Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

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Peregrin
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Peregrin »

Maurus hat geschrieben: Ja, aber die NSA hat einen ganz anderen Ansatz. Das ist ein Geheimdienst und ein Geheimdienst will alles wissen. Ein Stromkonzern dagegen will Geld verdienen. Er wird also alles mögliche machen, Lobbying, Werbekampagnen, auch Ausspähung des Nutzerverhaltens. Aber eben nichts darüber hinaus, was dem Geschäftsziel nicht förderlich ist.
Morgen wird er die Daten "wegen Terrorismus und Kinderpornographie" speichern müssen, übermorgen bedienen sich dann Geheimdienste und Mafia nach Belieben daran. Und wenn der Herr Maurus einmal irgendwo auffällig wird, wird man sich gleich anschauen, ob sich davon was verwerten läßt.
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Peregrin
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Peregrin »

Maurus hat geschrieben: Außerdem weiß ich jetzt auch nicht, wie personalisierte Werbung im Fernsehen funktionieren kann.
So wie jetzt schon im Internet, die Verschmelzung von Youtube & Co. mit dem traditionellen Fernsehen kommt doch innerhalb von zehn Jahren. Wobei personalisierte Werbung ja noch harmlos und vielleicht sogar nützlich ist. Wie wäre es mit personalisierten Nachrichten, wo die Präsentation der Weltgeschehnisse auf Dein Psychogramm hin optimiert wird?
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Quasinix
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Quasinix »

Caviteño hat geschrieben:Ich halte das nicht für wahrscheinlich, weil ich an der Grundannahme der Studie (die Art des Spielfilms kann anhand des Stromverbrauchs ermittelt werden) für - zurückhalten formuliert - Schwachsinn halte. Kann der Stromverbrauch für TV-Geräte innerhalb eines Hauses/einer Wohnung gesondert ermittelt werden? - Doch wohl nur, wenn an jeder Steckdose ein Zähler angebracht ist - und was würde passieren, wenn ich das Gerät innerhalb der Wohnung umstelle? :hmm:
Dann lies mal bei der FH Münster nach, da ist das haarklein beschrieben: http://1lab.de/pub/smartmeter_sep11_v06.pdf
Caviteño hat geschrieben:Natürlich besteht die Gefahr einer "Totalüberwachung" - aber warum wurden dann bisher bei den all den high-tech-Möglichkeiten, über die die NSA angeblich verfügt, bisher der Drogenhandel und die Mafia nicht ausgemerzt? Warum ist es immer noch ziemlich gefahrlos möglich, sich urhebergeschützte Werke im Internet "runter zu laden"?
Zu 1: Naja, wer verdient denn alles am bösen Drogenhandel? Wie war das mit Afghanistan und dem Opium oder der Iran-Contra-Affäre? Abgesehen davon liegt der Focus heute eher auf dem "Krieg gegen den Terror" als dem "Krieg gegen die Drogen".

Zu 2: http://www.heise.de/newsticker/meldung/ ... 25271.html
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Quasinix
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Quasinix »

Maurus hat geschrieben:Ich will von dir wissen, warum ein Energieversorger(!) an solchen Daten Interesse haben könnte. Das war schon in meiner ersten Replik meine Frage und bislang weichst du immer aus.
Maurus hat geschrieben:Ja, aber die NSA hat einen ganz anderen Ansatz. Das ist ein Geheimdienst und ein Geheimdienst will alles wissen. Ein Stromkonzern dagegen will Geld verdienen. Er wird also alles mögliche machen, Lobbying, Werbekampagnen, auch Ausspähung des Nutzerverhaltens. Aber eben nichts darüber hinaus, was dem Geschäftsziel nicht förderlich ist. So rational immerhin ist der Kapitalismus.
OK, jetzt habe ich glaube ich ein ganz grundlegendes Problem verstanden. Der Clou bei "Big Data" schon vor dem Hintergrund rein wirtschaftlicher Interessen ist ja gerade, die an 100 verschiedenen Stellen anfallenden Daten, die für sich genommen bei der jeweiligen erhebenden Stelle durchaus sinnvoll und vor allem nur lückenhaft sind, zu einem Profil zusammenzufügen ("Profiling"), das dann ein Targeting auf allen Kanälen erlaubt. Hier sprechen wir erstmal "nur" von wirtschaftlichen Interessen (aber für solche werden auch Kriege entfesselt, da zählt sowas wie die Privatsphäre wenig). Konzerne wie Facebook und Google kaufen laufend kleine Firmen auf, die auf irgendeinem speziellen Gebiet Knowhow haben, sei es nun Gesichtserkennung oder wo auch immer. Andere profitieren von der eigenen Konzernstruktur; ein Mischkonzern kann Erkenntnisse jeder einzelnen Sparte zusammenführen. Und dann gibt es ja die Data Broker, die mit Profilen handeln - oft perfekt zur Vervollständigung des eigenen Bestands.

