Griechenland nach den Wahlen

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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

@ovi:
Deine phil. Ausführungen kommen zu spät - wie gerade gemeldet wird, hat sich GR bereits saniert und sieht nunmehr einen strahlenden Zukunft entgegen:

http://www.der-postillon.com/211/6/gr ... durch.html

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Wie wir Griechenlands Schuldenschnitt verhandeln werden - ein Beitrag des neuen gr. Finanzministers Varoufakis.

Die Einstellung spricht Bände:
1. Unsere Schulden an die Europäische Zentralbank (EZB) aus den Anleihen, die Herr Trichet in der Periode 2010/2011 ankaufte.
Es war ein missglückter Schritt der EZB, den das griechische Parlament niemals genehmigte und für den ausschließlich die EZB verantwortlich ist.
(...)
2. Bilaterale Kredite unserer Partner (aus dem 1. Memorandum) und Kredite von der EFSF (aus dem 2. Memorandum).
Die Kredite, die wir von unseren Partnern erhalten haben, stellen den größten politischen Dorn dar, da es für 17 Parlamente schwierig ist, offiziell die Beschneidung unserer Schulden an sie zu akzeptieren – so unvermeidlich, logisch, richtig und zwingend dieser Cut auch ist.
(...)
3. Unsere Schulden an den IWF
Die EU hat gegenüber unserem Land sowie auch allen gebeutelten Ländern der Eurozone eine Verpflichtung, die der IWF nicht hat. Griechenland, Irland und andere periphere Länder zahlten den Preis der morschen Struktur der Eurozone und deswegen haben Deutschland und die übrigen Überschuss-Länder die Verpflichtung, Verluste bei den Krediten zu akzeptieren, die sie uns aufzwangen, damit ihre Banken gerettet werden.
ohne Worte.....

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holzi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von holzi »

Da kommt's eben immer deutlicher raus, daß durch die "Rettungs"-Milliarden nicht Griechenland oder Spanien, etc. gerettet, sondern nur die Bankster rausgehauen werden sollten. Die Länder mitsamt deren Kleptokratie waren egal. Wenn der Herr Tsipras die Kleptokraten angehen sollte, dann ist ihm mein Beifall sicher. Ein erster Schritt!

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

holzi hat geschrieben:Da kommt's eben immer deutlicher raus, daß durch die "Rettungs"-Milliarden nicht Griechenland oder Spanien, etc. gerettet, sondern nur die Bankster rausgehauen werden sollten. Die Länder mitsamt deren Kleptokratie waren egal.
Bei Beginn der GR-Krise war GR vollkommen kreditunwürdig. Niemand hätte ihm auf dem freien Markt Geld geliehen, es konnte die fälligen Schulden nicht zurückzahlen. Wäre dies eingetreten, hätte das
- die Pleite GR bedeutet
und
- außerdem wären die Banken in Schwierigkeiten gekommen, da sie sich mit gr. Staatsanleihen vollgesogen hatten. Dort gab bessere Zinsen, also ähnliche Gedanken wie die Stadtkämmerer, die CHF-Kredite aufnahmen. Weiter als bis zum nächsten Quartalsabschluß wurde von der "Elite" meist nicht gedacht.

Natürlich wurde damals diskutiert, ob man mit den sog. "Rettungsmilliarden" nicht besser zur Rettung der eigenen Banken verwenden sollte, anstatt GR den Betrag zur Rückzahlung der Schulden zu überweisen. Ich habe immer gefragt, warum man diese Option nicht gewählt hat und GR - entsprechend den Vorschriften des Maastricht-Vertrages - "fallen" ließ. Offensichtlich hatte man in der Politik aber Angst vor den Bildern einer zusammenbrechenden Gesellschaft in GR und man traute der gr. "politischen Elite" und der dortigen Administration nicht zu, das Chaos in geordnete Bahnen zu lenken.
Im übrigen hätte ich einmal gerne in der Öffentlichkeit und auch hier im Forum die Diskussion erlebt, wenn man sich 211 tatsächlich entschieden hätte, den Banken ihre Schrottpapiere aus GR abzunehmen - sie also m.a.W. zu "retten" - und GR den Geldhahn zuzudrehen. :D
Deutsche und europäische Politiker sind immer auf Ausgleich usw. bedacht. Deswegen hatten sie auch nie den Mut wie die USA mit den Banken umzugehen:
Unmittelbar nach dem Ausbruch der Finanzkrise zitierte der damalige US-Finanzminister Henry Paulson die Chefs der mächtigsten Finanzkonzerne des Landes in sein Ministerium und teilte ihnen in wenigen Worten mit, dass die Regierung ihren Instituten staatliches Kapital aufzwingen werde.
Die verdutzten Herren der Wall Street – unter ihnen Kaliber wie Lloyd Blankfein, der Chef von Goldman Sachs – mussten ein vorbereitetes Papier unterzeichnen, das die Teilverstaatlichung ihrer Häuser besiegelte. Schlimmer erging es den Banken, die als nicht wichtig für die Kreditversorgung der Wirtschaft eingestuft wurden: Seit 28 haben die Amerikaner knapp 5 marode Banken abgewickelt – geräuschlos und ohne dass es die Steuerzahler Geld gekostet hätte.
http://www.zeit.de/213/24/ezb-banken-krise-radikalkur

Die Politik hat sich dann für ein "Rettungspaket" für GR entschieden. Die Folgen waren beträchtlich:
1. die Banken mußten für ihre noch vorhandenen GR-Anleihen bei einem Schuldenschnitt im April 212 Abschreibungen von 6% - 7% in Kauf nehmen;
2. die Situation GR hat sich nicht verbessert, die Schuldenquote ist inzwischen wieder höher als vor dem Schuldenschnitt. Auch die nominale Schuldenhöhe liegt über dem Stand nach Schuldenschnitt 212. Diesmal sind jedoch öffentliche Institutionen zu ca. 8% der Gläubiger des Landes. Jeder Schuldenschnitt würde damit auf die Steuerzahler durchschlagen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 91476.html
3. Die Euro-Gruppe machte sich zur Geisel der Griechen (und künftig der anderen Schuldner, die nicht bereit sein könnten, die Kredite zurückzuzahlen). Man hat sich selbst in die Lage gebracht, immer wieder Geld nachschießen zu müssen, weil der Euro als "alternativlos" angesehen wird.
4. Die Kosten für eine Bereinigung der Eurozone um wenig leistungsfähige Mitglieder werden immer größer - inzwischen findet eine Umverteilung der Schulden von Süd nach Nord statt.
holzi hat geschrieben: Wenn der Herr Tsipras die Kleptokraten angehen sollte, dann ist ihm mein Beifall sicher. Ein erster Schritt!
Dem wird wohl niemand widersprechen, nur anderseits: Überleg doch einmal, um welches Land es geht!
Selbst wenn Tsipras eine funktionsfähige, korruptionsfreie Verwaltung in kurzer Zeit aufbauen könnte - was wohl unmöglich ist - reicht es ja nicht, die Steuern festzusetzen und die Vermögen zu beschlagnahmen. Man muß auch die dann fälligen Prozesse vor den Gerichten gewinnen.
Wenn ich mir die Berichte im Internet über die Korruption bei der gr. Justiz anschaue, habe ich da nicht besonders große Hoffnungen. Richter sind im übrigen nicht so einfach zu entlassen wie Beamte - man muß ihnen schon ein Verschulden nachweisen.

