie halten an der Thora fest, ohne zu erkennen, daß sie in Jesus Christus erfüllt ist. Sie bilden (wiederum die Abgefallenen und Liberalen ausgeklammert) eine Gemeinschaft in der Religion, das heißt – nach dem Untergang des Tempelopfers – im Synagogendienst.

Dieses Bild „des Juden“ hat das Bild des Judentums in der Tradition – für welches symbolisch die Darstellung der Synagoga steht – nachhaltig geprägt. Es ist richtig daran zu erinnern, daß es sich jedoch nur um einen Teil des jüdischen Volks nach dem Fleisch handelt: die „ausgebrochenen Zweige“, von welchen der Apostel redet. Das ganze Israel ist der Wurzelstock, in den wir Heiden eingepfropft sind, und nicht alle zweige wurden ausgebrochen, nicht wenige wurden und werden – auch heute noch – wiedereingepfropft.

Man muß also auch unterscheiden, was man meint, wenn man »Jude« sagt. Geht es um die Abstammung – na, das ist fürs Heil sekundär. Interessant ist es schon und etwas besonderes, wenn einer meiner Brüder im Herrn sozusagen „blutsverwandt“ mit dem Herrn selber ist. Geht es um den Juden als Synagogendiener, so gilt, was oben über Schleier, Blindheit und Zeichenhaftigkeit gesagt ist. Geht es um den Juden im geistlichen Sinn – so bin ich selber einer, wie zahllose andre Namenlose in einer Reihe mit Abraham, den Patriarchen und Propheten, den Aposteln und Kirchenvätern.

Uli hat geschrieben:»Zu Roberts Einwand hinsichtlich Beth«
Das ging eigentlich auf dich. Du hattest ja auf kanaan.org verwiesen. (Launs Artikel kenne ich, kann aber in einigen wichtigen Punkten nicht zustimmen.)
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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

@ Uli - das Schwarzweiß bezog sich insgesamt auf Weltbilder ... nicht auf bestimmte Gruppen. Ich kenne messianische Juden, die von anderen Juden fürchterlich angefeindet und in was-weiß-ich-für schreckliche politische Ecken bugsiert werden ... auch da ist das ganze oft mehr Politik und Lobbydenken als was anderes. Das Schwarz-Weiß-Denken ist ja allerorten vertreten.
So gesehen gibt es die Juden nicht, ebenso wenig wie die Katholiken. Es gibt überall Leute mit handfesten Interessen und ihr Urteil über den Rest ihrer Gruppe ist zielgerichtet.
Auch das meine ich allgemein.

Und ergo gibt es auch nicht die Christen, welche die Juden seit Jahrtausenden verfolgen. Ich denke, unsere Pflicht ist es, auch die Zwischentöne zu suchen und zu sehen.

Die messianischen Juden sind natürlich keine Christen, weil sie nicht der christlichen Kirche angehören. Das macht die Sache noch mal verwirrender.

Andererseits halte ich es auch für meine Pflicht, für meine verirrten Mitmenschen zu beten, und ich sehe nicht ein, warum ich nicht dafür beten soll, dass das jüdische Volk den Messias erkennt. Ich bete ja auch für andere Nichtchristen.

Geronimo

Es ist natürlich ein Thema, was die Gemüter immer wieder erhitzen wird.

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Clown
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Beitrag von Clown »

Bei Voltaire vielleicht?

(Jean Marie Kardinal Lustiger, Gotteswahl, St. Ulrich-Verlag. Sehr lesenswert. Nicht so einfach wie vieles hier Niedergelegte.)

Um so etwas zu finden muss man die Kirche erst gar nicht verlassen. (Aber ich will diese leidige Diskussion jetzt nicht nochmal anfangen)
Wer sich nicht bewegt, spürt seine Ketten nicht.

