Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

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Raphael

Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Raphael »

Maurus hat geschrieben:Wer kauft denn unter solchen Umständen jetzt überhaupt noch italienische Staatsanleihen?
Dieselben, die bei Beginn der Staatsfinanzierungskrise auch die griechischen Staatsanleihen gekauft haben! :roll:

Einige davon haben anschließend das Gläubigerrisiko bei der EZB abgeladen und selber dabei einen dicken Reibach gemacht ........

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Maurus
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Maurus »

Caviteño hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:Wer kauft denn unter solchen Umständen jetzt überhaupt noch italienische Staatsanleihen?
Alle diejenigen, die der Auffassung sind, daß man Italien nicht fallen lassen wird und glauben - falls es doch passieren sollte - "gerettet" zu werden.
In obigem Szenario geht es doch gar nicht um "Rettung" oder nicht. Die Opposition erklärt, den Euroraum verlassen zu wollen. In Italien kann die ja morgen an der Regierung sein. Was sollen da Rettungsprogramme nutzen?
Caviteño hat geschrieben:Im übrigen ist das Risiko überschaubar, wenn die EZB unter ihrem Präsidenten Draghi im nächsten Jahr mit dem Aufkauf von Staatsanleihen beginnen wird. Bis dahin kann man noch Zinsen (hoch sind die zwar auch nicht mehr, aber es gibt mehr als bei Bundesanleihen) kassieren und dann seine Schrottpapiere bei der EZB (und damit letztendlich beim Steuerzahler) abladen.
Aber zu welchen Konditionen?
Caviteño hat geschrieben:Was geschieht, wenn tatsächlich eine Partei die Regierung stellt, die den Austritt aus dem Euroraum betreibt?
Ja, eben. Danach frage ich auch :breitgrins:.

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Maurus
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Maurus »

Raphael hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:Wer kauft denn unter solchen Umständen jetzt überhaupt noch italienische Staatsanleihen?
Dieselben, die bei Beginn der Staatsfinanzierungskrise auch die griechischen Staatsanleihen gekauft haben! :roll:
Das ist eben die Frage. Bei den Griechen konnte man ja immerhin darauf wetten, dass sie irgendwie im System gehalten werden sollten. Die italienische Opposition erklärt aber, das System auf jeden Fall verlassen zu wollen und in diesem Fall die Staatspapiere zwangsweise in die neue Währung zu konvertieren. Das ist doch ein erheblicher Unterschied.

Raphael

Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Raphael »

Maurus hat geschrieben:Die italienische Opposition erklärt aber, das System auf jeden Fall verlassen zu wollen und in diesem Fall die Staatspapiere zwangsweise in die neue Währung zu konvertieren. Das ist doch ein erheblicher Unterschied.
Letzteres mag ja sein ........

Nichtsdestoweniger stellen sich zwei Fragen:
1. Bleibt die Opposition nach der "Machtergreifung" bei ihrer Aussage bzw. bei deren Umsetzung? :hmm:
2. Haben die übrigen Euronen-Staaten keine "Daumenschrauben", um die Italiener von ihrem lästerlichen Vorhaben, den Euronen-Raum zu verlassen, abzubringen?

Beide Fragen bieten Anlaß genug, um den spekulativen Erwerb von italienischen Staatsanleihen in die Wege zu leiten!

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Raphael hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:Die italienische Opposition erklärt aber, das System auf jeden Fall verlassen zu wollen und in diesem Fall die Staatspapiere zwangsweise in die neue Währung zu konvertieren. Das ist doch ein erheblicher Unterschied.
Letzteres mag ja sein ........

Nichtsdestoweniger stellen sich zwei Fragen:
1. Bleibt die Opposition nach der "Machtergreifung" bei ihrer Aussage bzw. bei deren Umsetzung? :hmm:
2. Haben die übrigen Euronen-Staaten keine "Daumenschrauben", um die Italiener von ihrem lästerlichen Vorhaben, den Euronen-Raum zu verlassen, abzubringen?

Beide Fragen bieten Anlaß genug, um den spekulativen Erwerb von italienischen Staatsanleihen in die Wege zu leiten!
Zu 1) Sieh es als Druckmittel. Wenn Berlusconi oder wer auch immer anfängt, die Einführung einer eigenen Währung ernsthaft vorzubereiten (wie es im Wahlprogramm steht), hat er ein ausgezeichnetes Druckmittel in der Hand, um die anderen Eurostaaten (insbesondere D.) zu Zugeständnissen zu bewegen. Der eigenen Bevölkerung kann man den vorläufigen (! - die Option bleibt ja bestehen) Verzicht auf die eigene Währung später damit verkaufen, das D. seine Fehler eingesehen und "sich bewegt" hat und das Geld nun aus dem Geldautomaten - sorry aus D. - kommt. Und wenn D. nicht spurt, reicht es, die bereits fertigen Gesetzentwürfe aus der Schublade zu holen, das Datum zu ändern und .... s.o. weitere Zugeständnisse zu erpressen.

zu 2) Dauemschrauben nicht - aber andere Möglichkeiten
Wie würde denn die Bundesregierung reagieren, wenn z.B. IT (oder sogar GR) plötzlich anfängt, Gesetzentwürfe für die Einführung einer eigenen lokalen Zweitwährung (nach obigen Überlegungen) einzubringen? Man würde alles tun, um die jeweilige Regierung von ihrem Vorhaben abzubringen - koste es, was es wolle.

Die Bundesregierung könnte dem ital. oder griechischen Druck nach mehr Geld (böse Formulierung - besser) bzw. zusätzlichen "Wachstumsprogrammen" (gesamter Süden),
nach der Einführung von Eurobonds (IT und F),
nach Schuldenerlaß bzw. -streckung (GR),
nach einer Drosselung der deutschen Ausfuhr, um den südlichen Wettbewerbern mehr Chancen auf dem Weltmarkt zu geben (ganzer Süden),
nach div. "Vergemeinschaftungen" (F fordert das z.B. für die Arbeitslosenversicherung, die Südländer für die Einlagensicherung der Banken),
nach Einführung einer "Wirtschaftsregierung" mit hoher Planungsbefugnis (von F. gefordert, müßte Merkel aus ihrer Jugend bekannt vorkommen)
oder einen Finanzausgleich nach bundesrepublikanischem Muster nachgeben - wobei obige Aufzählung keinesfalls vollständig ist, sondern jederzeit nach Lust und Laune von den Südländern erweitert werden kann.

Bei solchen Zusagen seitens der Bundesregierung könnte Berlusconi oder eine andere Regierung zunächst geplante Einführung einer eigenen Währung großzügig zurückstellen und sich als "Europäer" feiern lassen.

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Ifo-Chef Hans-Werner Sinn über die Nullzinspolitik der EZB, die Verluste der Deutschen und den Nutzen für überschuldete Südländer. Am Ende mutiere die Eurozone in eine Transferunion, fürchtet er.
Gespräch mit Prof. Sinn

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Die WELT weist auf eine Gefahr für das Weltfinanzsystem hin - die Schwellenländer und ihre Verschuldung in USD. Durch den steigenden Dollar wird die Rückzahlung der meist in USD aufgenommenen Kredite schwieriger.
Der Dollar ist stark. So stark wie seit vielen Jahren nicht mehr. Vorbei die Befürchtungen, die Leitwährung könne implodieren. Doch paradoxerweise bringt jetzt genau dieser überstarke Dollar das Weltfinanzsystem in Bedrängnis. In den Schwellenländern braut sich nach Ansicht von Experten möglicherweise eine schwere Schuldenkrise zusammen.
Gewinnt der Greenback weiter an Stärke, könnte es in Russland, Brasilien und anderen Schwellenländern zu einer Pleitewelle kommen, die auch die Wirtschaft des Exportmeisters Deutschland in Mitleidenschaft zieht. Der Grund: Staaten, Unternehmen und private Haushalte haben sich global für die unglaubliche Summe von zehn Billionen Dollar über die Grenzen hinweg verschuldet. Ein wachsender Anteil dieser Schulden entfällt inzwischen auf die Emerging Markets.
Dieser Schuldenberg könnte nun zum existenziellen Risiko werden. Der Großteil dieser Verbindlichkeiten lautet nicht auf die heimische Währung wie Real oder Rubel, sondern auf Dollar.
(...)
Allein die auf Dollar lautenden Anleihen der Schwellenländer belaufen sich auf 2,6 Billionen Dollar, dazu kommen drei Billionen Dollar länderübergreifende Bankdarlehen.
(...)
Russland weist zwar auf den ersten Blick beeindruckende Fremdwährungsbestände von 361 Milliarden Dollar aus. Die Höhe relativiert sich jedoch angesichts einer fast doppelt so hohen Auslandsverschuldung von 678 Milliarden.
Brasilien meldet 375 Milliarden Dollar Devisenreserven, bei Auslandsschulden der Banken und Unternehmen von 468 Milliarden. Nach Statistiken der BIZ lauten 63 Prozent aller grenzüberschreitenden Schuldtitel auf Dollar, nur 19 Prozent auf Euro und acht Prozent auf Pfund. Mit einem Anteil von drei Prozent spielt der Yen kaum eine Rolle.
http://www.welt.de/finanzen/article1351 ... bombe.html

Nicht wie vielfach angenommen ein Zusammenbruch des USD könnte die Krise auslösen, sondern seine Stärke.