Man kann es drehen wie man will: Entweder man alimentiert das Land auf unabsehbare Zeit oder man entläßt es aus der Zwangsjacke Euro und EU und es kann selbst seinen Weg finden.
Leider deuten die Anzeichen darauf hin, daß man wieder 2 Mrden in die Hand nimmt, um die politische Klasse zu bestechen, damit man die Illusion des Euro's aufrechterhalten kann.
Die Bundesregierung ist nach Informationen des SPIEGEL bereit, Griechenland auch unter der neuen Regierung von Alexis Tsipras ein weiteres Hilfsprogramm aus dem europäischen Rettungsschirm zu gewähren. Das neue Rettungspaket benötige ein Volumen von bis zu 2 Milliarden Euro, heißt es in Regierungskreisen, weil die Steuereinnahmen in Griechenland einbrechen und Privatisierungen ausbleiben.
Vor einigen Wochen gingen Experten noch von einem Finanzierungsbedarf von rund zehn Milliarden Euro aus. Voraussetzung für die neue Geldspritze sei jedoch, dass Tsipras Reformauflagen akzeptiere und sich der Aufsicht der in Griechenland verhassten Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) unterwerfe.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/griech ... 15922.html

2 Mrden oder ca. 2. €/Grieche - also noch ein wenig mehr, was man dort im Vorgriff auf die Steuersenkungen der Syriza nicht an Steuern gezahlt hat.

Der Satz: "Deutschland wird zahlen" scheint sich immer mehr zu bewahrheiten......

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben: Deutsche und europäische Politiker sind immer auf Ausgleich usw. bedacht. Deswegen hatten sie auch nie den Mut wie die USA mit den Banken umzugehen.
Vor allem die deutschen Politiker. Meine Meinung ist die, daß wir hierzulande einen Schuldkult wegen unserer Vergangenheit haben, was sich vielfach zeigt und der uns nicht frei macht, so zu entscheiden wie es für unser Land am besten ist und auch verfassunngs- und gesetzesmäßig (Masstricht-Verträge) richtig wäre. Lt. Merkel ist ja alles alternativlos. Der kleine Mann wird wegen Bagatellverstößen gnadenlos verfolgt und die Großen brechen die Gesetze wie es ihnen passt. So oder ähnlich hat es vor einiger Zeit auch der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach gesagt.

Zudem schadet es GR, wenn es im Euro bleibt, weil es da nicht wettbewerbsfähig sein kann. Ausserhalb des Euro hätte man längst abwerten und damit preisgünstiger werden können. Wenn ich lese, daß GR Tomaten und Gurken und was weiß ich noch an Nahrungsmitteln im Ausland (bei Tomaten und Gurken in Holland) kauft, dann denke ich, das muss doch verrückt sein. Ein Land, in dem es viel wärmer ist als in Holland, kann diese Nahrungsmittel nicht mindestens zum gleichen Preis, wenn nicht gar billiger liefern. Da stimmt doch hinten und vorne nichts.

http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/p ... -215.html

"Griechenland hat 212 zwei große Schuldenschnitte gehabt - einen privaten im Volumen von 17 Milliarden Euro und einen staatlichen im Volumen von 43 Milliarden Euro. Das war die bislang größte Staatspleite in der Geschichte. Dennoch ist Griechenland nicht in der Lage, seinen Lebensstandard allein zu finanzieren. Die Wirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig, weil die Löhne zu hoch sind. Griechenland hat sich daran gewöhnt, auf Pump zu leben. Deswegen haben sich die Staatsschulden innerhalb von nur drei Jahren wiederum auf ein Niveau angehäuft, dass sie zum Teil erlassen werden müssen. Und so wird das Spiel wohl immer weitergehen.

Das heißt: Auch mit einem Schuldenschnitt ist das Problem nicht gelöst?

Nein. Wir werden in wenigen Jahren wieder an dem Punkt sein. Es sei denn, Griechenland verlässt die Eurozone, denn nur durch einen Austritt und eine Abwertung seiner Währung kann das Land wieder wettbewerbsfähig werden und sich selbst versorgen."
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Ich weiß auch nicht, was ein Schuldenschnitt soll. Er wäre im übrigen ein Schlag in das Gesicht der übrigen europäischen Bürger und Steuerzahler:
Weil die Hilfskredite nun äußerst günstig sind, kann Griechenland seine Schulden trotz der nominal riesigen Höhe recht gut schultern. Griechenland zahlt nur 4,4 Prozent vom BIP für den Schuldendienst. Dies ist weniger als etwa Portugal. Im Durchschnitt zahlen die Griechen auf ihre Staatsschulden nur 2,4 Prozent Zinsen, weniger als der Durchschnittszins der deutschen Bundesanleihen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 91476.html

oder ähnlich:
Doch obwohl Griechenland gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung fraglos eine erdrückend hoch wirkende Schuldenquote hat, gibt es auch eine andere Rechnung: Aufgrund der für das Land äußerst günstigen Kreditbedingungen (die Gläubiger gewährten bereits Laufzeitverlängerungen von bis zu einem halben Jahrhundert sowie niedrigere Zinssätze) muss Athen trotz der absoluten Höhe der Verbindlichkeiten viel weniger für den Schuldendienst aufwenden als viel niedriger verschuldete Mitgliedstaaten der Eurozone. Vor 22 muss Griechenland an seine europäischen Gläubiger ohnehin nichts zurückzahlen, jegliche Tilgung ist bis dahin ausgesetzt – und danach beginnt die Rückzahlung zu äußerst günstigen Zinssätzen.
„Im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt hat Griechenland eine der niedrigsten Schuldendienstraten der gesamten EU“, sagte ein Diplomat in Athen. Die Griechenland bisher gewährten Erleichterungen kommen bereits einem Schuldenschnitt von 4 Prozent gleich. Schon 213 kam Griechenland aufgrund der günstigen Kredite auf eine Zinsersparnis von 8,5 Milliarden Euro – fast fünf Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, hat vorgerechnet, dass die Vergünstigungen die Schuldenlast des Landes bereits auf ein durchaus tragbares Maß gesenkt hätten. Außerdem vergibt der ESM Kredite praktisch zum Selbstkostenpreis. Eine weitere Senkung, wie von Tsipras und Varoufakis gefordert, müsste von den Steuerzahlern der anderen Staaten der Eurozone finanziert werden – von einem Schuldenschnitt ganz zu schweigen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 73-p2.html

Die Griechen haben Vorzugskonditionen bei Schulden und müssen bis 22 überhaupt keine Rückzahlungen leisten. Die Portugiesen und andere europ. Länder haben einen höheren Schuldendienst als die Griechen. Die gr. Zinsen wurden so heruntersubventioniert, daß sogar Deutschland mit AAA-Rating mehr zahlen muß als Griechenland mit seinem Ramschstatus.
Trotzdem stellt sich die Regierung dort hin und fordert weitere Erleichterungen, weigert sich rechtsgültige Vereinbarungen einzuhalten und liebäugelt - zur Drohung gegen die übrige EU - mit Russland. Was wollen sie eigentlich noch? Bedingungslosen Zugriff auf den deutschen Bundeshaushalt?

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Bei dermaßen hohen Laufzeiten der Schulden werden diese ja zum Teil bereits durch die Inflation getilgt und die kommt sicher. So macht man das immer, wenn man das Volk täuschen will. Am Ende zahlt der Gläubiger drauf, aber das sind ja die deutschen und auch die Steuerzahler der anderen Gläubigerländer. Bis es dann mit der Rückzahlung soweit ist, leben die Politiker, die jetzt am Ruder sind, alle nicht mehr.
Wenn es zu keinem Schuldenschnitt kommen sollte, werden eben die Laufzeiten nochmals verlängert. Man kann sich aber nicht sicher darüber sein, ob die jetzigen Beteuerungen der Politiker keinen Schuldenschnitt zuzulassen, auch eingehalten werden. Wenn der Tag lang ist, sagen diese viel. Sie wissen aber sehr wohl, daß bei der Bevölkerung der Teilnachlaß von Schulden nicht gut ankommt. Bei Deutschland und auch Frankreich wären das nämlich erkleckliche Milliardenbeträge. Was ist aber, wenn GR einfach nicht mehr zahlt und bankrott geht? Das wäre ja nicht das erste Mal, daß das vorkommt. Argentinien ist ein Beispiel neben anderen.
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lutherbeck
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von lutherbeck »

Griechenland wird auch in den nächsten Jahrzehnten nicht von den Früchten eigener Arbeit leben können;
entweder Europa entscheidet sich dafür die Griechen endlos zu alimentieren - oder es macht irgendwann Schluß mit lustig...
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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holzi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von holzi »

lutherbeck hat geschrieben:Griechenland wird auch in den nächsten Jahrzehnten nicht von den Früchten eigener Arbeit leben können;
entweder Europa entscheidet sich dafür die Griechen endlos zu alimentieren - oder es macht irgendwann Schluß mit lustig...
Griechenland wird dann von seiner Arbeit leben können, wenn die blutsaugende Kleptokratenklasse aus dem Land gejagt ist. Das wäre allerdings auch in anderen EU-Ländern gut für die Volkswirtschaft!