Wieviel sind diese Daten wert? Allein Facebook hat nach heutigem Börsenkurs eine Marktkapitalisierung von 100 Mrd. Euro, d.h. das was alleine Facebook über jeden halbwegs aktiven User weiß, ist pro User 100 Euro "wert".

Unangenehm wird es dann, wenn man nicht einfach nur mit Spammails zugeballert wird (das ist eh Steinzeit und hat mit Data Mining usw. nix zu tun), sondern die Krankenversicherung oder der nächste Kredit teurer oder gar verweigert werden, weil das Profil auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko oder schlechte Zahlungsmoral hindeutet. Ganz hört der "Spaß" dann auf, wenn diese Informationen mit oder ohne Wissen und Willen der diese initial erhebenden Instanzen von NSA & Co. abgegriffen werden. Und daß genau das schon heute passiert, ist doch eine der wichtigsten Erkenntnisse des "NSA-Skandals".

Noch ein interessanter Artikel zum Thema:

http://www.zeit.de/digital/datenschutz/ ... sm/seite-2
Big Data ist die Fähigkeit, unzählige Einzelinformationen nicht bloß zusammenzufügen, sondern zur Vorhersage menschlichen Verhaltens zu verwenden, das gar nicht offenkundig mit den Einzelinformationen in einem Zusammenhang steht.

Mit Big Data lassen sich diese Korrelationen erkennen: aus kleinsten Veränderungen des Einkaufsverhaltens erkennt etwa die Firma Target in den USA mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass eine Kundin schwanger ist (sogar der Geburtstermin lässt sich relativ genau vorhersagen). Ein amerikanischer Finanzinformationsdienstleister ermittelt aus vordergründig völlig banalen soziodemografischen Daten die Wahrscheinlichkeit, wie verlässlich jemand seine Medikamente einnimmt. Lediglich aus dem Freundeskreis auf Facebook lässt sich vorhersagen, ob jemand wahrscheinlich homosexuell ist, oder ein Scheidungskind.

Immer geht es um das Gleiche: aus riesigen Mengen scheinbar uninteressanter Daten lassen sich immer genauere Vorhersagen über andere, sehr sensible Bereiche unseres Seins treffen – insbesondere wie Menschen sich verhalten werden.
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Lilaimmerdieselbe
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Ein Beispiel, an dem man sehen kann, wie bereits heute mit solchen Profilen gearbeitet wird, ist die Schufa.
Deshalb hat der deutsche Gesetzgeber der Schufa eine Auskunftspflicht gegenüber Betroffenen angehängt, der, wie man heute in den Nachrichten hören kann, nur unzureichend genügt wird. Da ein Häuslefinanzierer aber gar nicht wissen kann, weshalb er höhere Zinsen zahlen soll oder seine Pläne verschieben muß (zu häufig umgezogen? falsche Einträge? zu viele Informationen eingeholt?), kann er weder Richtigstellung verlangen noch sich sonst wehren, da alle Kreditinstitute bei der Schufa nachfragen. Mit Paranoia hat das wenig zu tun.
Damit dass in Zukunft Personalchefs, Krankenkassen und ähnliche darauf verzichten werden, Profile von Bewerbern oder Kunden zu kaufen, muß man nicht wirklich rechnen. Man könnte allerdings Stromlieferanten verbieten, mit Profilen zu handeln oder darauf vertrauen, dass die Umarbeitung von deren Rohdaten zu Profilen aufwändiger ist als die anderer Profilanbieter.
Quasinix, danke für die vielen guten links.

