Griechenland nach den Wahlen

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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit von GR mit den Vertretern seiner Gläubiger
Vor allem in Griechenland sei die Troika „etwas erstaunt gewesen“ darüber, „wie stark der Widerstand und die Macht der Interessengruppen sind“, sagte Masuch diplomatisch. Diese Gruppen „vermeiden, verzögern und verwässern“ Reformen, meist zugunsten wohlhabender und auf Kosten ärmerer Schichten, so der Deutsche. Tatsächlich wird das bei manchen Gesetzen erst nach genauem Hinsehen erkennbar. Etwa bei Ausnahmeregelungen für die Mehrwertsteuererhöhungen auf Inseln.
Die Regierung sagte, das Leben dort sei teurer uns müsse subventioniert werden. Nebenwirkung: Reiche Griechen auf dem Schickimicki-Eiland Santorin werden von der Allgemeinheit subventioniert. In einem anderen Fall schlug die Troika vor, statt einer Senkung der Mehrwertsteuer die karge Arbeitslosenunterstützung zu erhöhen – die vorige Regierung lehnte ab, da sie Hoteliers die Steuersenkung zusagt hatte.
(...)
Hinzu kommt ein simpler Fakt: Die meisten Troika-Mitarbeiter können kein Griechisch. Bei der Prüfung von Gesetzen sind sie auf Übersetzungen ins Englische angewiesen – und wurden dabei von früheren Regierungen regelmäßig ausgetrickst. Da wird der Troika etwa ein längst überholter Gesetzesentwurf geschickt, während im Parlament ein ganz anderer verabschiedet wird. „Das bekommen wir manchmal erst mit, wenn ein Fachmann zufällig darauf stößt“, heißt es aus der Troika.
Oder die Regierung verstecke heikle Zusätze in Gesetzen, die scheinbar nichts mit dem Reformprozess zu tun haben und daher nicht übersetzt werden. Da werde dann in den letzten Absatz eines Gesetzes über die Öffnungszeiten von Krankenhausapotheken eine Erhöhung der Subventionen für Zuckerraffinerien geschmuggelt. „Das kommt oft vor. So werden viele Dinge an uns vorbeigeschleust, von jeder Regierung. Das zum Thema vertrauensvolle Zusammenarbeit.“
Egal ob Beitritt zur Eurozone oder Kontrolle durch die Darlehnsgeber - man hat kein Interesse, sich ehrlich zu verhalten, ist ausschl. auf seinen eigenen Vorteil bedacht und versucht diesen, mit Larmoyanz ("humanitäre Katastrophe", "Kreditvergabe war ein Verbrechen gg. die Menschlichkeit") oder - wenn das nicht hilft - mit Erpressungen (Flüchtlinge, Veto bei Sanktionen) durchzusetzen. Es ist mir unverständlich, warum man GR überhaupt noch Geld zur Verfügung stellen will. Geld, das hier bei der Reparatur der Infrastruktur viel dringender benötigt wird als in GR. Die Griechen selbst trauen weder ihren Banken noch ihrer Regierung und ziehen ihre Gelder ab. Anstatt Kapitalverkehrskontrollen einzuführen und den Geldabfluß zu stoppen, schaut die Regierung gelangweilt zu. Klar - man muß es ja nicht selbst bezahlen. Die Rechnung wird über Target-II an D. weitergereicht - und der Michel nickt und zahlt und nickt und zahlt.......

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Griechenland droht mit der Pfändung deutschen Eigentums

und da denkt Schäuble noch ernsthaft darüber nach, ein drittes Hilfspaket aufzulegen.... :vogel: :patsch:

Christian
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Christian »

Haben wir denn überhaupt Reparationen an einzelne Länder gezahlt? Ich meine mich zu erinnern das die Reparationen mit einen Friedensvertrag erst festgelegt werden können.

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Torsten
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Torsten »

wikipedia hat geschrieben: http://de.wikipedia.org/wiki/Reparationen

Als die Reparationen 1953 für beendet erklärt wurden, hatte die SBZ/DDR die höchsten im 2. Jahrhundert bekanntgewordenen Reparationsleistungen erbracht.[6] Die Reparationen der DDR betrugen insgesamt 99,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953) – die der Bundesrepublik Deutschland demgegenüber 2,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953). Die DDR/SBZ trug damit 97 bis 98 % der Reparationslast Gesamtdeutschlands – pro Person also das 13-fache.[7]

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Protasius
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Protasius »

Christian hat geschrieben:Haben wir denn überhaupt Reparationen an einzelne Länder gezahlt? Ich meine mich zu erinnern das die Reparationen mit einen Friedensvertrag erst festgelegt werden können.
Es gab die Reparationen, die die Sowjetunion aus ihrer Besatzungszone geholt hat: das zweite Gleis vieler Eisenbahnstrecken ist in Rußland gelandet; sämtliche elektrischen Einrichtungen, Anlagen und Elektrolokomotiven der SBZ mußten als Reparationsleistung in die UdSSR abgegeben werden (bei Workuta am Polarkreis gab es eine Teststrecke mit dem deutschen Bahnstromsystem, aber die Sowjetunion hat dann doch ein anderes System verwendet; ab etwa 1952 wurden die Loks und Anlagen an die DDR zurückgegeben).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Protasius
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Protasius »

Protasius hat geschrieben:
Christian hat geschrieben:Haben wir denn überhaupt Reparationen an einzelne Länder gezahlt? Ich meine mich zu erinnern das die Reparationen mit einen Friedensvertrag erst festgelegt werden können.
Es gab die Reparationen, die die Sowjetunion aus ihrer Besatzungszone geholt hat: das zweite Gleis vieler Eisenbahnstrecken ist in Rußland gelandet; sämtliche elektrischen Einrichtungen, Anlagen und Elektrolokomotiven der SBZ mußten als Reparationsleistung in die UdSSR abgegeben werden (bei Workuta am Polarkreis gab es eine Teststrecke mit dem deutschen Bahnstromsystem, aber die Sowjetunion hat dann doch ein anderes System verwendet; ab etwa 1952 wurden die Loks und Anlagen an die DDR zurückgegeben).
Hier, was Wikipedia dazu zu sagen hat:
Deutsche Reparationen nach 1945 hat geschrieben:Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Ansprüche auf Reparationen erhoben. 1946 wurde das deutsche Auslandsvermögen beschlagnahmt, außerdem wurden die Devisenbestände eingezogen, Warenzeichen und Patente beschlagnahmt und Demontagen vorgenommen (Pariser Reparationsabkommen). Die Wertberechnung dieser Entnahmen ist schwer feststellbar und umstritten. So reichen die Schätzungen für das Auslandsvermögen von 315 Millionen US-Dollar bis zu 20 Milliarden Reichsmark und differieren damit auf Reichsmark umgerechnet um den Faktor 16.[1] Beim Londoner Schuldenabkommen wurde 1953 die Verrechnung aller bislang entnommenen Reparationen ausgeschlossen: Sie seien geringfügig angesichts der möglichen Reparationsforderungen, und die deutsche Seite sei gut beraten, die Frage der Reparationen ruhen zu lassen.[2]

Das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 hatte vorgesehen, dass jede Besatzungsmacht ihre Reparationsansprüche durch Demontagen und Sachlieferungen aus ihrer eigenen Besatzungszone befriedigen sollte. Da die Sowjetunion die größten Kriegsschäden erlitten hatte, erhielt sie das Recht zugestanden, Reparationen auch aus den anderen Zonen zu erhalten. Hieran entzündete sich bald Streit: Da die Sowjetunion sich weigerte, diese Lieferungen mit Lebensmittellieferungen aus ihrer Zone zu vergüten, beendete der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay am 25. Mai 1946 die Lieferungen auf Reparationskonto aus der amerikanischen Zone an die Sowjetunion. Die beiden anderen Westmächte schlossen sich diesem Vorgehen an.[3] Mit dem Beginn des Kalten Krieges schränkten zuerst die westlichen Alliierten die Demontagen ein und verschoben ihre Reparationsforderungen bis zum Abschluss eines Friedensvertrages. Da der Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990 im Einvernehmen aller Vertragsparteien | durch Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien „anstelle eines Friedensvertrages“ geschlossen wurde, kam es auch später zu keinen weiteren Reparationszahlungen.