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Yeti
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Yeti »

Aus dem Spiegel-Interview (6/2015) mit Martin Schulz:
"Als ich vor drei Jahren das erste Mal mit ihm [Tsipras] sprach, hatte er wenige Vorstellungen davon, wie die EU funktioniert. Er sagte mir: 'Wenn die Griechen uns wählen, dann ist das deren souveräne Entscheidung, die müsst ihr EU-Partner akzeptieren.' Daraufhin fragte ich: 'Und wenn die Deutschen eine Regierung wählen, die jede Unterstützung für Griechenland verweigert, dann ist das deren souveräne Entscheidung, oder?' Darauf sagte er: 'Nein, denn ihr müsst solidarisch sein, ihr habt euch dazu verpflichtet'


Und zu den Gründen, weshalb es in Griechenland so schlecht läuft: Das hängt wahrscheinlich mehr mit Vetternwirtschaft, Bürokratie, Korruption und Steuerflucht (bei allen, nicht nur den Reichen) zusammen, nicht (nur) an irgendeiner "Kleptokratenklasse", ganz nebenbei liegt's auch an bisher nicht durchgeführten Strukturreformen. Den Griechen fehlt schlichtweg ein Staatsverständnis. Dass man für deren Unfähigkeit so was wie Sympathie empfindet, weil die jetzt mit den Russen anbandeln wollen (der pan-slawische oder pan-orthodoxe Wahn spielt da sicher auch eine Rolle), ist seltsam. Egal, die übrigen Südländer werden die ersten sein, die sich gegen weitere Zugeständnisse gegenüber Griechenland aussprechen werden.
#gottmensch statt #gutmensch

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Man muss sich auch mal fragen, wie es in GR vor dem Euro war. Da gab es doch eine ähnliche Krise auch nicht. GR musste damals sehr hohe Zinsen zahlen, weil eben die Risiken für die Geldgeber deutlich höher waren als beispielsweise für Deutschland. Im Euro sind die Zinsen deutlich gesunken und das Land konnte sich deswegen viel stärker verschulden und mehr auf Pump leben.
GR hätte nie in der Euro aufgenommen werden dürfen, solange die wirtschaftlichen Daten und auch die ganze Verwaltung bis hin zur Steuergesetzgebung und Steuerverwaltung, wozu auch die Eintreibung von Steuern gehört, eher einem Entwicklungsland gleicht. Das haben US-Ökonomen schon in der 90 er Jahren gewusst und trotzdem haben es die meisten deutschen Politiker nicht wahrhaben wollen.
Eine Gemeinschaft wie die EU und ebenso die Währungsgemeinschaft des Euro kann auch nicht von Lügen leben, die GR mithilfe der amerikanischen Bank vollzogen hat vor dem Eintritt in den Euro, sondern da hat in erster Linie die Ökonomie das Sagen. Jede vernünftige Hausfrau weiß schon, daß sie auf Dauer nicht mehr ausgeben kann, als sie zur Geld zur Verfügung hat.
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die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben:Was ist aber, wenn GR einfach nicht mehr zahlt und bankrott geht?
Wie ich verlinkt habe, kann dieser Fall bis 22 nicht eintreten, weil bis dahin überhaupt keine Rückzahlungen fällig werden. Insofern stellt sich die Frage, was ein Schuldenschnitt jetzt bringen soll.
Würden die Zinsen nicht gezahlt bzw. würde Griechenland seinen Reformverpflichtungen nicht nachkommen, könnte dies zu einem faktischen Ausschluß aus dem Euroverbund führen:
Die Versorgung des Banken- und Geldsystems einer Volkswirtschaft hängt letztlich von dem Zugang der Banken zu Refinanzierungskrediten und damit zu Zentralbankgeld ab. Für Refinanzierungskredite müssen Geschäftsbanken jedoch Sicherheiten bei der EZB hinterlegen. Dazu dienen im Normalfall Staatsanleihen und andere Wertpapiere hoher Bonität. Ein Staat in einem Hilfsprogramm des Rettungsschirms hat aber in aller Regel eine zu schlechte Bonität, um für die Refinanzierung Staatsanleihen unter normalen Bedingungen zu nutzen. Auch andere heimische Wertpapiere dürften kaum verfügbar sein, da das Rating anderer nationaler Institutionen in der Regel noch schlechter als das Rating des Staates selbst ist.
Im Gefolge der Euro-Schuldenkrise hat die EZB auf dieses Problem reagiert, indem sie die Bonitätsanforderungen an die zu hinterlegenden Kreditsicherheiten bei der Refinanzierung für die Krisenstaaten deutlich reduziert hat. Dies tat sie allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die betreffenden Staaten die Auflagen des Reformprogramms erfüllen und somit eine klare Perspektive besteht, dass sie ihre Bonität und Finanzmarktfähigkeit wieder zurückerlangen. Bei der einseitigen Aufkündigung der Reformbedingungen durch einen EWU-Staat würde dieser Ausnahmeregelung die Grundlage entzogen. Dies hat die EZB auch öffentlich bekundet (finanzen. net, 215).
(...)
Hinzu kommt, dass das Bankensystem in einer Krisenphase, wenn über einen möglichen EWU-Austritt spekuliert wird, bereits unter Kapitalflucht und Abzug von Guthaben unter Druck geraten dürfte, so dass die Abhängigkeit von Zentralbankliquidität steigt. Damit kommt dem Entzug der Ausnahmeregelung für die Sicherheiten durch die EZB bei einer Reformverweigerung eine noch größere Relevanz als üblich zu. Einzelnen oder mehreren Banken könnten Liquiditätskrisen drohen, was letztlich durch die gegenseitige Verflechtung der Banken das gesamte Bankensystem in Mitleidenschaft ziehen und damit die Geldversorgung der Volkswirtschaft gefährden könnte.
Es gibt für die heimischen Geschäftsbanken allerdings im Krisenfall eine Sonderform der Refinanzierung mit Zentralbankgeld, die so genannte Emergency Liquidity Assistance (ELA). Sie erfolgt zu noch weiter erleichterten Sicherheitsanforderungen durch die nationale Zentralbank und nur auf deren Risiko (und nicht das Risiko des Eurosystems). Allerdings darf die nationale Zentralbank darüber nicht allein entscheiden, sondern ist darauf angewiesen, dass der EZB-Rat ihren Antrag nicht mit einer Zweidrittel-Mehrheit ablehnt. Wenn ein Krisenland substantiell gegen die Reformvereinbarung verstößt, ist der EZB-Rat nach Ansicht der Autoren gefordert, die ELA nicht zu genehmigen.
Damit könnte die Versorgung des betreffenden Staates mit Zentralbankliquidität – und damit das nationale Geldsystem – so stark beeinträchtig werden, dass der Staat zur Aufrechterhaltung seines Wirtschaftslebens letztlich gezwungen ist, aus der EWU auszutreten und eine eigene Währung einzuführen.
http://www.iwkoeln.de/de/studien/iw-pol ... hen-2798 - Gutachten des IW

