Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

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Yeti
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Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Yeti »

Ein Sammelstrang zum Thema England, Vereinigtes Königreich, Politik und Kultur...Englands Melancholie Daraus:
Die Zeit hat geschrieben:"Begreift ihr wirklich", lässt sich die Frage daher übersetzen, "dass wir etwas Besonderes sind? Anders als alle anderen europäischen Staaten? Dass wir, die Nachfahren des Empire, in dem die Sonne nicht unterging, im Herzen größer sind als Europa?"
Sagen wir's britisch: "How about: no?"
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Torsten
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Torsten »

Im Herzen größer sein(, als wer?). Für eine Fahne. Für ein Empire. Mein Herz ist groß genug für meinen Körper. Es schlägt so dahin. Und manchmal schüttet es Gott sein Leid aus darüber, was es so satt hat.

Und vergisst dabei nie, was es mit IHM teilt. Keine Fahne, kein Imperium. Die Liebe. Die nicht großartig ist, sondern sich aus der Unendlichkeit speist, und ebenso unergründlich daherkommt, dass es dafür keine Zeichen gibt, außer der Demut, der Bereitschaft, zu helfen und sich zu opfern für das, an was man mit diesem Herzen glaubt: An DICH.

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Am 7. Mai finden im Vereinigten Königreich Wahlen statt. Diese könnten für Europa wichtiger sein als GR und sein Finanzproblem, denn
- im Falle eines Wahlsieges hat Cameron ein Referendum über den EU-Verbleib versprochen. Dabei ist nicht sicher, ob die Mehrheit der Briten weiterhin eine EU-Mitgliedschaft befürworten.
- die UKIP, die einen sofortigen EU-Austritt fordert, wird stärker.

Ein Hauptthema im Wahlkampf scheint die Einwanderung zu werden. Viele Briten glauben: Das Boot ist voll
Neuen Forschungsberichten zufolge schwillt die britische Metropole nämlich in Rekordzeit an. Ums Jahr 23 herum dürften in der Themsestadt schon über 1 Millionen Menschen leben. Das wären 18 Prozent mehr, als es heute in London gibt.
Nicht eine hohe Geburtenrate oder die Übersiedelung aus der Provinz sind es, die diesen Bevölkerungsschub auslösen, sondern die Zuwanderung von aussen, von Bürgern anderer Nationalität. Nach 23, hat die Londoner «Times» ermittelt, dürfte bereits mehr als die Hälfte der Bewohner der britischen Hauptstadt nicht mehr britischer Geburt sein.
(...)
Laut jüngsten Umfragen des Instituts YouGov finden nämlich drei von vier Briten, dass es auf der Insel «in den letzten zehn Jahren zu viel Einwanderung» gegeben hat. 63 Prozent glauben ausserdem, dass keine der etablierten Parteien in der Lage sei, den Zustrom aufzuhalten.
Diese Überzeugung ist vor allem seit der Veröffentlichung der Einwanderungszahlen fürs Vorjahr gewachsen. Praktisch verdoppelt hat sich die Netto-Immigration nach Grossbritannien zwischen 212 und 214 – auf mittlerweile knapp 3' Personen im Vorjahr. Tory-Regierungschef David Cameron aber hatte seinen Landsleuten bei der Regierungsübernahme 21 noch gelobt, die jährliche Rate auf unter 1' zu drücken.
«Ohne Wenn und Aber» hatte Cameron seinen Wählern eine solche Drosselung damals versprochen. Jetzt, wenige Wochen vor den Neuwahlen am 7. Mai, muss der Premier zugeben, dass ihm das nicht gelungen ist.
(...)
Von innerhalb wie von ausserhalb der Europäischen Union ziehen nun Hunderttausende nach England. «Eine Demütigung» sei das Ganze für Cameron, urteilt die konservative Zeitung «Times» harsch, «ein spektakuläres politisches Versagen».
Das ist Wasser auf Ukips Mühlen. Die Anti-Immigrations-Partei hat sich ja den bedingungslosen EU-Austritt auf ihre Fahnen geschrieben – und ein Austritt würde für sie vor allem das Ende der Personenfreizügigkeit zwischen Insel und Kontinent bedeuten. Im Übrigen schwebt Ukip ein Punktesystem «nach australischem Vorbild» vor, mit dessen Hilfe speziell benötigte Arbeitskräfte aus aller Welt ins Land gelassen, nicht benötigte aber draussen gehalten werden sollen.
http://www.derbund.ch/ausland/europa/Da ... y/2191726

Bei einem guten Abschneiden der UKIP könnte Cameron gezwungen sein, ähnlich wie die Schweiz die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU in Frage zu stellen. Brüssel kann sich darauf nicht einlassen, ein Kompromiß scheint nicht möglich. Tritt Cameron vor dem Referendum mit leeren Händen vor die Bürger, könnten für diese die Nachteile der von ihnen nie geliebten EU-Mitgliedschaft überwiegen.
Insofern hat das Ergebnis der UKIP weitreichende Folgen für die EU. Je besser ihr Ergebnis ist, umso härter muß Cameron verhandeln und versuchen, Änderungen in Brüssel zu erreichen. Ob man aber in Brüssel bereit ist, wichtige Felder der Gemeinschaftspolitik zu renationalisieren, erscheint zweifelhaft. Dabei hat sich GB in vielen Fällen bereits Sonderregelungen ausbedungen. Es muß z.B. nicht den Euro einführen, man erhält den sog. "Briten-" oder "Thatcher"-Rabatt bei der Kostenverteilung, man gehört nicht zum Schengenraum und ist insofern von der gemeinsamen Visavergabe an Drittstaatler nicht betroffen und man muß einige Richtlinien (z.B. Familienzusammenführung) nicht umsetzen. Selbst die Grundrechtscharta des Lissabon-Vertrages - einer Art EU-Verfassung - gilt aufgrund einer opt-Klausel für Großbritannien nur eingeschränkt:
Für Großbritannien und Polen gibt es außerdem ein "Opt-out", das bedeutet, dass in diesen beiden Ländern besondere Bestimmungen über Ausnahmen im Hinblick auf die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs und nationaler Gerichte für den Schutz der in der Charta anerkannten Rechte gelten werden.
http://www.europarl.de/de/europa_und_si ... harta.html

