Naturrecht

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Samson83
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Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

In der Beschneidungsdiskussion wie auch in anderen Diskussionen kam der Begriff des "Naturrechts" auf, der über dem geschriebenen Recht stünde.

Ich finde es unmittelbar einsichtig, dass für einen religiösen Menschen der Wille Gottes, das Lenken des heiligen Geistes, die offenbarungen der Propheten ein solches Naturrecht manifestieren können. "Gott will es"; ja und damit ist gut. Das nennen manche heute Fundamentalismus; mir erscheint es, dass nach diesem maßstab jeder Anhänger einer Offenbarungsreligion ein Fundamentalist sein müsste, was diesem Begriff jeden Wert nimmt.

Ich frage mich aber, wie und ob es jenseits einer gemeinsamen religiösen Basis von einem naturrecht ausgehen kann, dass interreligiös und damit auch für ungläubige bindend sein sollte. Die Frage ist zunächst, wie man ein solches Recht erkennt, und zweitens, welche Inhalte ein solches Recht haben sollte. Mir erscheint dies völlig diffus, und ich glaube an kein "natürliches Sittengesetz"; mir erscheint bspw. die kantsche Philosophie als ein bloßer Formalismus ohne echten ethischen Wert.

Daher bitte ich, mir zu erläutern, was hier unter Naturrecht verstanden wird und wie man ein solches erkennt.

Ich muss dazu anmerken: Ich bin selbst nicht religiös; freundlicherweise erlaubt man mir dennoch hier zu schreiben. Ich kenne mich etwas mit dem Recht aus, und ich habe den Eindruck, dass sich unter einer Berufung auf ein "Naturrecht" letztlich alles und nichts begründen ließe, und dass die Rechtswissenschaft besser daran wäre, auf diesen Begriff zu verzichten.
"Und der Vorhang im Tempel zerriß nicht in zwei Stücke von obenan bis untenaus, und die Erde erbebete nicht, und die Felsen zerrissen nicht, und die Gräber taten sich nicht auf, und dies ist die traurigste Geschichte der Welt." Michael Klonovsky

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Reinhard
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Re: Naturrecht

Beitrag von Reinhard »

Das Wiki dazu gibt definitionstechnisch ja schon mal einiges her ...

Aber wenn Du nur die Präambel des Grundgesetzes nimmst - die ist im Grunde naturrechtlich formuliert !

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lifestylekatholik
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Re: Naturrecht

Beitrag von lifestylekatholik »

»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

HeGe
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Re: Naturrecht

Beitrag von HeGe »

Samson83 hat geschrieben:Daher bitte ich, mir zu erläutern, was hier unter Naturrecht verstanden wird und wie man ein solches erkennt.

Ich muss dazu anmerken: Ich bin selbst nicht religiös; freundlicherweise erlaubt man mir dennoch hier zu schreiben. Ich kenne mich etwas mit dem Recht aus, und ich habe den Eindruck, dass sich unter einer Berufung auf ein "Naturrecht" letztlich alles und nichts begründen ließe, und dass die Rechtswissenschaft besser daran wäre, auf diesen Begriff zu verzichten.
Einen einheitlichen Begriff für das Naturrecht wirst du wohl nicht finden. Grundsätzlich wird man wohl sagen können, dass mit Naturrecht das gemeint sein soll, was grundsätzlich alle Menschen, über alle Zeiten und Rechtssysteme hinweg, stets als falsch und verboten erkennen sollten. Beispielsweise der Mord. Dass das Naturrecht insofern nur ein absolutes Minimum an Recht wäre und sich genug Gegenbeispiele finden, um jedes Verbot zu relativieren, ist klar. Ein Naturrecht ohne transzendentalen Bezug halte ich jedenfalls für schwer begründbar.

Der Verzicht auf das Naturrecht ist zumindest aus meiner Sicht höchst problematisch. Wie möchtest du mit einer rein rechtspositivistischen Sicht beispielsweise die Bestrafung von Kriegsverbrechern rechtfertigen? Die Nürnberger Prozesse, die Bestrafung von Nationalsozialisten oder Mauerschützen der DDR wären so nie begründbar, da sich diese innerhalb des Rechts ihrer Zeit bewegten. Nulla poena sine lege data. Nur wenn man ein übergerordnetes Recht, unabhängig von den jeweils geltenden Gesetzten, zur Hilfe nimmt, ist eine Bestrafung begründbar. Das ist natürlich eine sehr ergebnisorientierte Sichtweise und sicher in Teilen auch mit Recht bestreitbar, dürfte aber im Sinne der Generalprävention notwendig sein.
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Tipheret
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Re: Naturrecht

Beitrag von Tipheret »

Liest man Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon, dann ist das inhaltlich mit dem Kategorischen Imperativ Kant’s sehr nah beisammen:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Der entscheidende Widerspruch liegt in der Quellenangabe:
Wetzer u. Welte verneinen das, wie es Kant und andere verstanden und darlegten und behaupteten, ohne einen Beweis vorlegen zu können, dass es sich um ein „göttliches Recht“ handelt, während Kant und andere Philosophen es als ein aus den Menschen sich entwickelndes Rechtsempfingen behandeln.
Kant stellt drei Maximen des "gemeinen Menschenverstandes" auf, wobei er sich der ersten Maxime, "Selbstdenken", besonders intensiv widmet.

Unter "Selbstdenken" versteht Kant das eigenständige und kritische Denken eines freien, aufgeklärten Menschen, der sich ausschließlich den Gesetzen der Logik und Natur, soweit sie ihm unter der ihm gegebenen Vernunft einsichtig sind, verpflichtet. In Gegensatz setzt er das "passive Denken", also die kritiklose Übernahme von (Vor)urteilen.