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Jetzt hat man es auch in den Finanzzentren gemerkt - das nächste Jahr könnte erhöhte Risiken für die EU bzw. den Euro bringen:
Die vorweihnachtlichen Wirren in Athen könnten ein Vorgeschmack darauf sein, was die Anleger im neuen Jahr erwartet: Unisono warnen Bankenvolkswirte in ihren Ausblicken auf 215 vor einem bedenklichen Anstieg der politischen Risiken in Europa. In den kommenden zwölf Monaten stehen in der Europäischen Union rund ein Dutzend wichtiger Wahlen an. „In allen diesen Ländern sind populistische Parteien im Aufwind und tendieren dazu, das bisherige Verhältnis ihrer Länder zur EU in Frage zu stellen“, bilanzieren die Analysten der Deutschen Bank.
(...)
Nationale und regionale Wahlen sind für das neue Jahr unter anderem in Estland, Schweden, Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Portugal, Polen und Spanien angesetzt. Weitere unerwartete Urnengänge, etwa in Griechenland, aber etwa auch in Italien, könnten hinzukommen. „Diese Wahlentscheidungen könnten den politischen Konsens in der Frage der europäischen Integration bringen“, sagt Elga Bartsch, die europäische Chefvolkswirtin der amerikanischen Großbank Morgan Stanley. Dies drohe auch den Zusammenhalt des Euroraums zu schwächen.
Das Spektrum der aufstrebenden Protestparteien ist breit: Darunter sind sowohl rechte Parteien wie die britische Ukip, der französische Front National und die Alternative für Deutschland als auch Parteien aus dem linken Lager wie Syriza in Griechenland, die italienische Fünf-Sterne-Bewegung um den Populisten Beppe Grillo oder die spanische Podemos-Partei. „Gemeinsam ist ihnen, dass sie Eckpfeiler des Europäischen Binnenmarktes und teilweise auch die Währungsunion in Frage stellen“, analysiert die Ökonomin Bartsch von Morgan Stanley. Sie bildeten damit ein Auffangbecken für Wähler, die Globalisierung und europäischer Integration mit Ablehnung begegneten.
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/boe ... 31659.html

In dem Artikel wurden neben der Lega Nord - ihr Wappen trägt den Spruch "Basta Euro" - auch die Parteien in den kleineren Ländern - z.B. Dänemark, Finnland, Schweden, Niederlande, Belgien "vergessen". :breitgrins:

Übersicht über planmäßige Wahltermine in der EU

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Hoffen wir mal, das er geht - das wäre das schönste Geschenk zu Weihnachten:
Derweil wird in Draghis Heimat der formal höchste Posten im Staate bald frei. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano hat vor wenigen Tagen seinen Rückzug angedeutet; der 89-Jährige wird wohl Mitte Januar zurücktreten. Italienische Medien spekulierten im Sommer darüber, ob Draghi sein Nachfolger im Quirinalspalast werden könnte; auch in der deutschen Finanz- und Regierungswelt wurde darüber getuschelt (F.A.Z. vom 14. Juli). Draghi ist mit Napolitano befreundet, sie telefonieren häufiger und treffen sich gelegentlich. In seinem EZB-Büro steht ein Foto von ihm mit Napolitano. Wirklich heimisch ist Draghi in Frankfurt nicht geworden, er fliegt regelmäßig nach Rom und verbringt die Wochenenden in seinem Haus nahe der italienischen Hauptstadt.
Ganz abwegig ist die Überlegung also nicht, dass der EZB-Chef ins höchste italienische Staatsamt wechseln könnte. Die Italiener haben immer wieder Zentralbanker in Regierungs- und Staatsämter gerufen. Aber in Zentralbankkreisen schütteln sie jetzt den Kopf: Draghi würde nicht eine Position mit enormer Gestaltungsmacht gegen ein eher repräsentatives Amt tauschen.
andererseits ist er nicht von Erfolg verwöhnt und muß sich wachsender Kritik stellen, die im nächsten Jahr noch erheblich zunehmen könnte:
Aus „Super Mario“ ist wieder Mario der Klempner geworden, der an klemmenden Finanzinstrumenten herumschraubt.
(...)
Seine zweite „Dicke Bertha“ mit günstigen Langfristkrediten haben die Banken viel schwächer nachgefragt als von der EZB erwartet. Und mit den bisherigen Wertpapierkäufen wird Draghi das Ziel einer Bilanzausweitung auf 3 Billionen Euro niemals erreichen, sagen Analysten übereinstimmend.
Man muß es immer wieder in Erinnerung rufen: Es war Frau Merkel, die einen Portugiesen als Vizechef akzeptierte, um dann den Chefposten der EZB für Herrn Weber zu "reservieren". Dann ließ sie ihn im Regen stehen, verweigerte ihm die Unterstützung und er warf entnervt das Handtuch. Frau Merkel akzeptierte den ital. Goldman-Sachs Banker Draghi als EZB-Chef. Sie ist die Hauptschuldige an dem gegenwärtigen Desaster.

Die Details des Ankaufs von Staatsanleihen (ob es sich dabei nicht um eine widerrechtliche Aktion der EZB handelt ist noch nicht geklärt) bergen auch viel Sprengstoff:
Ein besonders heikler Punkt ist die Frage, nach welchen Quoten die Papiere der verschiedenen Eurostaaten gekauft werden sollten. Nach den EZB-Kapitalquoten würden am meisten deutsche Anleihen gekauft, die eine erstklassige AAA-Bonitätsnote aufweisen. Zentralbanker aus den Krisenländern möchten die Käufe dagegen nach dem Volumen der ausstehenden Schulden gewichten – dann würden sehr viel mehr italienische Titel gekauft. „Das wäre aber politisch schwer zu vermitteln“, warnt ein EZB-Insider. Es käme der Vorwurf auf, Draghi helfe seinem Heimatland mit der Notenpresse. Weidmann hat dem Vernehmen nach vorgeschlagen, dass nicht die EZB, sondern nur die nationalen Notenbanken Papiere kaufen und dafür haften. Das würde eine Vergemeinschaftung der Schulden vermeiden und auch den Anreiz, zu riskante Papiere auf Kosten der Gemeinschaft zu kaufen. Die Krisenländer sind von dieser Idee nicht begeistert.
Quelle für alle verlinkten Zitate: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/m ... ageIndex_2

Man sieht einmal wieder das Ziel der südlichen "Partnerländer". Sie wollen ihre Schulden - auf welchem Weg auch immer - beim deutschen Steuerzahler abladen. Warum stimmen sie einem Erwerb der eigenen Staatsanleihen durch ihre Nationalbanken nicht zu? Sie versprechen doch immer, daß sie sich an die Regeln halten wollen und alles besser wird. Dann sollte der Erwerb ihrer eigenen - nach ihrer Ansicht: sicheren :D - Staatsanleihe durch ihre Notenbank auch auf keine Bedenken stoßen, oder? :/

Alles nur show? Dieser Eindruck drängt sich nach vier Jahren "Euro-Rettung" wohl jedem auf, der seine Ersparnisse auf einer abschüssigen Bahn Richtung Süden rutschen sieht.