Peter
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Beitrag von Peter »

Auch ich bin dieser dämlichen Diskussion müde. Daher habe ich meine Beiträge zurückgezogen.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Uli: Edi schreibt u. a.: Es ist doch nur eine Ausrede von ihnen (den Juden) bis heute, dass immer andere daran schuld seien.? Oder er schreibt von der "Feindschaft Judentum/Christentum". Solche und ähnliche Sätze rufen bei mir mindestens Bauchweh hervor und bestätigen mich in der Meinung, dass in bestimmten kirchlichen Kreisen nach wie vor ein oft mit angeblichen Fakten verbrämter dumpfer Antisemitismus vorhanden ist.

@uli

Man kann die ebenso faktenverbrämte Aussagen unterstellen, das kann man heutzutage jedem, da es genug Dinge in der Vergangenheit beider Religionen gab, die mehr als schlimm waren.

Wer hat nun recht? Ich würde sagen das neue Testament hat Recht und da geht klar hervor wie der jüdische Glaube angesichts des Erscheinens des Messias zu beurteilen ist. Weiterhin geht auch hervor, dass niemand deswegen berechtigt sein kann, Juden zu verfolgen. Paulus stellt hier beides klar.
Tatsache war doch, dass eine gewisse geistliche Feindschaft vorhanden war und zum Teil heute noch ist. Zwar müssen die Unterschiede zu Trennungen und deutlichen Abgrenzungen führen und die sind auch in klaren Worten zu manifestieren wo nötig. Wir können, dürfen und müssen uns da an Jesus selber halten, der aber hat trotz seiner harten Worte an die entsprechenden Juden, nicht zur Verfolgung und Ähnlichem aufgerufen.
Ich meine , dass die Einschätzung dieser ganzen Thematik u. a. auch mit der persönlichen Glaubenssubstanz zu tun hat. Viele können nicht unterscheiden zwischen Fakten und Gesinnungen. Wer Fakten bringt, der muss auch entsprechend Gesinnungen haben, wird behauptet. Daher hat man Robert oben auch Lieblosigkeit unterstellt und das kommt in andern Äusserungen indirekt auch immer wieder zum Ausdruck.
Da die Juden in der Vergangenheit durch das Hitler-Regime schlimmste Leiden erdulden mussten bis hin zur Vernichtung, schlägt das Pendel in die Richtung aus, die das sozusagen "kompensieren" will und das geht bis in die Kirchen hinein. Somit ist es heute schwer, eine objektive biblische Sicht dazu zu erlangen, die deutlich zu unterscheiden weiss, aber auch erkennt, dass Gott sein Volk des alten Bundes nicht für alle Zeit vergessen hat, sondern ihm noch viele Gnaden einmal erweisen wird, wenn die Zeit dazu gekommen ist.
Wer Christus liebt wird keinen Juden, ja keinen Menschen schädigen wollen, wird für alle Juden, ja alle Menschen beten können, was aber nicht meint, dass er nun einen religiösen Mischmasch macht, im Gegenteil. An Jesus Christus kommt nunmal kein Mensch vorbei, so oder so, entweder zum Gericht oder zur ewigen Seligkeit. Das sind nicht meine Worte sondern Gottes Worte.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Peter hat geschrieben:Auch ich bin dieser dämlichen Diskussion müde. Daher habe ich meine Beiträge zurückgezogen.
Finde ich ausgesprochen schade. :sauer: Diese Diskussion ist so unwichtig nicht.
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Peter
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Beitrag von Peter »

Nicht böse sein, Robert. Ich habe ja nur das Hickhack herausgenommen. Diese blöden Unterstellungen!

Ich habe noch etwas beizutragen, was Kardinal Lustiger zum Thema gesagt hat – und dann adé!

uli
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Beitrag von uli »

... find ich wie Robert auch schad, Peter. Und was heißt "dämliche Diskussion", "blöde Unterstellungen", "Hickhack", "Beiträge zurückziehen"? Ich sehe im Kreuzgang Diskussionen (wenn ich allein dieese gigantisch aufgeplusterte St-Pölten-Diskussion nehme), die all das, was du da sagst, eher verdient hätten. Aber na ja, that´s life ... :(


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Felicitas
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Beitrag von Felicitas »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Darum bete ich auch zum Herrn, er möge den Schleier hinwegnehmen von jenem Teil Israels, der noch immer mit Blindheit geschlagen ist.
Das jüdische Volk ist doch nicht mit Blindheit geschlagen :kratz: Das jüdische Volk ist Gottes auserwähltes Volk und folgt dem Heilsplan, den Gott für Sein Volk vorgesehen hat. Da brauchen Christen sicherlich nicht betend eingreifen.