Den Prozess der "Aufklärung" versteht er dabei als Befreiung von sämtlichen Vorurteilen.
Das größte Vorurteil ist dabei der Aberglaube, weil dieser ganz bewusst auf der Aufhebung der Gesetze der Logik und Natur fußt und damit diejenigen Menschen, die seiner erliegen, zu Blindheit und passivem Denken führt und ein "Selbstdenken" (im obigen Sinne) somit unmöglich macht.

Konsequenterweise lehnt es die RKK bis heute ab die Menschenrechtserklärung zu akzeptieren, weil dies die Weiterentwicklung des kategorischen Prinzips ist und an die Vernunft des Handelns des Einzelnen appeliert.


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Haiduk
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Re: Naturrecht

Beitrag von Haiduk »

Samson83 hat geschrieben:In der Beschneidungsdiskussion wie auch in anderen Diskussionen kam der Begriff des "Naturrechts" auf, der über dem geschriebenen Recht stünde.

Ich finde es unmittelbar einsichtig, dass für einen religiösen Menschen der Wille Gottes, das Lenken des heiligen Geistes, die offenbarungen der Propheten ein solches Naturrecht manifestieren können. "Gott will es"; ja und damit ist gut. Das nennen manche heute Fundamentalismus; mir erscheint es, dass nach diesem maßstab jeder Anhänger einer Offenbarungsreligion ein Fundamentalist sein müsste, was diesem Begriff jeden Wert nimmt.

Ich frage mich aber, wie und ob es jenseits einer gemeinsamen religiösen Basis von einem naturrecht ausgehen kann, dass interreligiös und damit auch für ungläubige bindend sein sollte. Die Frage ist zunächst, wie man ein solches Recht erkennt, und zweitens, welche Inhalte ein solches Recht haben sollte. Mir erscheint dies völlig diffus, und ich glaube an kein "natürliches Sittengesetz"; mir erscheint bspw. die kantsche Philosophie als ein bloßer Formalismus ohne echten ethischen Wert.

Daher bitte ich, mir zu erläutern, was hier unter Naturrecht verstanden wird und wie man ein solches erkennt.

Ich muss dazu anmerken: Ich bin selbst nicht religiös; freundlicherweise erlaubt man mir dennoch hier zu schreiben. Ich kenne mich etwas mit dem Recht aus, und ich habe den Eindruck, dass sich unter einer Berufung auf ein "Naturrecht" letztlich alles und nichts begründen ließe, und dass die Rechtswissenschaft besser daran wäre, auf diesen Begriff zu verzichten.
Die Antwort aus christlich Sicht ist, daß einzig das Gebot des Gehorsams gegenüber Gott als Naturrecht aufzufassen ist. So stellte Kirchenvater Tertullian den Abraham gegebenen Auftrag zur Beschneidung als positives Recht, d.h. ein von Menschen gemachtes bzw. eigentlich verursachtes Gesetz, dar: "Denn zu Anbeginn der Welt gab er auch Adam und Eva das Gesetz, daß sie von der Frucht des in die Mitte des Paradieses gepflanzten Baumes nicht essen sollten; wenn sie dagegen handelten, würden sie des Todes sterben. Dieses Gesetz würde für sie genügt haben, wenn es gehalten worden wäre." Indem Adam und Eva sich von der Schlange (=Satan) verführen ließen tragen sie die Schuld daran, daß Gott dann später auf den Rechtspositivismus der Beschneidung zurückgreifen mußte. Diese kanonische Sichtweise umfaßt gleichzeitig auch das, was als Erbsünde (RKK) bzw. als Ursünde (Orthodoxe Kirchen) bekannt ist und liefert den Grund, weshalb die Beschneidung nach christlicher Lehre keinen Nutzen bringt. Man kann hier von einer allgemein menschlichen Sichtweise sprechen, weil der Ungehorsam Adams am Anfang der Menschheitsgeschichte stand.

In Bezug auf das Beschneidungsurteil kann das aber kaum eine Auswirkung haben, weil dort nicht die Frage nach dem Nutzen, sondern nach dem körperlichen Schaden aufgeworfen wurde. Hier ist gesondert zu entscheiden, ob es Naturrecht ist, daß so ein kleiner Mensch nicht ungefragt verletzt wird. Bei einer nüchternen Abwägung wäre das wohl mit Ja zu beantworten.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

Samson83
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Re: Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

lifestylekatholik hat geschrieben:Hier wirst du geholfen: Eintrag »Naturrecht« im Kirchenlexikon
Nein, werde ich nicht.

Daraus: "Wie ohne Gott jedes natürliche sittliche Gesetz mit obligatorischer Kraft undenkbar wäre, wäre es auch jedes natürlicht Rechtsgesetzt, jede natürliche Rechtsnorm".

Wie setzt man auf dieser Basis das Naturrecht im Sinne einer Staatspflicht auch bezüglich Menschen vorauss, die den eigenen Gottesbegriff teilen, sofern es nicht nur auf Basis der höheren Autorität geschieht?
"Und der Vorhang im Tempel zerriß nicht in zwei Stücke von obenan bis untenaus, und die Erde erbebete nicht, und die Felsen zerrissen nicht, und die Gräber taten sich nicht auf, und dies ist die traurigste Geschichte der Welt." Michael Klonovsky

Samson83
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Re: Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

HeGe hat geschrieben: Der Verzicht auf das Naturrecht ist zumindest aus meiner Sicht höchst problematisch. Wie möchtest du mit einer rein rechtspositivistischen Sicht beispielsweise die Bestrafung von Kriegsverbrechern rechtfertigen? Die Nürnberger Prozesse, die Bestrafung von Nationalsozialisten oder Mauerschützen der DDR wären so nie begründbar, da sich diese innerhalb des Rechts ihrer Zeit bewegten. Nulla poena sine lege data. Nur wenn man ein übergerordnetes Recht, unabhängig von den jeweils geltenden Gesetzten, zur Hilfe nimmt, ist eine Bestrafung begründbar. Das ist natürlich eine sehr ergebnisorientierte Sichtweise und sicher in Teilen auch mit Recht bestreitbar, dürfte aber im Sinne der Generalprävention notwendig sein.
Radbruch. Das positive Recht ist zwangsläufig defizitär. Begründen würde ich dies auch nicht auf Basis eines quasi naturrechtlich vorgegebenen Tötungsverbot, sondern ganz praktisch, mithin utilitaristisch: Eben primär durch die von dier benannte positive und negative Generalprävention und zur Stärkung des dato gegebenen Normverständnis. Zudem ließe sich durchaus vertreten, dass der Grundsatz "nulla poena" sowie das Rückwirkungsverobt beim ganzen Zusammenbruch eines "Rechtssystems" nicht mehr greift.
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Samson83
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Re: Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

Reinhard hat geschrieben:Das Wiki dazu gibt definitionstechnisch ja schon mal einiges her ...

