Griechenland nach den Wahlen

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Protasius
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Protasius »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Protasius hat geschrieben:stell dir mal vor, der Eid des Bundespräsidenten würde von Erzbischof Zollitsch entgegengenommen
Mußt du so was ohne Vorwarnung hier schreiben? – Hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. :dudu:
Wie soll ich denn da eine Vorwarnung machen? "Achtung, ich erwäge theoretisch, wie es wäre, wenn des Bundespräsidenten Amtseid von Erzbischof Zollitsch entgegengenommen würde"? Halt, damit hätte ich ja schon alles verraten...
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Pilgerer
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Pilgerer »

Wenzel hat geschrieben:
Haiduk hat geschrieben:Parteiführer von "Goldene Morgenröte" spricht nach Wahlsieg in Griechenland

Das sollte sich jeder ansehen. Die fanatische Art des Redens schreckt natürlich ab. Blendet man das aus, findet man viele Aussagen, denen bei uns auch viele zustimmen würden. Die Menschen haben allgemein einen gehörigen Zorn auf "die da oben" in Brüssel und auf Ausländer, die gegen den Willen der Mehrheit ins Land kamen.
Dieser Zorn bricht sich dann eine Bahn, wenn die wirtschaftliche und soziale Lage des Einzelnen so katstrophal ist, daß selbst die Elementarbedürfnisse nicht zufriedenstellend befriedigt werden können. - Da helfen dann auch keine Hirnwaschfernsehsendungen, politische Propagandareden oder Multi-Kulti-Straßenfeste mehr. Dann ist die Zeit der für sich selbst sorgenden Politikerkaste und der totalitären Gutmenschinnen vorbei - deren inzenierte Theatervorstellungen finden, wenn die Wohnung kalt und der Magen leer ist, kein Publikum mehr
Je größer die Not, desto größer ist die Bereitschaft zu radikalen Lösungen. 1930 bis 1933, als wir ähnliche finanzpolitische Probleme wie aktuell die Griechen hatten, waren bei uns die links- und rechtsextremen Parteien am stärksten. Die NSDAP lag 1932 bei 33%, die KPD bei 17%. Gefördert wurde das allerdings dadurch, dass Deutschland infolge des Versailler Vertrages der Zahlmeister Europas war.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Maurus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Maurus »

Haiduk hat geschrieben:Hier gibt es ein Video, das griechisch-orthodoxe Priester beim Segnen eines Büros dieser Partei in Korinth zeigt.

Ist es in Griechenland üblich, daß Parteibüros von der Kirche gesegnet werden?

Wenn nicht, dann wäre das eine Parteinahme von Seiten dieser Priester. Erklären könnte ich mir das nur so, daß andere Teile der Kirche sich gegen diese Partei positionieren.

Wenn ich mir deren Parteiführer ansehe, bin ich mir nicht sicher, ob ich denen Erfolg wünschen kann. Es scheint aber irgendwie unausweichlich zu sein. Wenn die politische Klasse ihre Glaubwürdigkeit verspielt hat, dann wird so eine Graswurzel-Bewegung natürlich attraktiv. Diese Gängelung ohne Perspektive muß für Griechen erniedrigend sein.
Griechenland hat eine de facto Staatskirche.

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Haiduk
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Haiduk »

Nach diesem Artikel sind "Goldene Morgenröte" in den Meinungsumfragen jetzt schon auf 22 Prozent.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Haiduk
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Haiduk »

Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Nassos
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Nassos »

Inzwischen haben sich neun griechische Metropoliten zu Wort gemeldet und sich von der “Orthodoxie“ der Chrysi Avgi distanziert, Rassismus als unvereinbar mit der christlichen Lehre genannt
Desweiteren die Griechisch-Orthodoxe Kirche von Deutschland (Metropolit Augustinos in der Deutschen Welle), der Bund griechischer Gemeinden und die die Griechen der dritten Generation in Deutschland.
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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Nassos
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Nassos »

Die Goldenen Eier hinter schwedischen Gardinen. Schauen wir mal, wie es weitergehen wird.
(und trotzdem hat die griechische Berichterstattung darüber etwas, was mich stört...)

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martin v. tours
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von martin v. tours »

Nassos, mach mal den Erklärbär.
Was die griechischen Medien so schreiben, das griechen wir hier nicht so mit.
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

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Torsten
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Torsten »

Nassos hat geschrieben:Inzwischen
haben sich neun griechische Metropoliten zu Wort gemeldet
Die sind ja richtig auf Zack!

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Nassos
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Nassos »

martin v. tours hat geschrieben:Nassos, mach mal den Erklärbär.
Was die griechischen Medien so schreiben, das griechen wir hier nicht so mit.
Martin, was soll ich hier bloß im Detail schreiben? Da wird ein Thema dermaßen aufgebläht und mit dem Finger gezeigt, als ob die Medienmenschen die personifizierte Gerechtigkeit/Nemesis wäre. Am Tag zuvor hängen die Fahnen aber trotzdem noch nach dem Wind.

Aktuelles Beispiel: ich sitze gerade vor dem TV und sehe, wie ein ehemaliger Verkehrsminister heute auf die Polizei gebracht wurde, weil er seine KfZ-Versicherung nicht bezahlt hatte und mit Kennschild-Attrappen herumgegondelt ist. Und fährt einen Touareg! Das wird gerade über eine halbe Stunde gezeigt und gezeigt und gezeigt und gezeigt und gezeigt und exklusiv und Wiederholung der Bilder, und nochmal von Anfang an und nochmal und boahhhh eyyyy wenn das keine Sensation ist, ey, und wieder und wieder und nochmal und Nahaufnahme und ach ja, er hatte ja mal Thessalonikis Bürgermeister nen Strafzettel gegeben, weil der ohne Helm fuhr, und lasst uns den Bürgermeister interviewen, und dann noch ein paar Experten und ...