Gruß
Felicitas

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Felicitas hat geschrieben:»Das jüdische Volk ist doch nicht mit Blindheit geschlagen Das jüdische Volk ist Gottes auserwähltes Volk und folgt dem Heilsplan, den Gott für Sein Volk vorgesehen hat. Da brauchen Christen sicherlich nicht betend eingreifen.«
Folgt es dem Heilsplan? Der hat einen Namen: Jesus Christus, in welchem jedes Knie sich beuge der Himmlischen, der Irdischen und der Unterirdischen. Ja, ein Teil des Volks der Juden nach dem Fleisch folgt seinem und meinem Heil. Sie sind in die Kirche eingetreten, und ich darf ihr Bruder heißen.

Wo aber dem andern Teil Israels Blindheit widerfahren ist, da erkennen sie ihren und meinen Heiland nicht, da sind die Herzen umschleiert, da wäre ich ein schlechter Knecht, würde ich nicht für sie beten, daß auch sie unsern Herrn und Messias erkennten.

Wollte ich sie gar bestärken in ihrer Blindheit – das sei ferne, denn es hieße ja, sie tiefer in die Finsternis zu stoßen. Da wäre ich ein Brudermörder.
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Clown
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Beitrag von Clown »

Andererseits denke ich beten sie auch für dich, da du ja in ihren Augen einem falschen Messias folgst. Die jüdische Religion find ich allerdings ein wenig merkwürdig, da ihr der Missionierungsgedanke fehlt und meistens Abstammung mit Glauben irgendwie vermengt wird.
Wer sich nicht bewegt, spürt seine Ketten nicht.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Felicitas hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Darum bete ich auch zum Herrn, er möge den Schleier hinwegnehmen von jenem Teil Israels, der noch immer mit Blindheit geschlagen ist.
Das jüdische Volk ist doch nicht mit Blindheit geschlagen :kratz: Das jüdische Volk ist Gottes auserwähltes Volk und folgt dem Heilsplan, den Gott für Sein Volk vorgesehen hat. Da brauchen Christen sicherlich nicht betend eingreifen.

Gruß
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Wenn du dir aber die Prophetenbücher durchliest, stelltst du fest, dass Gott mit dem, was sein auserwähltes Volk aus dem Glauben an ihn gemacht hat, gar nicht so einverstanden war. Wäre das so gewesen, hätte es keines Jesus und keines Kreuzestodes bedurft, um die Menschheit zu erlösen. Ich denke, die Geschichte des Volkes Israel ist eine Geschichte, die der Vergangenheit angehört - die Zukunft begann mit dem Neuen Testament. Die Propheten, vor allem Jesaja, reden nicht umsonst von einem verdorrten Zweig, aus dem ein Trieb entsprosst.

Der Messias wurde damals brennend erhofft - dass er gekommen ist und von vielen nicht erkannt wurde, heißt nicht, dass die jüdische Religion sich weiterentwickelt hat; sie ist stehengeblieben, zu einem zementierten Etwas geworden.

Man darf ja auch nicht vergessen, dass Jesus nicht DAS Christentum ins Leben gerufen hat - er hat überhaupt keine neue Religion begründet. Er wollte alle Menschen und damit zuvörderst auch SEIN Volk in die Herrlichkeit führen. Aber dieses Volk hat sich in weitgehendst gegen ihn entschieden (womit ich nicht die Kreuzigung meine, sondern die Entscheidun, die danach gefallen ist, als die (jüdischen) Apostel begannen, Jesus zu verkünden. Da fiel die Entscheidung - und das Wort Christen entstand erst danach, als sich das Judentum von Jesus endgültig verabschiedete.
Insofern ist es meine Überzeugung, dass der ersehnte Messias der Juden erschienen. Sie hatten ihre Chance, dies zu erkennen nach der Auferstehung und indem sie den Aposteln geglaubt hätten. Diejenigen, die es taten, sind zu Christen geworden (zusammen mit den bekehrten Heiden). Man erinnere sich auch an die heftige Auseinandersetzung unter den Aposteln, da vielerortens zuerst auch die Auffassung herrschte, Jesus sollte überhaupt nur unter den Juden verkündet werden.