Aber wenn Du nur die Präambel des Grundgesetzes nimmst - die ist im Grunde naturrechtlich formuliert !
Natürlich kenne ich die.

Aber wiki (von dir verlinkt):
"Die Idee des naturrechts entstammt dem Theismus, der ein göttliches Gesetz postuliert, das sich aus als Naturreht zeige. mit dem Wegfall Gottes innerhalb eies naturalitischesn Weltbildes ergibt sich für die Naturrechtstheorie das PRoblem der Enstehung von Rechtsnormen".

Eben das ist ja die Frage.

Auch das folgende gibt mein Problem sehr gut wieder:
"Das Naturrecht stellt ein unlösbares Problem dar: Es ist vieldeutig. Aus der natur des Menschen [...] lässt sich nur herauslesen, was man zuvor hineingetragen hat.

So gibt es bspw. sowohl Neoliberale als auch Kommunisten, die "naturrechtlich" argumentieren. Auch halte ich das verfassungsrechtliches Postulat der Voraussetzung der Würde des Menschen (anstatt diese durch das Recht erst zu konstituieren) nihct für überzeugend.
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HeGe
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Re: Naturrecht

Beitrag von HeGe »

Samson83 hat geschrieben:Radbruch. Das positive Recht ist zwangsläufig defizitär. Begründen würde ich dies auch nicht auf Basis eines quasi naturrechtlich vorgegebenen Tötungsverbot, sondern ganz praktisch, mithin utilitaristisch: Eben primär durch die von dier benannte positive und negative Generalprävention und zur Stärkung des dato gegebenen Normverständnis. Zudem ließe sich durchaus vertreten, dass der Grundsatz "nulla poena" sowie das Rückwirkungsverobt beim ganzen Zusammenbruch eines "Rechtssystems" nicht mehr greift.
Aber mit einer utilitaristischen Sichtweise und einer Begründung alleine nach dem Mehrheitswillen bzw. den Erwartungen der Mehrheit, kommst du doch stets in Begründungsschwierigkeiten, da sich so nie die gewünschten absolute Rechte begründen lassen. Wie ich schon sagte: letztlich kannst du für jedes so begründete Recht einen Zeitpunkt in der Geschichte finden, wo dies anders gesehen wurde. Das ist rein definitionsgemäß dann kein absolutes Recht. Das einzig Absolute ist dann der Relativismus.

Und deine Zusammbruchstheorie führt zu reiner Siegerjustiz, nicht zu Gerechtigkeit.

Ein absolutes Naturrecht kann ohne Anbindung an eine absolute Macht nicht begründet werden.
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Re: Naturrecht

Beitrag von HeGe »

Samson83 hat geschrieben:Wie setzt man auf dieser Basis das Naturrecht im Sinne einer Staatspflicht auch bezüglich Menschen vorauss, die den eigenen Gottesbegriff teilen, sofern es nicht nur auf Basis der höheren Autorität geschieht?
Ich nehme an, du meinst "die den eigenen Gottesbegriff nicht teilen", oder? :hmm:

Letztendlich merkt man, dass du schon völlig in der aufklärerisch-verdorbenen Welt des Relativismus gefangen bist. Wieso sollte es Voraussetzung sein, dass jemand den "Gottesbegriff" teilt? Absolute Wahrheiten und Normen gibt es oder es gibt sie nicht. Da ist es völlig egal, ob man daran glaubt. Und wenn es sie gibt, ist man verpflichtet, sie zu befolgen. Die Frage der höheren Autorität ist dann nur die Frage, inwieweit ihre Nichtbefolgung geahndet wird. Wenn du natürlich davon ausgehst, dass man nur die Gesetze befolgen muss, deren Nichtbefolgung bestraft wird, bist du auf dem besten Weg in die Anarchie.
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lifestylekatholik
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Re: Naturrecht

Beitrag von lifestylekatholik »

Tipheret hat geschrieben:Liest man Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon, dann ist das inhaltlich mit dem Kategorischen Imperativ Kant’s sehr nah beisammen:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Kant.
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Re: Naturrecht

Beitrag von lifestylekatholik »

Samson83 hat geschrieben:Daraus: "Wie ohne Gott jedes natürliche sittliche Gesetz mit obligatorischer Kraft undenkbar wäre, wäre es auch jedes natürlicht Rechtsgesetzt, jede natürliche Rechtsnorm".