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cantus planus
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von cantus planus »

Ach, wie pessimistisch. Der Euro wird doch ständig und immer wieder so erfolgreich gerettet, wie Barack Obama schon Guantanamo geschlossen hat. :breitgrins:
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‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Kontrastprogramm zur Kanzlerin - Prof. Sinn zum Jahreswechsel:

http://www.focus.de/finanzen/news/arbei ... 74629.html

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Heinrich II
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Heinrich II »

Caviteño hat geschrieben: Man muß es immer wieder in Erinnerung rufen: Es war Frau Merkel, die einen Portugiesen als Vizechef akzeptierte, um dann den Chefposten der EZB für Herrn Weber zu "reservieren". Dann ließ sie ihn im Regen stehen, verweigerte ihm die Unterstützung und er warf entnervt das Handtuch.
Ich weiß nicht ob es die mangelnde Unterstützung durch Merkel war. Ich denke eher Weber hat gemerkt, dass er im EZB-Rat - wie jetzt Weidmann - isoliert bzw. in der Minderheitenposition gewesen wäre, und hat deshalb das Handtuch geworfen.
Wer euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr angenommen habt, der sei verflucht. Geht es mir denn um die Zustimmung der Menschen, oder geht es mir um Gott?

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Heinrich II hat geschrieben:
Ich weiß nicht ob es die mangelnde Unterstützung durch Merkel war. Ich denke eher Weber hat gemerkt, dass er im EZB-Rat - wie jetzt Weidmann - isoliert bzw. in der Minderheitenposition gewesen wäre, und hat deshalb das Handtuch geworfen.
Die Berichte der letzten Zeit über die "Alleingänge" bzw. das "Küchenkabinett" von Draghi sprechen eigentlich dafür, daß der Präsident die Möglichkeit hat, die Linie der EZB zu bestimmen - wenn er will.
Am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) beschwerte sich Draghi, dass Weidmann quasi aus Prinzip fast immer gegen Beschlüsse des Rates stimme, Bundesbanker hielten dem Italiener vor, ein "präsidiales System" etabliert zu haben, in dem die Ratsmitglieder von Draghi vorab verkündete Beschlüsse nur abnicken sollten: "Draghi macht längst, was er will. Er hat den Rat in der Hand."
Galt dies vor Wochen noch als fast exklusive Meinung von Bundesbankern, weitet sich die Kritik mittlerweile massiv aus. "Die Missstimmung ist deutlich zu spüren", sagt Michael Schubert, erfahrener EZB-Beobachter bei der Commerzbank. Ehemalige EZBler sind schockiert. "Unter Trichet hat man miteinander geredet. Da waren Direktorium und Rat ein kollegiales Team."
http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten ... 7969.html

ähnlich auch hier

Inwieweit der Präsident die Möglichkeit hat, z.B. die Tagesordnungspunkte der Sitzungen zu bestimmen und damit bestimmte Fragen nicht zu behandeln, könnte auch Einfluß auf die Politik der EZB haben.

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Ewald Mrnka
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Ewald Mrnka »

Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Wem schadet, wem nützt der Grexit?
Fragen und Antworten von Roland Tichy.

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Ob es sich bei den sich häufenden Überlegungen im Kanzleramt über einen Grexit um Wahlkampfbeeinflussung der Griechen (möglich), Vorsorge (kaum denkbar) oder Warnungen an die eigene Bevölkerung über die "horrenden Kosten" eines scheiternden Euros (wahrscheinlich) handelt, kann man nicht beurteilen. Bedenklich ist aber, das wohl auf jeden Fall Mrden wieder nach Athen geschaufelt werden. Grund ist die Bankenunion:
Sollte das Bündnis um Alexis Tsipras gewinnen und den Reformkurs abbrechen, würde die ausstehende Rate von zehn Milliarden Euro Hilfskrediten nicht an Athen überwiesen werden. Käme es zum Austritt Griechenlands aus dem Euro - dem sogenannten „Grexit“, könnte es nach Einschätzung der Regierungsfachleute einen Kunden-Ansturm auf griechische Banken geben, um Euro-Guthaben zu sichern, schrieb die Zeitung. Ein Kollaps der Institute in dem Land könne die Folge sein. In diesem Fall müsste die EU-Bankenunion womöglich mit Milliardenzahlungen einspringen, hieß es.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 5698.html

Was gehen den deutschen Steuerzahler die griechischen Institute an? Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach - über den ESM haftet er mit:
Denn die Reihenfolge der Haftung - zuerst Eigentümer und Gläubiger mit einem Rettungs-Beitrag von bis zu acht Prozent der Bilanzsumme der Bank, dann der Abwicklungsfonds der Banken – wird als „Haftungskaskade“ organisiert. Am Ende der Haftungskaskade steht allerdings jetzt der Euro-Rettungsfonds ESM, der eigentlich nur zur Stabilisierung von finanziell angeschlagenen Euro-Staaten gedacht war. Die Politik rühmt sich, den ESM nun „um das Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung erweitert” zu haben.
Damit wird eine neue Vergemeinschaftung der Haftung für Südländer-Risiken Wirklichkeit. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, weist zurecht darauf hin, dass nach einer Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger von zusammen nur acht Prozent der Banken-Bilanzsumme und einer möglichen Beteiligung des neuen Rettungsfonds in Höhe von fünf Prozent eine rechnerische Deckungslücke von 87 Prozent bleibe. Und die falle dem Steuerzahler auf die Füße – bislang kümmert sich jedes Land selber darum, nun aber wir die Haftung sozialisiert.
(...)
In Wahrheit steht Deutschland mit der Bankenunion halstief in den Fluten der Bankschulden anderer. Sparkassen-Präsident Fahrenschon warnt daher seit Monaten, dass eine unbedachte Bankenunion Deutschlands Finanzreserven direkt bedrohe.
Das Hauptproblem der Risikoübernahme liegt darin, dass Deutschland in eine viel größere Gesamthaftung genommen und damit politisch erpressbar wird. Die europäische Bankenunion ist daher eine verkappte Vergemeinschaftung der Schulden Europas. Sie kommt der Einführung von Eurobonds durch die Hintertür nahe.
(...)
Seitdem die EZB ihre Niedrigzinspolitik einer eskalierenden Geldmenge aggressiv betreibt, ist die Bundesbank diese traurige Rolle freilich schon gewöhnt. Deutschland verzichtet Stück für Stück auf die Wahrung eigener Interessen, opfert schrittweise Stabilitätstraditionen und geht Risiken ein, die man nur in Trunkenheit brasilianischer Tequilas entspannt ertragen kann. Das Timing des Gesetzespakets ist clever gewählt, der Inhalt nicht.
http://www.handelsblatt.com/meinung/kol ... 85632.html

Bezeichnend ist, daß die wesentlichen Schritte während der Fußball-WM beschlossen wurde. Es erinnert an die WM 26 mit der Mehrwert-Steuererhöhung, nur diesmal wird es viel, viel teurer. Man sollte allmählich über ein Verbot der Teilnahme einer deutschen Mannschaft an Fußballweltmeisterschaften nachdenken - das hätte spürbare Entlastungseffekte in D. zur Folge. :breitgrins:

Aber vielleicht wird - ein Sieg von Syriza vorausgesetzt - das Thema "Griechenland" auch auf den Pegida-Demonstrationen angesprochen, man könnte die 19 Punkte durch einen weiteren ersetzen und eine ganz breite Zustimmung in der Bevölkerung wäre gewiß. :ja: ;D

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holzi
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von holzi »

Caviteño hat geschrieben:[...]
[...] opfert schrittweise Stabilitätstraditionen und geht Risiken ein, die man nur in Trunkenheit brasilianischer Tequilas entspannt ertragen kann. Das Timing des Gesetzespakets ist clever gewählt, der Inhalt nicht.
[...]
:vogel: :ikb_mad: :ikb_ranting: :ikb_taz: Tequila ist doch aus Mexico, in Brasilien säuft man Cachaça! Idioten! :motz:

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Vom Euro zum Liro - mit Mario auf dem Weg nach ganz unten.
Das Kaufprogramm wird hierzulande den letzten Rest an positiven Zinsen ausradieren. Was der verschwundene Zins für die Altersvorsorge bedeutet, werden die meisten Menschen mit Blick auf die nicht aufgegangenen Sparpläne erst in einigen Jahren merken. Dann ist es zu spät. Um Banken zu retten, belohnen Politiker und Zentralbanker die Schuldner und bestrafen die Gläubiger. Europa hat sich für den japanischen Weg entschieden, obwohl Tokio selbst nach zwei Jahrzehnten nicht aus der Krise findet. Anders machten es die Amerikaner. Sie zwangen ihre Banken zu schmerzhaften Einschnitten und ernten heute mit dem Aufschwung die Früchte der harten Sanierung.
(...)
Warum soll eine Umbuchung von Staatsanleihebesitzern in den Depots die lahme Konjunktur im Euroraum beflügeln? Soll ein Unternehmer investieren, nur weil der Zins noch ein Zehntelprozentpunkt niedriger ist? Die EZB könne noch so viele Anleihen kaufen, sie werde damit ihr Inflationsziel nicht erreichen, sagt Weber, der frühere Präsident der Bundesbank. Nur Reformen könnten in Europa das Wachstum zurückbringen, das hat die Agenda 21 in Deutschland gezeigt. Das ahnen in Euro-Europa auch die Regierungschefs, sie wissen aber, dass Bundeskanzler Schröder dafür abgewählt wurde.
Der Kauf von Staatsanleihen mag juristisch den Segen des Europäischen Gerichtshofs bekommen. Wirtschaftlich bleibt das monetäre Staatsfinanzierung. Das gigantische Kaufprogramm der EZB wird den Abwertungswettlauf beschleunigen, der Euro wird noch weicher. Deshalb hat die Schweizerische Nationalbank die Notbremse gezogen und die Kopplung des Franken an den Euro gekappt. Mit diesem Beschluss beerdigt Europas mächtigste Behörde in eigener Machtvollkommenheit die Prinzipien der Währungsunion. Das ist das Schlimmste. So zerstört die Europäische Zentralbank das Vertrauen in den Euro.
(Hervorhebung von mir)

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 85351.html

und wie üblich wird in der Schweiz offen über die Probleme und auch die Haftungsgefahren für D. aufgrund des letzten EZB-Beschlusses berichtet:
Das am Donnerstag von Draghi präsentierte Anleihekaufprogramm, das mit einem Volumen von 6 Milliarden Euro pro Monat zirka den Markterwartungen entspricht und bis mindestens September 216 fortgesetzt werden soll, trägt deutschen Bedenken nun teilweise Rechnung. So will die EZB nur acht Prozent der Staatsanleihen auf die eigene Bilanz nehmen. Zudem gilt das Prinzip der gemeinschaftlichen Haftung lediglich für einen Fünftel der zusätzlich aufzukaufenden Anleihen. Der Grossteil der Ausfallrisiken fällt somit bei den nationalen Notenbanken an, bei italienischen Staatspapieren etwa bei der Banca d'Italia. Dieses Abrücken von der Idee eines vollen «Risk sharing» mag als Augenwischerei erscheinen, da beim Zahlungsausfall eines Euro-Raum-Mitglieds wohl weiterhin (indirekt) auch die Steuerzahler der übrigen Euro-Staaten zur Kasse gebeten werden. In Deutschland lässt sich ein als «national» etikettiertes Programm mit teilweisem Haftungsausschluss aber etwas leichter verkaufen.
(...)
Freuen dürfen sich kurzfristig orientierte Spekulanten, die von der EZB noch mehr Spielgeld erhalten, und reformunwillige Staaten wie Frankreich oder Italien, denen zusätzliche Zeit gekauft wird, was dem Reformeifer kaum förderlich ist. Es festigt sich der Eindruck, dass die EZB mit ihrem monetären Aktivismus zusehends zu einem Teil des Euro-Problems wird, statt der Lösung. Das minime Entgegenkommen gegenüber deutschen Befindlichkeiten ändert daran wenig.
(Hervorhebungen von mir)

http://www.nzz.ch/wirtschaft/kommentare ... 1.18466772

Die deutsche Presse weist auf die - angebliche - Haftungsbeschränkung hin, wobei jetzt schon klar sein dürfte, das diese, wenn es erforderlich ist, jederzeit mit Mehrheitsbeschluß des EZB-Rates wieder gekippt werden wird. Da wirkt es wie Erbenzählerei, wenn sich einige deutsche Zeitgenossen noch Gedanken darüber machen, ob die Goldreserven der Bundesbank noch existent bzw. in Fort Knox "sicher" sind - die sind schon lange auf dem Weg Richtung Süden... :D :breitgrins:
Es ist ein Akt der Verzweiflung, mit der Draghi alles versucht, den Euro zu "retten". Nutznießer sind nicht die deutschen Sparer, sondern die Südländer, die im EZB-Rat über eine stabile Mehrheit verfügen. Sie können ihre Kreditkarte "Euro" zücken und problemlos auf Kosten des nordeuropäischen Steuerzahlers einkaufen - sei es über Target-II-"Verbindlichkeiten" oder über höhere eigene Staatsschulden, die ja jetzt problemlos von der EZB gekauft werden.

Auf den wohl gewählten Zeitpunkt wird ebenfalls hingewiesen:
Pikant ist der Zeitpunkt, zu dem Draghi seine Geldkanone abfeuert: im März. Dann nämlich entscheidet die EU-Kommission in Brüssel, ob Defizitsünder Frankreich, Nummer zwei in Sachen Wirtschaftskraft in der Währungsunion, bestraft wird oder nicht. Das Defizit der Franzosen ufert seit Jahren aus und es droht ein teures Knöllchen aus Brüssel. Mit Draghis frischen Milliarden im Rücken kann Paris das sicher leichter verschmerzen. Was das für den Reformeifer in der Währungsunion langfristig bedeutet, bleibt abzuwarten.
http://www.cash.ch/news/top_news/rss/dr ... 28592-771

Es ist inzwischen empörend, wie sich diese Länder ihren vertraglichen Verpflichtungen entziehen. Egal ob es auf wirtschaftlichem Gebiet ist, wo der Fiskalpakt das Papier nicht wert ist, auf dem er steht (und geschickt umgangen oder abgemildert wird, s.o.) oder z.B. in der "Flüchtlingspolitik". Hier kommen weder Italien noch GR ihren Verpflichtungen aus dem Dublin-II-Abkommen nach und führen überhaupt keine Erstverfahren durch, obwohl sie zuständig wären. Die "Flüchtlinge" werden einfach nach D. weitergereicht.

Wer solche Länder als "Partner" und "Freunde" bezeichnet muß eine recht eigenwillige Auslegung dieser bisher positiv besetzten Begriffe haben.

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Edi
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben: Wer solche Länder als "Partner" und "Freunde" bezeichnet muß eine recht eigenwillige Auslegung dieser bisher positiv besetzten Begriffe haben.
Um es nochmals zu erwähnen. Griechenland ist nur durch Betrug in den Euro gekommen. Als das bekannt wurde, hätte die EU sagen müssen: Wer betrügt, der fliegt. Gut, Rausschmeiße scheint angeblich nicht zu gehen, aber wenn man den Griechen die Zahlungen verweigert hätte, wäre die schon selber raus aus dem Euro. So verschwendet Merkel weiterhin grosse Summen Milliarden unserer Steuergelder. Früher hätte man solche Leute am nächsten Baum aufgehängt wegen Veruntreuung (da gibt es einen Paragrafen, der gelegentlich bei Managern von Firmen angewandt wird) heute ernten sie noch Lorbeeren.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben: Um es nochmals zu erwähnen. Griechenland ist nur durch Betrug in den Euro gekommen. Als das bekannt wurde, hätte die EU sagen müssen: Wer betrügt, der fliegt. Gut, Rausschmeiße scheint angeblich nicht zu gehen, aber wenn man den Griechen die Zahlungen verweigert hätte, wäre die schon selber raus aus dem Euro. So verschwendet Merkel weiterhin grosse Summen Milliarden unserer Steuergelder. Früher hätte man solche Leute am nächsten Baum aufgehängt wegen Veruntreuung (da gibt es einen Paragrafen, der gelegentlich bei Managern von Firmen angewandt wird) heute ernten sie noch Lorbeeren.
Es geht nicht nur um Griechenland, obwohl die Unverschämtheit der dortigen Politiker i.S. "Euro-Rettung" wohl von niemandem übertroffen werden wird. Auch Italien oder Frankreich halten ihre Reformversprechen nicht ein.
Die Mentalität der gesamten Südländer ist nun einmal ganz anders. Politische Vereinbarungen werden als Absichtserklärungen gewertet, um selbst etwas zu erreichen. Ob man seine Verpflichtungen dann erfüllt oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Leider muß man sagen, daß D. es diesen Ländern auch leicht gemacht hat.
War es nicht Schröder, der eine Abmahnung D. aufgrund eines zu hohen Haushaltsdefizits verhinderte?
War es nicht Waigel, der mit der Aufnahme von Belgien und Italien signalisierte, daß die Schuldengrenze (6%) wohl Verhandlungsmasse sein könne? Beide Länder hatten trotz aller Trickserei auch Schuldenstände von über 1% des BIP - mit angeblich sinkender Tendenz.