Die Reparationsleistungen der späteren DDR an die Sowjetunion geschahen bis 1948 hauptsächlich durch Demontage von Industriebetrieben. Davon betroffen waren 2.000 bis 2.400 der wichtigsten und bestausgerüsteten Betriebe innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Bis März 1947 wurden zudem 11.800 km Eisenbahnschienen demontiert und in die SU verbracht. Damit wurde das Schienennetz bezogen auf den Stand von 1938 um 48 % reduziert. Der Substanzverlust an industriellen und infrastrukturellen Kapazitäten durch die Demontagen betrug insgesamt rund 30 % der 1944 auf diesem Gebiet vorhandenen Fonds. Ab Juni 1946 (SMAD-Befehl Nr. 167) begann sich die Form der Reparationen von Demontagen auf Entnahmen aus laufender Produktion im Rahmen der Sowjetischen Aktiengesellschaften zu verlagern. Diese Entnahmen aus laufender Produktion betrugen zwischen 1946 und 1953 jährlich zwischen 48,0 und 12,9 % (durchschnittlich 22 %) des Bruttosozialprodukts.[4] Die Reparationen endeten nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Auf der Grundlage erstmals erschlossener Archivmaterialien, vor allem in Moskau, kamen L. Baar, Rainer Karlsch und W. Matschke vom Institut für Wirtschaftsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin etwa 1993 auf eine Gesamtsumme von mindestens 54 Milliarden Reichsmark bzw. Deutsche Mark (Ost) zu laufenden Preisen bzw. auf mindestens 14 Mrd. US-Dollar zu Preisen des Jahres 1938.[5]

Als die Reparationen 1953 für beendet erklärt wurden, hatte die SBZ/DDR die höchsten im 20. Jahrhundert bekanntgewordenen Reparationsleistungen erbracht.[6] Die Reparationen der DDR betrugen insgesamt 99,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953) – die der Bundesrepublik Deutschland demgegenüber 2,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953). Die DDR/SBZ trug damit 97 bis 98 % der Reparationslast Gesamtdeutschlands – pro Person also das 130-fache.[7]
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Jetzt soll Schäuble Varoufakis beleidigt haben - der griechische Botschafter in Berlin hat sich offiziell beschwert:
In griechischen Medien war berichtet worden, Schäuble habe Varoufakis' Kommunikation am Rande eines EU-Finanzministertreffens in Brüssel am Dienstag vor Journalisten als "dümmlich naiv" abgetan. Bei der Pressekonferenz nach dem Treffen hatte Schäuble von einem "langen bilateralen" Gespräch berichtet, das er am Vorabend mit Varoufakis geführt habe: "Also, dass er nun plötzlich naiv in Sachen Kommunikation wäre, habe ich ihm gesagt, das ist mir ganz neu", hatte Schäuble gesagt.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 23182.html

Statt an einem Sanierungsprogramm zu arbeiten(!), das von den Gläubigern akzeptiert wird, versucht man über Jammern (humanitäre Katastrophe, für Zahlung an den IWF muß man Blut aus einem Stein pressen), Beleidigtsein (EZB nimmt Luft zum Atmen) und Drohungen (Flüchtlingsflut) Zeit zu schinden. Die wird trotzdem knapp.

Aber vermutlich glaubt man, daß die Eurogruppe GR nicht fallen läßt - vermutlich haben die Griechen leider Recht.

Tritonus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Tritonus »

Caviteño hat geschrieben:... Statt an einem Sanierungsprogramm zu arbeiten(!), das von den Gläubigern akzeptiert wird, ...
:kugel: :ikb_doctor:

Es war doch eigentlich vor fünf Jahren schon jedem klar, dass Griechenland niemals seine Schulden zurückzahlen kann, und zwar egal ob mit oder ohne "Sanierungsprogramm". Griechenland war, ist und bleibt zahlungsunfähig. Bankrott. Finito. Punkt.

Insbesondere auch dem von Dir offensichtlich sehr geschätzten Hans-Werner Sinn war genau das schon vor Jahren sonnenklar; ich empfehle Dir deshalb, seine damaligen Äußerungen zum Thema nochmal gründlich durchzulesen, vielleicht verstehst Du ja diesmal wenigstens ansatzweise, was er gemeint hat. Eine seiner Äußerungen von vor exakt 5 Jahren, von einem Journalisten auf einen kurzen Nenner gebracht:
... Hans-Werner Sinn, der Chef des Münchner Ifo-Instituts, wirft Schäuble vor, in Wahrheit gehe es darum, Europas Banken vor dem Verlust ihrer griechischen Staatspapiere zu schützen ...

( http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 55527.html , vom 13.3.21 )
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es sollten niemals Griechen gerettet werden, sondern es ging immer ausschließlich um Banken. Kein Wunder, dass die ersteren langsam genug haben von der Heuchelei.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Tritonus hat geschrieben: Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es sollten niemals Griechen gerettet werden, sondern es ging immer ausschließlich um Banken. Kein Wunder, dass die ersteren langsam genug haben von der Heuchelei.
Inzwischen mussten die Banken auch aber durch einen Schuldenschnitt Federn lassen.
Ein wichtiger Punkt ist aber auch der, daß GR in den letzten Jahren so gut wie nichts getan hat in Sachen Aufbau einer besseren und effektiveren Finanzverwaltung, Katasteramt, Steuereintreibung auch bei Reedern und anderen Millionären, in dem eben Gesetze geändert werden und anderes mehr.

Ich glaube nicht, daß GR im Euro nochmals auf die Beine kommt. Die Politiker in Europa wollen das nur nicht eingestehen, weil sie Angst haben vor dem Schuldenschnitt, den diesmal voll die Steuerzahler bezahlen müssen. Übrigens haben die ja schon einiges bezahlt wie z.B. die Verluste der Hypo Real Estate und indirekt auch noch mehr. Es hat bisher nur noch niemand eine Abschätzung dieser Verluste gemacht, was sicher auch nicht einfach ist, da man hierzu vieles berücksichtigen muss. Es wird immer nur betont, daß der deutsche Finanzminister durch die niedrigen Zinsen Milliarden einspart, aber die Gegenrechnung wird nicht aufgemacht. Dazu gehören bei den quasi Nullzinsen auch die Verluste der Sparer, die Verluste bei Lebensversicherungen und anderes mehr. Würden die Sparer mehr Zinsen bekommen, hätte der Fiskus ja auch eniges davon. Solange ist es ja noch nicht her, daß man für Festgeld 3 % oder gar mehr Zins bekam und davon kriegt das Finanzamt, wenn man es nicht gerade macht wie der Hoeness auch einen deutlichen Anteil.
Nicht nur Herr Sinn betont seit Jahren, daß das Land im Euro nicht wettbewerbsfähig werden kann.
Zuletzt geändert von Edi am Donnerstag 12. März 2015, 20:54, insgesamt 1-mal geändert.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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lutherbeck
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von lutherbeck »

Nun wird die Sache "persönlich"...

http://news.google.de/news/url?sr=1&ct2 ... d=h&at=dt


:vogel:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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Maurus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Maurus »

Tritonus hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:... Statt an einem Sanierungsprogramm zu arbeiten(!), das von den Gläubigern akzeptiert wird, ...
:kugel: :ikb_doctor:

Es war doch eigentlich vor fünf Jahren schon jedem klar, dass Griechenland niemals seine Schulden zurückzahlen kann, und zwar egal ob mit oder ohne "Sanierungsprogramm". Griechenland war, ist und bleibt zahlungsunfähig. Bankrott. Finito. Punkt.

Insbesondere auch dem von Dir offensichtlich sehr geschätzten Hans-Werner Sinn war genau das schon vor Jahren sonnenklar; ich empfehle Dir deshalb, seine damaligen Äußerungen zum Thema nochmal gründlich durchzulesen, vielleicht verstehst Du ja diesmal wenigstens ansatzweise, was er gemeint hat. Eine seiner Äußerungen von vor exakt 5 Jahren, von einem Journalisten auf einen kurzen Nenner gebracht:
... Hans-Werner Sinn, der Chef des Münchner Ifo-Instituts, wirft Schäuble vor, in Wahrheit gehe es darum, Europas Banken vor dem Verlust ihrer griechischen Staatspapiere zu schützen ...