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Maurus
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Maurus »

Peregrin hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben: Ja, aber die NSA hat einen ganz anderen Ansatz. Das ist ein Geheimdienst und ein Geheimdienst will alles wissen. Ein Stromkonzern dagegen will Geld verdienen. Er wird also alles mögliche machen, Lobbying, Werbekampagnen, auch Ausspähung des Nutzerverhaltens. Aber eben nichts darüber hinaus, was dem Geschäftsziel nicht förderlich ist.
Morgen wird er die Daten "wegen Terrorismus und Kinderpornographie" speichern müssen, übermorgen bedienen sich dann Geheimdienste und Mafia nach Belieben daran. Und wenn der Herr Maurus einmal irgendwo auffällig wird, wird man sich gleich anschauen, ob sich davon was verwerten läßt.
Über die ganz grundsätzlichen Machbarkeitsbedenken, die inzwischen auch Caviteno geäußert hat, hinaus: Es geht hier nicht um Abgreifen von Daten, sondern darum, ob diese Daten überhaupt einmal anfallen und ausgewertet werden. Dass die Datenerhebung theoretisch möglich wäre, schließt ja die praktische Verwirklichung noch nicht ein, vor allen Dingen dann nicht, wenn damit ein immenser Aufwand verbunden wäre. Anders zum Beispiel bei den Mautbrücken: Dort fallen die Daten sowieso an, die Speicherung erfolgt auch, somit ist das Weitergeben auch bloß eine Fingerübung. Das kostet das Betreiberunternehmen im Prinzip nichts. Die Bedeutung dieses Datenschatzes ist in meinen Augen auch höher zu bewerten.
Quasinix hat geschrieben: OK, jetzt habe ich glaube ich ein ganz grundlegendes Problem verstanden. Der Clou bei "Big Data" schon vor dem Hintergrund rein wirtschaftlicher Interessen ist ja gerade, die an 100 verschiedenen Stellen anfallenden Daten, die für sich genommen bei der jeweiligen erhebenden Stelle durchaus sinnvoll und vor allem nur lückenhaft sind, zu einem Profil zusammenzufügen ("Profiling"), das dann ein Targeting auf allen Kanälen erlaubt.
Diese Problematik ist mir auch klar, und ich würde da Bedenken auch durchaus zustimmen. Nicht zuletzt der NSA-Skandal hat ja endgültig bewiesen, was für eine Überwachung durch den Zugriff auf die großen Internetkonzerne möglich ist. Dennoch halte ich es für sinnvoll, wenn man bei jeder Frage eneut abwägt, welche Gefahren für die Privatssphäre konkret bestehen. Im obigen Fall halte ich es für durchaus wahrscheinlich, dass Geheimdienste mit Hilfe eines solchen intelligenten Stromzählers die Wohnung überwachen können, aber dass da das Fernsehprogramm ausgewertet wird, das kommt mir doch zu merkwürdig vor. Da diese Daten nicht automatisch anfallen, werden Unternehmen den Diensten da nicht behilflich sein können und an der Schaffung einer entsprechenden Auswertungsinfrastruktur haben sie mangels Geschäftszweck in meinen Augen kein Interesse. Da man den Stromanbieter frei wechseln kann, wäre ein Imformations-Leck vermutlich auch ruinös.

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Quasinix
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Quasinix »

Das konkrete Beispiel "Stromzähler" sollte ja nicht das schlimmstmögliche Einfallstor in die Privatsphäre zeigen, sondern aufzeigen, was heute alles möglich ist. Gleichzeitig wird damit sehr schön widerlegt, daß sich die Privatsphäre durch Verzicht auf Facebook & Co. vollständig wahren läßt, weil es eben noch viel mehr Zugänge zu allen möglichen Informationen gibt.