- na schon müde vom Lesen? Das ist gar nichts gegen die griechische Berichterstattung. Gestern gab es in den Nachrichten einen 5minütigen Bericht über eine Videomontage, in der Obama "Last Christmas" singt. 5 Minuten und alle lächeln selig, nach den schlimmen Nachrichten von vom Strom abgeklemmten Haushalten, Kriegen, blablubb...

Ich sage Dir eins, mein Freund, um das noch besser zu verstehen: im Vergleich zu den griechischen Sendern sind die deutschen reinste Kulturlandschaft.

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Nassos
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Nassos »

Was die Goldenen Eier angeht... Am Freitag war Petros Markaris zu einer Lesung in Stuttgart. Da er auch ein Buch mit seiner (sehr gelungenen) Sichtweise auf die Situation in Griechenland geschrieben hatte, war die Lage natürlich auch Thema bei der Lesung. (Seine Romane von Kommissar Kostas Charitos haben direkt mit der Krise zu tun).

Er war der Überzeugung, dass die Goldene Morgenröte als Partei am Ende ist (nicht aber das Neonazitum). Das läge daran, dass der Chef der Partei in Haft ist und wegen des Führerkults sich keiner traut die Führung zu übernehmen. Ich bin mal gespannt, wie es laufen wird.

(Er sagte natürlich auch noch mehr, aber das mal an dieser Stelle)
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Nassos
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Nassos »

Soeben wird berichtet, dass der Ex-Minister Liapis die Polizeistation mit dem Taxi verlassen hat.
Das konnte ich Euch auf gar keinen Fall vorenthalten.

:ikb_sleepy:
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Peregrin
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Peregrin »

Nassos hat geschrieben:Gestern gab es in den Nachrichten einen 5minütigen Bericht über eine Videomontage, in der Obama "Last Christmas" singt.
Damit bist Du raus, stelle ich hier nur der Ordnung halber fest ... :pfeif:
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Nach den Wahlen ist vor den Wahlen - Griechenland auf dem Weg zu Neuwahlen :hmm:
Vorgezogene Neuwahlen gelten als wahrscheinlich. Unklar sei allein noch der Zeitpunkt. Ursache sei ein Schachzug der linken Syriza, der Ministerpräsident Antonia Samaras in die Defensive zwinge. Der Syriza-Vorsitzende Alexis Zypras hatte am Freitag angekündigt, spätestens nächstes Frühjahr Neuwahlen zu erzwingen. Dies sei deshalb möglich, weil dann die Amtszeit von Staatspräsient Papoulias ende, heißt es im gelben Forum. Ein neuer Präsident benötige aber im Parlament eine Drei-Fünftel-Mehrheit der Stimmen. Ohne Syriza sei diese Mehrheit nicht zu erreichen.
(...)
Ministerpräsident Samaras wird der Troika erklären müssen, wie er vorgezogene Neuwahlen verhindern will. Das dürfte Samaras allerdings schwer genug fallen, ohne einen linken Kandidaten als Staatspräsidenten zu akzeptieren. Gleichzeitig fürchtet er eine herbe Niederlage seiner Partei Nea Demokratia bei der Europawahl. Die wiederum würde Syriza weiter stärken. Und Erhält der Präsident keine Mehrheit, muss sich das Parlament auflösen. Tsipras machte klar, dass seine Partei keinen Kandidaten unterstützen würde, selbst wenn er aus dem linken Lager käme – eben um Neuwahlen zu erzwingen.
http://www.geolitico.de/214/1/19/athe ... wahlen-zu/

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Es kommt zu Neuwahlen - die Wahl eines Staatspräsidenten ist gescheitert.

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 4552.html

Es war bereits seit fast einem Jahr absehbar. Ich bin einmal gespannt, wie die EU reagieren will, wenn die Syriza die künftige Regierung stellt und den Schuldendienst einstellt.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Griechische Banken haben erhebliche Probleme mit ihren Schuldnern. Das wundert allerdings niemanden, der diesen Artikel gelesen hat:
A few months ago an employee at a major Greek bank who had just transferred to its newly created nonperforming loans management department noticed a very familiar name as he was going through the files of bad debtors. The name was the same as a client he knew who had large deposits with the bank.
Before his transfer to the NPLs division, the employee frequently saw clients at the branch where he worked with whom he negotiated interest rates for time deposits. At first he thought it was a mere coincidence, but he soon realized that the bad debtor and the client with the high deposits were one and the same person.
The clerk informed his superiors and a decision was immediately reached to run a search through the bank’s records for other such “coincidences.” A few weeks later the results were particularly impressive: Some 1 percent of those who were not servicing the debts they had run up at the bank also maintained large deposits there.
These are the so-called strategic defaulters, who viewed the crisis as an opportunity to avoid paying their dues. They are tactical bad debtors who are able to cover their debts but do not in anticipation of a more favorable future settlement, usually through the use of laws to benefit the financially challenged. Strategic defaulters are everywhere among us: salary workers, self-employed and of course businesspeople and corporations.
(...)
Bank officials also argue that wealthy business owners are now waiting for the state to resolve the general problem of bad loans, which they have contributed to, in anticipation of a haircut on their obligations.
(NPL = non performing loans oder notleidende Kredite)

Man muß sich einmal vorstellen: 1% (iW zehn%!!) der notleidenden Kredite entfallen auf Schuldner, die beim gleichen([Punkt]) Institut erhebliche Guthaben unterhalten und auf eine für sie günstige gesetzliche Neuregelung ihres Schuldverhältnisses (=gesetzlicher Schuldenschnitt) warten.
In GR gibt es nicht nur kein Kataster, auch die Beitreibung privater Forderungen scheint im Argen zu liegen. Man wagt sich überhaupt nicht vorzustellen, welche Zahlen sich ergeben würden, wenn die Untersuchung nicht auf die gleiche Bank sondern auf alle Banken und evtl'e Auslandsguthaben ausgedehnt würde.
Wenn die Banken in Griechenland, die ja eigentlich gewinnorientiert arbeiten sollten, keine genau Kenntnis ihrer Kunden haben und die eigenen Computerprogramme nicht auf solche Zusammenhänge hinweisen, kann man sich vorstellen, daß auch die letzten Zahlen über eine wirtschaftliche Erholung wohl mehr der Phantasie als nachprüfbaren Statistiken entsprungen sind.