( http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 55527.html , vom 13.3.21 )
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es sollten niemals Griechen gerettet werden, sondern es ging immer ausschließlich um Banken. Kein Wunder, dass die ersteren langsam genug haben von der Heuchelei.
Damals könnte das so gewesen sein, inzwischen aber haben sich die Banken der Risken natürlich schon so weit wie möglich entledigt. Schäuble aber würde einen Grexit wohl auch als persönliche Niederlage verstehen. Und letztlich gibt es natürlich auch eine gewisse europäische Solidarität. Das finde ich im Prinzip auch nicht mal schlimm, auch wenn man aus rein ökonomischer Vernunft heraus dagegen sein müsste. Aber Politik oder das Leben im allgemeinen ist nicht bloß Ökonomie.
Bei Griechenland kommt dieses Prinzip allerdings an seine Grenze. Während die anderen Länder ihre Hausaufgaben machen, will Tsipras ja im Prinzip das Griechenland von 25 wieder auferstehen lassen. Jahrelang machte das Land über 1% seines BIP Schulden (in D wäre das eine Kreditaufnahme von 29 Mrd €). Mit einer Regierung, die nicht einsehen will, dass das so nicht funktioniert und die offenbar darauf baut, dass die europäische Solidargemeinschaft das einfach dauerhaft bezahlt, kann man nicht ernsthaft verhandeln.

Tritonus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Tritonus »

Maurus hat geschrieben:... Schäuble aber würde einen Grexit wohl auch als persönliche Niederlage verstehen. ...
Mitte Januar, also rund zwei Wochen vor der Wahl in Griechenland, schrieb der heutige Regierungschef Alexis Tsipras einen "Offenen Brief an die Deutschen". Dieser Brief stieß auf große Resonanz in der internationalen Presse. (Und ja, ich weiß: in Deutschland selbst war die Resonanz selbstverständlich nahe Null. Und solch kollektives beredtes Schweigen der deutschen Qualitätspresse macht mich immer stutzig und lässt mich die Warum-Frage stellen.)

Ich zitiere mal einzelne Passagen aus dem Brief:
In 21, the Greek state ceased to be able to service its debt. Unfortunately, European officials decided to pretend that this problem could be overcome by means of the largest loan in history on condition of fiscal austerity that would, with mathematical precision, shrink the national income from which both new and old loans must be paid. An insolvency problem was thus dealt with as if it were a case of illiquidity.

In other words, Europe adopted the tactics of the least reputable bankers who refuse to acknowledge bad loans, preferring to grant new ones to the insolvent entity so as to pretend that the original loan is performing while extending the bankruptcy into the future. Nothing more than common sense was required to see that the application of the 'extend and pretend' tactic would lead my country to a tragic state. That instead of Greece's stabilization, Europe was creating the circumstances for a self-reinforcing crisis that undermines the foundations of Europe itself. [/b]
(Falls jemand eine Übersetzung benötigt: die findet sich ausgerechnet bei Kopp: http://info.kopp-verlag.de/hintergruend ... wurde.html .)
Ein klassischer Fall von Insolvenzverschleppung über fünf lange Jahre also, über die Tsipras hier redet. Und die jetzt amtierende Regierung plante (wie schon vor der Wahl angekündigt, genau dafür sind sie ja gewählt worden), aus dem kriminellen EU-Spiel auszusteigen:
My party, and I personally, disagreed fiercely with the May 21 loan agreement not because you, the citizens of Germany, did not give us enough money but because you gave us much, much more than you should have and our government accepted far, far more than it had a right to. Money that would, in any case, neither help the people of Greece (as it was being thrown into the black hole of an unsustainable debt) nor prevent the ballooning of Greek government debt, at great expense to the Greek and German taxpayer. ...

... So, let me be frank: Greece's debt is currently unsustainable and will never be serviced, especially while Greece is being subjected to continuous fiscal waterboarding. ...

... Germany, and in particular the hard-working German workers, have nothing to fear from a SYRIZA victory. The opposite holds. Our task is not to confront our partners. It is not to secure larger loans or, equivalently, the right to higher deficits. Our target is, rather, the country's stabilization, balanced budgets and, of course, the end of the grand squeeze of the weaker Greek taxpayers in the context of a loan agreement that is simply unenforceable. We are committed to end 'extend and pretend' logic not against German citizens but with a view to the mutual advantages for all Europeans.
Keine Ahnung, was es da noch "zu verhandeln" und EU-weit vor Empörung aufzuheulen gibt. Die Hauptaussagen -- "debt will never be serviced" -- und Absichten sind doch spätestens jetzt klar zu erkennen. Auch für Herrn Schäuble, selbst wenn der mal seinen Willen nicht bekommt. Oder vermag er die Realität nicht mehr zu erkennen?

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Bei dem ganzen Streit um die "Bankenrettung" wird doch zunächst die Ausgangslage vergessen:

Die Banken haben Kredite vergeben, die in GR verjubelt wurden. Dort gab es jahrelange Party, man lebte über seine Verhältnisse. Jetzt ist Zahltag und diejenigen, die an der Party nicht beteiligt waren sondern nur Speisen und Getränke finanzierten, sollen jetzt aufräumen, auf ihr Geld verzichten und neues nachschießen, denn nach jedem Besäufnis hat man schließlich "Nachdurst".

Als die Banken sich weigerten, weitere Kredite zu geben, hatten die Griechen ein Problem. Merkel stimmte dem 1. Rettungspaket zu, das einen Umfang von 11 Mrden haben sollte. Die Auszahlung der einzelnen Tranchen sollte wie folgt erfolgen:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 59849.html

Spätestens im Herbst 211 war klar, daß das Geld nicht ausreichen würde - die Anleiherenditen schnellten hoch, die Kurse gr. Anleihen fielen in's Bodenlose. Bis Ende 211 waren 73 Mrden € ausgezahlt. Davon profitierten vor allem die gr. Banken, die - naturgemäß - den größten Anteil an griechischen Staatsanleihen hielten.
Von den griechischen Schulden werden 19 Milliarden Euro außerhalb und 137 Milliarden Euro von Investoren innerhalb des Landes gehalten. Griechische Banken halten 45 Milliarden Euro Anleihen und 18 Milliarden Euro Kredite. Nach einer Berechnung von Goldman Sachs würde eine Schuldenabschlag („haircut“) von 6 Prozent etwa 8 Prozent des Kernkapitals griechischer Banken auffressen, hingegen nur einen sehr geringen Teil des Kernkapitals anderer europäischer Banken.
(...)
Die griechische Notenbank hält 15 Milliarden Euro Staatsschulden und andere griechische Investoren haben 59 Milliarden auf den Büchern. Von den 19 Milliarden Euro im Ausland befinden sich etwa 43 Milliarden Euro auf den Büchern der Banken, 32 Milliarden Euro werden vom IWF und von der EU gehalten, 5 Milliarden Euro vom System der Europäischen Zentralbank und 65 Milliarden Euro von institutionellen und privaten Anlegern.
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anl ... 1376.html

Bei einer Pleite GR wären diese Banken sofort zahlungsunfähig gewesen. Sie hätten bei der EZB keine weiteren Kredite erhalten können, weil die als Sicherheit zu hinterlegenden Staatsanleihen des gr. Staates wertlos gewesen wären.
Die deutschen Banken sagten der Bundesregierung zu, sich nicht von ihren Engagements in GR zu trennen. Sie nahmen am Schuldenschnitt im April 212 teil und mußten erhebliche Wertberichtigungen vornehmen.
Die Hilfe besteht im Wesentlichen aus einem Durchhaltepakt: Große Banken und Versicherungen verpflichten sich, ihre Kreditlinien für das Mittelmeerland nicht zu kündigen. Und sie wollen auch keinen Ausverkauf griechischer Anleihen starten - schließlich würde jeder Rückzug privater Geldgeber die Lage nur verschärfen. Allerdings wäre ein Ausstieg für die Banken derzeit ohnehin mit hohen Verlusten verbunden.
http://www.welt.de/welt_print/politik/a ... nland.html

Sie nahmen am Schuldenschnitt im April 212 teil und mußten erhebliche Wertberichtigungen vornehmen.