Über zwei Dinge sollte sich der Laie nicht täuschen: a) Es geht heute rein technisch wesentlich mehr als selbst der IT-Fachmann denkt, der nicht wirklich im jeweiligen Gebiet zuhause ist, und b) es werden viel mehr Daten gesammelt, als für die eigentlichen Geschäftsvorfälle nötig wäre. Eine echte Motivation zum Gebot der Datensparsamkeit hat heute keiner mehr, denn die Speicherung von Daten kostet heute effektiv nichts mehr, man ist also nicht gezwungen, immer mal wieder aufzuräumen. Eher behält man Daten auf Verdacht, denn für irgendwas könnten sie ja mal gut sein. Teuer ist da eher eine Reduktion aufs Nötige (zeitlich und vom Umfang her), und deshalb unterbleibt das häufig.

Diese Daten muß das jeweilige Unternehmen auch nicht aktiv verkaufen - gerade die Elektronik eines "Smart Homes" ist i.d.R. viel angreifbarer als "echte" IT. Siehe dazu z.B. hier (1):
Die Techniker der Zeitschrift stießen in einem Test auf zahlreiche Industrieanlagen, deren Steuerungen sorglos mit dem Internet verbunden waren. Die Tester hätten sich durch eine triviale Sicherheitslücke als Techniker anmelden und die Kontrolle übernehmen können, heißt es in dem Bericht. Daraufhin hätten sie theoretisch “mit einem Mausklick” ganze Fernwärmenetze lahmlegen oder durch Manipulation starke Schäden an der Infrastruktur hervorrufen können. Unter den betroffenen Anlagen waren demnach unter anderem Fernwärmekraftwerke, wichtige Rechenzentren, eine Justizvollzugsanstalt und ein Stadion.
Oder man gibt die Daten wie schon erwähnt einfach konzernintern oder -übergreifend weiter (2):
Register for a Disney vacation, for example, and a whole bunch of subsidiaries get an idea of what you might like:

(Disney) described sharing even more information: not just a person's name and address and what they purchased, but their age, occupation, and the number, age and gender of their children. It listed companies that received data, among them companies owned by Disney, like ABC and ESPN, as well as others, including Honda, HarperCollins Publishing, Almay cosmetics, and yogurt company Dannon.
Darunter schreibt dann auch gleich ein pfiffiger Leser "they have nothing on me. Safari Private Browsing +, AdBlock +" - bis ihn gleich der nächste ein wenig aufklärt... Diese Art von vermeintlicher Anonymität ist vergleichbar mit der Meinung kleiner Kinder, sie seien unsichtbar, wenn sie die Augen schließen :tuete:

Man installiere mal Firebug für Firefox und werfe einen Blick auf den Netzwerkverkehr beim Aufruf einer Website - beim Ansehen einer einzelnen Seite auf z.B. focus.de werden Verbindungen zu mehr als 30 (!) Webservern hergestellt, und da sind Subdomains noch nicht mitgezählt.

Und die Moral von der Geschicht? Einfach immer ein wenig aufmerksam und hellhörig sein, Vorteile und Nachteile neuer Technologien abwägen, vermeintlich tolle "Gadgets" kritisch sehen und nicht jeden Schmarrn mitmachen. Aber sicher nicht in Panik verfallen oder alles Neue pauschal als "Teufelszeug" ablehnen.

Links:

1: http://www.produktion.de/unternehmen-ma ... rangriffe/
2: http://lifehacker.com/5989337/a-realist ... -about-you
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Maurus
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Maurus »

Quasinix hat geschrieben:Das konkrete Beispiel "Stromzähler" sollte ja nicht das schlimmstmögliche Einfallstor in die Privatsphäre zeigen, sondern aufzeigen, was heute alles möglich ist. Gleichzeitig wird damit sehr schön widerlegt, daß sich die Privatsphäre durch Verzicht auf Facebook & Co. vollständig wahren läßt, weil es eben noch viel mehr Zugänge zu allen möglichen Informationen gibt.
Korrekt, das Problem ist, dass viele deshalb resignieren, weil es ja "sowieso nicht möglich ist, etwas zu verheimlichen".