Eine besondere Note erhält die obige Darstellung der Kreditgepflogenheiten durch das Wahlprogramm von Syriza.
Neben der Kursumkehr bei der Schuldenpolitik und dem Privatisierungsstopp plant die Partei unter anderem:

Steuersenkungen,
höhere Mindestlöhne,
die Schaffung von 3. neuen Jobs im öffentlichen und privaten Sektor,
kostenlose medizinische Versorgung für alle Griechen,
Lebensmittelmarken für 3. arme Familien,
einen Krediterlass für überschuldete Haushalte.
(Hervorhebung von mir)

http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 1568.html

Hätte man 212 den Mut gehabt, statt eines Schuldenschnitts (der inzwischen wirkungslos verpufft ist) das Land in die Pleite zu entlassen, hätte GR heute die Drachme und würde nicht für Sorgenfalten im restlichen Euroraum sorgen. Ob man dann die Steuern senkt und das Defizit mit der Notenpresse finanziert, wäre ein rein griechische Entscheidung.

Ivo Matthäus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Ivo Matthäus »

Caviteño hat geschrieben:Es kommt zu Neuwahlen - die Wahl eines Staatspräsidenten ist gescheitert.

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 4552.html

Es war bereits seit fast einem Jahr absehbar. Ich bin einmal gespannt, wie die EU reagieren will, wenn die Syriza die künftige Regierung stellt und den Schuldendienst einstellt.
Sie muss nicht reagieren und sie sollte es auch besser nicht, da die Finanzierung Griechenlands nur bis Anfang März 215 steht. Herr Tsipras kann also versprechen, was er will, aber einen Monat nach Amtsantritt sind die Kassen leer und dann kommt der harte Aufschlag auf den Boden der Realitäten...
Ich schenke Euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in Euch. Ich nehme das Herz von Stein aus Eurer Brust und gebe Euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist auf Euch und bewirke, dass .. Ihr auf meine Gebote achtet und sie erfüllt. (Ez 36)

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Ivo Matthäus hat geschrieben: Sie muss nicht reagieren und sie sollte es auch besser nicht, da die Finanzierung Griechenlands nur bis Anfang März 215 steht. Herr Tsipras kann also versprechen, was er will, aber einen Monat nach Amtsantritt sind die Kassen leer und dann kommt der harte Aufschlag auf den Boden der Realitäten...
Sie müßte nicht - aber sie wird, denn man (hier insbesondere Frau Merkel) hat ja praktisch eine bedingungslose Bestandsgarantie gegeben, daß GR im Euro-Verbund bleibt. Nichts fürchtet man in Brüssel, Berlin und in Frankfurt bei der EZB mehr als ein Auseinanderfallen der Eurozone. Kippt GR steht auch der Verbleib von Spanien und Portugal (Wahlen im Herbst 215) und Zypern (Wahl im Frühjahr 216) auf der Kippe - und auch Italien könnnte wackeln.

Die Kassen sind bereits schon leer, man lebt noch immer über seinen Verhältnissen. Ich bin nicht sicher, ob die bereits jetzt angewandten Finanzierungstricks nicht doch verlängert werden - auch wenn man davon im Augenblick nicht ausgeht.
Um sich über Wasser zu halten, behilft sich die Regierung in Athen mit Schuldscheinen. Die werden von griechischen Banken gekauft, die sie wiederum als Pfand bei der EZB hinterlegen, um an frisches Geld zu kommen. Länger als einige Monate aber dürfte dieses kreative Finanzierungsmodell nicht gutgehen. Bis Ende März braucht Griechenland das Geld der Europartner. Denn bis dahin werden Schuldenzahlungen in Höhe von fünf Milliarden Euro fällig.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 1568.html

Im übrigen hat Draghi doch angekündigt, Staatsanleihen aufzukaufen und sogar die Bundesbank würde dem zustimmen, wenn die nationalen Zentralbanken die Schuldverschreibungen ihrer Länder kaufen. Wer würde bzw. sollte dann die Griechische Zentralbank daran hindern, die (Schrott-)Anleihen ihrer Regierung aufzukaufen, wenn die EZB mit ihrer Mehrheit der Südländer einen entsprechenden Beschluß fällt? :hmm: :achselzuck:

Der Zeitplan ließe derartiges jedenfalls zu und würde auch Samaras in die Hände spielen:
Möglicherweise schon am 25. Januar soll in Griechenland gewählt werden. Alle Prognosen deuten auf einen Wahlsieg der linken Syriza-Partei hin, deren Vorsitzender Alexis Tsipras die Sparpolitik als eine “Plünderung des Volkes” bezeichnet hat. Wie schön diese beiden Termine doch zusammenpassen! Jetzt kann am 22. die EZB so nebenbei auch ein Griechen-Geschenk-Programm verabschieden, und damit die griechischen Wähler bestechen, dass sie doch für Euro-freundliche Parteien stimmen und nicht für Tsipras linke Euro-Feinde.
(...)
Genau das aber sollte in Europa ausgeschlossen sein - die ständige Ausweitung der Schuldenfinanzierung einiger europäischer Staaten im Süden zu Lasten derer im Norden, die dafür aber die Risiken via EZB zu tragen hätten. Damit entfiele jeder Anreiz, die nationalen Haushalte in Ordnung zu bringen – der Nachbar zahlt schon. Griechenland wäre der Hauptgewinner. Bisher dienten eine großer Teil der Euro-Rettungssubventionen für die Rückzahlung oder das Streichen der bisherigen Staatsschulden. Aber jetzt braucht die Regierung frisches Geld, um die Wähler für den Euro zu überzeugen. Die oppositionelle Syriza droht ja mit dem Ende der Sparpolitik und sogar mit dem Euro-Austritt. Mit 1 Milliarden neuer Staatsschulden ließen sich sicherlich viele Wähler überzeugen, doch für die Euro-Drinbleib-Parteien zu stimmen.
http://www.rolandtichy.de/tichys-einbli ... oder-droge

1 Mrden - das sind lumpige 1. €/Grieche - das sollte uns das Friedensprojekt "Euro" doch wert sein - oder :D

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Griechenland wird noch teuer.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

overkott hat geschrieben:Griechenland wird noch teuer.
:ja: :ja:

Da kein Politiker den A..ch in der Hose hat, den Griechen den Stuhl vor die Tür zu setzen bzw. den Geldhahn zuzudrehen.