Trotzdem Unzufriedenheit mit Brüssel - was läuft dort falsch... :pfeif:

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Siard
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Siard »

Caviteño hat geschrieben:Trotzdem Unzufriedenheit mit Brüssel - was läuft dort falsch... :pfeif:
Du hast den Britenrabatt bei den Beiträgen vergessen.

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Siard hat geschrieben: Du hast den Britenrabatt bei den Beiträgen vergessen.
Hab ich nicht:
Caviteño hat geschrieben: Es muß z.B. nicht den Euro einführen, man erhält den sog. "Briten-" oder "Thatcher"-Rabatt bei der Kostenverteilung, man gehört nicht zum Schengenraum und ist insofern von der gemeinsamen Visavergabe an Drittstaatler nicht betroffen und man muß einige Richtlinien (z.B. Familienzusammenführung) nicht umsetzen.

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Brexit statt Grexit – wer verlässt Europa schneller? von Roland Tichy
Die Lächerlichkeit des Euro-Chaos ist Wasser auf die Mühlen derjenigen jenseits des Kanals, die ohnehin den Brexit, also den britischen Austritt aus Europa betreiben. Am 7. Mai sind Wahlen. Die Europagegner scheinen Oberwasser zu kriegen; aber wichtiger als gewonnen Unterhaussitze ist, dass der Ausstiegskurs auch die anderen Parteien unter Druck setzt – der Brexit gewinnt Anhänger in allen Parteien. Und das ist die eigentliche schlechte Nachricht: Der Grexit wäre nur eine historische Fußnote oder wirtschaftliche Randnotiz – aber der Brexit, der Austritt Großbritannien aus der EU, ein echter Verlust für Europa: Die Insel ist dabei, Frankreich als zweitgrößte Wirtschaftsmacht Europas nach Deutschland zu überholen; es ist eine Atommacht und global bestens vernetzt. Diese Bedeutung sollte man nicht unterschätzen – vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Welt nicht friedlicher wird und die Bundeswehr faktisch nicht mehr einsatzfähig ist. Zudem ist Großbritannien marktwirtschaftlich orientiert und bildet damit das Gegengewicht zum etatistischen Frankreich. Mit Großbritannien würde Europa eine wirkliche Säule verlieren.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen D und GB sind eng, Platz 3 (nach F und USA) bei den Exporten, Platz 6 bei den Importen und Platz 5 bei den Außenwirtschaftsumsätzen. Ein Ausscheiden GB aus der EU wäre viel folgenreicher für D als ein Grexit. Ohne GB würde die Dominanz der Südländer in der EU und insbesondere in der Eurozone noch wachsen. Es wäre auch nicht sicher, ob nicht andere nordeuropäische Länder (Dänemark z.B. hat schon jetzt viele Sonderregelungen) mittelfristig eine lockere Wirtschaftsunion mit GB der EU (-Regelungswut) vorziehen würden.

Ein Wegbrechen des nördlichen (skandinavischen und baltischen) und dafür die Stärkung des süd(ost)europäischen (Aufnahme der Balkanstaaten) Pfeilers der EU wäre ein Horrorszenario.

HeGe
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von HeGe »

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Siard
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Siard »

Hört, hört! 8) Ich glaube es stimmt nicht mehr.

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cantus planus
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von cantus planus »

!
Siard hat geschrieben:
Hört, hört! 8) Ich glaube es stimmt nicht mehr.
Das ist genau so putzig wie die schizophrene Kraftmeierei der CSU in Bayern: politisch unterstützt man alles, was zur Auflösung der christlichen Restgesellschaft dient, und im Bierzelt fordert man lauthals das Gegenteil und erklärt Bayern zum christlichen Land (was zumindest folkloristisch betrachtet noch[!] stimmt).

Das erinnert mich an Angela Merkel, die das fehlende christliche Profil der CDU vor Jahren mit den gestanzten Worten schärfen wollte: "RE-DEN-WIR-DOCH-EIN-MAL-WIEDER-ÜBER-DAS-CHRIS-TEN-TUM!!" Sie hat das Problem nicht ansatzweise begriffen. Wer postchristliche Politik macht, muss auch keine Sonntagspredigten mehr halten...
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‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Schon erstaunlich, welche Äußerungen Politiker vier Wochen vor der Wahl und mit der UKIP im Nacken machen. Angesichts dieser Umstände muß man das auch nicht zur Kenntnis nehmen - oder hört jemand einem Telefonverkäufer zu? :roll:

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Yeti
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Yeti »

Na prima, dann wird Cameron doch sicher die Millionen, die er früher für Atom-U-Boote und Raketen ausgab, den nicht wenigen Bedürftigen im Land geben. Monetär kann sich das Land ebenso wie Frankreich den Schwachsinn sowieso längst nicht mehr leisten.
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HeGe
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von HeGe »

Sicherlich könnte man angesichts solcher Aussagen verlangen, dass diese nicht bloße Lippenbekenntnisse bleiben, sondern dass den Worten auch Taten folgen müssten, um glaubwürdig zu bleiben. Meine Befürchtung ist aber, dass eher auch diese Bezeugungen zukünftig ausbleiben werden. Ob das der bessere Weg ist?
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Yeti
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Yeti »