Caviteño
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Caviteño »

Quasinix hat geschrieben:Das konkrete Beispiel "Stromzähler" sollte ja nicht das schlimmstmögliche Einfallstor in die Privatsphäre zeigen, sondern aufzeigen, was heute alles möglich ist. Gleichzeitig wird damit sehr schön widerlegt, daß sich die Privatsphäre durch Verzicht auf Facebook & Co. vollständig wahren läßt, weil es eben noch viel mehr Zugänge zu allen möglichen Informationen gibt.

Über zwei Dinge sollte sich der Laie nicht täuschen: a) Es geht heute rein technisch wesentlich mehr als selbst der IT-Fachmann denkt, der nicht wirklich im jeweiligen Gebiet zuhause ist, und b) es werden viel mehr Daten gesammelt, als für die eigentlichen Geschäftsvorfälle nötig wäre. Eine echte Motivation zum Gebot der Datensparsamkeit hat heute keiner mehr, denn die Speicherung von Daten kostet heute effektiv nichts mehr, man ist also nicht gezwungen, immer mal wieder aufzuräumen. Eher behält man Daten auf Verdacht, denn für irgendwas könnten sie ja mal gut sein. Teuer ist da eher eine Reduktion aufs Nötige (zeitlich und vom Umfang her), und deshalb unterbleibt das häufig.

Diese Daten muß das jeweilige Unternehmen auch nicht aktiv verkaufen - gerade die Elektronik eines "Smart Homes" ist i.d.R. viel angreifbarer als "echte" IT. Siehe dazu z.B. hier (1):

(...)
Und die Moral von der Geschicht? Einfach immer ein wenig aufmerksam und hellhörig sein, Vorteile und Nachteile neuer Technologien abwägen, vermeintlich tolle "Gadgets" kritisch sehen und nicht jeden Schmarrn mitmachen. Aber sicher nicht in Panik verfallen oder alles Neue pauschal als "Teufelszeug" ablehnen.
Deinen Schlußfolgerungen wird wohl niemand widersprechen. Die Sache mit den Stromzählern war mir bisher nicht bekannt, allerdings ist ein Einbau dieser Geräte bei uns auch noch nicht geplant.
Für bedenkenswert halte ich auch die in diesem Artikel angesprochenen Gefahren der Selbstzensur.
Die heutigen Verhältnisse üben eine Zensur aus, die viel weiter reicht als die Schwärzungen und Streichungen in Briefen und Zeitungen im Jahr 1915. Am Anfang ist es vielleicht nur ein kleines Zögern. Im Oktober 2013 gab es auf dem Flughafen von Los Angeles eine wirkungslose Explosion – eine Kohlendioxidbombe, wie es im Radio hieß. Das ergab für mich keinen Sinn – Kohlendioxid ist doch nicht explosiv. Ich fing also an, „Kohlendioxidbombe“ in mein Handy zu tippen, und dachte dann: „Vielleicht keine gute Idee.“ Am Ende schaute ich natürlich doch nach und fand heraus, dass es bedeutete, Trockeneis in eine Flasche zu stopfen. Aber die Lektion saß: Das Wissen, dass ich nach einem sicherheitsrelevanten Begriff suchte, ließ mich zögern. Wer oft genug geflogen ist, macht in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle oder auch nur in der Nähe keine Witze mehr. Die Folgen reichen weit.
Was bedeutet es, wenn wir wissen, dass unsere Bewegungen auf lange Zeit hinaus gespeichert und analysiert werden können? Machen wir bei sozialen Netzwerken nicht mehr mit, weil das irgendwann einmal falsch interpretiert werden könnte? Verzichten wir auf die Online-Lektüre eines Buches, weil wir uns damit vielleicht Probleme einhandeln? Werden wir bedenken, dass wir sofort auffallen, wenn wir gerade nicht tun, was die meisten Menschen tun? Werden wir daran denken, dass irgendwo ein Alarm ausgelöst wird, wenn wir uns an bestimmten öffentlichen Plätzen bewegen oder jemanden in unser Adressbuch eintragen? Wird TrapWire oder ein vergleichbarer Algorithmus die Sicherheitsbehörden über eine verdächtige Aktivität informieren?