Ein Sieg von Syriza ist wohl sicher, stellt sich nur noch die Frage, ob sie die absolute Mehrheit erhalten. Da die stärkste Partei einen Bonus von 5 Sitzen (von den 3 Parlamentssitzen) erhält, können evtl. schon 35% für eine Alleinregierung reichen.

Das ganze Gerede, man sei heute besser positioniert, ist dummes Zeug. Vor zwei Jahren war das viel kleinere Zypern plötzlich systemrelevant und die russischen Oligarchengelder mußten gerettet werden.

Was hat sich denn in Griechenland verbessert? Die angeblichen Reformen, die von der griechischen Regierung lauthals verkündet wurden, versanden auf dem Weg nach unten. In Griechenland sind Löhne und Konsum noch immer viel zu hoch, man verkonsumiert mehr, als man selbst erwirtschaftet und "leiht" sich das Geld vom europ. Steuerzahler, vornehmlich aus Nordeuropa.
Der Schuldenstand ist inzwischen höher als vor Beginn der "Krise" - trotz eines erzwungenen Forderungsverzichtes der privaten Gläubiger von über 1 Mrden € oder 1. €/Grieche.
Die Kreditfähigkeit Griechenlands verfällt nach wie vor ungebremst. Die Reformen der vergange-nen Jahre und die massiven Finanzhilfen in Höhe von 234 Mrd. Euro haben daran nichts geändert. Lediglich 212 konnte der Verfall der griechischen Kreditfähigkeit leicht gebremst werden; in je-nem Jahr erodierte sie „nur“ mit einem Indexwert von minus 8,7. Seither hat sich der Verfall wieder beschleunigt. Der Wert des cepDefault-Indexes für das erste Halbjahr 214 beträgt minus 1,1. Er ist damit auf das Niveau der Jahre 29/21 zurückgekehrt, als die Insolvenz Griechenlands un-mittelbar bevorstand und ohne internationale Rettungen unausweichlich gewesen wäre.
Andere Länder mit ähnlichen Kreditfähigkeitsproblemen, wie Irland, Portugal und Spanien, konn-ten in derselben Zeit ihre Indexwerte deutlich verbessern. Die Kreditfähigkeit Irlands, das 27 in die Krise geriet, nimmt bereits seit 21 wieder zu, die Spaniens immerhin seit 213.
Griechenland hingegen ist nach wie vor nicht kreditfähig. Damit Griechenland wieder ohne die Hilfe anderer Staaten auskommt, müsste als notwendige – nicht hinreichende – Bedingung die Summe aus Gesamtwirtschaftlichem Finanzierungssaldo und kapazitätssteigernden Investitionen strukturell positiv sein. Ein Trend in diese Richtung ist nicht zu erkennen.
(...)
Konsumquote: Die griechische Konsumquote – gemessen in Prozent des verfügbaren Einkom-mens – liegt seit 22 deutlich oberhalb der kritischen 1%-Schwelle. Im ersten Halbjahr 214 ist sie auf den Rekordwert von über 121% gestiegen. Dies ist – mit Abstand – der höchste Wert aller Euro-Staaten. Mit Portugal und Zypern besitzen nur zwei weitere Euro-Länder eine Konsumquote von über 1%. Dort beträgt sie allerdings lediglich 15% bzw. 14%. Die hohe Konsumquote ist die Kehrseite der negativen Investitionsquote und damit eines der Hauptprobleme der griechi-schen Misere. Wenn Griechenland wieder ohne fremde Hilfe auskommen will, muss der Konsum drastisch eingeschränkt werden. Hierfür gibt es keine Anzeichen.
(...)
Nach wie vor krankt Griechenland an dem alten Problem: Die Wirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig. Zwar sind die Preise für viele Produkte gegenüber 21 gesunken. Dies wurde jedoch nicht durch Lohnsenkungen erreicht, sondern durch Entlassungen.8 Folge ist zwar eine höhere Produkti-vität9 der am Markt verbliebenen Unternehmen, die jedoch durch die resultierende Arbeitslosigkeit konterkariert wird. Um diese zu senken, müssten auch die Löhne im internationalen Vergleich sin-ken. Noch immer sind die griechischen Löhne aber um 1% zu hoch, um international wettbe-werbsfähig zu sein.1 Die notwendige Anpassung der Löhne wird durch die niedrige Inflation erschwert.
(...)
Trotz der Anstrengungen in den vergangenen Jahren zur Sanierung des griechischen Staatshaushalts ist der Schuldenstand seit 21 von 146% auf 174% des BIP angestiegen. Das Haushaltsdefizit lag 213 mit 12,2% des BIP sogar über dem von 21 mit 11,1%. Neben dem Fortbestehen von absoluten Haushaltsdefiziten (Zähler) hat der starke Einbruch des griechischen Bruttoinlandsprodukts (Nenner) erheblich zu dieser Situation beigetragen.
(...)
Griechenland benötigt dringend Reformen, die die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Zwar hat das Land auf Druck der Troika zahlreiche Reformen umgesetzt. Die gewünschte Wirkung ist jedoch nicht eingetreten. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Reformen von außen vor-gegeben wurden. Hieraus ergeben sich zwei Hindernisse für deren Wirksamkeit. Zum einen wur-den einige Reformen nur auf dem Papier beschlossen, von den ausführenden Behörden dann je-doch nicht umgesetzt bzw. angewendet. Zum anderen erzeugten die Reformen kein positives Kon-sum- und Investitionsklima, da ein großer Teil der Bevölkerung nicht von der Wirksamkeit der Re-formen überzeugt ist. In der Folge blieben Investitionen aus und Kapital verließ das Land.
Es ist daher an der Zeit, Griechenland selbst über die eigene Zukunft entscheiden zu lassen. Hierzu gehört auch die Entscheidung über eine Mitgliedschaft in der Euro-Zone. Einen Ausschluss sollte es nicht geben. Ein freiwilliger Austritt sollte aber von den anderen Euro-Ländern hingenommen werden. Denn erstens bestehen die nach 21 bei einem Austritt befürchteten Ansteckungsgefah-ren für andere Länder entweder, wie im Falle Irlands und Spaniens, nicht mehr oder sind, wie im Falle Portugals, beherrschbar. Zweitens würde ein Austritt zwar mit einem Schuldenschnitt einher-gehen und so dazu führen, dass Griechenland einen Großteil der erhaltenen Finanzhilfen und der Target-Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen kann; es ist jedoch davon auszugehen, dass dies bei einem Verbleib im Euro-Raum ebenso der Fall wäre.
http://www.cep.eu/Studien/cepDefault-In ... d_215.pdf