Für die gegenwärtigen Beschlüsse gilt: Merkel hat kein Interesse daran, die EZB in ihrem Wahn zu stoppen. Sie läßt ihren Bundesbankpräsidenten im Regen stehen - ebenso wie Axel Weber wegen der fehlenden politischen Unterstützung zurückgetreten ist. Der Hauptschuldige am Euro-Debakel ist die CDU - Kohl hat ihn eingeführt und Merkel verantwortet den Wertverfall der Währung und der Sparguthaben.

Jetzt ist der passende Zeitpunkt, an die "Weitsicht" des früheren Kanzlers zu erinnern:
In einem Interview mit dem französischen 'Figaro-Magazin' räumte der Altkanzler den Aussichten des Euro große Chancen ein. Spätestens in 21 habe sogar die Schweiz den Euro als Landeswährung.
Auch zu weiteren optimistischen Aussagen ließ er sich hinreißen:
Bis 26 gehört auch Großbritannien zum Euro-Verbund. Tony Blair würde jedenfalls dazu beitragen, über eine Volksabstimmung die Einführung des Euro bis dahin zu ermöglichen.
Kohl freue sich jedenfalls, den Jahresanfang durch den Euro-Einstand in vielen Ländern als seine 'schönsten Stunden' genießen zu können. Die Identität der Völker könne dadurch besser herausgebildet werden.
(Hervorhebung von mir)

http://www.shortnews.de/id/339782/helmu ... h-den-euro

Vor wenigen Tagen hat die Schweiz die Verbindung zum Euro gekappt, sie will nicht weiter mitsinken. Mit der besseren Herausbildung der Identität der einzelnen Völker hatte Kohl allerdings recht:
Die Unterschiede zwischen den Völkern waren nie so deutlich wie heute. :ja:

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Reformen sind notwendig - da stimmen die Euro-Staaten überein und versprechen sie. Wie es tatsächlich aussieht wird in der Schweizer Presse für die beiden - nach D. - größten Euroländer F und IT dargestellt. Man beschränkt sich dabei auf die Gebiete Kündigungsschutz, Rentenalter und Zahl der Beamten. Ich fasse die Ergebnisse zusammen:

Kündigungsschutz:
Kurz vor Jahresende passierte die grosse Arbeitsmarktreform von Premier Matteo Renzi beide Parlamentskammern. Renzi musste die Vertrauensfrage stellen, um das umstrittene Geschäft durchzubringen. Die Gewerkschaften protestierten heftig, trotzdem wird jetzt der Kündigungsschutz gelockert, zumindest auf dem Papier. Die Details der Umsetzung müssen noch geklärt werden.
Bislang waren für italienische Firmen mit mehr als 15 Mitarbeitern Kündigungen fast unmöglich. Artikel 18 des Arbeitsgesetzes verbietet die Kündigung von unbefristeten Verträgen ohne «gerechten Grund». Wirtschaftliche Probleme der Unternehmen gehören nicht dazu. Jetzt wird Artikel 18 ausser Kraft gesetzt, allerdings nur für Arbeitnehmer, die nach der Reform angestellt wurden

In Frankreich gilt ein rigider Kündigungsschutz bereits für Unternehmen mit nur einem Angestellten. Das Land wartet bislang noch auf die grosse Arbeitsmarktreform.(...)
Im Herbst hat Premier Manuel Valls einen neuen Anlauf zur Lockerung des Kündigungsschutzes genommen. Umgesetzt ist noch nichts.
Rentenalter:
In Italien hat Ende 211 die Technokratenregierung von Mario Monti eine Kürzung der Renten durchgeboxt – ebenfalls verbunden mit der Vertrauensfrage.
(...)
Männer müssen nun bis 66 arbeiten. Ab 218 trifft das höhere Rentenalter auch Frauen. Die in Italien viel genutzte Möglichkeit zur Frühpensionierung mit 6 wurde stark eingeschränkt.

In Frankreich ist ein Rentenalter 66 derzeit politisch undenkbar. Präsident Hollande war auch deshalb gewählt worden, weil er versprochen hatte, die Anpassungen seines Vorgängers Sarkozy zurückzunehmen.
Zahl der Beamten:
Die Regierung Renzi hat im letzten Sommer ein Reformprogramm für die Verwaltung verabschiedet. In den nächsten Jahren soll nur ein Teil der pensionierten Beamten ersetzt werden. Auch sollen Beamte künftig einfacher versetzt werden können – zumindest in einem Umkreis von 5 Kilometern. Ein massiver Abbau oder gar Entlassungen sind jedoch nicht geplant.

In keinem anderen grossen europäischen Land verschlingt der Staatsapparat mehr Geld als in Frankreich. In den letzten Jahren wurden die Verwaltungen zudem munter weiter ausgebaut.
Jetzt soll die Verwaltungsstruktur des Landes angepasst werden – auf Druck der EU. Die Zusammenlegung ganzer Regionen könnte Einsparungen von bis zu 3 Milliarden Franken bringen. Von 22 Regionen sollen ab 216 noch 13 übrig sein. Der Widerstand in der Provinz gegen die Reform ist jedoch enorm. In Kraft getreten ist sie noch nicht.
http://www.derbund.ch/ausland/europa/Di ... y/28369

Im Ergebnis kann man festhalten, daß unsere "Partner" so weitermachen wie bisher. Eine Änderung dieser Einstellung dürfte nach den jüngsten EZB-Beschlüssen kaum erfolgen - schließlich kann man sich weiter praktisch kostenlos verschulden. Die Währung fällt, "Zinsen" entwickelt sich zu einem Fremdwort und gezahlt wird vom deutschen Michel, der seine Ersparnisse weiter brav zur Bank trägt.

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Yeti
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Yeti »

Edi hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben: Wer solche Länder als "Partner" und "Freunde" bezeichnet muß eine recht eigenwillige Auslegung dieser bisher positiv besetzten Begriffe haben.
Um es nochmals zu erwähnen. Griechenland ist nur durch Betrug in den Euro gekommen. Als das bekannt wurde, hätte die EU sagen müssen: Wer betrügt, der fliegt. Gut, Rausschmeiße scheint angeblich nicht zu gehen, aber wenn man den Griechen die Zahlungen verweigert hätte, wäre die schon selber raus aus dem Euro. So verschwendet Merkel weiterhin grosse Summen Milliarden unserer Steuergelder. Früher hätte man solche Leute am nächsten Baum aufgehängt wegen Veruntreuung (da gibt es einen Paragrafen, der gelegentlich bei Managern von Firmen angewandt wird) heute ernten sie noch Lorbeeren.
Das ist eine wunderbare Wahlkampfhilfe für die AfD. Die Leute sind weder blöd noch lassen sie sich volkserzieherisch bevormunden. Meine Prognose für die Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: Jeweils mindestens 10 Prozent für die AfD, in Baden-Württemberg vielleicht sogar 15 Prozent, damit rechne ich auch für die Bundestagswahl.
#gottmensch statt #gutmensch