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Quasinix
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Quasinix »

Selbstzensur ist ein gutes Stichwort - man müßte fast schon von einer Anpassung des Verhaltens sprechen (1):
Vielmehr ist der opferlose Datenschutzverstoß, den wir nicht merken, zunehmend Vergangenheit. Heute beeinflussen Daten unser Leben ganz real. (...)

Unser Verhalten wird auf diese Art und Weise gesteuert. Wir fahren dann vielleicht nicht mehr ins deutsch-polnische Grenzgebiet, weil wir fürchten, dass wir dann demnächst mehr für die Versicherung zahlen müssen. Es geht nicht mehr um die Frage, wie entfalten wir uns, sondern um die Frage, wie schaffen wir es, nicht aufzufallen? Das ist das Gegenteil von Freiheit. (...)

Mit Blick auf Big Data werden diese vorhersagenden Modelle viel gravierender und sie werden unser Leben extrem verändern. Denken Sie an die individualisierte Medizin. Vermutlich werden Sie – wenn wir da nicht gegensteuern – in Zukunft bestimmte Behandlungen nur noch bekommen, wenn Sie sich vorher einer genetischen Untersuchung unterziehen. Bestimmte Medikamente werden Ihnen dann aufgrund Ihrer genetischen Disposition verweigert. Solche Entscheidungen werden uns massiv in unseren Lebenschancen beeinflussen.
Hier noch etwas interessantes zum Thema "Internet der Dinge" (2):
Einer Schätzung von IDC zufolge lassen sich derzeit knapp 200 Milliarden Objekte mit dem Internet der Dinge verbinden. (...)

Vernon Turner, Senior Vice President bei IDC, fügt hinzu: "Das Digitale Universum und das Internet der Dinge stehen in enger Wechselwirkung: Indem Sensoren mit dem Internet verbunden werden, gewinnen die von ihnen generierten Daten an Geschäftsrelevanz. Das wird für eine Transformation ganzer Branchen sorgen. (...)"

Zur Veranschaulichung der produzierten Datenmengen nennt EMC noch ein plakatives Beispiel: Ein Durchschnittshaushalt produziert pro Jahr genug Daten, um 65 Smartphones mit 32 GByte Kapazität zu füllen. Im Jahr 2020 werden es bereits 318 Smartphones sein.
(Und jetzt möge man nicht denken, daß die Speicherung dieser Daten am Mangel an Smartphones scheitert - die größten 3,5"-Festplatten für den heimischen PC fassen derzeit bereits 6000 Gigabyte.)

Und hier noch eine ganz besondere Perle zum Ausgangsthema (3):
Die neuen Zähler sind jedoch sehr viel teurer. Die Studie kalkuliert, dass ihre nahezu komplette Einführung bis 2020 insgesamt 20,8 Milliarden Euro kosten wird. Darin enthalten sind 12,3 Milliarden Betriebskosten, die jedes Jahr anfallen. Die Autoren schlagen vor, diese Kosten auf die Kunden umzulegen. Wer einen neuen Zähler bekommt, würde nach diesem Modell 89 Euro im Jahr dafür zahlen. (...) Der Einbau von Smart Metern ist in Deutschland zwar bereits Pflicht. Das Gesetz fordert aber nur, dass bei jedem Neubau und bei jeder Totalsanierung solche Zähler verbaut werden müssen.

Wie kritisch die Datenübertragung ist – von Hackern ganz abgesehen –, zeigt unfreiwillig auch die Studie der Wirtschaftsprüfer. Denn die empfehlen, die anfallenden Daten zu verwerten. Die Zählerbetreiber, heißt es in dem Gutachten, also die Stromanbieter, könnten für eine "weitergehende Nutzung der Daten durch Dritte" Geld einnehmen. "Andere Marktteilnehmer" könnten damit "Produkte und Mehrwertdienstleistungen leichter vermarkten".