Geronimo

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Es bekehren sich übrigens durchaus auch heute viele Juden. Zur russisch-orthodoxen Kirche von Berlin zum Beispiel gehört eine ganze Anzahl konvertierter russischer Juden.
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Felicitas
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Beitrag von Felicitas »

Ich kann es nur noch einmal betonen: das jüdische Volk steht unter Gottes besonderer Fürsorge. Wenn es Gottes Ziel ist, den jüdischen Glauben "aussterben" und im christlichen aufgehen zu lassen, dann wird dies auch geschehen. Bis dahin beten wir doch lieber dafür, dass wir selbst das richtige Glaubensverständnis haben und auf dem richtigen Weg sind.

Gruß
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Beitrag von Felicitas »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Es bekehren sich übrigens durchaus auch heute viele Juden. Zur russisch-orthodoxen Kirche von Berlin zum Beispiel gehört eine ganze Anzahl konvertierter russischer Juden.
Es bekehren sich Menschen aller möglichen Religionen zum Christentum.
Mir liegen keine statistischen Angaben darüber vor, wieviele Juden im Sinne der Halacha sich jährlich weltweit zum Christentum bekehren. Hast du da etwa genauere Informationen? Mein persönlicher Eindruck aus der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und aus meiner Zeit in Israel ist allerdings, dass es sich um eine verschwindend kleine Anzahl von Menschen handelt, die diesen Weg geht.

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Beitrag von Felicitas »

Clown hat geschrieben:Die jüdische Religion find ich allerdings ein wenig merkwürdig, da ihr der Missionierungsgedanke fehlt und meistens Abstammung mit Glauben irgendwie vermengt wird.
Nach jüdischem Verständnis brauchen Nicht-Juden nur die sieben noachidischen Gesetze zu beachten. Es ist nicht nötig, dass sie sich zum Judentum zu bekehren, um nach Gottes Willen zu leben. Daher gibt es im Judentum auch keine Mission.

Gruß
Felicitas

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Felicitas hat geschrieben:»Wenn es Gottes Ziel ist, den jüdischen Glauben "aussterben" und im christlichen aufgehen zu lassen …«
Wenn es Gottes Absicht ist, Gesetz und Propheten zu erfüllen, dann entäußert er sich und kommt selbst im Fleisch. Das ist geschehen! Darum dann man nicht dem Alten Bund treu sein und doch seine Erfüllung und sein Ziel, den Neuen Bund, bewußt ablehnen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Felicitas hat geschrieben:»Daher gibt es im Judentum auch keine Mission«
Das gilt zwar für die Mehrheit, aber nicht für alle israelitischen Denominationen und nicht für alle Zeiten der Geschichte.
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Felicitas hat geschrieben:Ich kann es nur noch einmal betonen: das jüdische Volk steht unter Gottes besonderer Fürsorge.
Ich frage mich, woher man diese seltsame Ansicht immer wieder nimmt. Denn wenn man das ethnisch oder gar politisch meint, behauptet man, Gott würde irgendwie der Hautfarbe, und nicht dem Herzen nach urteilen. Was aber nach geistlichem Verständnis das "jüdische Volk" ist, das hat Robert deutlich dargelegt. Ein Jude ist der, den Gott lobt.
[bible]offenbarung 3:9[/bible]

Felicitas
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Beitrag von Felicitas »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Felicitas hat geschrieben:»Daher gibt es im Judentum auch keine Mission«
Das gilt zwar für die Mehrheit, aber nicht für alle israelitischen Denominationen und nicht für alle Zeiten der Geschichte.
Hast du Beispiele?