Royals zeigen Hitlergruß: Kleine Queen und großer Diktator
Ein Video, in dem die Queen als Mädchen den Hitlergruß zeigt, empört die Briten. Waren die kleine Elizabeth und ihre Mutter so fasziniert von den Nazis wie der spätere König Edward VIII.?
Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Insel war niemals frei von Rassismus. Im Gegenteil - als "guter" Brite war das im "Empire" eine Selbstverständlichkeit, deshalb auch heute noch die vielen "Sympathien" den Briten gegenüber in Afrika und Asien. Heute kann man ja auch nachlesen, was u.a. Churchill diesbezüglich so von sich gab. Ein echter "Superdemokrat" und sicherlich würdig, bis heute ein Idol für viele Briten zu sein.
#gottmensch statt #gutmensch

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Cameron plant die Abstimmung über den Brexit auf 216 vorzuziehen. Grund ist die Hoffnung auf größere Zugeständnisse.

http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... immen.html

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Die Wahl des neuen Labor-Chefs Jeremy Corbyns macht den Brexit wahrscheinlicher
Doch nicht nur auf Labour und die Politik im Königreich wird die vor wenigen Wochen noch für absolut unmöglich gehaltene Wahl gewaltige Auswirkungen haben. Mit Corbyn scheint auch der Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union ein Stück weit wahrscheinlicher.
Schon seit geraumer Zeit zeichnet sich in der Labour-Partei eine wachsende Aversion gegen Brüssel ab – und auch gegen Berlin. Getragen ist sie von einer seit Jahrzehnten vorhandenen, aber von New Labour und vor allem Tony Blair überdeckten Kritik, dass die EU Kapitalismus und Globalisierung ohne Rücksicht auf die Schwachen in der Gesellschaft zu ihrer Leitlinie gemacht habe.
(...)
Entsprechend wuchs in den Stunden nach seiner Wahl der Druck auf den neuen Labour-Chef, Farbe in Sachen Brexit zu bekennen. Was er tat, in einem Brief an die Pro-Brüssel-Vertreter seiner Partei, der die Quadratur des Kreises versucht: "Labour muss seine eigenen klaren Positionen ausarbeiten, um die Verhandlungen zu beeinflussen. Und dabei mit unseren europäischen Verbündeten zusammenarbeiten für eine Reformagenda, die den einfachen Europäern überall auf dem Kontinent zugutekommt. Wir können mit dem jetzigen Zustand der EU nicht zufrieden sein. Aber das heißt nicht, dass wir aussteigen, sondern drin bleiben, um für ein besseres Europa zu kämpfen."
Ein Ja zur EU-Mitgliedschaft (Link: http://www.welt.de/1459822) , doch mit einem gewaltigen Aber. Nur wenn die Verhandlungen, die David Camerons Leute seit einigen Wochen mit Vertretern der EU-Kommission und des Europäischen Rats führen, zu einem sozialeren Europa führen, will Labour im Club bleiben. Diese Haltung aber steht diametral zu jener der britischen Regierung. Die Forderungen von Premier Cameron zielen genau in die andere Richtung. Was für Labour "ein besseres Europa" ist, ist nicht jenes, das die Tories wollen.
Die Tories wollen die Macht Brüssels über London brechen, indem sie aus dem politischen Integrationsprozess aussteigen und stattdessen das Funktionieren des Binnenmarkts stärken. EU-Vorgaben wie beispielsweise die von den britischen Konservativen verhasste Arbeitszeitrichtlinie sind aber just Regeln, die das linke Labour-Lager unterstützt. Das gilt auch für andere Richtlinien, die die EU-Kommission im Bereich Arbeit und Soziales vorgeschlagen hat.
Cameron will zudem EU-Ausländern den Zugang zur Sozialhilfe massiv erschweren. Erst nach vier Jahren sollen sie Anspruch darauf haben. Ebenfalls eine Forderung, die prinzipiell nicht mit einem soziale Gerechtigkeit fordernden Programm von Labour zusammenpasst.
Vermutlich zu Jahresbeginn 216 kommen die konkreten Verhandlungsthemen zwischen London und den 27 EU-Partnern auf den Tisch. Im September 216, so die jetzige Einschätzung, findet das Referendum statt. Wie aber soll Corbyn ein Ja von Labour zur Union rechtfertigen, wenn Cameron seine Forderungen durchzusetzen vermag?
Dazu kommt, dass Corbyns machtvolle Anhängerschaft aus vielen Briten besteht, die einen tief empfundenen Hass gegen die Tories und ihren Parteichef Cameron pflegen. Wenn das EU-Referendum die Gelegenheit bietet, den Regierungschef zu stürzen, könnten sie die Mitgliedschaft womöglich auf dem Altar englischer Rechts-links-Kämpfe opfern.
http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... icher.html

Es gibt bereits Umfragen, nach denen die EU-Gegner knapp vorne liegen. Die gegenwärtige Flüchtlingskrise, die absehbaren Neuverhandlungen mit GR nach den Wahlen, die Bestrebungen in Katalonien - all das kann den EU-Gegnern noch weiteren Auftrieb geben. Wie Cameron innerhalb von wenigen Monaten seine Forderung nach weniger "Brüssel" durchsetzen kann, erscheint doch sehr zweifelhaft - zumal die oben aufgeführten Probleme einen großen Teil der Zeit binden werden.

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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Camerons Forderungen an Brüssel

Ob da die "Europäer" mitspielen werden? Insbesondere die Absage an weitere Integrationsschritte wird auf wenig Gegenliebe stoßen....