Solange man die Griechen nicht zum Euroaustritt oder zum Konkurs drängt, wird sich nichts ändern. Wir werden - dank Merkel - zahlen und zahlen und zahlen und erhalten als Aktivposten wertlose Forderungen und eine Weichwährung, gemanagt von einem Italiener - was kann man da erwarten... :D

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Tsipras als Hoffnungsträger - auch für Brüssel und Berlin.

http://www.rolandtichy.de/kolumnen/bett ... l-tsipras/

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Gallus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Gallus »

Erinnert Ihr Euch noch an das Theater, das die EU gemacht hat, als die FPÖ in die österreichische Regierung kam? Könnt Ihr Euch vorstellen, was los wäre, wenn in Frankreich der FN an die Regierung käme?

Das Syriza-Bündnis enthält offen maoistische und trotzkistische Fraktionen. Und alte Stalinisten. Regt sich jemand auf? Ach was, sind doch alles Demokraten... :kotz:

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Gallus hat geschrieben:Erinnert Ihr Euch noch an das Theater, das die EU gemacht hat, als die FPÖ in die österreichische Regierung kam? Könnt Ihr Euch vorstellen, was los wäre, wenn in Frankreich der FN an die Regierung käme?

Das Syriza-Bündnis enthält offen maoistische und trotzkistische Fraktionen. Und alte Stalinisten. Regt sich jemand auf? Ach was, sind doch alles Demokraten... :kotz:
Ich glaube nicht, daß etwas passieren würde, wenn Le Pen in Frankreich an die Macht käme. Dafür ist F. zu groß und zu wichtig und nach den Erfahrungen mit Österreich (s.u.) erst recht nicht.
Die Griechen haben doch Narrenfreiheit in der EU - wie heißt es dazu in dem von mir verlinkten Artikel:
Die von der Mehrheit der Griechen nie als Bringeschuld empfundene Reformierung der eigenen Volkswirtschaft, wurde von der Troika zwar in vielen Fensterreden, wenn mal wieder neue Notkredite, besser Schenkungen, nötig waren, angefordert, aber echte Reformen haben nie stattgefunden. Die griechische Wirtschaft muss auch nicht einfach nur ein bisschen reformiert werden, sondern da muss systemisch und in den Köpfen vieler Menschen schon ein bisschen mehr passieren.
Als die Griechenlandkrise ruchbar wurde, die eine Krise des griechischen Staates, der griechischen Banken und der griechischen Wirtschaft war, entstand eine neue politische Unkultur im Land. Wie im vergangenen griechischen Wahlkampf sichtbar, stritt man sich in Athen zuletzt nur noch darum wieviel Reform man den ewigen Geldgebern aus dem Norden trotzig zubilligen sollte und mit wie wenig Reformen Griechenland auskommen würde, um seine ewige Gönner ruhig zu stellen. Also man stritt über den richtigen Weg das meiste aus Europa heraus zu holen, was irgend drin ist.
Man führt Merkel im Nasenring durch die Manege und statt mal Klartext zu reden, erzählt sie "das GR auf einem guten Weg" und der Euro "alternativlos" sei. Sobald D. irgendeine Richtlinie nicht zeitgerecht umsetzt, rügt die Kommission eine Vertragsverletzung.
Wann hat die Euro-Gruppe Griechenland gerügt, weil es die Abmachung mit der Troika nicht einhält? :pfeif: Stattdessen werden "letztmalig" Kredite bewilligt, weil GR versprochen hat, "zu liefern" (fragt sich nur was - wahrscheinlich Märchen).
Wann hat die EU-Kommission GR gerügt, weil es die Vorschriften der Dublin-Vereinbarung bzgl. der Asylverfahren verletzt? Letzteres gälte im übrigen auch für Italien. :pfeif: Stattdessen will man das Dublinverfahren neu regeln, obwohl D. bereits die meisten Asylanten aufnimmt.

Bei Österreich wollte man ein Exempel statuieren, das allerdings gewaltig in die Hose ging und man mußte wie ein geprügelter Hund das Feld räumen.
Der Bericht der "Weisen" :kugel: :D kam dann zu dem Ergebnis, daß "die von XIV Mitgliedsstaaten kontraproduktiv wirken würden, wenn sie fortbestünden und daß sie daher beendet werden sollten. Die Maßnahmen haben schon jetzt nationalistische Gefühle im Lande geweckt, da sie in manchen Fällen fälschlicherweise als Sanktionen verstanden würden, die sich gegen die österreichischen Bürger richten."

http://images.derstandard.at/upload/images/bericht.pdf - Tz. 116

Hatte mit der "Erziehung" durch die Staatengemeinschaft der EU wohl nicht so geklappt, wie sich das die "politische Elite" vorgestellt hat. Deswegen wird man das nicht wiederholen - schließlich gehört es sich nicht, ein Volk zu bestrafen, weil es dumm ist. Da gäbe es im Fall der Fälle nur eine Ausnahme...... ;D