Wie setzt man auf dieser Basis das Naturrecht im Sinne einer Staatspflicht auch bezüglich Menschen vorauss, die den eigenen Gottesbegriff teilen, sofern es nicht nur auf Basis der höheren Autorität geschieht?
Du drehst den Argumentationsgang um. Der Verfasser versucht nicht, das Naturrecht aus der Existenz Gottes heraus zu beweisen, sondern er versucht zunächst nachzuweisen, dass es ein Naturrecht gibt. Nachdem er meint, diesen Nachweis geführt zu haben, argumentiert er, dass das Naturrecht auf Gott als Ursprung verweise und insofern einsichtig sei, dass ohne Gott das Naturrecht nicht denkbar wäre (nicht »sei«).
Zuletzt geändert von lifestylekatholik am Mittwoch 1. August 2012, 17:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Samson83
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Re: Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

HeGe hat geschrieben:Aber mit einer utilitaristischen Sichtweise und einer Begründung alleine nach dem Mehrheitswillen bzw. den Erwartungen der Mehrheit, kommst du doch stets in Begründungsschwierigkeiten
Ja. Wenn ich das Schopenhauerzitat richtig im Gedächtnis habe: "Es ist leicht, Werte zu predigen, aber schwer zu begründen".
, da sich so nie die gewünschten absolute Rechte begründen lassen. Wie ich schon sagte: letztlich kannst du für jedes so begründete Recht einen Zeitpunkt in der Geschichte finden, wo dies anders gesehen wurde. Das ist rein definitionsgemäß dann kein absolutes Recht. Das einzig Absolute ist dann der Relativismus.
Relativismus (im objektiven Sinne) erscheint mir intellektuell als die einzige schlüssige Position, wenn man nicht von der Existenz einer höheren Macht ausgeht. Dennoch hätte ich bestimmte Werte gerne geschützt. Ich kann erläutern welche und warum, aber außer meiner persönlichen Emotion und meinen Wertvorstellungen - die ihre Basis keineswegs durchgehend in reiner Logik haben - kenne ich da kaum einen haltbaren Maßstab.

Und deine Zusammbruchstheorie führt zu reiner Siegerjustiz, nicht zu Gerechtigkeit.
In gewissem Maße schon, ja. Gab es einen greifbaren Umbruch oder Sieg in der Geschichte, dessen Folge keine "Siegerjustiz" war?
Ein absolutes Naturrecht kann ohne Anbindung an eine absolute Macht nicht begründet werden.
[/quote]
Heißt das - wie ich anzunehmen geneigt bin - dass das ganze Konzept Naturreht verworfen gehört, wenn man auch den Glauben an die höhere Macht verwirft?
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Re: Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

HeGe hat geschrieben:Letztendlich merkt man, dass du schon völlig in der aufklärerisch-verdorbenen Welt des Relativismus gefangen bist.
Natürlich. Ich habe an einem deutschen Examen Abitur gemacht, habe an einer deutschen Universität die Recht studiert (und promoviert). Ich bin nicht religiös erzogen worden. In der Summe blieb daher nur der "aufgeklärte Relativismus". Der Dissens dürfte hier nicht in der Diagnose, sondern in der Wertung bestehen.
Absolute Wahrheiten und Normen gibt es oder es gibt sie nicht. Da ist es völlig egal, ob man daran glaubt.
Ja, ebenso wie es den Luftdruck unabhängig davon gibt ob ich daran galube, das ist klar.
Die Frage der höheren Autorität ist dann nur die Frage, inwieweit ihre Nichtbefolgung geahndet wird. Wenn du natürlich davon ausgehst, dass man nur die Gesetze befolgen muss, deren Nichtbefolgung bestraft wird, bist du auf dem besten Weg in die Anarchie.
äh, nein. Das wäre ich, wenn ich mir wünschen würde, dass nichtverfolgung geahndet wird. Und natürlich werden Gesetze in erheblichem Umfang nicht deswegen befolgt, weil man ihren Sinn einsieht (auch der Mörder wid es als sinnvoll ansehen, dass morde besraft werden) sondern weil man die KOnsequenzen der Nichbefolgung fürchtet.
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HeGe
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Re: Naturrecht

Beitrag von HeGe »

Samson83 hat geschrieben:Relativismus (im objektiven Sinne) erscheint mir intellektuell als die einzige schlüssige Position, wenn man nicht von der Existenz einer höheren Macht ausgeht. Dennoch hätte ich bestimmte Werte gerne geschützt. Ich kann erläutern welche und warum, aber außer meiner persönlichen Emotion und meinen Wertvorstellungen - die ihre Basis keineswegs durchgehend in reiner Logik haben - kenne ich da kaum einen haltbaren Maßstab. [...]

Heißt das - wie ich anzunehmen geneigt bin - dass das ganze Konzept Naturreht verworfen gehört, wenn man auch den Glauben an die höhere Macht verwirft?
Mir scheint, wir kommen zwar aus zwei unterschiedlichen Richtungen, sind aber sonst ziemlich der gleichen Meinung. ;) Immerhin freut mich, dass du trotz der Tatsache, dass du nicht an eine absolute Macht glaubst, versuchst, absolute Werte zu finden. Ich erkenne darin den von Gott im Gewissen und der Natur des Menschen angelegten Drang, ihn und die Wahrheit zu suchen. Du bist also auf dem richtigen Weg.

Ansonsten: ich sehe tatsächlich keine Möglichkeit, ein absolutes Naturrecht zu begründen, wenn man eine absolute Wahrheit und eine höhere Macht ablehnt. Da ich dieses nicht tue, musste ich mich persönlich mit jenem aber auch noch nicht innerlich auseinandersetzen. Es gibt ja viele, die versucht haben, das Transzendentale wegzureden und trotzdem ein absolutes Sittlichkeitsgesetz zu begründen. Ich persönlich finde diese Versuche aus meiner Warte wie gesagt nicht überzeugend, vielleicht ist es bei dir anders.
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HeGe
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Re: Naturrecht

Beitrag von HeGe »

Samson83 hat geschrieben:Und natürlich werden Gesetze in erheblichem Umfang nicht deswegen befolgt, weil man ihren Sinn einsieht (auch der Mörder wid es als sinnvoll ansehen, dass morde besraft werden) sondern weil man die KOnsequenzen der Nichbefolgung fürchtet.
Wenigstens hier sehe ich aber einen Unterschied zwischen positivem Recht und Naturrecht, da Naturrecht definitionsgemäß nur das Recht ist, was jeder Mensch aufgrund seines von Gott eingegebenen Gewissens als sinnvoll ansieht oder wenigstens ansehen sollte. Bei menschlichem Recht ist das mitunter anders.
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Samson83
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Re: Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