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Yeti hat geschrieben:Das ist eine wunderbare Wahlkampfhilfe für die AfD. Die Leute sind weder blöd noch lassen sie sich volkserzieherisch bevormunden. Meine Prognose für die Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: Jeweils mindestens 10 Prozent für die AfD, in Baden-Württemberg vielleicht sogar 15 Prozent, damit rechne ich auch für die Bundestagswahl.
Also in wirtschaftlichen Dingen sind die Leute blöd, da muß man sich nur die Kompetenzsimulanten (Stadtkämmerer und Stadtverordneten - immerhin begrifflich die "politische Elite") in NRW (und anderswo) anschauen. Sie nahmen Kredite in CHF auf und wundern sich jetzt, das sie mehr zurückzahlen müssen. :auweia:
Haben sie die historische Entwicklung der Devisenkurse DM/€ zu CHF geprüft? :nein:
Haben sie die Währungsgeschäfte abgesichert? :nein:
Kannten sie die Grundregel jeden Kreditnehmers, das man Kredite nur in der Währung aufnimmt, in der auch die Einnahmen anfallen? :nein:

Der einfache Mann von der Straße hat die oben erwähnten Fehler - bis auf wenige Ausnahmen der "ganz Klugen" - nicht gemacht. Aber er will oder kann nicht einsehen, daß seine Sparguthaben dahinschmelzen. Wer normalerweise schon Schwierigkeiten mit einfacher Prozentrechnung hat, ist bei der Beurteilung der Inflation auf die Ersparnisbildung und die Auswirkung in 20 Jahren sicher überfordert. Man schaltet ab und glaubt den Beteuerungen der Regierung "Alles wird gut!". Das ist bequemer und schließlich wartet die Sportschau, Dieter Bohlen oder das Dschungelcamp.

Im Falle GR gehe ich davon aus,
daß man die Laufzeiten der Kredite an Griechenland auf 100 Jahre verlängert;
die Zinsen auf 0% anpaßt;
jetzt keine neuen Darlehn mehr gewährt, sondern Gelder über die EZB und das von Juncker vorgeschlagene "Europa-Modernisierungsprogramm" iHv über 300 Mrden nach GR (und später nach Spanien, Portugal usw.) transferiert - dort werden sie ja angeblich "benötigt". Man hat zwar keine nenneswerte Industrie, die etwas produzieren könnte, aber blinder Aktionismus bringt auch gute Nachrichten;
den Euro weiter schwächt, damit auch die fußkranken Südstaaten ihre Produkte weltweit verkaufen können - allerdings wäre bei dem Eurokurs "verschenken" die bessere Wortwahl.

Dies wird von den Medien als "Weg in die richtige Richtung" gepriesen werden und Michel wird erzählt, daß die Forderungen - egal ob die Staatsforderungen der Bundesrepublik, die Forderungen des ESM oder die Target-II-Forderungen der Bundesbank noch immer weiter bestehen und beglichen werden....

Welche Medien berichten denn kritisch? Da fallen mir nur einige Journalisten der FAZ (z.B. Steltzner, Göbel) ein, das Handelsblatt hin und wieder und die Alpen-Prawda kann sich in der Hinsicht doch als verlängerter Arm des Regierungssprechers sehen. Von den öffentl.-rechtl. Sendern hier eine kritische Berichterstattung zu erwarten wäre sowieso unfair.

Die Politik will den Euro behalten - koste es, was es wolle. Sie ist nicht willens den Fehler zuzugeben. Daran würden auch 10% oder 15% AfD-Stimmen bei Landtagswahlen im nächsten Jahr nichts ändern. Selbst bei der Bundestagswahl würde es immer für eine sog. "Große" Koalition (der Euro-Jünger) reichen.

Man wird die AfD in die rechte Ecke stellen, die Auflösung des Euros in den fürchterlichsten Farben an die Wand malen und damit der Bevölkerung Angst machen (vgl. Abstimmung Schottland und die hochgespielte Frage einer EU-Mitgliedschaft). Die Befürworter einer nationalen Währung werden als "Nationalisten", "Ewig-Gestrige" usw. gebrandmarkt werden - denn schließlich ist der Euro "unsere (Weich-)Währung" und "alternativlos".

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Yeti
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Yeti »

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Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Yeti hat geschrieben:Nach Griechenland-Wahl: "Was immer die Deutschen sagen, am Ende werden sie zahlen" Nett, nicht wahr? Diese großmäuligen Phlegmaten.
Die Welt schreibt zu dieser Unverschämtheit:
Es ist eine Geisteshaltung, die von Spanien über Frankreich bis Italien trotz unterschiedlicher Ausprägungen die meisten politischen Kräfte links wie rechts eint. Sie findet ihren Ausdruck in dem allerorts beliebten Schlagwort von der "europäischen Solidarität".
http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... ahlen.html

Dazu paßt, wofür von D. gezahlt werden soll:
Aber Tsipras' Programm will nicht verkrustete Strukturen aufbrechen, sondern die Beschäftigung im ineffizienten öffentlichen Sektor schnell und drastisch hochfahren. In der gesamten Wirtschaft will Syriza rund 3. neue Jobs schaffen. Das kostet Geld.
Auch die Einkommen der Rentner sollen wieder steigen. Syrizas Wahlprogramm sieht eine 13. Pension für alle vor, die weniger als 7 Euro Rente im Monat haben. Für die Armen will der Staat die Energiekosten übernehmen.
Unversicherte sollen wieder kostenlose medizinische Behandlung bekommen. Man kann das verstehen. Nur bezahlen können es die Griechen nicht aus der eigenen Tasche. Andere müssten dafür aufkommen.
Addiert man alle Versprechen der Wahlsieger, ergibt sich daraus eine Summe von 11,4 Milliarden Euro – bei rund 85 Milliarden Euro an Staatsausgaben insgesamt im vergangenen Jahr. Würde Deutschland im gleichen Verhältnis ein Konjunkturprogramm planen, müssten die Ausgaben um 4 Milliarden Euro steigen.
Unvorstellbar wäre das. Noch abstruser wäre es, würde man diese Summe ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl setzen. Griechenland hat rund elf Millionen Einwohner. Tsiprias Programm kostet also 1 Euro pro Kopf.
http://www.welt.de/wirtschaft/article13 ... -Euro.html

Abstrus, unvorstellbar? :D Die sog. "Hilfen" betragen bisher 24 Mrden, dazu kommen noch einmal über 1 Mrden aus dem erzwungenen Forderungsverzicht der Privatgläubiger, also 34 Mrden - bei 11 Millionen Einwohner macht das über 3. €/Kopf. Das ist der Preis für eine Mittelklasselimousine, die jedem Griechen - vom Neugeborenen bis zum blinden Greis - vor die Tür gestellt wurde, finanziert vom Steuerzahler der übrigen Euro-Länder.

Aber diesmal könnte man sich verrechnet haben. Nicht wegen Berlin - bei den Finnen droht Ungemach:
In Finnland finden Mitte April Parlamentswahlen statt, die Volksvertretung wird vier Wochen vorher aufgelöst, ist also nur noch ein paar Wochen entscheidungsfähig. Zudem bedarf es guter Argumente, die Finnen zu überzeugen. Die Euro-Skeptiker sind im Aufwind, schon bisher waren die Abgeordneten eher dagegen, Griechenland weitere Kredite oder Vergünstigungen zu gewähren.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/e ... -1.2321442

Schon beim letzten Mal hätten die Finnen die GR-"Rettung" beinahe scheitern lassen. Man konnte sie nur überzeugen, indem sich die Finnen Sicherheiten für ihre Darlehn geben ließen. Sie mußten dafür wohl "schlechtere Konditionen" akzeptieren - aber was bedeutet das schon bei einem solchen Schuldner.... :breitgrins:
Finnland hatte für seinen Beitrag an den Notkrediten eine Gegenleistung von Griechenland gefordert, musste dafür aber schlechtere Bedingungen als die Länder hinnehmen, die auf eine Gegenleistung verzichteten.
http://www.tagesspiegel.de/politik/euro ... 7966.html

Auch das niederländische Parlament könnte Schwierigkeiten machen. Dort hat man sich in der letzten Woche gegen die Politik der EZB ausgesprochen. Schwer vorstellbar, daß man bereit ist, weiter Geld auf die Reise Richtung Süden zu schicken - da kann man es besser im eigenen Land "verprassen".