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Langsam scheinen sich die Stimmverhältnisse der Brexit-Befürworter und -gegner anzupassen:
Bis spätestens Ende 217 werden die Briten in einem Volksentscheid über den Ausstieg aus der EU abstimmen. Das hat Großbritanniens Premierminister David Cameron den Bürgern versprochen. Was aus kontinentaleuropäischer Sicht bizarr anmuten mag, ist gar nicht mal so unwahrscheinlich: Von den insgesamt acht Meinungsumfragen, die auf der Insel seit Anfang September durchgeführt wurden, ergaben drei eine Mehrheit für den sogenannten „Brexit“. Es wäre das erste Mal in der Geschichte der europäischen Einigung, dass ein Mitgliedsland der EU den Rücken kehrt.
Die Finanzbranche in der City of London gilt eigentlich als eine Festung der Proeuropäer.
(...)
Doch Luke Johnson ist der wandelnde Beleg dafür, wie tief selbst die City in der Europafrage gespalten ist: Er zählt fest zum Establishment im Londoner Geldgewerbe, und doch steht er dem europäischen Projekt mit tiefer Skepsis gegenüber. „So stark wie im Augenblick war die Anti-EU-Bewegung in der City noch nie“, sagt besorgt und hinter vorgehaltener Hand ein Branchenlobbyist. Die Trennlinie zwischen Proeuropäern und EU-Skeptikern verlaufe zwischen Groß und Klein, erklärt Johnson. Auf der einen Seite stünden die Riesen, allen voran die Großbanken: „Die sind für die EU, weil sie dem Sicherheitsdenken verhaftet sind und Veränderungen scheuen“, sagt er. „Ideenlos und engstirnig“ findet er deren Denkweise. Die Marktführer seien gefangen in einem proeuropäischen „Herdentrieb“.
(...)
Den Proeuropäern stünden die „Unternehmer“ im Geldgeschäft gegenüber, sagt Johnson: Im Kreis der Private-Equity-Gesellschaften und Hedgefonds an der Themse ist er bei weitem nicht der einzige EU-Skeptiker. Branchengrößen wie der Hedgefondsmanager Crispin Odey und Helena Morrissey, die Vorstandschefin des Vermögensverwalters Newton Asset Management, stehen der EU ähnlich kritisch gegenüber wie Johnson.
http://www.faz.net/aktuell/politik/euro ... 77658.html

Nicht nur der Migrantenansturm auch die kritische Haltung einiger europ. Länder gegen das Freihandelsabkommen mit den USA könnten bei der Entscheidung eine Rolle spielen:
Die Handelspolitik spielt deshalb eine zentrale Rolle in der Debatte. Die Gegner der EU-Mitgliedschaft betonen daher die Perspektiven für den internationalen Handel. Großbritannien alleine könne mit einer eigenen Freihandelspolitik mögliche Einbußen beim Zugang zum Binnenmarkt nicht nur kompensieren, sondern sich dadurch sogar besserstellen. Bislang sehen die Briten nach Umfragen von Yougov Europa immer noch als den wichtigsten Handelspartner an. Doch eine Mehrheit glaubt auch, dass in 2 Jahren China diese Rolle als wichtigster Handelspartner übernommen haben wird. Dieses Bild wird wohl durch den China-Besuch von David Cameron noch verstärkt werden, der gerade mit China eine Abmachung über den Bau von Atomkraftwerken in Großbritannien unterzeichnet hat.
Durch die Mitgliedschaft in der EU ist Großbritannien bisher Teil von 57 Freihandelsabkommen, die insgesamt 6 Prozent des britischen Exports abdecken. Die zwei größten Handelspartner Großbritanniens, China und die USA, fallen bislang jedoch nicht darunter. Insoweit ist es durchaus möglich, dass neben der Flüchtlingsfrage der Fortgang der Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) für das Referendum auch noch an Bedeutung gewinnen kann.
http://www.ef-magazin.de/215/1/26/781 ... freihandel

Die Schweiz hat bereits seit einem Jahr ein Freihandelsabkommen mit China - und sieht darin durchaus Vorteile:
Wärend Großbritanniens Premier David Cameron vergeblich bei der EU für eine rasche Aufnahme von Verhandlungen mit Peking über ein Freihandelsabkommen plädierte, hat die Schweiz Nägel mit Köpfen gemacht. Das Kalkül: „Wenn sich Schweizer Firmen vor ihren Konkurrenten aus der EU in China positionieren können, haben sie einen klaren Wettbewerbsvorteil“, sagte Daniel Küng, Chef der Außenwirtschaftsorganisation Switzerland Global Enterprise (SGE), der „NZZ am Sonntag“.
Eine SGE-Studie geht davon aus, dass Schweizer Exporte nach China nun jährlich um 5 Prozent wachsen. Die Zolleinsparungen würden sich bis 228 auf etwa 5,8 Milliarden Franken belaufen (4,8 Mrd Euro). Insgesamt könnten Schweizer Exporteure bereits 215 mehr als 1 Millionen Franken einsparen - bei Uhren, Medikamenten, Chemieprodukten, Präzisionsinstrumenten oder Schokolade. „Diesen Vorteil haben ihre deutschen Konkurrenten nicht“, sagte Küng.
(...)
Chinas größeres Ziel ist ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, seinem wichtigsten Handelspartner. Verhandlungen darüber liegen aber noch in weiter Ferne. Vorher will die EU-Kommission, dass ein geplantes Abkommen über den Schutz von Investitionen unter Dach und Fach kommt. Anders als Großbritannien oder Deutschland fürchten zudem einige EU-Staaten, im Falle eines Freihandelsabkommens mit Peking von chinesischen Billigprodukten überschwemmt zu werden, ohne selbst von stärkeren Exporten nach China profitieren zu können.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... 2733.html

Die EU scheint eben nicht so alternativlos zu sein, wie es bundesdeutsche Politiker immer beschwören.