Das verlinkte Gutachten untersucht neben dem faktischen Ausschluß eines Landes (s.o.) die rechtlichen Möglichkeiten eines Austritts bzw. Ausschlusses aus der Eurozone. Man kommt dabei zu dem Ergebnis, daß dies zwar tlw. mit rechtl. Unwägbarkeiten verbunden sein könnte, jedoch nicht unmöglich ist. Insofern sind die politischen Äußerungen "geht nicht, da keine rechtliche Grundlage" zumindest voreilig.
Yeti hat geschrieben: Und zu den Gründen, weshalb es in Griechenland so schlecht läuft: Das hängt wahrscheinlich mehr mit Vetternwirtschaft, Bürokratie, Korruption und Steuerflucht (bei allen, nicht nur den Reichen) zusammen, nicht (nur) an irgendeiner "Kleptokratenklasse", ganz nebenbei liegt's auch an bisher nicht durchgeführten Strukturreformen. Den Griechen fehlt schlichtweg ein Staatsverständnis. Dass man für deren Unfähigkeit so was wie Sympathie empfindet, weil die jetzt mit den Russen anbandeln wollen (der pan-slawische oder pan-orthodoxe Wahn spielt da sicher auch eine Rolle), ist seltsam. Egal, die übrigen Südländer werden die ersten sein, die sich gegen weitere Zugeständnisse gegenüber Griechenland aussprechen werden.
Mich kotzt inzwischen auch diese verständnisvolle Haltung an, die die heutigen Mißstände mit angeblichen Entwicklungen in der Vergangenheit (Türkenbesatzung, deswegen keine Verständnis für Steuerzahlungen) oder in der gesellschaftlichen Struktur ("Kleptokraten") begründen will.
Warum wurde denn die Verfassung noch nicht geändert, damit man auch die reichen Reeder steuerpflichtig machen kann? Warum wurden die Angebote aus D. nicht angenommen, griechischsprechende Experten zur Unterstützung der dortigen Finanzverwaltung zu entsenden? Gibt es inzwischen überhaupt ein Kataster?

Das Kernproblem bleiben natürlich die versprochenen, tlw. bereits verabschiedeten und nie durchgeführten Strukturreformen. Dabei muß man klar sehen, daß von GR tlw. nur "Zustände" verlangt werden, die anderswo in der EU allgemein üblich sind. Ich kann mich noch an die Zeitungsberichte vor einem oder zwei Jahren erinnern, wo tränenfördernd über das gr. Transportgewerbe berichtet wurde. Früher (vielleicht jetzt auch noch) benötigte man eine Lizenz zur Durchführung des Güterfernverkehrs. Die Lizenzanzahl war kontingentiert, die einzelne Lizenz war somit teuer, wurde vererbt und bewirkte natürlich erhöhte Transportpreise. Die Troika verdonnerte GR, diese Lizenzkontingentierung abzuschaffen (warum die Kommission bisher noch nie ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, weiß ich nicht). Prompt waren in der dt. Presse Berichte über die armen Familien zu lesen, die nun ihre Lizenz verlieren sollten usw. usf..
Nie erwähnt wurde aber, daß es in D. noch in den 8'iger Jahren ebenfalls eine Kontingentierung von "Güterfernverkehrslizenzen" gab, die dann auf EG-Druck abgeschafft werden mußte. So kostete die "rote" Lizenz ca. 25. DM. Über die einschneidenden Verluste bei den deutschen Unternehmen - häufig auch Familienbetriebe - wurde nie so verständnisvoll berichtet - da wurden die Vorteile des freien Warenverkehrs und die damit eintretende Verbilligung gelobt.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Sehenswertes Interview von der BBC mit dem neuen gr. Finanzminister:

https://www.youtube.com/watch?v=BiIO4Yc ... 2@youtube

und natürlich werden schon wieder die ersten Loblieder gesungen - "alles wird gut":
Am Abend gab Varoufakis dann dem britischen Fernsehsender BBC ein interessantes Interview, in dem er sich selbst und die Pläne seiner Regierung erklärt und zugleich versucht, die Wogen zu glätten. Darin antwortet er auf die Frage, ob Griechenland tatsächlich keine weiteren Hilfsgelder annehmen werde, so: „Stellen Sie sich einmal vor, eine Freundin kommt zu Ihnen und sagt, sie hat Schwierigkeiten, ihre Hypothek abzuzahlen, weil sie ihre Arbeit verloren hat oder aus einem anderen Grund über ein geringeres Einkommen verfügt. Und dann präsentiert sie Ihnen eine Idee: Sie hätte da die Möglichkeit, eine Kreditkarte zu bekommen und könnte damit in den nächsten Monaten die Raten zahlen. Würden Sie ihr empfehlen, das so zu machen?“ Und er fügt an: „(...) ist das der richtige Umgang für etwas, dass in erster Linie ein Insolvenz-Problem ist. Das ist in Griechenland nun seit fünf Jahren das Problem.“ In Deutschland dürfte Varoufakis damit gerade unter bekannten Ökonomen auf nennenswerte Zustimmung stoßen – Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn redet ganz ähnlich, AfD-Chef Bernd Lucke auch.
Varoufakis will, dass damit nun Schluss ist. Und er will, wie er in dem Interview anschließend sagt, auch nicht die Zusammenarbeit mit den internationalen Geldgebern beenden und spricht von den anderen Euroländern auch ausdrücklich als „Partner“. Er klingt wie einer, der besänftigen will – so redet niemand, der alle Brücken hinter sich abzubrechen plant. Er sagt auch: „Das hier ist kein Spiel, in dem es darum geht, wer zuerst zuckt.“
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 186.html

Was in dem obigen Artikel verschwiegen wird: Sowohl Prof. Sinn als auch Prof. Lucke sehen für GR keinen Platz im Euroverbund. Sie plädieren für eine Insolvenz des Landes, einen Austritt aus dem Euro und einen Schuldenerlaß. Natürlich muß es dann einen Schuldenerlaß geben, denn bei einer Abwertung der Landeswährung (Drachme) zum Euro um z.B. 4% würde sich die Schuld des Landes entsprechend erhöhen.

Vielleicht setzt ja auch wirklich ein Umdenken bei Tsipras und seinen Ministern ein. Schulz scheint es Tsipras geraten zu haben:

http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... hnung.html

Varoufakis scheint wohl inzwischen kapiert zu haben, daß er mit seinen brüsken Tönen keinen Eindruck macht und seine Gläubiger sich noch reservierter verhalten werden.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:Was ist aber, wenn GR einfach nicht mehr zahlt und bankrott geht?

Wie ich verlinkt habe, kann dieser Fall bis 2020 nicht eintreten, weil bis dahin überhaupt keine Rückzahlungen fällig werden. Insofern stellt sich die Frage, was ein Schuldenschnitt jetzt bringen soll.
Würden die Zinsen nicht gezahlt bzw. würde Griechenland seinen Reformverpflichtungen nicht nachkommen, könnte dies zu einem faktischen Ausschluß aus dem Euroverbund führen.
Ich habe aus Zeitgründen nicht alles gelesen, was du verlinkt hast.
Ich habe nur gelesen, daß GR bis Ende Februar 2015 das Geld ausgeht, wenn wer auch immer nicht ca. 7 Milliarden wieder zuschiesst. Demnach soll GR, wenn das nicht geschieht, demnächst schon zahlungsunfähig sein.
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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:Was ist aber, wenn GR einfach nicht mehr zahlt und bankrott geht?