Felicitas
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Beitrag von Felicitas »

Felicitas hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Felicitas hat geschrieben:»Wenn es Gottes Ziel ist, den jüdischen Glauben "aussterben" und im christlichen aufgehen zu lassen …«
Wenn es Gottes Absicht ist, Gesetz und Propheten zu erfüllen, dann entäußert er sich und kommt selbst im Fleisch. Das ist geschehen! Darum dann man nicht dem Alten Bund treu sein und doch seine Erfüllung und sein Ziel, den Neuen Bund, bewußt ablehnen.
Ist OK, Robert, das ist eben dein Glaube/deine Sichtweise. Hier kommen wir wohl nicht mehr weiter. Ich finde das Beten für Juden, dass sie sich zum Christentum bekehren, eben unangemessen. Aber nichts für ungut: Jedem das Seine.

Gruß
Felicitas

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

@Felicitas - das ist natürlich unbenommen, das so zu sehen. Ich dachte aber eben gerade daran, dass ich ja auch für meine Kinder bete, dass sie beim Glauben bleiben und für alle möglichen anderen Leute, dass sie sich bekehren.Warum ich da ein Volk auslassen sollte, ist mir nicht einleuchtend.
Das Beten dafür, dass andere zum christlichen Glauben finden, hängt ja eng damit zusammen, dass ich diesen Glauben für denjenigen halte, der alle Welt gebracht werden soll. Warum sollte ich Leuten etwas vorenthalten oder nicht gönnen, was ich für den Glauben schlechthin halte?

Aber wie gesagt - dass muss ja nicht jeder so machen.


Geronimo

Felicitas
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Beitrag von Felicitas »

Geronimo, ist mir schon klar, was du meinst. Aber wie würdest du dich denn fühlen, wenn Angehörige anderer Religionen dafür beten, dass du dich zu ihrer Religion bekehrst? Mich würde das provozieren und bekehren würde ich mich wohl dann erst recht nicht.

Gruß
Felicitas

uli
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Beitrag von uli »

Hier ein paar interessante Statements zum Thema, speziell auch zum sog. "messianischen Judentum", "Mission an Juden" etc., mit tiefer gehenden Erwägungen, informativen Details und unterschiedlichen Sichtweisen (von "kirchenoffiziell" bis "evangelikal"). Das Thema ist wirklich sehr facettenreich und absolut nix für 0-8-15-Lösungen, sondern für behutsames, einfühlsames Rangehen und gründliches Nachdenken.

Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland unter:
www.ekd.de/EKD-Texte/c-j3/inhalt.html

Stellungnahme eines österr. kath. Priesters:
www.dike.de/Lomdim/md2000/04md0300.html

Stellungnahme von evangelikaler Seite:
www.segne-israel.de/mag/am_0inh.htm


Uli

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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Felicitas hat geschrieben:Geronimo, ist mir schon klar, was du meinst. Aber wie würdest du dich denn fühlen, wenn Angehörige anderer Religionen dafür beten, dass du dich zu ihrer Religion bekehrst? Mich würde das provozieren und bekehren würde ich mich wohl dann erst recht nicht.

Gruß
Felicitas
Das wäre mir im Grunde egal ... Ich meine, es ist doch klar, dass die anderen Leute ihre eigene Religon für die beste halten. Ich kann ja nicht von einem Muslim oder einem Juden erwarten, dass er das nicht täte ... Ich würde eher sagen, Menschen, die nicht so dächten, halten nicht sehr viel von ihrer Religion.
Nee, bekehren könnte mich natürlich keiner. Aber provozieren - auf keinen Fall.
Es hieße für mich einfach nur, dass der andere seine religiösen Überzeugungen ernst nimmt. Damit kann ich eher leben als mit so einem Beliebigkeitsdenken (was die anderen Religionen auch nicht haben, das ist eher heutzutage christenspezifisch).

Geronimo

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Edi
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Beitrag von Edi »

Oh, ich glaube, dass z.B. viele Muslime für uns Christen auch beten, dass wir ihre Religion annehmen. Ist ja aus deren Sicht auch gut gemeint, wenn auch für Christen unannehmbar. Umgekehrt beten Christen auch für Muslime und Juden.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Felicitas hat geschrieben:»Hast du Beispiele?«
Nun, heutige „messianische Juden“ kann man wohl durchaus als missionarisch bezeichnen. Freilich handelt es sich eher um Rand- oder Grauzonenerscheinungen, wie auch manch andere jüdische Sekte, von den Ebioniten angefangen.