Vor einiger Zeit wurde schon einmal die Idee einer nordeurop. Freihandelszone erörtert. Ihr könnten Staaten angehören, die die EU auch kritisch sehen. Neben GB wären das die skandinavischen und evtl. die baltischen Staaten und die Visegrad-Gruppe. Auch für Nicht-EU-Länder wie Norwegen, Island oder die Schweiz wäre eine Mitgliedschaft interessant. Eine solche EU light könnte durchaus attraktiv sein, blieben doch die ganzen Problemländer "außen vor" und könnten z.B. geplante Freihandelsabkommen mit anderen Ländern nicht mehr blockieren.

Das Gerangel um die von Frau Merkel angedachte Migrantenaufnahme durch alle EU-Staaten wird sicherlich nicht zu einer besseren Akzeptanz der Bevölkerung führen. Polen hat es am letzten Sonntag gezeigt. :D

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Die Briten haben jetzt ihre Forderungen an die EU präzisiert:
«Wir müssen das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten innerhalb und ausserhalb der Währungsunion reparieren.» Was Osborne damit meinte, ist nicht eine nachhaltige Verbesserung der gesamten Union, sondern die Garantie, dass Grossbritannien von künftigen Fehlentwicklungen einer immer enger zusammenrückenden Union wirksam verschont werden kann. Dabei stehen Interessen der Londoner City im Vordergrund, die vor künftigen europäischen Regulierungen geschützt werden soll.
Osbornes Strategie ist verständlich. In Anerkennung der politischen Kräfteverhältnisse und Prioritäten in einem mit permanentem Krisenmanagement überlasteten Europa hat die britische Regierung tatsächlich den Anspruch aufgegeben, die Union in eine bessere Zukunft zu führen. Stattdessen will man die eigene Haut retten und sich aus absehbaren Fehlentwicklungen so weit wie möglich heraushalten. Im Kern führt die Europastrategie der konservativen Regierung auf das zurück, was die meisten Briten an Europa allein interessiert: das Profitieren von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum und von europäischen Freihandelsabkommen mit dem Rest der Welt. «Eine immer engere Union ist nicht mehr das Richtige für uns», hielt Osborne klipp und klar fest.
(...)
Doch ist eine «immer engere Union» das Richtige für den Rest Europas? Die politische Elite in Brüssel und in wichtigen europäischen Hauptstädten hält unvermindert an dem Ziel fest. Finanzkrise, Euro-Krise und Flüchtlingskrise werden gar mit gezielter Regelmässigkeit genutzt, um die Integration im Namen der Krisenbekämpfung forsch voranzutreiben. Auch Osborne begrüsste in Berlin gar explizit eine tiefere politische und fiskalische Integration der Euro-Zone, um «einen starken Euro» zu ermöglichen, an dem auch Grossbritanniens Wirtschaft ein Interesse habe. Gleichzeitig wäre diese Entwicklung das Letzte, an welcher der nüchterne Schatzkanzler sein Land teilhaben lassen wollte. Denn er weiss, dass sie in die falsche Richtung führt, da zentrale Werte wie Subsidiarität, Selbstverantwortung und demokratische Kontrolle ihr zuwiderlaufen.
http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/ei ... 1.1864642

Attraktiver ist die EU jedenfalls in den letzten Wochen nicht geworden und der Euro ist nur noch für Länder interessant, die glauben, profitieren zu können.

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Cameron hat seine Forderungen an die EU präzisiert und klare Worte gefunden:
Der europäische Staatenbund müsse „flexibel genug“ sein, um auch Ländern wie Großbritannien, die zwar der EU, nicht aber der Europäischen Währungsunion angehörten, gerecht zu werden, forderte Cameron. Europa habe die Wahl: „Wenn es flexibel genug ist, bleiben wir. Wenn es nicht flexibel genug ist, müssen wir uns eine sehr schwerwiegende Frage stellen: Ist dieser Zusammenschluss etwas für uns?“, sagte Cameron.
Der britische Premierminister ließ keinen Zweifel daran, dass er das Verhältnis seines Landes zur EU als eine nüchterne Geschäftsbeziehung betrachtet: „Ich habe keinerlei emotionale Verbindung zu den Institutionen der EU“, sagte Cameron, der im politischen Spektrum auf der Insel als gemäßigter Proeuropäer gilt. Großbritannien sei vor allem an den wirtschaftlichen Vorteilen der EU interessiert: „Wir wollen einen gemeinsamen Markt, kein gemeinsames Land“, stellte Cameron klar.
(Hervorhebung von mir)

http://www.faz.net/aktuell/politik/euro ... 3678.html

Deutlicher könnte der Unterschied zu der metaphysischen Überhöhung, die "Europa" in der deutschen Politik erfährt, nicht ausfallen. Vielleicht könnte diese pragmatische, britische Einstellung auch für andere nord- und osteuropäische Länder interessant sein. Die EU bestände dann nur noch aus dem Zahlmeister D, F und den Ländern Süd- und Südosteuropas (einschl. Balkan), während GB, die nord- und osteuropäischen Länder (einsch. Norwegen und Island), das Baltikum und die Schweiz lockere Beziehungen auf EFTA-Format hätten.

Tolle Aussichten! Vor Jahren wurde über einen Nord- und Süd-Euro nachgedacht. Jetzt gäbe es zwar keinen Nordeuro - aber D. hätte dafür den Südeuro.... :D

Dieter
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Dieter »

Die Deutschen wollen keine Deutschen mehr sein, sondern Europäer. Sie wollen Englisch als Amtssprache, nicht Deutsch. Sie wollen sich nicht mehr "Deutsche" nennen, sondern "Europäer".