HeGe hat geschrieben:Mir scheint, wir kommen zwar aus zwei unterschiedlichen Richtungen, sind aber sonst ziemlich der gleichen Meinung. ;)
Ich bin auch sonst oft derselben Ansicht wie gläubige Katholiken, auch was konkrete ethische Fragen betrifft. unterschiedliche Weltanschauungen müssen ja nicht zwangläufig zu unterschiedlichen Werten führen.
Immerhin freut mich, dass du trotz der Tatsache, dass du nicht an eine absolute Macht glaubst, versuchst, absolute Werte zu finden. Ich erkenne darin den von Gott im Gewissen und der Natur des Menschen angelegten Drang, ihn und die Wahrheit zu suchen. Du bist also auf dem richtigen Weg.
Nach "der Wahrheit suche ich" schon seit ich lesen kann. Allerdings immer noch (jetzt mit Anfang 30) ohne klares Ergebnis. Das höchste ist, dass ich definieren kann, was ich NICHT als Wahrheit ansehe.
Ansonsten: ich sehe tatsächlich keine Möglichkeit, ein absolutes Naturrecht zu begründen, wenn man eine absolute Wahrheit und eine höhere Macht ablehnt. Da ich dieses nicht tue, musste ich mich persönlich mit jenem aber auch noch nicht innerlich auseinandersetzen. Es gibt ja viele, die versucht haben, das Transzendentale wegzureden und trotzdem ein absolutes Sittlichkeitsgesetz zu begründen. Ich persönlich finde diese Versuche aus meiner Warte wie gesagt nicht überzeugend, vielleicht ist es bei dir anders.
Ich finde, dass Schopenhauer in seinem Buch über Ethik (dessen genauer Titel mir nicht einfällt) die kantische Wertbegründung überzeugend zerpflückt hat. Und ich habe den Eindruck, dass jeder Versuch, ohne traszedenzbezug absolute Werte zu begründen, zur Bestialität geführt hat.
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Re: Naturrecht

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Samson83 hat geschrieben:Heißt das - wie ich anzunehmen geneigt bin - dass das ganze Konzept Naturreht verworfen gehört, wenn man auch den Glauben an die höhere Macht verwirft?
Dann ist überhaupt alles zu verwerfen, m. E., aber das gehört dann schon in einen anderen Strang.

Zuerst muss man einmal sagen, dass man natürlich auch etwas voraussetzen muss, Gott allein ist ohne jegliche Voraussetzung, da solches auf Gott angewandt, keinerlei Sinn ergebe.

(1) Es ist also zuerst einmal zu fragen: Sind Sie ein (konsequenter) Skeptiker? Mir scheint nicht, wenn doch, hat das Gespräch nämlich überhaupt keinen Sinn und dann würden Sie wohl auch nicht weiter nach irgendwelchen Begründungen für etwas suchen.

(2) Weiters ist zu fragen, ob Sie annehmen, dass alle Menschen notwendigerweise gewisse "Merkmale" (so nenne ich das jetzt einmal) gemeinsam haben, auf der rein deskriptiven Ebene, die sich auch durch diverse Einzelwissenschaften wie Biologie, Psychologie etc. erfassen lassen, die zumindest potentiell gegeben sein müssen?

Wenn Sie (1) bejahen oder (2) verneinen, hat das Gespräch keinen Sinn. Beachten Sie, dass vor allem (2) keinen spezifischen Bezug (für sich genommen!) zu irgendeiner „höheren Macht/Autorität“ und schon gar nicht zum Christentum oder eine konkreten, gegebenen Religion hat. Natürlich könnte man dann darüber, vor allem über (2), wenn Sie das negieren sollten, weiter diskutieren, aber gewiss nicht mehr in diesem Strang.

Fridericus
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Re: Naturrecht

Beitrag von Fridericus »

Samson83 hat geschrieben:Daher bitte ich, mir zu erläutern, was hier unter Naturrecht verstanden wird und wie man ein solches erkennt.
Siehe auch in der Catholic Encyclopedia: Our knowledge of the law - http://www.newadvent.org/cathen/976a.htm

Samson83
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Re: Naturrecht

Beitrag von Samson83 »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:(1) Es ist also zuerst einmal zu fragen: Sind Sie ein (konsequenter) Skeptiker? Mir scheint nicht, wenn doch, hat das Gespräch nämlich überhaupt keinen Sinn und dann würden Sie wohl auch nicht weiter nach irgendwelchen Begründungen für etwas suchen.
Es kommt darauf an, wie Sie den Begriff des Skeptikers verstehen. (ich mag übrigens die Unsitte der Smartphonegeneration nicht, bei so etwas einfach auf Wikipedia zu verweisen).
(2) Weiters ist zu fragen, ob Sie annehmen, dass alle Menschen notwendigerweise gewisse "Merkmale" (so nenne ich das jetzt einmal) gemeinsam haben, auf der rein deskriptiven Ebene, die sich auch durch diverse Einzelwissenschaften wie Biologie, Psychologie etc. erfassen lassen, die zumindest potentiell gegeben sein müssen?
Das erscheint mir plausibel. Ich weiß leider erschreckend wenig üer Naturwissenschaften, psychologie, neurobiologie etc. (ich bemühe mich dem abzuhelfen, aber es gibt ja noch andere zu schließende Wissenslücken).
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Thomas_de_Austria
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Re: Naturrecht