Weil der Verkauf der Daten auf Widerstand der Verbraucher treffen könnte, solle er aber "in der Phase der Einführung vermieden werden". Die Stromkunden sollen also nicht nur für die teuren Zähler zahlen, sie sollen später auch noch ihre persönlichen Daten vermarkten lassen.
Links:

1: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/ ... -amtszeit/
2: http://www.computerwoche.de/a/datenmeng ... lid=321616
3: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/ ... vermarkten
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Quasinix
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Quasinix »

Bisher schützen uns ja die Datenschutzgesetze noch ein wenig, zumindest vor der schrankenlosen "offiziellen" und "legalen" Datennutzung. Das ist natürlich auch der Wirtschaft ein Dorn im Auge - daher nun eine clevere Stoßrichtung:
Google, Facebook und Co. haben den Beweis angetreten, dass Daten einen Wert haben oder gar eine Währung sind. Die Verbraucher als Datenerzeuger werden begreifen, dass sie durch die Produktion von Daten Werte schaffen, und sie werden einfordern, an diesen Werten partizipieren zu können.

Ob früher oder später die Anerkennung von Daten als Sache oder "wie eine Sache" erfolgt, ist aus heutiger Sicht zweitrangig. Fakt ist, dass Daten als Wert erkannt worden sind und dass den Datenschützern nicht das Recht zusteht, dem Individuum diesen Wert zu entziehen. Soweit keine gesetzliche Klarstellung vorgenommen wird, erfolgt die Klarstellung durch die Rechtsprechung, wobei deren Entwicklung durch den EuGH vorgezeichnet ist. Dieser geht von einem "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher" aus, der weiß, was er mit seinen Daten macht. Somit werden selbst Zweifler sich mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass jedem Menschen das Recht zusteht, über seine Datenverwertung und Vermarktung selbst zu entscheiden.
Das ist nun wirklich genial - man gewährt dem User für seine Daten ein paar Bonuspunkte, einen kostenlosen Premium-Account bei Plattform X oder was auch immer, und der "durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher" (Mega-LOL) hat endlich das Recht, ohne Störungen der Spielverderber, die noch von "Datenschutz" faseln, mit einem Klick die Herrschaft über seine Daten aufzugeben. O sancta simplicitas!

Der Wert der Daten wird im selben Artikel bis 2020 mit 8% des BIP beziffert - das wären bei 2.737,6 Mrd. Euro im Jahr 2013 hochgerechnet über 250 Mrd. Euro allein in Deutschland, pro Kopf also 3.000 Euro!

Quelle: http://www.computerwoche.de/a/datensouv ... ,2556330,2
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Caviteño
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Caviteño »

Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende, der geplanten Einführung von smart-metern und den damit verbundenen Gefahren für den einzelnen Bürger beschäftigt sich dieser Artikel von Bettina Röhl:
Die Vorstellung, dass jeder einen Smartzähler hat, ist bei allen theoretischen Vorteilen furchtbar. Der voll vernetzte Energieknotenpunkt eines jeden Haushaltes ist eine Horrorvision. NSA schreien und den Strafermittlungsbehörden notwendige Datenzugriffe (Stichwort Vorratsdatenspeicherung) zu verweigern, ist lächerlich angesichts des geplanten Einstiegs in eine Technik, die einer ökologisierten Energiediktatur Tor und Tür öffnet.

Caviteño
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Caviteño »

Unbemerkt - da abgelenkt durch Fußball - hat der Bundestag am 23. 06. das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende beschlossen und den Einbau von smart-metern vorgeschrieben. Eine opt-out - Klausel gibt es für den Verbraucher nicht.

Mit den Nachteilen und den möglichen Gefahren beschäftigt sich dieser Artikel.

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Edi
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Edi »

Was diese Zähler angeht, die den momentanen Stromverbrauch aufzeichnen, da nehme ich mal meine Person als Beispiel und frage mich, wo ich denn noch Strom sparen kann mit so einem Zähler. Ich brauche ohnehin wenig Strom, habe keinen Fernseher, habe erst einen neuen Herd gekauft, ein nur einige Jahre alter Kühlschrank ist auch da und noch ein Büroraum. Ich sehe nicht, wo hier noch Strom zus sparen wäre und Nachtstrom lohnt sich hier auch nicht, sodaß es billiger wäre, wenn man nachts die Wäsche wascht. Aber das soll gemäss dem einen Link von Caviteño auch nur sehr wenig einsparen
Am Ender ergeben sich also nur Mehrkosten und keine Einsparungen.
Die EU hat ja diese Dinge ingang gesetzt, sodaß die Bundesrepublik auch auf eine Art mitziehen muss. Ich sehe nicht einmal, daß kleine Firmen da gross sparen können, grössere vielleicht schon.