Wie ich verlinkt habe, kann dieser Fall bis 2020 nicht eintreten, weil bis dahin überhaupt keine Rückzahlungen fällig werden. Insofern stellt sich die Frage, was ein Schuldenschnitt jetzt bringen soll.
Würden die Zinsen nicht gezahlt bzw. würde Griechenland seinen Reformverpflichtungen nicht nachkommen, könnte dies zu einem faktischen Ausschluß aus dem Euroverbund führen.
Ich habe aus Zeitgründen nicht alles gelesen, was du verlinkt hast.
Ich habe nur gelesen, daß GR bis Ende Februar 2015 das Geld ausgeht, wenn wer auch immer nicht ca. 7 Milliarden wieder zuschiesst. Demnach soll GR, falls das nicht geschieht, demnächst schon zahlungsunfähig sein.
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben: Ich habe aus Zeitgründen nicht alles gelesen, was du verlinkt hast.
Ich habe nur gelesen, daß GR bis Ende Februar 215 das Geld ausgeht, wenn wer auch immer nicht ca. 7 Milliarden wieder zuschiesst. Demnach soll GR, wenn das nicht geschieht, demnächst schon zahlungsunfähig sein.
Da hast Du wohl Recht - man darf Schäuble eben nichts glauben, der sagt die Unwahrheit, sobald er den Mund öffnet. (das war mein Fehler - mea culpa).

Man kann hier die fälligen griechischen Staatsanleihen abrufen:

http://www.finanzen.net/anleihen/griechenland-anleihen

Danach werden fällig:
am 6. 2. 215 - 812 Mio € - WKN A1ZM9M
am 13. 2. 215 - 1,1 Mrden € - WKN A1ZSJK
am 6. 3. 215 - 1,1 Mriden € - WKN A1ZPBD

In dieser Größenordnung geht das ansteigend weiter bis Juli 215 - wo 2 Mrden fällig werden.
Ich meine mich erinnern zu können, daß GR im letzten Jahr Kurzläufer auf dem Markt unterbringen konnte. Es könnte sich um diese abgezinsten Anleihen handeln, die alle in 214 aufgelegt wurden.

Die Differenz zu den 7 Mrden (mal ist auch von 1 oder 2 Mrden die Rede) wird wohl zum Haushaltsausgleich - sprich Rentenzahlungen usw. - verwandt werden.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Die neueste Entwicklung - Juncker will "helfen" und Berlin wartet ab:
Die EU-Kommission unter ihrem Präsidenten Jean-Claude Juncker ist fest entschlossen, Griechenland in der Eurozone und in der Europäischen Union zu halten. Mit Juncker werde es keinen „Grexit“ geben, heißt es aus seiner Umgebung. Man sei zwar „beunruhigt“ über die Provokationen aus Athen. Doch verdecke die „grauenhafte“ Rhetorik, dass der neue Ministerpräsident Alexis Tsipras sehr wohl zu konstruktiven Verhandlungen über einen neuen Hilfspakt mit Strukturreformen bereit sei. Sie sollen am kommenden Mittwoch beginnen, wenn Juncker den neuen Ministerpräsidenten in Brüssel empfängt. Die Kommission hat sogar schon einen Notfallplan entwickelt, um Griechenland bis zum Sommer mit Geld zu versorgen.
Was hat die Kommission damit zu tun?
Das ist Sache der Eurozone und damit weder der Kommission noch der [Punkt] Es waren schließlich nicht alle Länder so blöd, dem Euro beizutreten und zusätzliche "Solidaritätslasten" zu schultern.
Juncker soll sich um die Steuerprobleme in Luxemburg kümmern - er muß sich nicht dafür einsetzen, daß die deutsche Altersvorsorge nach Süden transferiert wird.
Spätestens im Juli müsste aber Schluss sein mit Durchwursteln. Denn dann werden zwei große griechische Staatsanleihen fällig, mit einem Volumen von zusammen 3,5 Milliarden Euro.
Aus diesem Grund erwägt die EU-Kommission einen anderen Ausweg, um Zeit für Verhandlungen mit Griechenland über einen neuen Hilfspakt zu gewinnen. Dazu könnte ein Fonds umgewidmet werden, der für die Stabilisierung der griechischen Banken aufgelegt wurde. Im sogenannten Hellenic Financial Stability Fonds stehen noch 7 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit könnte Athen bis zum Sommer durchhalten. Allerdings müssten die Mitgliedstaaten zustimmen und in vier Fällen auch die Parlamente: Deutschland, Estland, Finnland und die Niederlande – allesamt Länder, die Wert legen auf solide Finanzpolitik.
(...)
Die Bundesregierung hält sich weiter mit Ratschlägen zurück. Hervorgehoben wird, dass Griechenland, was immer es tue, Deutschland keine größeren Sorgen mehr verursachen könne. Am Ende benötige Griechenland Deutschland mehr als umgekehrt. Mit einer leichten Verwunderung wird registriert, dass europäische Politiker wie Schulz „Hals über Kopf“ nach Athen geflogen seien. Üblicherweise fahre ein neuer Regierungschef zum Antrittsbesuch nach Brüssel. Griechenland müsse sich an seine Verpflichtungen halten, heißt es. Verwundert zeigt man sich darüber, dass die neue griechische Regierung durch ihre Avancen gegenüber Moskau sogleich den Rest Europas gegen sich aufgebracht habe. Das sei unklug gewesen.
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... ageIndex_2

Die Tatsache, das Tsipras zwar Zypern und Rom besucht, aber um den Hauptgeldgeber Berlin einen großen Bogen macht, wird man auch registriert haben.

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ar26
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von ar26 »

Mal 'ne Frage zur Finanzierung des griechischen Staates an die Runde. Ich habe irgendwo gelesen, Griechenland hätte derzeit durchaus ausreichend Einnahmen aus eigenen Steuern, um die erforderlichen Ausgaben ohne Berücksichtigung von Zins- und Kapitaldienst zu tätigen. Stimmt das? Könnte Griechenland einfach die Gläubiger abschmieren lassen und seine originären Staatsausgaben aus den Steuereinnahmen finanzieren.
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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

ar26 hat geschrieben:Mal 'ne Frage zur Finanzierung des griechischen Staates an die Runde. Ich habe irgendwo gelesen, Griechenland hätte derzeit durchaus ausreichend Einnahmen aus eigenen Steuern, um die erforderlichen Ausgaben ohne Berücksichtigung von Zins- und Kapitaldienst zu tätigen. Stimmt das? Könnte Griechenland einfach die Gläubiger abschmieren lassen und seine originären Staatsausgaben aus den Steuereinnahmen finanzieren.
Ich habe gelesen, daß die Rechnung, die da vorgemacht wird, ohne Berücksichtigung mancher wichtiger Zahlen gemacht wurde.
Zudem: Da der neue Regierungschef wieder tausende Beamte einstellen will - für was auch immer, wahrscheinlich nicht mal um die Steuern besser eintreiben zu können - wird diese Rechnung eh nicht aufgehen.
Übrigens: Wer kann schon so rechnen, daß er mit dem sog. Primärüberschuß rechnet? Das geht doch gar nicht, sonst wären manche Länder aus dem Schneider samt vieler privater Schuldner. Das sind doch Märchenrechnungen, die dem Bürger absichtlich so vorgesetzt werden, um ihn über die wahre Lage hinweg zu täuschen. Die Aufgabe der Politiker scheint nur noch zu sein: Lügen, Betrügen, Täuschen. Wir müssten diese ganze Lügenbande mit einem Generalstreik davon jagen.