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Samson83 hat geschrieben:Es kommt darauf an, wie Sie den Begriff des Skeptikers verstehen. (ich mag übrigens die Unsitte der Smartphonegeneration nicht, bei so etwas einfach auf Wikipedia zu verweisen).
Nein, nein, mit wikipedia komme ich Ihnen schon nicht, keine Angst. – Nun, unter Skeptikern verstehe ich die eigentlichen, umfassenden Formen der Skepsis, d. h. die "Akademiker" und Pyrrhoneer, samt ihren Variationen, die im Laufe der Zeit entstanden sind (so ist z. B. der sog. „Kritische Rationalismus“ in vielerlei Hinsicht wohl letztlich nur eine etwas verbesserte Variante der akademischen Skepsis). Gemeint sind also die, die bestreiten, dass wir überhaupt irgendetwas wissen bzw. rechtfertigen (können); die also auch keine Denkprinzipien anerkennen, letztlich, wie z. B. den Satz vom ausgeschlossenen Dritten, vom Widerspruch, vom zureichenden Grund, das Bivalenzprinzip etc. Manche von ihnen bezweifeln das alles, andere sind bspw. nur Rechtfertigungsskeptiker.
Mit solchen Leuten kann man m. E. nicht sinnvoll sprechen; solche Leute können auch nichts bestreiten. Wenn sie es doch im Ernst versuchen, verstricken sie sich mindestens in einen pragmatischen Widerspruch. Es sind hier also die umfassenden, "universellen" Formen der Skepsis gemeint.

Was nicht gemeint ist, ist die "partielle" Skepsis. Also eine Skepsis, die sich nur auf bestimmte Bereiche bzw. Unterbereiche dieser Bereiche bezieht, d. h. so etwas wie Religionsskeptiker oder Ethikskeptiker, wie z. B. ein John Leslie Mackie gewiss ein Religions- und Ethikskeptiker war, aber das war es dann auch schon. Prinzipielle Zweifel Erkenntnisfähigkeit des Menschen oder darüber, dass wir über irgendein Wissen verfügen, hatte er eher nicht so.
Samson83 hat geschrieben:Ich weiß leider erschreckend wenig üer Naturwissenschaften, psychologie, neurobiologie etc. (ich bemühe mich dem abzuhelfen, aber es gibt ja noch andere zu schließende Wissenslücken).
Dafür brauchen Sie auch nicht Biologie, Psychologie, Neurowissenschaften, empirische Anthropologie etc. studiert zu haben, das ist gar nicht notwendig.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang u. a. auch stellt, ist, ob unterschiedliche, also nicht-identische bzw. ontisch nicht voneinander abhängige Individuen x, y, z … irgendwelche Eigenschaften F, G, H … derart gemeinsam haben, als dass x und y dieselbe Eigenschaft F zukommen kann, sodass Fx und Fy gilt. Negiert man das, hat man ohnehin ein gewisses Problem, da zwei Individuen, wie z. B. Sie und der dt. Bundespräsident, dann nicht einmal das Mensch-sein gemeinsam haben. Das ganze Menschrechtszeug wird damit auch völlig witzlos bzw. eben zu einer letztlich beliebigen Festsetzung von einem oder mehreren Einzelnen. Das ist so ein Problem, das alle Nominalisten und Wesensleugner (wobei hierfür eigentlich nicht einmal ein stark metaphys. Wesenbegriff unbedingt erforderlich wäre) haben.

Also das tun Sie nicht?

Raphael

Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Raphael »

Nachdem Tipheret sich hier so schwerfällig beim Verständnis des Naturrechtes zeigt, würde ich 'mal interessehalber gerne wissen, ob er denn den Kain'schen Mord an Abel für strafwürdig hält. :hmm:

Und wenn ja: Warum? 8)

Fridericus
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Sodom & Co. III.

Beitrag von Fridericus »

Tipheret hat geschrieben:@Fridericus
in der Catholic Encyclopedia: Our knowledge of the law - http://www.newadvent.org/cathen/976a.htm heißt es u. a. :
For example, under no circumstances is polyandry compatible with the moral order, while polygamy, though inconsistent with human relations in their proper moral and social development, is not absolutely incompatible with them under less civilized conditions.
frei übersetzt:

Hallo??`??

Was ist den das?

Lies Dir den Rest genau durch, dann stellst Du fest, dass auch dieses „Naturrecht“ ein von Menschen, "Theologen" , zusammengebasteltes Recht ist und deshalb KEINESFALLS für sich in Anspruch nehmen kann absolut richtig und verbindlich zu sein.
Catholic Encyclopedia, Stichwort Natural law hat geschrieben:It is this difficulty and uncertainty that requires the natural law to be supplemented by positive law, human and Divine.
Naturrecht ist immer und überall gültig
Wetzer und Welte's Kirchenlexikon, Stichwort Naturrecht hat geschrieben:Denn es ist begründet in der natürlichen Ordnung, und diese ist überall die nämliche, weil alle Menschen die gleiche Natur haben, und es somit nicht mehrere, sondern nur eine natürliche Ordnung geben kann. Das Naturrecht gilt also in gleicher Weise für alle Menschen, mögen sie in was immer für besonderen socialen Verhältnissen stehen.
und unveränderlich
Wetzer und Welte hat geschrieben:Denn es ist begründet in der natürlichen Ordnung, in den natürlichen socialen Verhältnissen der Menschen. Die menschliche Natur aber und dessen natürliche sociale Verhältnisse sind immer dieselben und können keiner Veränderung unterliegen. Daher muß auch das Naturrecht diesen Charakter der Unveränderlichkeit theilen.
Und auch wurde die Existenz des Naturrechts immer anerkannt.
Wetzer und Welte hat geschrieben:Die Existenz eines natürlichen Rechtes ist denn auch von allen Völkern zu allen Zeiten anerkannt worden. Man irrte allerdings vielfach im Einzelnen in der Bestimmung desjenigen, was als natürliches Recht anzuerkennen sei; aber das Naturrecht überhaupt läugnete man nie. Auch dem Staate gegenüber gaben die Völker das natürliche Recht nie auf; man betrachtete es stets als ein solches, welches dem Staate und seinen Gesetzten vorangehe und also obligirende Kraft besitze ohne den Staat und seine Gesetze.