Echter jüdischer Proselytismus ist aber schon vorchristlich belegt, neben dem Phänomen nicht eigentlich übergetretener, aber den Juden gewissermaßen assoziierter „gottesfürchtiger Männer“, wie sie etwa im Neuen Testament bezeugt sind. Freilich ist das, von Ausnahmen abgesehen, noch keine eigentliche „Mission“.

In christlicher Zeit finden wir aber im Römischen Reich seit der definitiven Trennung von Ecclesia und Synagoge, mindestens während der ganzen Zeit des jüdischen Patriarchats unter dem Nasi bis ins fünfte Jahrhundert, und teils darüber hinaus bis in die Zeit des Feldzugs des Perserkönigs Chrosroes II. gegen Palästina, eine mitunter sehr intensive jüdische Mission, oder anders gesagt: offene Konkurrenz zwischen Kirche und Judentum um Gläubige oder Proselyten.

Auch außerhalb des Römischen Reichs, besonders im assyrisch-persischen Raum gab es zu dieser Zeit mindestens ebenso intensive jüdische Mission. – Sonderfragen ganz eigener Art wären dann Phänomene wie die Karäer, die Konversion der Chasaren oder die Herkunft der äthiopischen Juden.
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uli
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Beitrag von uli »

Na, so´n Zufall aber auch: Gerade heute lese ich in den Mitteilungen der (sagen wir mal so: sehr konservativ-katholischen) „Una voce"-Gruppierung (nebenbei: ich beziehe/lese auch das progressiv-christliche „Publik-Forum" ... 8) ) einen Artikel mit der Überschrift „Antisemitismus im Neuen Testament?" Da geht´s um ein Referat des Historikers und evgl. Theologen Carsten Peter Thiede, der in Basel und in Israel an der Ben Gurion Universität Umwelt- und Zeitgeschichte des Neuen Testaments lehrt. (Den Artikel gibt´s nicht im Netz, deshalb keine Verlinkung möglich, sondern hier wesentliche Auszüge:)

Es bestehe kein Zweifel, so Thiede, dass die als antisemitisch geltenden Abschnitte des Neuen Testaments seit dem zweiten Jahrhundert nach Christus bis in die Gegenwart gezielt in diesem (angeblich) antisemitischen Sinne benutzt wurden (d. h. also, von Antisemiten gezielt eingesetzt wurden). Zu klären sei aber, ob ihre Verfasser damit tatsächlich Hass gegen die Juden schüren wollten. Ein Autor könne schließlich kaum für die Wirkungsgeschichte seiner Schrift verantwortlich gemacht werden, wenn sie seinen Intentionen zuwiderlaufe.

Zwar setzten sich die Schriften der „Jesus-Anhänger", so Thiede, ausgesprochen kritisch mit jenen Mitjuden auseinander, die nicht ihrer Meinung waren. Dank der Wiederentdeckung der Schriftrollen von Qumran wüssten wir aber, wie im Judentum bereits vor dem Auftreten Jesu um die wahre Deutung der biblischen Schriften gekämpft wurde. Daran gemessen sei die gelegentlich scharfe Wortwahl im Neuen Testament das freundliche Geplänkel eines Kaffeekränzchens.

Dennoch hätten die Leute von Qumran ebenso wenig einen Antijudaismus vertreten wie die Autoren des Neuen Testaments, da die Verfasser der neutestamentlichen Schriften ja ebenfalls Juden seien. Leider seien deren Aussagen und Intentionen von den nachfolgenden nichtjüdischen Christen der griechisch-römischen Welt in verhängnisvoller Weise falsch interpretiert wurden.