Weil absehbar war, daß das Geld aus dem 1. Rettungspaket nicht reichen würde (und die Bundestagswahl näher rückte) beschloß man im Winter 211/12 ein 2. Rettungspaket aufzulegen, an dem sich - entgegen den vertraglichen Anleihebestimmungen und den politischen Zusicherungen - der private Sektor beteiligen sollte. Der Schuldenschnitt wurde im Frühjahr 212 durchgeführt und betraf die allermeisten privaten Investoren, die Verluste von ca. 7% hinnehmen mußten. Der Rest wurde langlaufende Anleihen umgeschuldet. Der Umfang des zweiten Rettungspakets beträgt knapp 164 Mrden € - es ist also mehr als doppelt so hoch wie das 1. Rettungspaket, von dem nur 73 Mrden € (bei einem Umfang von 11 Mrden €) ausgezahlt wurden.

Da Voraussetzung für das 2. - hohe - Rettungspaket der Schuldenschnitt war, profitierten deutsche und andere europ. Banken nicht mehr davon, sie saßen aufgrund ihres "freiwilligen" Verzichts nur noch auf marginalen Größen von gr. Anleihen oder Krediten. Profiteur sind bei diesem Rettungspaket vor allem die gr. Banken. Zu ihrer Unterstützung Banken sind im 2. Rettungspaket 48 Mrden vorgesehen.
Insgesamt sollen im Zuge des zweiten Rettungsprogramms allein über den Rettungschirm EFSF 144,6 Milliarden Euro nach Athen fließen. Davon sind 48 Milliarden Euro als Kapitalhilfen für Banken vorgesehen und weitere 61,1 Milliarden Euro für allgemeine Kredithilfen.
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ret ... te18.html

Ohne die "Rettungshilfe" wären die gr. Banken schon pleite, die Sparguthaben der Griechen hätten sich in Luft aufgelöst. Es ist schon eine Meisterleistung der Medien, daß sich in der Bevölkerung die Idee einer "Bankenrettung" und der "armen Griechen", die nicht profitiert haben, festsetzen konnte. Aber Banken haben sowieso ein "bad-boy-image", deswegen werden auch nur sie und nicht die anderen Kapitalsammelstellen (Versicherungen, Pensionsfonds usw.) erwähnt - von den Hedge-Fonds als wirklichen Profiteuren liest man garnichts.
Maurus hat geschrieben: Schäuble aber würde einen Grexit wohl auch als persönliche Niederlage verstehen. Und letztlich gibt es natürlich auch eine gewisse europäische Solidarität. Das finde ich im Prinzip auch nicht mal schlimm, auch wenn man aus rein ökonomischer Vernunft heraus dagegen sein müsste. Aber Politik oder das Leben im allgemeinen ist nicht bloß Ökonomie.
Schäuble als "Berufseuropäer" wird natürlich alles tun, um einen Grexit zu vermeiden. Es würde dann vermutlich auch dem Letzten klar, daß der Euro weder "alternativlos" noch für D. eine vorteilhafte Währung ist. Der Anteil der dt. Exporte in den Euroraum sinkt, der Nicht-Euroraum wird immer wichtiger. Länder wie Vietnam, Thailand, die Philippinen oder Australien exportieren mehr nach D als GR; die deutschen Exporte in die Türkei sind fast viermal, die nach China fünfzehnmal so hoch wie die nach GR. In wenigen Jahren wird China Frankreich und die NL als jetzt noch führende Handelspartner abgelöst haben, die USA warten auf Rang 4 und werden - dank TIFF - weiter vorrücken. Als Handelspartner (= Summe der Ex- und Importe) rangiert GR auf Platz 42 - hinter Vietnam und Thailand und einem Handelsvolumen, das weniger als 1% des Volumens D - CH beträgt.

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten ... cationFile

Diese Entwicklung konnte niemand Anfang de 9'iger Jahre vorhersehen; Europa verliert Bedeutung für D.. Wer keine Massenwaren sondern Spezialgüter herstellt, dem kann nur der Weltmarkt genügend Nachfrage bieten und nicht der relativ kleine Markt der EU. Die EU wird für wohlhabende Staaten immer unattraktiver, Island hat seinen Beitrittsantrag zurückgezogen und das Schweden oder sogar Polen einmal den Euro einführen, obwohl sie dazu vertraglich verpflichtet sind, glauben auch nur noch unerschütterliche Optimisten.

Inwieweit man "Solidarität" praktizieren sollte, ist eine Geschmacksfrage - vor allem, wenn sie nicht von allen Ländern der "Schicksalsgemeinschaft" EU, sondern nur von einem Teil praktiziert werden soll.
Wenn man Politik betreibt, ohne auf die ökonomischen Gesetze zu achten, führt das aber zunächst zu Wohlstandsverlusten und - falls nicht rechtzeitig gegengesteuert wird - in die Pleite. Oder warum unterhalten wir uns hier über Griechenland (und hoffentlich nicht demnächst über den Rest der Eurozone und D.)? :hae?:

@Tritonus:
Du brauchst mir doch wirklich nicht zu erzählen, daß die "Rettungsgelder" in GR weg sind - derartiges habe ich seit meiner Registrierung hier im Forum immer geschrieben. Die Frage ist doch nur, wie man mit dieser Tatsache umgeht. Da habe ich auch immer die Auffassung vertreten: GR paßt genauso zum Euroverbund wie Eisbären in die Antarktis. Nur weil es in Europa liegt, muß es noch lange nicht Mitglied im "Wertesystem" EU oder in der "Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft" der Eurozone sein, denn dazu gehört mehr als die geographische Lage.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben:
Ich glaube nicht, daß GR im Euro nochmals auf die Beine kommt. Die Politiker in Europa wollen das nur nicht eingestehen, weil sie Angst haben vor dem Schuldenschnitt, den diesmal voll die Steuerzahler bezahlen müssen. Übrigens haben die ja schon einiges bezahlt wie z.B. die Verluste der Hypo Real Estate und indirekt auch noch mehr. Es hat bisher nur noch niemand eine Abschätzung dieser Verluste gemacht, was sicher auch nicht einfach ist, da man hierzu vieles berücksichtigen muss. Es wird immer nur betont, daß der deutsche Finanzminister durch die niedrigen Zinsen Milliarden einspart, aber die Gegenrechnung wird nicht aufgemacht. Dazu gehören bei den quasi Nullzinsen auch die Verluste der Sparer, die Verluste bei Lebensversicherungen und anderes mehr. Würden die Sparer mehr Zinsen bekommen, hätte der Fiskus ja auch eniges davon. Solange ist es ja noch nicht her, daß man für Festgeld 3 % oder gar mehr Zins bekam und davon kriegt das Finanzamt, wenn man es nicht gerade macht wie der Hoeness auch einen deutlichen Anteil.
Nicht nur Herr Sinn betont seit Jahren, daß das Land im Euro nicht wettbewerbsfähig werden kann.
Die Steuerzahler haben nicht nur die Verluste der Hypo Real Estate bezahlt, aus dem Haushalt wurde auch die Bareinlage in den ESM finanziert. Diese beträgt 21,7 Mrden € - Geld, das für die Instandhaltung der Infrastruktur fehlt.