Und noch einmal sei Dir die Lektüre des Hl. Thomas wärmstens empfohlen.
[i]Summa Theol.[/i] Iª-IIae q. 91 a. 2 hat geschrieben:Ad secundum sic proceditur. Videtur quod non sit in nobis aliqua lex naturalis. Sufficienter enim homo gubernatur per legem aeternam, dicit enim Augustinus, in I de Lib. Arb., quod lex aeterna est qua iustum est ut omnia sint ordinatissima. Sed natura non abundat in superfluis, sicut nec deficit in necessariis. Ergo non est aliqua lex homini naturalis.

Praeterea, per legem ordinatur homo in suis actibus ad finem, ut supra habitum est. Sed ordinatio humanorum actuum ad finem non est per naturam, sicut accidit in creaturis irrationabilibus, quae solo appetitu naturali agunt propter finem, sed agit homo propter finem per rationem et voluntatem. Ergo non est aliqua lex homini naturalis.

Praeterea, quanto aliquis est liberior, tanto minus est sub lege. Sed homo est liberior omnibus animalibus, propter liberum arbitrium, quod prae aliis animalibus habet. Cum igitur alia animalia non subdantur legi naturali, nec homo alicui legi naturali subditur.

Sed contra est quod, Rom. II, super illud, cum gentes, quae legem non habent, naturaliter ea quae legis sunt faciunt, dicit Glossa, etsi non habent legem scriptam, habent tamen legem naturalem, qua quilibet intelligit et sibi conscius est quid sit bonum et quid malum.

Respondeo dicendum quod, sicut supra dictum est, lex, cum sit regula et mensura, dupliciter potest esse in aliquo, uno modo, sicut in regulante et mensurante; alio modo, sicut in regulato et mensurato, quia inquantum participat aliquid de regula vel mensura, sic regulatur vel mensuratur. Unde cum omnia quae divinae providentiae subduntur, a lege aeterna regulentur et mensurentur, ut ex dictis patet; manifestum est quod omnia participant aliqualiter legem aeternam, inquantum scilicet ex impressione eius habent inclinationes in proprios actus et fines. Inter cetera autem rationalis creatura excellentiori quodam modo divinae providentiae subiacet, inquantum et ipsa fit providentiae particeps, sibi ipsi et aliis providens. Unde et in ipsa participatur ratio aeterna, per quam habet naturalem inclinationem ad debitum actum et finem. Et talis participatio legis aeternae in rationali creatura lex naturalis dicitur. Unde cum Psalmista dixisset, sacrificate sacrificium iustitiae, quasi quibusdam quaerentibus quae sunt iustitiae opera, subiungit, multi dicunt, quis ostendit nobis bona? Cui quaestioni respondens, dicit, signatum est super nos lumen vultus tui, domine, quasi lumen rationis naturalis, quo discernimus quid sit bonum et malum, quod pertinet ad naturalem legem, nihil aliud sit quam impressio divini luminis in nobis. Unde patet quod lex naturalis nihil aliud est quam participatio legis aeternae in rationali creatura.

Ad primum ergo dicendum quod ratio illa procederet, si lex naturalis esset aliquid diversum a lege aeterna. Non autem est nisi quaedam participatio eius, ut dictum est.

Ad secundum dicendum quod omnis operatio, rationis et voluntatis derivatur in nobis ab eo quod est secundum naturam, ut supra habitum est, nam omnis ratiocinatio derivatur a principiis naturaliter notis, et omnis appetitus eorum quae sunt ad finem, derivatur a naturali appetitu ultimi finis. Et sic etiam oportet quod prima directio actuum nostrorum ad finem, fiat per legem naturalem.

Ad tertium dicendum quod etiam animalia irrationalia participant rationem aeternam suo modo, sicut et rationalis creatura. Sed quia rationalis creatura participat eam intellectualiter et rationaliter, ideo participatio legis aeternae in creatura rationali proprie lex vocatur, nam lex est aliquid rationis, ut supra dictum est. In creatura autem irrationali non participatur rationaliter, unde non potest dici lex nisi per similitudinem.

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Tipheret
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Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Tipheret »

Fridericus hat geschrieben:Und auch wurde die Existenz des Naturrechts immer anerkannt.
VON WEM?
Der hl. Thomas ist "parteiisch", genau wie die anderen von Dir zitierten.

Frage:

Warum gehst Du auf meine "Quellenkritik" nicht ein.

Wie erklärt sich so eine relativierende Festlegung dessen was Recht ist und was nicht?

Es kann doch kein zweierlei Maß des prinzipiell gleichen Vorganges geben - also ob Frau mit mehreren Männern oder Mann mit mehreren Frauen Ehe- oder eheähnliche Verhältnisse hat. :achselzuck:

Wie ist das zu beurteilen?

Soll ich weitere Stellen mit derartigen Widersprüchen heraussuchen?

Der Hinweis "galt schon immer so" ist mit Verlaub Unsinn - da solltest Du bessere Argumente haben.
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Fridericus
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Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Fridericus »

Tipheret hat geschrieben:
Fridericus hat geschrieben:Und auch wurde die Existenz des Naturrechts immer anerkannt.
VON WEM?
Der hl. Thomas ist "parteiisch", genau wie die anderen von Dir zitierten.
Unsinn. Hast Du überhaupt gelesen, was der Hl. Thomas beschreibt?

Die Existenz eines natürlichen Rechtes ist denn auch von allen Völkern zu allen Zeiten anerkannt worden.