So sei kaum eine andere Stelle der Evangelien so eindeutig als „antisemitisch" gedeutet worden wie Matthäusevangelium 27, 24 -25: „Und das ganze Volk erwiderte: Sein Blut über uns und unsere Kinder." Sollte Matthäus hier tatsächlich, so Thiede, dem ganzen jüdischen Volk zuschreiben wollen, es habe das eigene Blut, also Verfolgung und Tod, für sich und alle Nachkommen in Kauf genommen, um die Ermordung Jesu zu bewirken? In Wirklichkeit sei es jedoch nur eine kleine Gruppe handverlesener Jesus-Gegner gewesen, die im Prätorium des Pilatus zusammenkam und Platz fand (nicht das "ganze" Volk). Schon allein aufgrund dieser Rekonstruktion sei es nicht möglich, Matthäus zu unterstellen, er habe alle Juden weltweit und für alle Zeiten zur blutigen Verfolgung freigeben wollen. Was nun die bei Pilatus versammelten Jesus-Gegner da laut artikulierten ("Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!"), war – so Thiede – eine Formel aus dem Alten Testament, die Juden wohl vertraut war: Sie besage nichts anderes, als die Verantwortung für das zu übernehmen, was man gegenwärtig wünscht oder tut. Dass dies den historischen Gegebenheiten entsprach, könne kaum bestritten werden.

Selbst das als besonders problematisch geltende Johannesevangelium gebe für den Vorwurf des Antijudaismus oder gar für eine Aufforderung zum Judenhass nichts her. So richte sich etwa die Stelle Johannes 8,40 ff. (das Wort Jesu: „Ihr habt den Teufel zum Vater!") allein gegen jene Mitjuden (des Juden Jesus), die offenkundig seinen (Jesu) Tod wünschten. Jesus erkläre hier, dass jene, die ihn töten wollten, in der Nachbarschaft Satans stünden, der den Tod in die Welt gebracht habe. Wie die Schriftrollen von Qumran zeigten, gehörte dieser Tonfall damals zur innerjüdischen Streitkultur. Davon, dass Johannes (mit diesem Jesus-Satz)die Juden zu Teufelskindern machen wollte, könne nicht die Rede sein. Eine authentische Interpretation des Neuen Testaments müsse somit immer davon ausgehen, dass seine Autoren Juden waren, die mit anderen Juden über entscheidende Fragen des Glaubens und Lebens stritten; dies allerdings nicht, so Thiede, in einem gepflegten Diskurs, wie er heute in jüdisch-christlichen Diskussionsrunden üblich sei: Vielmehr benutzten sie harte, zum Teil aggressive Formulierungen, die sie selbst nicht erfanden, sondern aus einer gemeinsamen Quelle übernahmen, dem Alten Testament. Die fast zweitausend Jahre dauernde Feindschaft gegen die Juden innerhalb des Christentums habe sich daher auf das Neue Testament ebenso zu Unrecht gestützt wie die heutigen Kritiker, die es als judenfeindlich qualifizieren. Beide interpretierten falsch, was im Neuen Testament tatsächlich gesagt werde. Insofern seien zwar in der Tat die neutestamentlichen Schriften (leider) zu Quellen der Judenfeindschaft geworden, aber sie selbst seien keine judenfeindlichen Quellen.

Uli

www.textdienst.de/woran_christen_glauben.htm

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Danke, Uli, für die ausführliche Erörterung des Artikels ... Eigentlich sagt es ja nichts anderes aus, als was sich jeder einigermaßen denkende Mensch eh schon stets gesagt hat - nämlich dass in den falschen Händen alles zu Mist wird.

Man kann die ganze Bibel, wenn man will, als Rechtfertigung für alle möglichen Schandtaten heranziehen - das ist keine Kunst. Die Kunst besteht darin, aus all dem, was geschieht, die Wahrheit rauszufiltern, und nicht die unschuldige angebliche "Ursache" als Grund des Übels anzusehen.
Matthäus ist auf einer ganz anderen Ebene anzusiedeln als diejenigen, die ihn rechtslastig als Rechtfertigung heranziehen. Allerdings weiß man nicht, wer dümmer ist - diejenigen, die das Neue Testament im antisemitischen Sinne auszuschlachten versuchen, oder diejenigen, die das dann dem Neuen Testament anlasten.
Ich bin mir sicher, wenn sich damit eingehend beschäftigt, kann man sicher aus Jesus Judenfeindlichkeit nachsagen ... ;)

Geronimo

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