Die Verluste nur aus dem GR-Debakel werden von Prof Sinn mit 84,7 Mrden € für D. (bei einem Gesamtschuldenstand von 319 Mrden €) angegeben. Das bedeutet, daß jeder Bürger (vom Neugeborenen bis zum Greis, einschl. aller Hartz-IV-Empfänger) mit 1. € daran beteiligt ist.

http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/p ... nland.html

Was die Verluste der deutschen Sparer durch die Niedrigzinsen betrifft muß man der Fairness halber erwähnen, daß die Bürger in anderen Euroländern entlastet wurden:
Um die Wirkung der Zinspolitik zu beziffern, hat die Allianz die Zinssätze der letzten fünf Jahre mit den Durchschnittszinsen der Jahre 23 bis 28 verglichen. Die durch die gelockerte Geldpolitik "entgangenen" Zinsen auf der Einlagenseite stellt sie den Zinsgewinnen bei Krediten gegenüber. Das Ergebnis: Während die Menschen in Deutschland seit 21 im Saldo 23 Milliarden Euro oder 281 Euro pro Kopf verloren, wurden die Bürger in den meisten anderen Euroländern entlastet.
Das gilt nach der Analyse vor allem für Finnland, Spanien, Irland, Griechenland und Portugal: In diesen Ländern liegen die Haushalte mit rund 1 Euro pro Kopf oder mehr im Plus. Insgesamt addieren sich die Gewinne dort seit Krisenbeginn auf 97 Milliarden Euro. "Die Peripherie ist der große Profiteur der Niedrigzinspolitik", sagt Allianz-Ökonom Arne Holzhausen.
Diese Wirkung der Geldpolitik ist für Heise zwar nicht überraschend. Schließlich sei die Entlastung der Schuldner gewollt: "Man sollte jedoch auch nicht die Augen davor verschließen, dass diese Politik erhebliche Nebenwirkungen hat, vor allem auf deutsche Anleger und ihre Altersvorsorge."
http://www.manager-magazin.de/politik/d ... 93312.html

Allerdings wird die Niedrigzinsphase auch bei einem Grexit noch länger anhalten: Höhere Zinsen würden Länder wie IT, PT oder auch F sofort in Schwierigkeiten bringen und der zarten Verbesserung der Wirtschaft den Garaus machen.
Der deutsche Michel zahlt eben nicht nur direkt über den Haushalt und haftet für die Schulden, er verzichtet auch auf Zinsen und eine werthaltige Währung, um die "Partner" im Süden "zu retten".
Die Kosten der „Euro-Rettungspolitik“ zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie vielfach nicht unmittelbar ersichtlich sind. Sie bestehen vor allem auch in Form von entgangenen Erträgen (entgangenen Lohnzuwächsen, entgangenen Einkommens- und Vermögenszuwächsen). Das erschwert es natürlich dem Wahlvolk, die Politik überhaupt kontrollieren zu können.
http://www.rottmeyer.de/die-kosten-der-rettungspolitik/

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Maurus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Maurus »

Tritonus hat geschrieben: Ein klassischer Fall von Insolvenzverschleppung über fünf lange Jahre also, über die Tsipras hier redet. Und die jetzt amtierende Regierung plante (wie schon vor der Wahl angekündigt, genau dafür sind sie ja gewählt worden), aus dem kriminellen EU-Spiel auszusteigen:
Insolvenzverschleppung ist auch in meinen Augen das richtige Wort. Nur ob die Griechen wirklich insolvent gehen wollen, wie Tsipras das hier andeutet, das ist eine andere Frage. Ein Zuckerschlecken ist das schließlich nicht, da muss man nur nach Argentinien gucken.

Und: Eine geordnete Insolvenz ergibt in meinen Augen auch nur Sinn, wenn man sich anschließend wirtschaftlich und finanzpolitisch neu aufstellt. Das scheint Syriza aber nicht vorzuhaben. Warum sollen die Gläubiger wegen dieser Reformverweigerung auf ihr Geld verzichten? Und wie geht das dann weiter? Eine Insolvenz bedeutet ja nicht, dass Griechenland anschließend kein neues Kapital mehr braucht. Wer soll das denn geben, wenn sich gleichzeitig an den Rahmenbedingungen des Landes nichts ändert? Doch wieder nur der große Turm zu Frankfurt, also die EZB. Das Spiel ginge wohl weiter.

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lutherbeck
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von lutherbeck »

Wozu jemandem dauerhaft Geld geben, obwohl dieser weder die Absicht noch die Mittel hat, seine Schulden jemals zu begleichen? Wer von euch würde dies im realen Leben tun - noch dazu, wenn er dafür auch noch dauerhaft vom Geldnehmer beschimpft und sogar erpresst würde?

:vogel: :patsch:
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Yeti
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Yeti »

Finanzminister "ganz privat": Griechen spotten über Varoufakis' Hochglanz-Homestory Tja, das schlug wohl nicht so ein wie erwartet. Seine Tage als Minister sind wohl gezählt, nicht nur wegen seiner eitlen Geschwätzigkeit. Bei dieser Visage muss ich immer daran denken:
Bild Ich tippe auf Abbildung I.
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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Offensichtlich hat Athen keine Lust an einer atmospärischen Verbesserung und zündelt weiter:
Trotz Mahnungen aus Brüssel hat der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos die Bundesregierung im Schuldenstreit scharf angegriffen. Der Rechtspopulist beschuldigte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), mit einem psychologischen Krieg die Beziehungen beider Länder zu vergiften. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hatte Griechenland zuvor dazu angehalten, den Ton gegenüber Deutschland zu mäßigen.
(...)
„Ich verstehe nicht, warum er sich jeden Tag in neuen Statements gegen Griechenland wendet“, sagte Kammenos in der „Bild“-Zeitung (Samstag) in Richtung Bundesfinanzminister. „Das ist wie ein psychologischer Krieg und Schäuble vergiftet damit die Beziehungen zwischen beiden Ländern.“
(...)
Für den Fall des Ausscheidens seines Landes aus dem Euro vor einem Domino-Effekt warnte Kammenos vor einem Domino-Effekt: „Wenn Griechenland explodiert, dann als nächstes Spanien, Italien. Und irgendwann Deutschland. Wir müssen deshalb einen Weg innerhalb des Euro finden.“
Aber dieser Weg dürfe nicht sein, dass die Griechen immer weiter zahlen müssten. Von den sogenannten Hilfspaketen sei ja auch bisher nichts bei den Menschen angekommen, sondern ausschließlich bei den Banken. Die Leute hätten keine Arbeit mehr, aber die Preise stiegen weiter.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 8255.html

Neben der Mär, das bei "den Menschen" nichts angekommen sei (Kredite haben einmal die Natur, daß man sofort konsumieren kann - also wo sind die Darlehnsbeträge denn hingeflossen?) - was haben die Griechen denn bisher gezahlt? Wohlgemerkt aus ihrem Steueraufkommen und nicht aus neuen Krediten...

Bezeichnend ist es in meinen Augen auch, daß er ein solches Interview der Bild-Zeitung gibt. Niemand, dem an einer Beilegung der Krise gelegen ist, würde sich gegenüber dem deutschen Massenblatt so äußern.

Gleichzeitig stößt man die Darlehnsgeber vor den Kopf und stoppt die vertraglich vereinbarten Privatisierungen:
Während Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras bei Besuchen in Paris und Brüssel sagte, sein Land sei bereits auf dem Weg der Reformen, wird in Athen ein Stopp des bisherigen Privatisierungsprogramms vorbereitet. Dies war bisher ein wichtiger Bestandteil der Reformvereinbarungen zwischen Griechenlands Gläubigern und den früheren Regierungen. Doch die griechische Regierung strebt nun mit einem Gesetzesentwurf nach der Abschaffung der bisherigen Privatisierungsagentur.
Auf diese Weise soll etwa die Privatisierung von staatlichen Küstenstrichen gestoppt werden, für die bisher Investoren aus der Tourismusbranche gesucht wurden. Ministerpräsident Tsipras wird in Athen mit den Worten zitiert, für den Verkauf des „nationalen Silbergeschirrs“ könne man nur wenig Geld bekommen, und dies müsse nach den bisherigen Verträgen für Schuldentilgung verwendet werden - „für ein schwarzes Loch“.
Die Privatisierungspläne für Griechenland stehen den ideologischen Grundsätzen der Linkspartei von Tsipras diametral entgegen. Seine Partei Syriza will den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft erweitern und damit mehr Platz für die eigene Klientel schaffen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 81769.html

Wenn man beide Artikel liest, kann man folgende Eindrücke nicht vermeiden:
1. GR denkt überhaupt nicht daran, die Schulden zurückzahlen. Das hat man zwar vor der Wahl gesagt, aber eine neue Regierung ist nicht nur an die alten Verträge gebunden. Man hat die Schulden anerkannt, sonst hätte die Bitte um Fristverlängerung und Auszahlung der letzten Tranche des 2. Hilfspaketes keinen Sinn gemacht.
2. Man will Geld ohne irgendwelche Bedingungen bzw. Auflagen. Falls die Eurogruppe diesem Ansinnen nicht nachkommt, akzeptiert man einen Grexit - denn natürlich ist nicht GR schuld, sondern D.. GR kann ja überhaupt nicht schuld an seinem Zustand sein, das wissen wir inzwischen. Die Kredite wurden ihnen aufgedrängt und die fehlende Bereitschaft zur Steuerzahlung und -beitreibung ist kulturell bedingt...