Ich habe Dir zahlreiche Autoren und Denker genannt. Fang in der Antike an: Naturrechtliches Denken findest Du Antiphon, den Platonikern und Stoikern, lies Aristotels Ethik und Politik, Sophokles' Antigone, lies Ciceros de legibus. Naturrecht findest Du in den Institutiones des Gaius, ebenso wie bei Ulpian und Julius Paulus. Schau auch in die Kommentare des Averroes oder in das Werk seines Glaubensbruders Abu Mansur Maturidi.
Catholic Encyclopedia hat geschrieben:Passing from the primary principle to the subordinate principles and conclusions, moralists divide these into two classes: (1) those dictates of reason which flow so directly from the primary principle that they hold in practical reason the same place as evident propositions in the speculative sphere, or are at least easily deducible from the primary principle. Such, for instance, are "Adore God"; "Honour your parents"; "Do not steal"; (2) those other conclusions and precepts which are reached only through a more or less complex course of inference. It is this difficulty and uncertainty that requires the natural law to be supplemented by positive law, human and Divine. As regards the vigour and binding force of these precepts and conclusions, theologians divide them into two classes, primary and secondary. To the first class belong those which must, under all circumstances, be observed if the essential moral order is to be maintained. The secondary precepts are those whose observance contributes to the public and private good and is required for the perfection of moral development, but is not so absolutely necessary to the rationality of conduct that it may not be lawfully omitted under some special conditions. For example, under no circumstances is polyandry compatible with the moral order, while polygamy, though inconsistent with human relations in their proper moral and social development, is not absolutely incompatible with them under less civilized conditions.
Zuletzt geändert von Fridericus am Mittwoch 30. Januar 2013, 22:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Tipheret
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Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Tipheret »

OK Fridericus, es gab historisch gesehen eine ganze Reihe von Menschen, die ein "Naturrecht" postulierten.
Aber es gab dabei durchaus eine Menge Unterschiede.

Der von Dir als "Zeuge" reklamierte Abu Mansur Maturidi ist ein gutes Beispiel für unterschiedliche Auffassungen für etwas, dass Du "schon immer " als festgeschrieben beschreibst.
Wir können später diesen Faden nochmals aufnehmen.

Da wir hier aber im "Sodom-Thread" sind, bitte ich Dich, mich über die von mir als Widersprüche erkannten Aussagen aufzuklären - zu widerlegen, oder bestätigen oder mir zu erklären, wie dieser Widerspruch ein und der selben Sache zu behandeln ist. Es ging, um das in Erinnerung zu rufen um "Mehrfachehen" von Frauen und/opder Männern, bei denen es für Männer "Ausnahmeregeln" gebensoll.

Wenn es nämlich DA schon Differenzen gibt, dann werden auch künftig Meinungsunterschiede, die ggf. ausgeglichen werden können (werden) vorhanden sein.

Also - wie siehst Du das?
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Fridericus
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Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Fridericus »

Tipheret hat geschrieben:OK Fridericus, es gab historisch gesehen eine ganze Reihe von Menschen, die ein "Naturrecht" postulierten.
Aber es gab dabei durchaus eine Menge Unterschiede.
Ja freilich. Dennoch, die gesamte! antike, mittelalterliche und ein großer Teil der neuzeitlichen Tradition hielt immer am Naturrecht fest!
Wetzer und Welte hat geschrieben:Die Existenz eines natürlichen Rechtes ist denn auch von allen Völkern zu allen Zeiten anerkannt worden. Man irrte allerdings vielfach im Einzelnen in der Bestimmung desjenigen, was als natürliches Recht anzuerkennen sei; aber das Naturrecht überhaupt läugnete man nie.

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Tipheret
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Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Tipheret »

Ich will nicht mit Dir um Theologenmeinungen streiten, ich möchte wissen wie der erwähnte Widerspruch geklärt werden kann.

Bleibe bitte beim Thema!
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Fridericus
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Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Fridericus »

Ich sehe keinen Widerspruch. Der Artikel in der Catholic Encyclopedia erklärt es ja.

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Tipheret
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Re: Sodom & Co. III.

Beitrag von Tipheret »

Zitat:
For example, under no circumstances is polyandry compatible with the moral order, while polygamy, though inconsistent with human relations in their proper moral and social development, is not absolutely incompatible with them under less civilized conditions.

Ich denke, dass auch ohne Deinen Hinweis das Zitat erkennbar war - aber ich bin ja lernfähig
Anmerkung: Tipheret nach "Rüge" durch Mod.

frei übersetzt:
Zum Beispiel, ist unter keinen Umständen die Polyandrie (Verheiratung einer Frau mit mehreren Männern) kompatibel mit der sittlichen Ordnung. Die Polygamie (Verheiratung eines Mannesmit mehreren Frauen) , verträgt sich nicht in menschlichen Beziehungen in der richtigen sittlichen und sozialen Entwicklung, ist aber nicht unbedingt unvereinbar mit ihnen unter weniger zivilisierten Bedingungen.
Wenn Du darin keinen Widerspruch erkennst, dann tut es mir leid - für Dich!

Dann hast Du möglicher Weise ein eingeschränktes/beschränktes Blickfeld, das eine sachliche Auseinandersetzung über offenbare Fakten unmöglich macht.

Schade !
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ChrisCross
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Re: Naturrecht

Beitrag von ChrisCross »

Wer hat denn hier das eingeschränkte Sichtfeld? Hast du eigentlich auch nur einmal versucht, dir vorzustellen, wie es in einer Polyandrie zugehen würde, und wie human dagegen die Zustände in einer Polygamie eingeschätzt werden müssen? Die arme Frau, die nun mehreren Männern Kinder gebiert, die mit mehreren Männern schläft (nach der Frequenz will ich gar nicht erst fragen) etc, ist die vergleichbar damit, dass ein Mann mehrere Frauen hat, die natürlich, wie es die Catholic Encyclopedia auch ausdrückt, so nicht (und eigentlich auch ihr Gatte) nach der eigentlichen Menschenwürde behandelt werden, aber ansonsten ein doch erträgliches Leben führen können?

Und bevor du mich hier, oder irgendwen sonst missverstehen willst: Polygamie ist schlecht, und zu vermeiden. Unter Umständen kommt sie vor, ist im Naturrecht nicht vorgesehen, aber ein erträgliches Übel, während die Polyandrie nur noch abartig und jede Menschlichkeit zersetzend und somit nicht zu tolerieren ist.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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