Dieser Weg geht nur über ein vereinigtes Europa. Dafür nehmen die Deutschen miserable Bedingungen in Kauf.

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Hubertus
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Hubertus »

Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Daraus:
Zwischen den Altersgruppen gab es große Unterschiede: Unter den 18- bis 24-Jährigen wollen 69 Prozent in der EU bleiben, unter den Älteren (ab 65) nur 38 Prozent.
Das ist mE auch nachvollziehbar. Die ältere Generation kennt noch die Zeiten, als GB zur EFTA gehörte und kein EU-Mitglied war. Vergleichbar mit den älteren Deutschen, die auch noch die Zeit der DM kennen und wissen, daß nicht überall, wo "Europa" draufsteht auch Vorzüge bzw. Vorteile für den Bürger enthalten sind.

Hoffentlich spricht es sich bis zum Referendum herum, daß der Verlust der EU-Mitgliedschaft ziemlich schnell durch die größere Entscheidungsfreiheit kompensiert werden kann. Egal ob Freihandelsabkommen mit den USA und China oder fehlende Vorschriften aus Brüssel - man kann selbst entscheiden, welchen Weg man geht und muß sich nicht mit 28 in Mentalität und Kultur unterschiedlichen Ländern abstimmen.

Als Beispiel können Schweiz, Norwegen und Island dienen, die nur in ausgewählten Feldern (z.B. Schengen, Bilaterale) mit der EU zusammenarbeiten.

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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Siard »

Dieter hat geschrieben:Sie wollen Englisch als Amtssprache, nicht Deutsch.
Die (Sprach)Politik der Regierung Kohl nach der Wende war schon ein deutliches Zeichen in diese Richtung.

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Rhetorisch brilliant, wie man es gewohnt ist - Nigel Farage bei einer Veranstaltung zum EU-Referendum in GB. Der Slogan "Say No - Believe in Britain":

https://www.youtube.com/watch?v=QH9fvLiGTXI

zu Frau Merkel und ihrer "Flüchtlings"politik: ab 18:1

zum Türkeibeitritt: ab 27:

Wenn man Farage zuhört, kann man den Eindruck gewinnen, Frau Merkel wolle mit ihrer Politik einen EU-Austritt von GB erzwingen. Jedenfalls sind Zuwanderung, offene Grenzen und Türkeibeitritt die großen Themen, mit der die EU-Gegner punkten wollen.

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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Cameron hebt den Kabinettszwang bei der Brexit-Abstimmung auf - die Minister dürfen auch dagegen sein und bleiben trotzdem im Amt:
Es ist fast auf den Tag ein Jahr her, als David Cameron in der sonntäglichen BBC-Show "Andrew Marr" mit fester Stimme seine Marschrichtung verkündete. "Wenn jemand Teil der Regierung ist, wenn er Teil des Teams ist, das Verhandlungen führen will – dann kann es keine freie Wahl geben, das habe ich schon früher gesagt." Das war die klare Antwort des Premiers auf die Frage, ob er seine Minister frei entscheiden lassen werde, vor dem EU-Referendum für oder gegen die Mitgliedschaft Wahlkampf zu machen.
(...)
Am Dienstagnachmittag läutete Cameron daher die Kehrtwende in Sachen "Kabinettszwang" ein. "Es wird jedem Minister frei stehen, eine abweichende, persönliche Entscheidung zu treffen und trotzdem Teil der Regierung zu bleiben", verkündete er im Unterhaus. Wenn Camerons Verhandlungen in Brüssel vermutlich Mitte Februar beendet sind, darf jeder also nach seiner Façon. Dieser Zusage war offenbar die Rücktrittsdrohung von mindestens drei Ministern vorausgegangen, sollten sie gegen ihre Überzeugung das Werben des Premiers für einen Verbleib in der EU unterstützen müssen.
David Cameron gab nach, weil er einen Zusammenbruch seiner Regierung mitten im Referendumswahlkampf nicht riskieren konnte.
http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... lutig.html

Bis Februar sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es bis dahin substantielle Zugeständnisse geben wird. Die "Flüchtlings"welle, die andauernden Schwierigkeiten mit GR und der Versuch, diese Probleme durch eine "immer werdenden Union" zu lösen, sind vermutlich nicht die Optionen, die sich die Briten vorstellen. Wenn dann noch die eigenen Minister Kabinettschef widersprechen und für einen Brexit werben, erscheint ein Austritt nicht unwahrscheinlich.

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overkott
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von overkott »

Niederlassungsfreiheit in Europa muss mit sozialer Selbständigkeit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit der Migranten einhergehen, sonst erreicht Europapolitik nicht die angestrebte Win-Win-Situation für alle Europäer. Die EU sollte sich bei einer Begrenzung der Einwanderung in die Sozialhilfe des Zuwanderungslandes auf eine fünfjährige Auffanggarantie des Herkunftlandes verständigen. Es geht nicht an, dass Briten in Bulgarien durch Immobilienkauf das große Geschäft machen wollen, nach einem Jahr Pleite gehen, um dann der bulgarischen Sozialhilfe vier Jahre auf der Tasche zu liegen.