Von der Kirchenfürsten kommt leider auch keine scharfe Ermahnung an die Politiker, endlich mal ehrliche Politik zu machen, die sind wohl mit dieser ganze Bande verbandelt. Auch vom Papst hört man nichts darüber. Die Merkel soll doch demnächst zu ihm fahren.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

ar26 hat geschrieben:Mal 'ne Frage zur Finanzierung des griechischen Staates an die Runde. Ich habe irgendwo gelesen, Griechenland hätte derzeit durchaus ausreichend Einnahmen aus eigenen Steuern, um die erforderlichen Ausgaben ohne Berücksichtigung von Zins- und Kapitaldienst zu tätigen. Stimmt das? Könnte Griechenland einfach die Gläubiger abschmieren lassen und seine originären Staatsausgaben aus den Steuereinnahmen finanzieren.
Es soll - angeblich - so sein, behaupten jedenfalls Eurostat und Finanzminister Schäuble. Ob die Zahlen stimmen, ist jedoch umstritten sein.
Die Lücke bei den Einnahmen hat zum einen die Haushaltsergebnisse für 214 verschlechtert. In ersten Angaben heißt es, der Primärüberschuss Griechenlands ohne Zinsaufwendungen liege bei 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anstelle des zuletzt angestrebten Wertes von 1,8 Prozent. Der Freiburger Finanzwissenschaftler Lars Feld weist jedoch darauf hin, dass die Griechen in ihren „Primärüberschuss“ auch Gewinne der Europäischen Zentralbank aus aufgekauften griechischen Staatsanleihen, die nach Athen überwiesen wurden, einrechneten. „Rechnet man diese Beträge heraus, bleibt 214 ein Primärdefizit“, sagte der deutsche Wirtschaftsweise Feld. Ursprünglich hatten die Haushaltspläne für 214 eine Übererfüllung der Sanierungsversprechen und einen Primärüberschuss von 2,9 Prozent einkalkuliert. Die Zielgröße für Griechenlands Regierung für 214 war ein Primärüberschuss von 1,5 Prozent, allerdings mit einer leicht modifizierten Berechnung. In diesem Programm soll Athen 215 einen modifizierten Primärüberschuss von 3 Prozent erzielen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 9386.html

Zum von Dir so bezeichneten "Abschmieren" - also einem Staatskonkurs - kannst Du im Gutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft nachlesen. Ich habe es hier etwas zitiert und die entsprechenden Auswirkungen im Falle eines Staatskonkurses verlinkt:

viewtopic.php?p=75281#p75281

Im übrigen empfehle ich bei allen Überlegungen davon auszugehen, daß GR seine Schulden sowieso nicht mehr zurückzahlen kann/will. Es ist daher vollkommen egal, ob man sich dies heute eingesteht oder noch einige Jahre wartet (und bis dahin dem schlechten Geld noch gutes hinterherwirft).

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben: Im übrigen empfehle ich bei allen Überlegungen davon auszugehen, daß GR seine Schulden sowieso nicht mehr zurückzahlen kann/will. Es ist daher vollkommen egal, ob man sich dies heute eingesteht oder noch einige Jahre wartet (und bis dahin dem schlechten Geld noch gutes hinterherwirft).
So ist es und das wissen auch alle Politiker, nur wollen sie es nicht eingestehen. Lieber werden die Kredite bis zum St. Nimmerleinstag verlängert. Schulz hat ja auch schon davon gesprochen. Wenn sie dann nach Jahrzehnten irgendwann mal fällig werden, gibt es diese Politiker gar nicht mehr und ihre Nachfolger können dann sagen: Wir haben das ja nicht verbockt.

Der SPD-Steinbrück wollte ja vor längerer Zeit schon nicht mehr daran erinnert werden, daß seine Partei für den Beitritt Griechenlands zur Eurozone mitverantworlich war. Damals gab es nämlich eine SPD-Grünen-Regierung mit dem Finanzminister Eichel, die dem Beitritt zustimmte, obwohl damals schon klar war, daß die Zahlen, die GR vorlegte nicht stimmen konnten.
Zuletzt geändert von Edi am Sonntag 1. Februar 2015, 13:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Die Geduld mit GR scheint nachzulassen:
Die Regierungen Spaniens und Portugals haben sich am Wochenende deutlich von den Forderungen der neuen griechischen Regierung distanziert und insbesondere einen Schuldenschnitt abgelehnt. Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho wandte sich vor dem Parlament in Lissabon sowohl gegen Neuverhandlungen als auch gegen einen Schuldenerlass und sagte: „Das ist keine Perspektive, welche die Länder begeistert, die ihre Probleme lösen konnten.“
(...)
Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos war zuvor sogar noch einen Schritt weitergegangen und hatte gesagt: „Spanien hat Griechenland mit 26 Milliarden Euro geholfen. Das ist eine große Menge. Soviel geben wir im Jahr für die Arbeitslosenunterstützung aus. Außerdem wurden die Konditionen des Hilfsprogramms schon vier Mal nachgebessert.“
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/s ... 2612.html

Natürlich hat man in Spanien Angst vor den Wahlen im Herbst und einem Erfolg von "podemos". Andererseits kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß man bereit ist, die Griechen vor die Tür zu setzen, wenn sie nicht bereit sind, zu kooperieren. Nicht umsonst wurden wohl in Spanien Vergleiche zur Höhe der Aufwendungen bei der Arbeitslosenversicherung gezogen. Ich bin gespannt, wann auch hier die ersten Zahlen und Vergleichsmaßstäbe die Runde machen.
Könnte es sein, daß man inzwischen bereit ist, ein Bauernopfer (= GR) zu bringen, um den Euro zu "retten"? :hmm:

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ar26
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von ar26 »

Wenn es einerseits so ist, daß Griechenland einen Primärüberschuß hat, andererseits eh klar ist, daß die Verbindlichkeiten nicht zurückgeführt werden können, wäre es regelrecht rational, das Land in einen Konkurs rasseln zu lassen. Wenn ich Tsipras wäre, würde ich es möglicherweise tun. Rechtlich zu prüfen wäre zuvor allerdings, was mir seitens der geprellten Gläubiger drohen würde. Anders als Länder wie Argentinien hat sich Griechenland als EU-Mitglied ja gewissen rechtlichen Regimes wie der EUGVVO unterworfen, die eine Vollstreckung von Titeln anderer EU-Staaten ermöglichen. Ob dies auch eine Vollstreckung gegen die öffentliche Hand mit umfasst, weiß ich allerdings nicht.
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lutherbeck
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von lutherbeck »

holzi hat geschrieben:
lutherbeck hat geschrieben:Griechenland wird auch in den nächsten Jahrzehnten nicht von den Früchten eigener Arbeit leben können;
entweder Europa entscheidet sich dafür die Griechen endlos zu alimentieren - oder es macht irgendwann Schluß mit lustig...
Griechenland wird dann von seiner Arbeit leben können, wenn die blutsaugende Kleptokratenklasse aus dem Land gejagt ist. Das wäre allerdings auch in anderen EU-Ländern gut für die Volkswirtschaft!
Ach ja?

Von was denn?

Gesteigerte Olivenölausfuhr und ein paar Hotels mehr werden es kaum reißen...

:gaehn:
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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

lutherbeck hat geschrieben:
holzi hat geschrieben:
lutherbeck hat geschrieben:Griechenland wird auch in den nächsten Jahrzehnten nicht von den Früchten eigener Arbeit leben können;
entweder Europa entscheidet sich dafür die Griechen endlos zu alimentieren - oder es macht irgendwann Schluß mit lustig...
Griechenland wird dann von seiner Arbeit leben können, wenn die blutsaugende Kleptokratenklasse aus dem Land gejagt ist. Das wäre allerdings auch in anderen EU-Ländern gut für die Volkswirtschaft!
Ach ja?

Von was denn?

Gesteigerte Olivenölausfuhr und ein paar Hotels mehr werden es kaum reißen...