Da man die "Forderungen" gegen GR abschreiben kann, sollte man innerhalb der Eurogruppe überlegen, ob man sie nicht an Hedgefonds verkaufen sollte. So erhielte man wenigstens noch ein paar Euro. Als Käufer böte sich Paul Singer und sein Elliott-Fond an. Die sind ziemlich erfolgreich, z.B. i.S. Argentinien und darauf spezialisiert, Forderungen gegen Länder einzutreiben, die zahlen könnten, dies aber nicht wollen.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben: ....denn natürlich ist nicht GR schuld, sondern D.. GR kann ja überhaupt nicht schuld an seinem Zustand sein, das wissen wir inzwischen. Die Kredite wurden ihnen aufgedrängt...
Genau das konnte man u.a. auch bei gmx.net vor kurzem lesen. Die deutsche Industrie habe den Griechen Produkte aufgedrängt, die sie nur mit einem Kredit zahlen konnten. Was soll man dazu sagen?
Ich kaufe doch nichts, wenn ich vorher schon weiß, daß ich die Schulden und deren Tilgung nicht bewältigen kann. Wer sich verschuldet, muss zuerst abwägen, ob er die Schulden und die Zinsen über lange Zeit auch zurückführen kann. Wenn das nach reichlicher Überlegung nicht der Fall ist, dann verzichtet man eben auf den Kauf.
Es gibt bei uns auch genug Firmen und Immobilienfritzen und ähnliche, die den Menschen alles mögliche verkaufen wollen - bei den Immobilien ja auch mit Rendite- und Steuerersparungsversprechen -, aber verantwortlich ist jeder selber ob er da mitmachen will und kann oder nicht und nicht der Verkäufer.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Zahltag ist Ende des Monats und anstatt an den Problemen zu arbeiten betreibt man Wortklauberei:
Seit Mitte der Woche ist die Troika wieder am Werk. Zwei Dutzend Fachleute sitzen in einem Athener Hotel. Sie lesen Gesetzentwürfe, wälzen Akten, prüfen Bücher. In die griechischen Ministerien dürfen sie nicht – das wäre der ultimative Gesichtsverlust für Alexis Tsipras, der die Troika abschaffen wollte. Sie heißt neuerdings übrigens „Brüsseler Gruppe“, nicht mehr „die Institutionen“ wie in den vergangenen vier Wochen. Die Experten kommen von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und dem Euro-Rettungsschirm. Sie sollen rausfinden, wie lange Griechenland noch flüssig ist.
(...)
Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte Schulz anschließend: „Tsipras braucht dringend Geld. Dafür muss er die Eurogruppe und die EZB von seinem Reformwillen überzeugen, und zwar schon nächste Woche.“
Denn dann muss Athen zwei Kredittranchen an den IWF zurückzahlen, zusammen fast eine Milliarde Euro. Außerdem muss es 1,6 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen, um eine auslaufende Staatsanleihe zu ersetzen. Beides könnte mit Ach und Krach gelingen, glauben Fachleute – obwohl es kaum noch Anleger gibt, die griechische Papiere kaufen. Doch am Monatsende schlägt die Stunde der Wahrheit: Kann die Regierung Renten und Gehälter von Staatsbediensteten voll auszahlen? Wahrscheinlich nicht. Das wäre ein Desaster für Tsipras.
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 8383.html

Vor sechs Wochen kündigte der gr. Finanzminister vollmundig die Zusammenarbeit mit der Troika. Aus "Troika" wurden dann die "Institutionen" und jetzt die "Brüsseler Gruppe", obwohl die EZB in Frankfurt und der IWF in Washington ihre Sitze haben. Nur die EU kommt aus Brüssel, aber sie arbeitet im Auftrag der Eurogruppe und hat glücklicherweise keine Entscheidungsbefugnis.
GR beschloß ebenfalls, der Troika jede Prüfung in Athen zu untersagen. Jetzt sitzen die Prüfer im Hilton Hotel und studieren dort die Unterlagen, weil man nicht die Ministerien darf. Das dauert natürlich länger. Ein ziemlich großkotziges Verhalten für einen Schuldner, dem das Wasser bis zur Nase steht.

Falls Athen innerhalb der nächsten zwei Wochen kein Geld auftreibt und die Gehälter der zahlreichen Staatsangestellten nicht überweisen kann, dürfte die Zustimmung zur Regierungspolitik sich wahrscheinlich schlagartig verringern. Vielleicht ist es das, was die Eurogruppe bezwecken will. Soziale Unruhen und Neuwahlen könnten zwar zu einem Regierungswechsel führen, nur ist damit nichts gewonnen. Denn auch unter einer neuen Regierung ist nicht ersichtlich, wie GR seine hohen Ausgaben mit den geringeren Einnahmen in Übereinstimmung bringen will.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben: Genau das konnte man u.a. auch bei gmx.net vor kurzem lesen. Die deutsche Industrie habe den Griechen Produkte aufgedrängt, die sie nur mit einem Kredit zahlen konnten. Was soll man dazu sagen?
Ich kaufe doch nichts, wenn ich vorher schon weiß, daß ich die Schulden und deren Tilgung nicht bewältigen kann. Wer sich verschuldet, muss zuerst abwägen, ob er die Schulden und die Zinsen über lange Zeit auch zurückführen kann. Wenn das nach reichlicher Überlegung nicht der Fall ist, dann verzichtet man eben auf den Kauf.
Die Staatsverschuldung von GR ist von 24 bis 211 von 183 Mrden € auf 355 Mrden € gestiegen. Aufgrund des Schuldenschnitts von ca. 1 Mrden sank sie vorübergehend und steht inzwischen wieder bei 318 Mrden €.

http://de.statista.com/statistik/daten/ ... echenland/

Griechenland hat also in den letzten zehn Jahren (318 - 183 +1=) 235 Mrden € mehr ausgegeben als es an Steuern eingenommen hat. Dazu gehören natürlich auch Zinsen, soweit sie gezahlt wurden. Nicht aber die Schulden selber, denn die wurden allenfalls durch neue Kredite umgeschuldet. Es wurden pro Jahr ca. 23 Mrden und je Grieche für den gesamten Zeitraum 23.5 € von Darlehnsgebern finanziert.

Die Schuldtitel liegen jetzt zum großen Teil bei der öffentl. Hand im Euroraum (ESM; die EZB hat bereits Papiere iHv 1 Mrden € gekauft, 68% der Wirtschaftsleistung des Landes). Inzwischen ist klar, daß das bisher eingeräumte Kreditvolumen nicht ausreicht und noch weiter finanziert werden soll. Es wird über Beträge von 4 - 5 Mrden € spekuliert.

Hier geht es nicht mehr darum, ob sich irgendwelche Banken verzockt haben und dann gerettet wurden. Hier geht es inzwischen um ethisch-moralische Fragen, nämlich wer wem welchen Lebensstandard finanzieren soll und welche Belastungen dafür zumutbar sind.
Wer jetzt laut ruft, die Banken hätten damals keine Kredite gewähren dürfen, muß jetzt noch viel lauter rufen, daß die Eurogruppe den Geldhahn zudreht. Im Gegensatz zum Zeitraum 24 - 29 ist heute für jedermann erkennbar, daß die "Kredite" nicht zurückgezahlt werden und somit verbietet sich jede Kreditvergabe für den Finanzminister.