Die Börse zeigte gestern ebenfalls, daß GR nicht mehr systemrelevant ist:
Die Wahlen in Griechenland haben eigentlich das denkbar schwierigste Ergebnis für die Börsen gebracht. Einen überraschend deutlichen Sieg des Linksbündnisses Syriza. Und damit nicht genug. Parteichef Alexis Tsipras, der unter Börsianern auch der Hugo Chavez von Griechenland genannt wird, wird mit der rechtspopulistischen Partei Unabhängiger Griechen koalieren.
Damit werden die Märkte und Europa mit der "stärkstmöglichen Anti-Troika-Politik" konfrontiert, wie John Norman, Stratege bei der Investmentbank JPMorgan anmerkt. Doch allein die Börse in Athen hat sich vom Griechenland-Schocker schrecken lassen.
Die Märkte der restlichen Euro-Zone verzeichneten zum Teil kräftig Gewinne. Und das ist die gute Nachricht für Europa. Griechenland scheint nicht länger so systemrelevant zu sein, dass es ganz Europa in die Tiefe ziehen kann – und das hat Konsequenzen.
(...)
Auch der Euro konnte sich nach einem ersten nächtlichen Kursrutsch unter die Marke von 1,11 Dollar wieder deutlich erholen. Am Nachmittag notierte die Gemeinschaftswährung bei 1,1255 Dollar und damit leicht über dem Niveau, wo sie auch am Freitag gehandelt worden war.
(...)
"Wir sehen jetzt das Endspiel für Griechenland", sagt Andrews.
Die Marktakteure scheinen diesem Spiel gelassen zuzusehen. Die Anleihenmärkte der übrigen Peripherie-Staaten gaben sich ungerührt. Weder spanische noch italienische Renditen sprangen nach oben. Eine Ansteckungsgefahr auf andere Bonds der Euro-Peripherie sehen die Experten aufgrund des Anleihe-Kauf-Programms der Europäischen Zentralbank jedoch kaum.
http://www.welt.de/finanzen/boerse/arti ... ieben.html

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch die Schweizer: http://www.cash.ch/news/top_news/rss/an ... 286889-771

Schäuble dürfte damit seine beliebte Drohkulisse "der Märkte" genommen worden sein.

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Edi
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Edi »

Har man eigentlich mal etwas davon gehört, daß der neue Regierungschef in GR endlich die Millionäre und Milliardäre zur Kasse bitten will, denn diese zahlen vielfach keine oder nur wenig Steuern?
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben:Har man eigentlich mal etwas davon gehört, daß der neue Regierungschef in GR endlich die Millionäre und Milliardäre zur Kasse bitten will, denn diese zahlen vielfach keine oder nur wenig Steuern?
:ja:
Die deutschen Gazzetten sind voll davon - allerdings schildern sie nur die "guten" Absicht.... :D

Hat man denn eigentlich schon den Artikel 17 der Griechischen Verfassung geändert, der die Steuerfreiheit der Reeder verfassungsmäßig garantiert?
Denn immerhin ist das Steuerfreiheitsprivileg der griechischen Reeder selbst für die durch Steuersenkungen verwöhnten Mitkapitalisten im übrigen Europa noch eher ein Utopia als Realität. Die griechische Verfassung schreibt in ihrem Art. 17 eine solche Steuerfreiheit vor.
http://www.dielinke-nrw.de/nc/partei/ar ... t-europas/
Artikel 17. (1) Die vor dem 21. April 1967 erlassene Gesetzgebung mit gesteigerter formeller Geltungskraft über den Schutz von ausländischem Kapital behält die gesteigerte formelle Geltungskraft, die sie besaß, und findet auch auf das in der Zukunft zufließende Kapital Anwendung.
Gleiche Geltungskraft besitzen auch die Bestimmungen der Kapitel I. bis IV. des Ersten Teils des Gesetzes Nr. 27/75 "Über die Besteuerung von Schiffen, Auferlegung eines Beitrages zur Entwicklung der Handelsmarine, über Niederlassung ausländischer Schiffahrtsunternehmen und über die Regelung damit zusammenhängender Fragen".
http://www.verfassungen.eu/griech/verf75.htm

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Führt die Frankenaufwertung zu keinen Problemen in der Schweiz könnte dies die Stimmen beflügeln, die einen Austritt D. aus dem Euroverbund fordern.
Denn: Falls es das von Exporten abhängige Land nach dem dramatischen Anstieg des Franken schafft, eine Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt zu vermeiden, könnte der Glauben an das Überleben einer überbewerteten Währung und an ein Verlassen der Eurozone in Deutschland etwas wachsen, warnte der Mitgründer und Chef von BlackRock. Das Stichwort wäre in diesem Fall Gerexit - für Germany (Deutschland) und Exit (Austritt).
"Es gibt seit jeher die Diskussion, ob Deutschland in der Eurozone sein sollte oder nicht", sagte Fink in der vergangenen Woche am Rande des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos in einem Interview mit Bloomberg Television. "Eines der Argumente hat sich immer um Deutschland gedreht. Wäre es ein sich abzeichnender Selbstmord, wenn das Land dem Euro den Rücken kehren würden - weil es dann eine um 2 oder 3 Prozent aufgewertete Währung hätte?"
Falls die Schweiz eine "Rezession vermeidet und sich die Konjunktur weiter ziemlich nett entwickelt - was bedeutet dies dann für die Volkswirtschaft eine bisschen weiter nördlich?", sagte Fink während seines Besuchs in den Alpen. "Ich glaube, das würde in Deutschland - von der rechten Seite - zu einer grossen Diskussion führen, mit dem Verweis darauf, wie es in der Schweiz gelaufen ist."
http://www.cash.ch/news/top_news/rss/fo ... 288126-771

Vielleicht verstehen dann auch mehr Menschen, daß die Eurozone nur kostet - eine unabhängige Währung aber auch viele Vorteile hat. Man kann dann auf das Beispiel Schweiz verweisen.

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Der WELT gebührt Dank, das sie die Stimmung schildert, die sich im Süden Europas gegen Deutschland breit macht:
Für den Fall, dass es jemand nicht mitbekommen hat: Deutschland ist schuld an der Armut in Südeuropa. Und an den leeren Staatskassen zwischen Griechenland und Spanien sowieso. Und am geknickten Stolz der Krisenländer auch. So jedenfalls behaupten das am Mittelmeer immer mehr Unzufriedene – ob in Zeitungsartikeln, in Parlamentsreden oder im Netz.
Deutschland, ausschließlich Deutschland ist schuld. Während bei Demonstrationen der Bewegung Podemos spanische Politikerpuppen in drastischer Eindeutigkeit an Hakenkreuzen baumeln, ist auch ein Blick in den Blog des neuen griechischen Finanzministers erhellend. Janis Varoufakis hat inzwischen Tausende von Anhängern, und einige zeigen sich in seinem Blog felsenfest überzeugt vom Ursprung alles Bösen: Deutschland verfolgt eine Politik des "Über alles".
Deutschland will wie 1939 den Kontinent brutal unterjochen und Millionen ins Unglück stürzen. Deutschland sahnt eiskalt ab, zieht absichtlich den Hass der Welt auf sich und wird bald blutig für diese Untaten bezahlen müssen. So ähnlich kann man das in zahlreichen italienischen, spanischen oder griechischen Foren und Medien lesen, während ein beliebter Wahlkampfslogan schon länger lautet: "Wir wollen keine Deutschen werden!"
(...)
Diesen tief verwurzelten Hang der Menschen, den fremden Geber zu verteufeln und lieber den benachbarten Ganoven freizusprechen, machen sich die Lenker von Syriza, Podemos, aber auch Populisten vom Schlage Berlusconis oder Grillos mit Gusto zunutze. Denn mit ihrer Vision vom fiesen Germanien müssen sich weder Bürger noch Politiker für Jahrzehnte der Vetternwirtschaft und Verschwendung rechtfertigen. Das Loch in der Kasse sollen gefälligst nicht die Verursacher und Nutznießer im eigenen Lande, sondern "die Deutschen" stopfen. So verliert man im eigenen Land keine Wählerstimmen.
(...)
Auch die vielen Milliarden Schulden, für die momentan Deutschland geradesteht, sind nichts als ein Zeichen deutscher Habgier. Wenn wir der bedrohlichen Volksmeinung in Südeuropa glauben, hat Ursula von der Leyen gerade den Einmarsch in Schlesien befohlen, deutsche Beamte tragen jetzt SS-Uniform, und Angela Merkel lässt sich einen viereckigen kleinen Schnurrbart stehen.
Sieht so die völkerverbindende Kraft einer gemeinsamen Geldpolitik aus? Soll dies das grenzenlos-solidarische Europa der Zukunft sein? Viele Deutsche wollen ihre unsägliche Buhmann-Rolle nicht weiter klaglos hinnehmen. Schlicht, weil sie keine Lust haben, im Ausland als Wiedergänger von Himmler beschimpft zu werden.
(Hervorhebung von mir)

http://www.welt.de/debatte/kommentare/a ... ropas.html

Die Deutschen wollen nicht nur die Buhmann-Rolle ablegen - sie wollen vor allem nicht, das ihre Ersparnisse im Süden verbraten werden.