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overkott
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von overkott »

Um einer Verinselungsmentalität in Europa vorzubeugen, muss dem Verursacher- oder Herkunftsprinzip das Sozialprinzip entsprechen. Staatliche Alleingänge sind zu vermeiden. Durch Vereinbarung mit den Herkunftsländern soll gewährleistet werden, dass im Sozialfall mindestens die soziale Sicherung durch die Herkunftsländer gesichert ist. Im Rahmen der Meldepflicht bei Niederlassung kann die Vorlage einer Bescheinigung über eine Reiseversicherung zum Rücktransport im Krankheitsfall verlangt werden. Eine Entsorgung sozialer Probleme auf die europäischen Nachbarn ist im Rahmen einer wirtschaftlich und sozial verantwortlichen Interpretation der Art. 49 bis 55 AEUV zu verhindern.

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Cameron hat eingeräumt, Geld in einem offshore-trust seines Vaters in Panama angelegt zu haben. Dem Eingeständnis war ein Verwirrspiel vorausgegangen und noch immer ist nicht alles geklärt:
Die Veröffentlichung der Panama-Papiere zieht immer weitere Kreise. Der britische Premier David Cameron hat eingeräumt, dass er vor seiner Amtszeit Geld in einem Offshore-Trust seines Vaters Ian Cameron in Panama angelegt hatte. Er und seine Ehefrau hätten die Anteile im April 1997 für 12.497 Pfund gekauft und im Januar 2010 für 31.500 Pfund verkauft und dafür Steuern in Großbritannien bezahlt, sagte er dem Sender ITV am Donnerstag. Er habe „nichts zu verbergen“. Unklar bleibt indes, ob die 300.000 Pfund, die Cameron von seinem Vater erbte, vom Steuerstatus in einer Steueroase profitierten.
Es war die fünfte Erklärung innerhalb von vier Tagen, die Cameron oder seine Mitarbeiter zu dem Thema abgegeben haben. Downing Street 10 hatte zu Beginn erklärt, bei der Frage, ob der Premier von den Geschäften seines Vaters profitiert habe, handele es sich um eine „private Angelegenheit.“ Anschließend sagte Cameron, er besitze „keine Beteiligungen im Ausland“. Weder er noch seine Familie würden „in Zukunft“ von solchen Geschäften profitieren. Schließlich räumte er ein, Anteile im Fonds seines Vaters besessen zu haben.
Der Vorgang dürfte - ebenso wie die Entscheidung der Niederländer zum Ukraine-Abkommen - die Brexit-Befürworter vermutlich stärken. Wenige Wochen vor der Entscheidung könnten diese Nachrichten wichtig sein. :)

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Interview mit einer deutschstämmigen Politikerin der Labour Party. Sie leitet die britische Kampagne zum Brexit "Vote Leave"

„Für den Brexit einzutreten bedeutet nicht, dass man ein Spinner ist“
Sie stellen also die Konstruktion der EU in Frage?
Allerdings. Es ist doch auffällig, dass nicht einmal die Befürworter eines Verbleibs irgendetwas Positives über die EU sagen. Warum verteidigt niemand diese Institution? Das ist die Konsequenz aus unserer Mitgliedschaft. Nicht einmal David Cameron sagt: Diese Institution ist gut. Er sagt: Lasst uns drinbleiben, weil die Roaminggebühren dann billiger bleiben. Ich habe aber auch ein Problem mit der Blockmentalität der EU.

Was meinen Sie damit?
Die EU ist im 20. Jahrhundert stehengeblieben. Da gab es den westlichen Block, den Ostblock, und in den siebziger und achtziger Jahren wollten die Europäer auch einen eigenen Block bilden. Heute müssen die Dinge aber auf globaler Ebene entschieden werden. Die EU ist da oft eine Bremse.

Inwiefern?
Nehmen Sie die Welthandelsorganisation WTO. Da können wir als Briten nur im Rahmen der EU abstimmen. Wenn wir etwas durchsetzen wollen, was für uns von besonderer Bedeutung ist, wird dies mit immer mehr Mitgliedstaaten immer schwieriger. Das Gleiche gilt für das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen. Wir sind in einem Block, in dem unsere Stimme immer unwichtiger wird.

Sie meinen, als einzelner Nationalstaat kann Großbritannien mehr durchsetzen?
Vielleicht mehr als jetzt. Die Norweger oder die Schweizer setzen ja auch alleine etwas durch – und wir sind größer.
Gedanken, die in D. nie geäußert würden. Hier wird das Heil in einem immer stärker zusammenwachsenden "Europa" gesehen. Die vielen Nachteile durch die Vergemeinschaftung von immer mehr Politikfeldern engen die Handlungsmöglichkeiten der gewählten Politiker ein. Gegen Mehrheitsentscheidungen kann sich D. nicht wehren, wie es im EZB-Rat immer schmerzhaft zu spüren bekommt.

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Torsten
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Torsten »

Die "EU ist ein Völkergefängnis" las ich letzthin irgendwo auf den Nachdenkseiten. Und die Aufseher werden immer reicher, und die Insassen immer zahlreicher. Kapitalismus ist letztendlich eben doch Barbarei.

Höhepunkt, Endpunkt, Richtstatt. Wir können, dürfen und müssen dem Bösen für vieles dankbar sein. Aber bei der Frage nach unserem ewigen Leben - dem Leben schlechthin, dem einzigen Leben - hat es kein Wörtchen mitzureden.