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Da kommt noch was auf Europa zu - die Einstellung von Schäuble's griechischem Kollegen:
Es sei schade, aber die vielen Milliarden von Deutschland und anderen „Eurorettern“ seien ohnehin verloren, „in einem schwarzen Loch von Schulden“, sagte Varoufakis kürzlich in einem Fernsehgespräch. „Es ist eine Tragödie, weil wir so viel Geld für ein schwarzes Loch aufgewendet haben, und wir haben diese Gelder nur bekommen unter der Bedingung, die soziale griechische Wirtschaft zu zerstören und Menschen zu liquidieren“, behauptete Varoufakis. Den Umgang Europas mit Griechenland bezeichnet er als „finanzielles Waterboarding nach dem Vorbild der Foltermethoden des amerikanischen Geheimdienstes CIA“ – dabei werde das Opfer bis kurz vor dem Ersticken unter Wasser gedrückt. So werde auch mit Griechenland verfahren.
(...)
Generell verlangt Varoufakis auch, dass Europas Wirtschafts- und Finanzinstitutionen völlig umgekrempelt würden. Die Europäische Investitionsbank EIB etwa solle öffentliche Investitionen in großem Stil finanzieren. Ihm schwebt ein Volumen von 6 bis 7 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts vor. Die EZB solle dann bei ihrem Programm für den Kauf von Staatstiteln keine deutschen Papiere erwerben, sondern lieber die Papiere der EIB.
(...)
Die Währungsunion verlassen soll Griechenland nach den Worten von Varoufakis aber in keinem Fall. Denn damit könne das Land nicht auf den Entwicklungspfad zurückkehren, den es ohne Eintritt in den Euroraum genommen hätte. Ein Austritt habe auf jeden Fall Chaos zur Folge. Denn gegenwärtig gebe es keine griechische Währung wie eine neue Drachme. Vorbereitungen für die Einführung einer solchen Währung würden Monate dauern und hätten die gleiche Wirkung wie die Ankündigung einer Abwertung mehrere Monate im Voraus. Doch eine Abwertung könne es immer nur über Nacht und unerwartet geben, sonst gebe es riesige Bewegungen zum Kapitalexport, warnt er.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 93858.html

Gab es da nicht einmal einen gr. Politiker der versprochen hat, daß jeder Cent zurückgezahlt würde - mit Zinsen?
Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat in der Debatte um die europäischen Finanzhilfen für das angeschlagene Land eine komplette Rückzahlung der Schulden zugesichert.
"Ich verspreche Ihnen, Griechenland wird jeden Cent zurückzahlen", sagte Papandreou der "Bild"-Zeitung (Donnerstagausgabe) laut Vorabbericht. "Die griechische Wirtschaft hat viel Potenzial und erlebt gerade einen Exportboom. Dies dank der nachhaltigen Strukturreformen und der Opfer, die das griechische Volk im vergangenen Jahr geleistet hat und immer noch leistet."
http://de.reuters.com/article/economics ... 1B211224

Demnächst werden wieder die "unvorstellbar großen Ölvorkommen" in der Agäis bemüht werden..... :D :breitgrins:

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Schneller als erwartet geht Tsipras auf Konfrontationskurs mit der EU. Neben einer diplomatischen Unstimmigkeit i.S. Sanktionen gegen Russland rudert Tsipras bei der Privatisierung des Staatsvermögens zurück.
Schon bekannt wurde, dass die Privatisierung des Hafens von Piräus gestoppt wird, obwohl die Privatisierung von Staatseigentum eine der Auflagen der internationalen Geldgeber für ihre Finanzhilfen an das hoch verschuldete Land ist.
Der Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung am größten Hafen des Landes werde nicht weiter verfolgt, sagte der stellvertretende Schifffahrtsminister Thodoris Dritsas am Dienstagabend in Athen. Als mögliche Käufer eines Anteils von 67 Prozent waren im vergangenen Jahr die chinesische Cosco-Gruppe und vier weitere Interessenten ausgesucht worden. Bis Ende des Monats sollten verbindliche Angebote abgegeben werden. Cosco betreibt bereits zwei Fracht-Terminals im Hafen.
http://www.faz.net/aktuell/politik/euro ... 945.html

Ich hatte bereits vor zwei Monaten über die Angelegenheit berichtet.

Dank der chinesischen Investitionen wurde der Umschlag in Piräus von 28 bis 212 mehr als versiebenfacht - von 433. Container auf ca. 3,1 Millionen. Das war aber nur zum Preis einer erheblichen Lohnsenkung möglich:
Im Oktober 29, als Cosco die Kontrolle über das Container-Terminal übernahm, begann die immer kampfbereite griechische Hafenarbeiter-Gewerkschaft – gestützt von der bald ins Amt kommenden sozialistischen Regierung, die wenige Tage später die Wahlen gewinnen sollte – einen sechswöchigen Streik, der den Hafen lähmte. Wegen des Streiks lagen rund 4.5 Container wochenlang unbearbeitet am Terminal und bremsten die ohnehin schon wacklige Wirtschaft.
Die griechische Regierung, Cosco und die Hafenbehörde von Piräus einigten sich schließlich auf ein Abkommen, um den Arbeitsfrieden wiederherzustellen. Cosco wurde erlaubt, seinen Teil des Container-Terminals ohne Rücksicht auf den Tariflohn zu betreiben. Die meisten Cosco-Arbeiter sind jetzt über eine externe, nicht tarifgebundene Beschäftigungsagentur angestellt.
Sie verdienen um die 1.2 Euro im Monat – mehr als der griechische Durchschnitt, aber nur ein Drittel dessen, was gewerkschaftlich organisierte Arbeiter noch vor fünf Jahren verdienten und weniger als Kollegen bei der direkten Konkurrenz bekommen.