Der Süden schimpft auf D., das sich mit "dolce-vita" nicht abfinden will. D. schimpft auf den Zentralbankchef aus Italien, der "ihre" Währung weich macht. Der Euro belastet seit Jahren das Verhältnis der Länder untereinander.

Es wird Zeit für einen Neubeginn: Kurzfristig Auflösung des Euroverbundes, längerfristig Neugliederung der EU in einen Nordteil (GB bis Finnland, einschl. Benelux, D., Osteuropa) und einen Südteil (Frankreich, Balkan und die Mittelmeerländer).

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von cantus planus »

So toll finde ich weder den Artikel (der allerdings einige Tendenzen korrekt beschreibt) und auch deine Lösungsvorschläge nicht. Die Wirtschaft im Vereinigten Königreich ist längst nicht so stark, wie viele glauben. Genau deshalb gab es in der Zeit, als ich in England war - 2010 - lebhafte Diskussionen, ob nicht ein Eurobeitritt für das Königreich günstig wäre. Es sah tatsächlich für einen Moment so aus, als würden sich die Briten freiwillig vom Pfund Sterling verabschieden. Dass diese Diskussion nur etwas später komplett vom Tisch war, ist bekannt. Es wäre auch zu hinterfragen, ob die Aufnahme GBs in einen Nord-Euro klug wäre.

Das nächste Problem ist Frankreich: das Land ist nicht komplett desolat. Es gibt ein riesiges Gefälle zwischen Nord und Süd, und zwischen den lothringischen und elsässischen Departements und Zentralfrankreich. In Frankreich gibt es äussert leistungsfähige Zentren, während in anderen Regionen nichts los ist - abgesehen von schönen Ruinen und duftendem Lavendel. Dasselbe Problem hat ja - mutatis mutandis - auch Griechenland. Aber für Frankreich gilt das eben nicht im Ganzen. Hier liegt Sprengstoff, der für die Regierung Valls und den unbeliebten Präsidenten Hollande bald zur echten Herausforderung wird.

Griechenland hat massive Probleme, ja. Aber die Austeritätspolitik der "Troika" löst kein einziges davon. Im Gegenteil wird das bestehende Strukturdefizit nur noch verschärft und nicht in die Zukunft investiert. Dass eine grosse deutsche Zeitung unlängst die Schlagzeile brachte, Griechenland sei nach der Rettung noch zahlungsunfähiger als zuvor, sagt alles. Es ist nichts hinzuzufügen.

Die gemeinsame Währung ist für Europa dasselbe Gift wie die zentralistische Verordnungswut eines anonymen Beamtenapparates in Brüssel, der sich laufend selbst legitimieren muss. Das Problem ist umfassend: die EG hätte funktioniert und dem Gedanken eines "Europas des Vaterländer " entsprochen, wie es unseren Altvorderen vorschwebte. Die heutige EU ist einfach komplett gescheitert. Ein Schritt zurück wäre jetzt klug, statt mit alternativlosen Rettungen die Krise permanent zu verlängern und EU-Beamtenapparat und nationale Regierungen noch weiter vom Volk zu entfremden. Denn dieser Prozess führt unweigerlich zur Katastrophe, und ich bin überzeugt, dass die friedlichen Tage in Europa sehr bald vorbei sein werden.

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Cantus, es geht mir nicht nur um die Währung - sprich Nord- und Südeuro. Da bin ich ganz klar für nationale Währungen. Ein Währungsverbund wäre mE z.B. nur vorstellbar zwischen D, den NL, A und evlt. einigen nordischen Ländern. Jedoch wäre dann der Vorteil so gering, daß man sich fragen sollte, ob die evtl. Nachteile nicht größer sind.

Natürlich haben einzelne Regionen in den Ländern eine unterschiedliche Wirtschaftskraft, egal ob das Frankreich, Italien und auch Spanien mit dem Nord-Süd-Gefälle, D. mit dem Südwest-Nordost-Gefälle oder z.B. Belgien mit Flandern und der Wallonie sind. Allerdings wird in den Nationalstaaten die unterschiedliche Wirtschaftskraft durch einen Finanzausgleich geregelt - und den kann man innerhalb der EU eben nicht einführen, ohne den Bruch zu riskieren.

Mir geht es daher auch nicht um "gleiche Wirtschaftskraft", sondern um gleichartige Vorstellungen über die Wirtschaftspolitik, die natürlich immer noch Unterscheide aufweisen wird und aufweisen soll. Länder wie F, IT, E ua, die über Jahrzehnte eine schwache Währung hatten, eine hohe Inflation und hohe Zinsen kannten, passen nicht mit Ländern des früheren DM-Blocks zusammen. Länder, in denen die Gewerkschaften ihre politischen Forderungen(!) durch einen Generalstreik unterstreichen, passen nicht zu einem Land mit "konsensorientierten" Gewerkschaften, Betriebsräten und Mitbestimmung. Die Folge kannst Du im Augenblick beobachten. D. wird der Wettbewerbsvorteil niedriger Löhne vorgeworfen, denen die Gewerkschaften vor einigen Jahren zur Sicherung der Arbeitsplätze zugestimmt haben. Kann man den Unterschied zwischen Nord- und Südgewerkschaften noch deutlicher sehen?

Es besteht doch kein Zweifel, das sich Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsstruktur und auch die Industrialisierung zwischen den nordeuropäischen und südeuropäischen Ländern erheblich unterscheidet. In Frankreich und Italien haben staatliche Stellen bzw. Ministerien einen ganz anderen Einfluß als in D. oder in GB. Die unterschiedliche Auffassung zur Einhaltung von Verträgen oder anderen Vereinbarungen haben wir in den letzten Jahren deutlich kennengelernt.

Durch die EU wurden Länder zusammengepreßt, die - außer der Lage auf dem gleichen Kontinent - nicht viel gemeinsam haben. Was verbindet einen Finnen und einen Portugiesen? Was einen Bulgaren und einen Engländer? Da sind sogar die Religionsbekenntnisse unterschiedlich und auch geschichtlich dürfte es kaum Berührungspunkte geben.
Warum geht es den noch vorhandenen Nicht-EU-Mitgliedern (Norwegen, Schweiz, inzwischen auch wieder Island) besser als den EU-Mitgliedern?

Man sollte die EU zurückfahren (EFTA-Level) und den Nationalstaaten ihre Freiheiten zurückgeben. Man muß keine Richtlinie für die Familienzusammenführung haben, denen sich einige Länder dann nicht anschließen. Man muß keinen einheitlichen Visaraum haben, um die Grenzkontrollen medienwirksam formal abzuschaffen, aber z.B. bei innereuropäischen Flügen mehr Daten erheben, als sie jemals ein Zöllner notiert hat.

Eine Zusammenarbeit in den notwendigen Bereichen dürfte dann automatisch mit den Staaten gleicher Wertvorstellungen erfolgen, wie sie heute ja auch zwischen D. und der Schweiz problemlos([Punkt]) funktioniert. So kann es funktionieren. Zwischen Nord- und Südeuropa wurde durch den Euro soviel Porzellan zerschlagen - sprich Schaden angerichtet - das wird eine oder zwei Generationen dauern, um es wieder zu kitten.

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von cantus planus »

D'accord. :ja:
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