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Die Weltwoche widmet sich in einem Artikel (leider nicht online) dem möglichen Ausscheiden von GB aus der EU. Die EU reagiert wohl ziemlich nervös und unterläßt nach Möglichkeit alles, um das Lager der Brexit-Befürworter zu stärken. Besonders schön:
Sehr frühzeitig hatte man in Brüssel die Entscheidung getroffen, dass das europäische Spitzenpersonal keine Wahlempfehlungen abgeben würde – kein Jean-Claude Juncker, kein Donald Tusk, keine Angela Merkel, kein François Hollande. Jedem war klar, dass dieser Schuss nach hinten losgehen würde, wenn diese Damen und Herren Wahlkampf für die EU machen würden. Deshalb war es auch nur Nigel Farage, der Führer der anti-europäischen britischen United Kingdom Independence Party (Ukip), der maliziös Kommissionspräsident Juncker zu einer Fernsehdebatte einlud. Der stimmte zu – unter der spitzbübischen Bedingung, dass das Gespräch auf Französisch geführt werde. Farage lehnte dankend ab.
Auf Englisch wollte sich hingegen Parlamentspräsident Martin Schulz einmischen. Mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Heiterkeit wird überall in Brüssel kolportiert, wie der deutsche Sozialdemokrat auf Teufel komm raus bei den Briten Werbung für Europa machen wollte. «Schulz hält sich für die fleischgewordene Verkörperung des europäischen Gedankens und ausserdem für einen unschlagbaren Wahlkämpfer», berichtete ein EU-Diplomat voller Häme. «Leider ist er der Einzige, der das glaubt. Daher bedurfte es grosser Anstrengungen, ihn von dem Vorhaben
abzuhalten.» Schulz, so der Vertrauensmann, hätte das Referendum tatsächlich beeinflussen können – wenn auch nicht in die beabsichtigte Richtung. EU-Kritiker wie Boris Johnson hätten sich voller Vorfreude die Händereiben können.
Schulz mag zu Hause bleiben, doch dafür hat die EU-Kommission den Euro-Skeptikern ein Geschenk gemacht, von dem sie nicht einmal zu träumen wagten. Der soeben erneut bekräftigte Vorschlag der Kommission, Migranten nach einer Quote unter den Mitgliedsstaaten aufzuteilen und widerspenstige Länder mit einer happigen Geldstrafe von 250 000 Euro pro Flüchtling zu belegen, war Wasser auf die Mühlen der Europagegner. So besorgt war man in der britischen Regierung über die Kommissionspläne, dass Premierminister David Cameron persönlich intervenierte und Juncker dazu zu bewegen suchte, die Ankündigung auf einen Zeitpunkt nach dem 23. Juni zu verlegen, wenn die Abstimmung auf der Insel gelaufen sein würde. Aber Brüssel liess sich nicht erweichen.
Während die Mehrzahl der "Europäer" in Brüssel wohl wissen, daß die EU bei der heimischen Bevölkerung kein Selbstläufer ist, scheinen die deutschen Vertreter die eigene Propaganda zu glauben. Verständlich, wenn der Euro als "alternativlos" erklärt wird und eine saubere Trennung zwischen Europa und EU nicht stattfindet.

Inzwischen fragen sich auch viele Briten (vermutlich mit Recht), ob sie weiterhin mit Sonderbehandlungen und speziellen Regeln (z.B. Euro, Schengen, Haushalt) für sie rechnen können, wenn sie in der EU bleiben. In dem Artikel wird ausgeführt, daß man bei dieser Frage auf "beredtes Schweigen" stößt und den Hinweis hört, "dass man den Briten auf Dauer schon so viele Extrawürste gebraten habe, dass sie nie mehr Appetit auf neue Ausnahmen entwickeln würden."

Wenn man sich da mal nicht täuscht....

Caviteño
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Re: Rule Britannia...Politik im (noch) Vereinigten Königreich

Beitrag von Caviteño »

Deutschland spielt bei den Brexit-Befürwortern eine wichtige Rolle.

Nigel Farage, der den Brexit als "alternativlos" ansieht, verweist in diesem Artikel auf die Vorkommnisse in der Sylvesternacht in Köln.
Die Einwanderer haben viel zu unserem Land beigetragen, aber ihre Zahl ist inzwischen so groß, daß sie unseren Zusammenhalt und unseren Wohlfahrtsstaat bedroht. Deswegen wollen wir gesteuerte Einwanderung mit einem Punkte-System wie in Australien.
Denken wir nur an das, was in Köln passiert ist: Hunderte junge Männer, die Frauen sexuell belästigt haben. Für mich war das in mancherlei Hinsicht eines der erbärmlichsten Großereignisse, das wir in der jüngeren Vergangenheit in Europa gesehen haben. Und dazu gab es noch den Versuch von Polizei und Presse, alles zu vertuschen – gepaart mit dem Vorschlag einiger deutscher Politiker, daß junge deutsche Frauen ihre Kleidung und ihr Auftreten in der Öffentlichkeit verändern sollten, was der Gipfel der Beleidigung war.
In Brexit - The movie erinnert man an die Nachkriegszeit. GB hatte den Krieg gewonnen, aber D zog wirtschaftlich nach einigen Jahren an GB vorbei und wurde das stärkste Industrieland in Europa. Den Grund sehen die Brexit-Befürworter in der damaligen Reglementierung der britischen Industrie, während - der im Film lobend erwähnte - Ludwig Erhard auf eine freie Wirtschaft setzte. Heute baue die EU immer neue Regulierungen auf, genußvoll werden dann die umfangreichen europ. Vorschriften vorgestellt. Als Gegenbeispiel dient die Schweiz - weder EU noch EWR-Mitglied und mit einem doppelt so hohen Pro-Kopf-Einkommen wie GB. Die plebiszitäre Demokratie läßt sich besonders gut als Gegenbeispiel zur undemokratischen EU darstellen. In dem Film wird immer wieder darauf hingewiesen, daß man als Brite keinerlei Möglichkeiten habe, "Brüssel" das Vertrauen zu entziehen und den dortigen Mehrheitsentscheidungen ausgeliefert sei.
Ob Cameron trotzdem die Briten überzeugen kann? :hmm: :achselzuck:

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