:gaehn:
Hier findet sich eine Zusammenfassung der wichtigsten Ursachen der Krise.
http://www.lpb-bw.de/ursachen_krise_griechenland.html
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

ar26 hat geschrieben:Wenn es einerseits so ist, daß Griechenland einen Primärüberschuß hat, andererseits eh klar ist, daß die Verbindlichkeiten nicht zurückgeführt werden können, wäre es regelrecht rational, das Land in einen Konkurs rasseln zu lassen. Wenn ich Tsipras wäre, würde ich es möglicherweise tun. Rechtlich zu prüfen wäre zuvor allerdings, was mir seitens der geprellten Gläubiger drohen würde. Anders als Länder wie Argentinien hat sich Griechenland als EU-Mitglied ja gewissen rechtlichen Regimes wie der EUGVVO unterworfen, die eine Vollstreckung von Titeln anderer EU-Staaten ermöglichen. Ob dies auch eine Vollstreckung gegen die öffentliche Hand mit umfasst, weiß ich allerdings nicht.
Das Problem bei einer gr. Staatsinvolvenz ist nicht die mögliche Vollstreckung der Ansprüche der geprellten Gläubiger. Das ist schon seit dem "freiwilligen" Schuldenschnitt im April 2012 ein Thema, denn es gibt ausreichend private Gläubiger, die dem widersprochen haben und jetzt gegen GR vorgehen. Außerdem liegt inzwischen der größte Teil der gr. Schulden bei den Staaten der Eurozone bzw. dem ESM.

Das Problem ist, das GR dann faktisch gezwungen wäre, den Euroverbund zu verlassen. Wie ich weiter oben verlinkt hatte, wäre das gr. Bankensystem in diesem Fall vom Geldkreislauf ausgeschlossen, weil die Banken der EZB keine werthaltigen Sicherheiten mehr anbieten könnten. Bereits in den letzten Jahren hätte GR kein Geld mehr von der EZB erhalten dürfen, jedoch wurden die Anforderung an die hinterlegenden Wertpapiere immer weiter gesenkt. Staatsanleihen eines Konkurs-Landes sind nun aber auch bei großzügigster Betrachtung keine Sicherheiten. Damit bekämen die gr. Banken kein Geld und GR müßte eine eigene Währung einführen.
Eine Euroisierung des Landes - also die Benutzung des Euro als Zahlungsmittel wie seinerzeit Argentinien den USD - würde keine monetären Vorteile bringen.

Das will Tsipras natürlich um jeden Preis vermeiden - weiter wie früher im Euro, das ist der dortige Traum.

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ar26
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von ar26 »

@ Caviteño
Die Frage, warum Tsipras das verhindern will, ist damit aber noch nicht beantwortet. Wenn GR gezwungen wäre, den EURO-Raum zu verlassen, könnte doch die griechische Zentralbank die heimischen Banken mit neuer griechischer Währung versorgen. Diese würde es den Banken zumindest ermöglichen, weiter Kredite in heimischer Währung zu vergeben. Allerdings wären wahrscheinlich keine Kredite in fremder Valuta, wozu dann auch der EURO gehörte, möglich. Zudem könnten griechische Banken ihre eigenen fälligen Verbindlichkeiten in EURO nicht mehr prolongieren und müssten Konkurs anmelden.

Heißt das also, Tsipras geht nicht aufs Ganze, weil er die eigenen Banken schützen will? Wenn ja, ist der Sozialismus auch nicht mehr, was er einmal war.
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

ar26 hat geschrieben:@ Caviteño
Die Frage, warum Tsipras das verhindern will, ist damit aber noch nicht beantwortet. Wenn GR gezwungen wäre, den EURO-Raum zu verlassen, könnte doch die griechische Zentralbank die heimischen Banken mit neuer griechischer Währung versorgen. Diese würde es den Banken zumindest ermöglichen, weiter Kredite in heimischer Währung zu vergeben. Allerdings wären wahrscheinlich keine Kredite in fremder Valuta, wozu dann auch der EURO gehörte, möglich. Zudem könnten griechische Banken ihre eigenen fälligen Verbindlichkeiten in EURO nicht mehr prolongieren und müssten Konkurs anmelden.

Heißt das also, Tsipras geht nicht aufs Ganze, weil er die eigenen Banken schützen will? Wenn ja, ist der Sozialismus auch nicht mehr, was er einmal war.
Tsipras will um jeden Preis im Euro bleiben - ebenso wie ein großer Teil der gr. Bevölkerung.

Zunächst einige Nachteile für GR bei einer Rückkehr zur Drachme:
- Vermögensverlust für die meisten Griechen und nicht nur für die Banken, denn die Drachme würde gegenüber dem Euro erheblich abwerten;
- Griechenland müßte seine Zahlungsunfähigkeit erklären, weil es seine Schulden in Euro nicht mehr bedienen könnte. Man müßte sich mit den Gläubigern auf einen Schuldenschnitt einigen - schwierige Verhandlungen sind vorprogrammiert;
- auch künftig dürfte GR - bei der Drachme - seinen Haushalt nicht in Ordnung bringen und weiterhin mehr ausgeben als an Steuern einnehmen. Zwar erzielt man jetzt - angeblich - einen Primärüberschuß. Aber bei einem Euro-Austritt verbunden mit einem Staatskonkurs wären viele staatliche Unterstützungsmaßnahmen notwendig. Die Importpreise (Rohöl, Medikamente!, Ersatzteile) würden explodieren; der Staat müßte mit Hilfszahlungen (z.B. bei den Krankenkassen wg. der erheblich teureren Medikamente) eingreifen. Die belasten den Haushalt und man wäre also wiederum auf Darlehn angewiesen. Woher sollen die Darlehn kommen? - Private Darlehnsgeber scheiden nach den Erfahrungen ("freiwilliger" Schuldenschnitt 212 - erneuter Staatskonkurs 21x) aus bzw. würden Zinsen im zweistelligen Bereich verlangen.
Bleiben also nur die "Partner" in der EU - und hier dürfte sich die Bereitschaft (Widerstand in der Bevölkerung) in Grenzen halten. Also auch hier schwierigste Verhandlungen.
Lieferungen aus dem Ausland (z.B. Medikamente) würden häufig nur noch gegen Vorkasse stattfinden - woher sollen die dafür benötigten Devisen kommen, wenn man keinen Rückgriff auf die Euros der EZB hat und stattdessen seine wertlose Drachme zum Tausch anbieten muß? Schon vor zwei Jahren berichtete man in der Schweiz, daß z.B. in Griechenland bestimmte Medikamente nicht mehr erhältlich waren, weil die Pharmaunternehmen wegen Zahlungsproblemen sich geweigert haben, weiterhin zu liefern. Die Situation würde sich bei einem Euro-Austritt erheblich verschärfen und nur mit Hilfen der Euro-"Partner" lösbar sein.
Die finanzielle Situation würde sich also durch einen Staatskonkurs und einen Euro-Austritt nicht schlagartig verbessern, das Gegenteil wäre kurzfristig der Fall.

Nur langfristig wirken die hier bereits mehrfach dargestellten Vorteile einer eigenen Währung (Verbilligung des Exports bzw. des Tourismus, Förderung der örtlichen Produktion durch Verteuerung der Importe - z.B. von Lebensmitteln, die ebenso in GR hergestellt werden könnten).

Tsipras muß also zwischen den kurzfristigen erheblichen Nachteilen und den erst langfristig wirkenden Vorteilen abwägen. Die Banken sind dabei wahrscheinlich noch das geringste Problem, denn hier wird man - ähnlich wie bei den gr. Schulden, die bei ESM oder EZB liegen (einschl. der Target-II-Salden) eine Lösung finden. Das Problem ist die Zeitdifferenz: Die Nachteile sind sofort sichtbar, der Aufschwung tritt erst erheblich später ein - wahrscheinlich erst nach Ende der Legislaturperiode.