Mit den neuen Stellen konnten die Arbeiter besänftigt werden. Aber einige mächtige Oppositionelle kritisieren die Einigung noch immer scharf. „Sie haben ein Arbeiter-Ghetto geschaffen“, sagt Panagiotis Lafazanis, Mitglied der linken Oppositionspartei Syriza.
Cosco will indessen weiter expandieren: Bis 216 sollen mehr als 6 Millionen Container verladen werden. Das Unternehmen hat elf neue Ladekräne errichtet. Damit kann es der Hafen von Piräus mit der Kapazität von Rotterdam, Antwerpen und Hamburg, den drei größten Containerhäfen in Europa, aufnehmen. „Sie sind bei der langfristigen Planung ausgezeichnet“, sagt Athanasios Christopoulos, zuständiger Generalsekretär für Hafen- und Investitionspolitik im griechischen Schifffahrtsministerium.
(Hervorhebung von mir)

http://www.wsj.de/nachrichten/SB114157 ... ernational

Die Chinesen werden die Entwicklung genau verfolgen und sich weitere Investments in dem Land gut überlegen. Rechtliche und politische Unsicherheiten gibt es schließlich in vielen Ländern der Welt - für dieses zweifelhafte Vergnügen muß man nicht in GR investieren.

Die FAZ meldet, daß die Griechen im Vorgriff auf die versprochenen Steuersenkungen schon einmal weniger an Steuern gezahlt haben. Dadurch betragen die flüssigen Mittel wahrscheinlich nur noch 1 Mrd € - bisher ging man von 5 Mrden € aus.
Auch bei dem Primärdefizit - also dem Haushaltssaldo vor Zinsaufwendungen - wurde geschummelt.
Die Lücke bei den Einnahmen hat zum einen die Haushaltsergebnisse für 214 verschlechtert. In ersten Angaben heißt es, der Primärüberschuss Griechenlands ohne Zinsaufwendungen liege bei 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anstelle des zuletzt angestrebten Wertes von 1,8 Prozent. Der Freiburger Finanzwissenschaftler Lars Feld weist jedoch darauf hin, dass die Griechen in ihren „Primärüberschuss“ auch Gewinne der Europäischen Zentralbank aus aufgekauften griechischen Staatsanleihen, die nach Athen überwiesen wurden, einrechneten. „Rechnet man diese Beträge heraus, bleibt 214 ein Primärdefizit“, sagte der deutsche Wirtschaftsweise Feld. Ursprünglich hatten die Haushaltspläne für 214 eine Übererfüllung der Sanierungsversprechen und einen Primärüberschuss von 2,9 Prozent einkalkuliert. Die Zielgröße für Griechenlands Regierung für 214 war ein Primärüberschuss von 1,5 Prozent, allerdings mit einer leicht modifizierten Berechnung. In diesem Programm soll Athen 215 einen modifizierten Primärüberschuss von 3 Prozent erzielen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 9386.html
Die kommenden Monate werden interessant - wenn Tsipras so weitermacht, woran eigentlich nicht zu zweifeln sein dürfte.
Zuletzt geändert von Caviteño am Mittwoch 28. Januar 2015, 08:23, insgesamt 1-mal geändert.

Raphael

Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Raphael »

Caviteño hat geschrieben:Die Chinesen werden die Entwicklung genau verfolgen und sich weitere Investments in dem Land gut überlegen.
Die Frage ist nur, was "die Chinesen" denn mit den ganzen umgeschlagenen Waren in Athen machen wollen. Ein Land, das in seiner Kaufkraft so geschwächt ist wie Griechenland, kann doch unmöglich so viele Waren erwerben.

Rotterdam, Antwerpen und Hamburg haben wenigstens ein kaufkräftiges Hinterland, aber Athen? :achselzuck:

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Raphael hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Die Chinesen werden die Entwicklung genau verfolgen und sich weitere Investments in dem Land gut überlegen.
Die Frage ist nur, was "die Chinesen" denn mit den ganzen umgeschlagenen Waren in Athen machen wollen. Ein Land, das in seiner Kaufkraft so geschwächt ist wie Griechenland, kann doch unmöglich so viele Waren erwerben.

Rotterdam, Antwerpen und Hamburg haben wenigstens ein kaufkräftiges Hinterland, aber Athen? :achselzuck:
Das ist nicht das Problem. Die Chinesen betrachten Athen wie Singapur, praktisch als HUB oder Drehkreuz. Die Container kommen aus Asien in Athen an und werden dort auf Schiffe verteilt, die dann weiter in die übrigen europäischen oder afrikanischen Häfen fahren. Es ist preiswerter, die Container von den verschiedensten Häfen nach Athen zu bringen, dort zu sortieren und auf neue Schiffe zu verladen, die die Container dann in die verschiedenen europ. oder nordafrikanischen Häfen bringen. Andernfalls müßte das Schiff verschiedene Häfen anlaufen - das kostet.
Wir haben einmal Möbel und Lackarbeiten in Bagan (Myanmar) gekauft. Der Container wurde von Yangon nach Singapur und von dort nach Manila versandt. Eine direkte Verbindung zwischen den beiden Hafenstädten Yangon und Manila existiert offensichtlich nicht.

Im Flugverkehr machen das z.B. die arabische Airlines vor. Sie fliegen auch von kleinen europ. Flughäfen (z.B. Düsseldorf, Wien) in die VAE und verteilen dort die Passagiere auf die Destinationen, die in einem Radius zwischen Peking - Auckland - Nairobi liegen. So kann man z.B. von Wien/Düsseldorf aus Kathmandu, Yangon oder Cebu mit nur einmaligem Umsteigen erreichen - sonst müßte man häufig zwei- oder dreimal umsteigen (z.B. Frankfurt, Dehli, Manila oder Singapur).
Wie die WELT heute berichtet, hat Dubai jetzt mit über 70 Mio mehr Passagiere als der größte europ. Flughafen - London Heathrow. Man baut dort einen neuen Flughafen, der 200 Mio Passagiere "abwickeln" kann.