Das Ganze scheint im Wesentlichen eine Wirtschaftsförderung zu sein für die Stromzählerhersteller. Ich glaube auch nicht, daß die Übertragung der Daten über das Stromnetz erfolgen kann, denn wie man hört, wollte man Internetverbindungen auch schon über das Stromnetz herstellen, da hat aber aus irgendwelchen technischen oder sonstigen Gründen nicht geklappt. Man ist nach wie vor auf das Telefonnetz oder Funkverbindungen angewiesen.

Die Brüsseler Diktatur mit dem Alkoholiker oben dran wird einem immer suspekter.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Caviteño
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Re: Smart Meter - oder: Hol Dir den Spion ins Haus

Beitrag von Caviteño »

Man muß sich doch nur den Gesetzentwurf ansehen, um die Begründung zu lesen:
Intelligente Messsysteme sind allerdings auch ein Instrument für mehr Energieeffizienz. Der Letztverbraucher erhält präzise Informationen über sein Verbrauchsverhalten. Zum anderen ermöglichen intelligente Messsysteme die Umsetzung variabler Tarife.
Im übrigen ist - wie alles bei dieser Regierung - der smart meter "alternativlos. Diesmal allerdings, weil der "roll out" von smart metern europarechtlich vorgegeben ist:
Alternativen zu dem vorliegenden Ansatz, den Themenkomplex „Smart Metering“ einer umfassenden Regelung zuzuführen, gibt es nicht.
Der „Rollout“ von Smart Metern ist zum einen europarechtlich durch das Dritte Binnenmarktpaket vorgegeben, zum anderen verlangen die Schutzpflichten des Staates und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Erlass von Regelungen, die beim Einsatz der intelligenten Messsysteme Datenschutz und Datensicherheit gewährleisten und vor einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung schützen.
Auch wieder ein schönes Beispiel für den Bereich "Brexit". Während bei einem Nationalstaat mit parlamentarischer Letztentscheidung der Bürger noch eine (vielleicht auch nur theoretische) Kontrolle hat, wird (Beispiel: Glühlampen) etwas in Brüssel beschlossen und das Parlament muß absegnen - alternativlos.

Die Gefahren wurden in dem von mir weiter oben verlinkten Artikel beschrieben.
Verbraucht Herr Müller neuerdings mehr Strom, gefällt das dem Produzenten/Versorger, die leben vom Stromverkauf. Aber wenn Energiesparen zur Ideologie wird und die Politik das Heft des Verteilens in die Hand nimmt, wird es problematisch. Gefällt der Politik dann beispielsweise der neuerdings erhöhte Stromverbrauch von Herrn Müller nicht mehr, kann ihm automatisch der Strom für eine Stunde am Tag oder einen Tag im Monat abgeschaltet oder, etwas sensibler, einzelne Verbrauchtstypen, die sich durch ihr schwankendes Verbrauchsbild ermitteln lassen, ausgeschaltet werden . Die Sanktions-und die Erziehungsmaßnahmen setzen ein. Zum Beispiel:
Geschirrspülmaschine und Waschmaschine haben dann nur noch Nachts eine Chance mit Strom versorgt zu werden. Jeder Kunde mit einer gerade Zählernummer am Ende bekommt von 17-18 Uhr genug Strom zum Kochen. Ungerade endende Zählernummern entsprechend eine Stunde später. Unartige Energieverbraucher, die gerade eine Party feiern, werden zwangsweise herunter gedimmt.
Übertrieben? Schwarzmalerei? Vielleicht. Aber wer hätte sich vor dreißig, vierzig Jahre vorstellen können, mit welcher Akribie in D. heute der Müll sortiert werden muß (graue, blaue, gelbe braune Tonne, Glas- und Papiercontainer).....

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