Im Gegensatz zu den anderen Problemländern hat die GR die ihm geschenkte Zeit (immerhin vier Jahre) und die gewährten Darlehn (weit über 2 Mrden €) nicht genutzt. Der gleiche Schlendrian, die gleichen Verkrustungen wie vor Beginn der Krise. Nach wie vor hat GR keine wettbewerbsfähige Industrie aufgebaut, die Nutzen aus einer Abwertung ziehen kann. Nur Tourismus ist nicht genug - zumal Tourismus eine sehr volatile Einnahmequelle ist. Zwei, drei schlechte Nachrichten - und es gibt einen Einbruch der Buchungszahlen (abgesehen von der Gefahr, daß die Preise sofort kräftig erhöht werden und damit der Währungsvorteil entfällt).

Es bleibt nur die Möglichkeit der Daueralimentation oder der faktische Ausschluß, der zu einem Verlust der wertlosen Forderungen führt sowie auch für einige Zeit noch Hilfszahlungen notwendig macht. Ganz einfach: Ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken.

Diese Frage sollte auch noch beantwortet werden:
Die zentrale Frage ist: Warum investieren die Griechen selber nicht in Griechenland? Man spricht ja davon, dass alleine in der Schweiz 28 Milliarden Euro geparkt sind. Diese Frage muss Herr Tspiras beantworten. Warum haben die eigenen Landleute kein Interesse daran, in Griechenland zu investieren. Diese Frage ist wichtiger, als die Frage über eine weitere Lockerung des Schuldendienstes.
http://www.srf.ch/news/international/wa ... n-ihr-land

:ja: :ja: :ja:

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Wenn man die geschätzten Zahlen nimmt, was die Steuerhinterziehung oder -nichteintreibung angeht, dazu noch die möglichen Steuern der gr. Reeder, dann müssten, selbst wenn GR (zunächst) im Euro bleibt doch erkleckliche Milliardensummen herauskommen, sodaß die Bilanz deutlich besser aussähe. Ich meine Deutschland hätte den Griechen schon angeboten, mitzuhelfen eine ordentliche Steuerverwaltung aufzubauen. Offenbar ist das Angebot bisher aber nicht angenommen worden.
Zudem wird berichtet, daß GR große Öl- und Gasvorkommen habe, deren Förderung Milliardeneinnahmen bringen könnten, wenn auch nicht in kurzer Zeit. Man hat auch schon gelesen, daß norwegische oder andere ausländische Firmen damit befasst sein sollen. http://www.zeit.de/wirtschaft/212-1/griechenland-oel

Wahrscheinlich aber müsste GR wegen der Wettbewerbsfähigkeit früher oder später doch aus dem Euro austreten.
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von lutherbeck »

Griechischer Minister droht Deutschland:

http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=& ... 689,d.ZGU

:ikb_boxing:
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von lutherbeck »

Griechenland will Kriegsentschädigungen von Schland:

http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=& ... 689,d.ZGU

:ikb_tank:
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben:Wenn man die geschätzten Zahlen nimmt, was die Steuerhinterziehung oder -nichteintreibung angeht, dazu noch die möglichen Steuern der gr. Reeder, dann müssten, selbst wenn GR (zunächst) im Euro bleibt doch erkleckliche Milliardensummen herauskommen, sodaß die Bilanz deutlich besser aussähe. Ich meine Deutschland hätte den Griechen schon angeboten, mitzuhelfen eine ordentliche Steuerverwaltung aufzubauen. Offenbar ist das Angebot bisher aber nicht angenommen worden.
Darüber wurde 212 bereits berichtet - getan hat sich nichts. Es reicht ja auch nicht, Experten dorthin zu schicken. Zunächst müssen einmal die gesetzlichen Voraussetzungen für eine vernünftige Besteuerung und Steuererhebung geschaffen werden. Falls der Fiskus dort - wie in anderen Ländern - z.B. seine Forderungen nicht selbst beitreiben kann sondern auf die Mithilfe der Justiz angewiesen ist, kann man eine effektive Steuererhebung sofort vergessen.
In GR liegt wohl noch einiges im argen. Die neue Grundsteuer wird als Zuschlag zur Stromrechnung erhoben; bei Nichtzahlung wird der Strom gesperrt. Allein eine solche Marginalie wirft ein bezeichnendes Bild auf die Leistungsfähigkeit der dortigen Finanzverwaltung.
Edi hat geschrieben: Zudem wird berichtet, daß GR große Öl- und Gasvorkommen habe, deren Förderung Milliardeneinnahmen bringen könnten, wenn auch nicht in kurzer Zeit. Man hat auch schon gelesen, daß norwegische oder andere ausländische Firmen damit befasst sein sollen. http://www.zeit.de/wirtschaft/212-1/griechenland-oel
:D :D :kugel: :kugel:
Die tauchen immer wenn GR Geld braucht aus dem Nebel auf. Bezeichnenderweise erschien der verlinkte Artikel in 212 - als die GR-Krise auf einem Höhepunkt war. Danach versank die Meldung wieder dorthin, wo die Ölvorräte angeblich sind - in die Tiefen der Ägäis.
Bei den letzten Verhandlungen über ein neues "Hilfspaket" für GR wollte die Kommission diese Vorkommen einbringen. Sie erntete nur schallendes Gelächter von den Vertretern des IWF. Die Ölvorkommen sind wahrscheinlich genauso getürkt wie die Zahlen, mit denen GR den Eintritt in den Euroverbund erschwindelt hat. Insofern kann man froh sein, mit dem IWF noch eine Stimme der Vernunft in der Troika sitzen zu haben.
Edi hat geschrieben: Wahrscheinlich aber müsste GR wegen der Wettbewerbsfähigkeit früher oder später doch aus dem Euro austreten.
Richtig - GR hat keine nennenswerte Industrie und nur Tourismus reicht nicht. Noch wichtiger aber sind die mentalen Unterschiede zwischen Deutschen bzw. Nordeuropäern und den Griechen bzw. Südeuropäern:
Der Euro sollte so werden wie D-Mark: Hart, stark, wenig Staatsschulden, kein Geld für die Staatskasse drucken, keine Umverteilung aus Deutschland für die schwächeren europäischen Länder. Das hat damals Bundeskanzler Helmut Kohl durchgesetzt und die europäische Zentralbank nach Frankfurt gebracht damit allen klar ist: Hier spielt die Musik, und zwar so, wie sie die Deutsche Bundesbank vorspielt.
Für die Griechen (und viele Politiker in Italien und Frankreich) aber bedeutet der Euro etwas anders: So leben wie die Deutschen, so wohlhabend, so viel Konsum, Löhne, Urlaub, Sozialleistungen. Aber ihre Wirtschaft ist nicht so leistungsfähig wie die deutsche. Das passt nicht zusammen.
Denn mit dem deutschen Geld klappt eine Wirtschaft nur, wenn sie so ist wie die Deutschen: Sparsam, Geld auf die Seite legen, damit neue Maschinen gekauft werden können. Schulden werden nur gemacht, damit das Geld morgen mehr wird.
Die Griechen wollen jetzt etwas anderes: Wir sollen ihnen ihre Schulden ganz erlassen, damit sie sich wieder neu verschulden können. Und immer wieder so weiter.
http://www.rolandtichy.de/meinungen/wer ... ment-22189

Leider gibt es genügend Menschen, die meinen, "alle Menschen seien Brüder" und die - besoffen von Völkerfreundschaft und Weltbürgertum - nicht sehen (wollen), das es zwischen den Menschen viele kulturelle Unterschiede gibt, die historisch gewachsen sind. Das äußert sich nicht nur in der Folklore - es gilt auch für die Wirtschaft.
Das werden "unsere Europäer" erst dann kapieren, wenn die Karre endgültig im Dreck steckt. Ich fürchte aber, das wird noch eine Zeit dauern und vorher sehen wir noch eine "Vergemeinschaftung" der Haushaltspolitik, einen gesamteuropäischen Finanzausgleich und dann eine Währungsreform.

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