Im übrigen wird bei Deinem Einwand sehr gut deutlich, das man nicht auf GR bzw. Piräus angewiesen ist. Wenn die Bedingungen nicht stimmen, kann man auch einen anderen Hafen nutzen - die Investitionen sind überschaubar.

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Nassos
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Nassos »

Falls es jemanden interessiert, http://yanisvaroufakis.eu/ er Blog des neuen Finanzministers, auch in englisch.
Habe ihn selber noch nicht gelesen, aber die Info kann man ja schon mal geben.
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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Yeti
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Yeti »

Nassos hat geschrieben:Falls es jemanden interessiert, http://yanisvaroufakis.eu/ er Blog des neuen Finanzministers, auch in englisch.
Habe ihn selber noch nicht gelesen, aber die Info kann man ja schon mal geben.
Das, was von ihm ins Deutsche übersetzt wurde, reicht mir eigentlich schon mehr als nur zur Genüge. Aber ein Gutes hat es: Es wird der AfD die Wähler in Scharen zutreiben.
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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Yeti hat geschrieben:
Nassos hat geschrieben:Falls es jemanden interessiert, http://yanisvaroufakis.eu/ er Blog des neuen Finanzministers, auch in englisch.
Habe ihn selber noch nicht gelesen, aber die Info kann man ja schon mal geben.
Das, was von ihm ins Deutsche übersetzt wurde, reicht mir eigentlich schon mehr als nur zur Genüge. Aber ein Gutes hat es: Es wird der AfD die Wähler in Scharen zutreiben.
In dem Blog wird deutlich, wie sehr seine Denkschule von den Vorstellungen Nordeuropas entfernt ist. Interessant sein Co-Beitrag "A Modest Proposal for Resolving the Eurozone Crisis". Da ist viel Glaube und Hoffnung im Spiel. Mich interessieren die Programme, die immer groß beschrieben werden, überhaupt nicht. Entscheidend ist, wo das Geld herkommen soll und da bleibt es immer im ungefähren bzw. da machen sie Träumereien breit. So schreibt er zur Finanzierung - Bereich wirtschaftliche Erholung:
The investment recovery will be funded by global capital, supplied principally by sovereign wealth funds and by pension funds which are seeking long term investment outlets. Social stabilisation can be funded, initially, through the Target2 payments scheme.
Warum hat das intern. Kapital bzw. die -meist angelsächsischen - Pensionsfonds oder die Staatsfonds bisher denn nicht investiert? Wie will er die Bedingungen verbessern?

Besonders schön auch die Stelle, in der die Guthaben der europäischen Sparer zur Finanzierung folgender Projekte genutzt werden sollen:
We propose that four areas of economic activity be europeanised: banks in need of ESM capital injections, sovereign debt management, the recycling of European and global savings into socially productive investment and prompt financing of a basic social emergency programme.
https://varoufakis.files.wordpress.com/ ... final1.pdf

Da fallen einem doch nur die Sätze ein, die Henry Parker Willis in seiner "Geschichte der Lateinischen Münzunion", vor über 1 Jahren schrieb:
It is hard to see why the admission of Greece to the Latin Union should have been desired or allowed by that body. In no sense was she a desirable member of the league. Economically unsound, convulsed by political struggles, and financially rotten, her condition was pitiable. Struggling with a \ burden of debt, Greece was also endeavoring to maintain in circulation alarge amount of inconvertible paper. She was not territorially a desirable adjunct to the Latin Union, and her commercial and financial importance was small. Nevertheless her nominal admission was secured, and we may credit the obscure political influences, to which reference has been made in a preceding chapter, with being able to effect what economic and financial considerations could not. Certainly it would be hard to understand on what other grounds her membership was attained.' The unit adopted was to be the silver drachma, .9 fine, corresponding exactly to the franc, with multiples analogous to those of the French system." When we come to study the coinage history of the Latin Union we shall see that little use of the new system was ever made by Greece. The coinage has been insignificant. Thus Greece was a mere useless appendage to the monetary league. Her admission is another fact tending to confirm the political inferences already drawn.
https://archive.org/details/ahistorylatinmo1willgoog S. 177,6 epub-format

Geschichte wiederholt sich nicht..... :pfeif:
Der Unterschied ist allerdings, das damals kein Land auf die Idee gekommen wäre, für die Schulden eines anderen Landes zu bürgen.

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Yeti
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Yeti »

In Griechenland regieren jetzt Dick und Doof:
Bild
"…wobei Dick (rechts) vielleicht ganz nützlich ist, damit Doof (links) auf dem Athos keine Kolchosen anlegt…"
Von wegen:
Bild
"Doof ist im übrigen, wie man hört, der jüngste griechische Regierungschef seit 150 Jahren, was natürlich die Frage aufwirft, wer denn da vorher jünger war – wobei meine Gedanken gleich zum bayerischen Otto wanderten, der aber, obgleich bei seinem Regierungsantritt noch minderjährig, gar nicht gemeint war, weils drei Jahrzehnte später noch Georg I. gab, der ebenfalls 17jährig auf den Thron kam."
Hmm...da kommt Konstantin II. gerade recht. Ob die Griechen seine Abstammung kennen (Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg)? Ich seh schon die Schlagzeilen von Dick und Doof: "Nazi-König übernimmt Griechenland" - oder so.
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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Der gerechte Ausgleich für Griechenland erfordert Schuldenerlass durch Rückzahlung. Allerdings muss Rückzahlung auch ermöglicht werden durch Sanierung der Staatsfinanzen. Diese erfordert nicht nur einen wirtschaftlichen Aufschwung in Griechenland. Auch der Staat muss an diesem wirtschaftlichen Aufschwung partizipieren. Soweit griechische Unternehmen durch Steuererlass bisher unzureichend am Schuldenerlass beteiligt waren, müssen sie in die Sanierung steuerlich eingebunden werden. Zusätzliche Einnahmen können durch erhöhte Staatsausgaben für die Rückzahlung in den Schuldenerlass investiert werden. Der Schuldenerlass sollte jedoch den Umbau hin zu einer effizienten Finanzverwaltung nicht gefährden.

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