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Torsten
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Torsten »

Edi hat geschrieben:Genau das konnte man u.a. auch bei gmx.net vor kurzem lesen. Die deutsche Industrie habe den Griechen Produkte aufgedrängt, die sie nur mit einem Kredit zahlen konnten. Was soll man dazu sagen?
Ich kaufe doch nichts, wenn ich vorher schon weiß, daß ich die Schulden und deren Tilgung nicht bewältigen kann. Wer sich verschuldet, muss zuerst abwägen, ob er die Schulden und die Zinsen über lange Zeit auch zurückführen kann. Wenn das nach reichlicher Überlegung nicht der Fall ist, dann verzichtet man eben auf den Kauf.
So denkst Du. Andere denken anders. Und tätigen mit ihrer Unterschrift diese Käufe - "im Namen der Griechen" - weil sie dafür geschmiert wurden.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 83578.html

"Der Euro bringt Unfrieden zwischen den Völkern

So weit hat es der Euro also gebracht. Nie gab es so viele garstige Gefühle zwischen den europäischen Völkern wie heute. Nie gab es so viel Unfrieden. Auch die angebliche Solidarität der Südländer im Euroraum hat sich längst als Fehleinschätzung erwiesen. Seit sich in Italien und Spanien herumgesprochen hat, dass die Griechen auf den Erlass ihrer Schulden spekulieren und auch sie zur Kasse gebeten würden, ist es aus mit der Freundschaft. Den Gipfel der Heuchelei bringt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hin, der die Emotionen zunächst nach Kräften schürte, um sich jetzt als Versöhner ins Spiel zu bringen.

Das kommt davon, wenn man mit Geldpolitik die Welt beglücken und Geschichte machen will. Linke Kritiker, die überall böse Ökonomisierung am Werk sehen, hätten hier ein Anschauungsbeispiel. Man sage nicht, die Bösartigkeiten, die derzeit den Euroraum sprengen, hätten mit dem Euro nichts zu tun. Womit denn sonst? Gäbe es den Euro nicht, brauchten die Griechen keine Auflagen der Troika zu fürchten. Gäbe es den Euro nicht, brauchte die griechische Regierung nicht bei der EZB um Notfallhilfe zu betteln, sondern könnte ihre nationale Zentralbank anweisen, Geld zu drucken und die Währung abzuwerten."
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Unbedeutende kleine Liquiditätsprobleme :breitgrins: :D
Die griechische Regierung sieht sich wegen der Finanznot bereits dazu gezwungen, letzte Reserven anzugreifen. Dabei hat Athen jetzt auch EU-Subventionen dazu benützt, um andere Löcher zu stopfen. Schon am vergangenen Dienstag sollten die 51 000 Baumwollbauern etwa 200 Millionen Euro an EU-Zuschüssen erhalten.
Diese Summe, die sich in den Kassen der entsprechenden griechischen Verwaltung befand, wurde aber an die Zentralbank in Athen transferiert, wie der griechische Blog protagon.gr berichtet. Dies geschah nach Informationen der Süddeutschen Zeitung durch einen Beschluss des Ministerrats, gegen den Willen des Landwirtschaftsministers.
(...)
Auch andere staatliche Kassen, unter anderem aus dem Bereich der Sozial- und Rentenversicherung, sollen ihre Bargeldreserven an die Notenbank überweisen. Diese soll dann kurzfristige Anleihen, sogenannte Repos, dafür ausgeben, um den staatlichen Finanzbedarf zu decken. Eine entsprechende Anweisung soll nun offenbar als Anhang an das Gesetz zur Erleichterung der humanitären Krise ins Parlament eingebracht werden.
Tsipras hat sich für Montag bei Merkel angesagt, wahrscheinlich will er weiter Kredit bekommen. Schäuble berichtet, daß er Tsipras schon vor einiger Zeit die Prognose gestellt habe: Entweder werde er scheitern oder das Gegenteil seiner Wahlkampfversprechen umsetzen müssen.

Zur Erinnerung: Tsipras versprach auch, das GR im Euro bleibt.

Ivo Matthäus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Ivo Matthäus »

Ivo Matthäus hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Es kommt zu Neuwahlen - die Wahl eines Staatspräsidenten ist gescheitert.

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 4552.html

Es war bereits seit fast einem Jahr absehbar. Ich bin einmal gespannt, wie die EU reagieren will, wenn die Syriza die künftige Regierung stellt und den Schuldendienst einstellt.
Sie muss nicht reagieren und sie sollte es auch besser nicht, da die Finanzierung Griechenlands nur bis Anfang März 215 steht. Herr Tsipras kann also versprechen, was er will, aber einen Monat nach Amtsantritt sind die Kassen leer und dann kommt der harte Aufschlag auf den Boden der Realitäten...
Etwas später als gedacht, aber absehbar wie der Sonnenuntergang über den Ionischen Meer... 8)
Ich schenke Euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in Euch. Ich nehme das Herz von Stein aus Eurer Brust und gebe Euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist auf Euch und bewirke, dass .. Ihr auf meine Gebote achtet und sie erfüllt. (Ez 36)

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Yeti
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Yeti »

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:freude:
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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Ironie der Geschichte - Griechenland muß bis Freitag 2 Mrden € Zinsen zahlen. Die Zahlung beruht auf einem Vorgang, den Goldman Sachs eingefädelt hatte, um GR in die Eurozone zu bringen.
Am 2. März werden Zinsen auf einen ursprünglich von der US-Investmentbank Goldman Sachs arrangierten Anleihe-Deal fällig, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Damit muss Varoufakis bis Freitag mehr als zwei Milliarden Euro auftreiben.
Es ist fast schon eine Ironie der Geschichte, dass nun ausgerechnet der mit Goldman Sachs geschlossene Pakt Athen heimsucht. Denn der Finanzvertrag mit der amerikanischen Investmentbank verschleierte im Jahr 21 die wachsende Schuldenlast des Landes und half Athen, die Bedingungen für den Beitritt zum Euro-Raum zu erfüllen. Nun könnten die Spätfolgen das Land an den Rand des Staatsbankrotts bringen und die Wahrscheinlichkeit für einen Euro-Austritt erhöhen.
Athen hatte mithilfe von Goldman Sachs im Jahr 21 einen Teil seiner Dollar- und Yen-Verbindlichkeiten mithilfe eines sogenannten Währungsswaps in Euro-Schulden umgewandelt. Solche Geschäfte sind nichts Ungewöhnliches.
Allerdings soll der Vertrag damals ganz speziell für Griechenland strukturiert worden sein. Athen bekam einen hohen Einmalbetrag überwiesen, um das Defizit zu reduzieren. Dafür wurden in den Folgejahren dicke Zinszahlungen vereinbart, von denen eine nun offenbar an diesem Freitag fällig wird.
Athen muss dabei nicht direkt an Goldman zahlen. Die US-Investmentbank verkaufte den Swap noch lange vor der Schuldenkrise an eine griechische Bank. Nach Angaben von Bloomberg soll das Papier nun bei der griechischen Notenbank liegen. Sprecher der Notenbank und von Goldman Sachs wollten sich nicht zur Höhe der fälligen Zahlung äußern.
(...)
Die Finanzmärkte jedenfalls sind alarmiert. Sie taxieren die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Staatspleite Griechenlands inzwischen auf über 75 Prozent. Ablesen lässt sich das auch an den Bondmärkten. Die Rendite für dreijährige Griechen-Bonds kletterte auf über 2 Prozent.
Die Beruhigung, die das Land nach der Einigung mit den Geldgebern Ende Februar erzielt hatte, ist dahin.
http://www.welt.de/wirtschaft/article13 ... -heim.html

Wahrscheinlich wird man sich noch über die nächsten Tage zu retten versuchen - aber wie sieht es über Ostern aus? Das wäre unmittelbar nach Monatsende (Gehalts- und Rentenzahlungen wären fällig). Das lange Osterwochenende (gilt das auch in GR?) böte sich da an...

Auch der IWF beklagt sich über Griechenland, das Land wolle sich nicht helfen lassen und halte die Vereinbarungen von Ende Februar 215 nicht ein.

In der Schweizer Presse wird über die Schwierigkeiten der EZB bei der Finanzierung von Griechenland berichtet und die Frage gestellt, ob Varoufakis das "endgame" vorbereitet:
Seit fünf Jahren wird um das Überleben der Hellenen im Euro gerungen. Nach Antritt der neuen Links-rechts-Regierung sei das Land nun «relativ nah dran an einem ‹failed state›, in dem Entscheidungen nicht mehr richtig funktionieren», sagt Guntram Wolff, Direktor des Brüsseler Bruegel-Instituts. Die Wahrscheinlichkeit, dass Athen jetzt wirklich aus dem Euro fliege, sei «höher als je zuvor».
In den EU-Verträgen existiert ein Euro-Austritt nicht. In der realen Welt wird Athen derzeit nur noch von der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Währungsunion gehalten. Diese genehmigt der griechischen Zentralbank, den Banken des Landes Geld zu leihen. Aber nur, weil Athens Zentralbank Sicherheiten hinterlegt, die zum Teil an der Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates hängen.
In dem Moment, in dem Finanzminister Giannis Varoufakis einen Teil der Rechnungen des Staates nicht mehr bezahlt (weil er es nicht will oder kann), bricht das System eigentlich zusammen. Denn dann sind die hinterlegten Sicherheiten der griechischen Zentralbank nicht mehr sicher – und dürfen von der EZB nicht mehr akzeptiert werden.
(...)
Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner IFO-Instituts, kann der «Unfall»-These übrigens nicht viel abgewinnen. Varoufakis sei Spieltheoretiker und bereite ganz gezielt das «Endgame» vor, sagt er. «Er will am liebsten ganz viel Geld und im Euro bleiben. Aber wenn er es nicht kriegt, dann wird er den Staatskonkurs nebst Austritt provozieren, um seine Schulden loszuwerden.» Für seinen Gegenspieler Schäuble wäre dann die schwarze Null unter dem eigenen Haushalt in Gefahr. Er hat Athen 63 Milliarden Euro geliehen.

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lutherbeck
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von lutherbeck »

Für GR ist das alles sehr sehr peinlich - wo bleibt bei der ganzen Bettelei der Nationalstolz...

:achselzuck: :tuete:
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Torsten
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Torsten »

Caviteño hat geschrieben:In der Schweizer Presse wird über die Schwierigkeiten der EZB bei der Finanzierung von Griechenland berichtet
Tolerierte die EZB eine höhere Verschuldung der Griechen via T-Bills, wären deren akute Finanznöte zwar fürs Erste gemildert. Doch das Noteninstitut würde den übrigen Euroländern in den Rücken fallen: Diese haben sich darauf festgelegt, neue Kredite aus dem verlängerten Hilfsprogramm erst dann nach Athen zu überweisen, wenn die dortige Regierung ein Programm konkreter Reformen beschlossen und mit dessen Umsetzung begonnen hat.
Kann sich hier irgendeiner irgendeine Reform denken, die bewirkte, dass Griechenland realistisch seine Kreditwürdigkeit zurückgewinnt und Schulden wirklich abbauen kann? Nur mit Korruptionsbekämpfung, der Entlassung von Staatsbediensteten, dem Verscherbeln von Staatseigentum und dem immer weiteren Absenken des Lohnniveaus ist das nicht machbar. Es gibt keine Reform, die das leisten kann.

Das einzige, was das leisten könnte, wäre ein zweistelliges Wirtschaftswachstum über Jahrzehnte. Aber wo soll das herkommen? Von der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit? Über Lohnsenkungen?
linksfraktion hat geschrieben:Griechenland braucht ein Aufbauprogramm
04.02.2015 – SAHRA WAGENKNECHT

"Die Politik der Troika hat in Griechenland zu einer humanitären Katastrophe geführt: Sie hat eine Million Arbeitsplätze vernichtet, ein Drittel der Bevölkerung in die Armut gestürzt, das Gesundheitssystem ruiniert, hunderttausende Betriebe in die Pleite getrieben und die Investitionen um 70 Prozent schrumpfen lassen. Gleichzeitig sind die Schulden noch drückender und die Fähigkeit zur Rückzahlung ist noch geringer geworden. Die Bundesregierung darf einem griechischen Neuanfang nicht länger im Weg stehen. Nur wenn die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine kommt, können auch Kredite bedient werden. Statt auf Kürzungsdiktaten zu bestehen, sollten wir die griechische Regierung im Kampf gegen Korruption, Steuer- und Kapitalflucht unterstützen. Die Millionäre und Milliardäre müssen endlich einen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten – nicht nur in Griechenland. In ganz Europa sollte eine Vermögensabgabe für Millionäre eingeführt werden, die genutzt wird, um den öffentlichen Schuldenstand auf ein tragfähiges Niveau abzusenken."
Eine Vermögensabgabe, um den öffentlichen Schuldenstand auf ein tragfähiges Niveau abzusenken. Der Staat erhält über die Vermögensabgabe Gelder, die er dazu benutzt, Schulden abzubauen. Die er bei wem hat? Bei den Kapitalgebern.
Staatsschulden sind angelegtes Kapital, ein Vermögen. Eine Vermögensabgabe zur Staatsschuldensenkung bedeutete für die Kapitalgeber Pest und Cholera gleichzeitig. Nicht nur, dass sie von ihrem Vermögen abgeben müssen, was noch verkraftbar wäre. Viel schlimmer ist, dass ihnen über die damit finanzierte Staatsschuldensenkung Anlagemöglichkeiten geraubt werden, für die sich in der sogenannten Realwirtschaft schon lange kein Ersatz mehr findet. Und denke auch mal einer an die Rentenkassen. Bei wem kann man denn wirklich ruhigen Gewissens deren Geld wähnen, wenn nicht bei uns allen? Über die Staatsanleihen.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Erschütterung des Vertrauens in das System durch eine Vermögensabgabe. Die psychologischen Auswirkungen, die das auf der Kapitalseite hat, die eine noch viel schlimmere Krise hervorrufen können als die, mit der wir es momentan zu tun haben. Wenn das Kapital die Flucht antritt und statt Staaten andere Illusionen finanziert, die ihm das Vertrauen zurückbringen sollen. Kriege z.B.

Wer kann denn angesichts alldessen ernsthaft für eine Vermögensabgabe sein? Sarah Wagenknecht fordert das auch nur, solange sie nicht in Regierungsverantwortung ist.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Torsten hat geschrieben: Das einzige, was das leisten könnte, wäre ein zweistelliges Wirtschaftswachstum über Jahrzehnte. Aber wo soll das herkommen? Von der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit? Über Lohnsenkungen?
Wettbewerbsfähig kann man neben anderen weiteren Maßnahmen werden, wenn man eine eigene Währung wieder hat, denn dann kann man abwerten gegenüber anderen Währungen. Preise und Löhne im Inland sind davon dann nicht berührt.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Torsten
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Torsten »

Im Grunde ist es so, dass Griechenlands Wirtschaft über gar keine nennenswerte Industrie verfügt, die sich im internationalen Wettbewerb beweisen muss. Der einzige Wettbewerb, in dem sich Griechenland befindet, ist vielleicht der um Touristen.

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Torsten
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Torsten »

Die Vermögensabgabe zur Staatsschuldenreduzierung ist keine gute Idee.
Sie vernichtet Vertrauen und Anlagemöglichkeiten. Was ist die Alternative?

Wie kann man an das Geld der Reichen kommen (*g*) und Staatsausgaben senken? Die Schweiz macht es mit ihrem Rentensystem vor, wo alle ihren Rentenbeitrag zahlen müssen, ohne Beitragsbemessungsgrenze. Das erspart dem Staat eine Menge Sozialausgaben und lässt den Menschen auch nach ihrer Zeit als Einkommensbezieher ihre Würde. Nebenbei wird der Binnenmarkt durch die Erhöhung der Kaufkraft gestärkt.

Auch den Reichen lässt sich das viel besser vermitteln, wenn statt einer so neidisch daherkommenden Vermögensabgabe einfach nur der gesetzliche Rentenbeitrag gezahlt werden muss. In so einen Staat vertraut man auch. Auch wenn seine Schulden niemals geringer werden. (Was in letzter Konsequenz sowieso hieße, dass Vermögen und Wohlstand sinken.)

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