Staatsschulden: „Kaufmännisch pleite“?

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cantus planus
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Staatsschulden: „Kaufmännisch pleite“?

Beitrag von cantus planus »

Hessen hat ein meiner Meinung nach gutes Projekt gestartet, nämlich die Werte und die Schulden des Landes nach kaufmännischen Regeln durchzurechnen und aufzulisten: Natürlich ist ein Staat keine Firma, aber eine solche Rechnung macht vielleicht vielen doch deutlicher, was die Stunde geschlagen hat, als das schieben, drehen, gegen- und querverrechnen, leihen, bürgen und wasweißichnochalles.

Hessen wäre als Firma so pleite, wie man überhaupt nur sein kann. Für die anderen Länder und die Bundesrepublik dürfte es genauso aussehen.
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Edi
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Edi »

Ich will die Sache nicht beschönigen, aber so eine Bilanz, die auch die künftigen Pensionsverpflichtungen enthält, müsste ja auch die künftigen Steuereinnahmen, die aber nur ganz, ganz grob geschätzt werden können, berücksichtigen. Das scheint hier nicht geschehen zu sein.

Trotzdem wissen wir, dass Staat samt Ländern riesige Schulden aufgehäuft haben. Allein die jährlich anfallenden Zinsen betragen etwa ein Viertel, wenn nicht gar mehr, des Jahresetats der Bundesrepublik. Ein Privatmann würde unter diesen Umständen von keiner Bank mehr einen Kredit bekommen. Der Staat aber verlegt die Schuldentilgung auf künftige Generationen.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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cantus planus
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von cantus planus »

Die Rechnung hinkt schon deshalb gewaltig, weil der Staat ja für Leistungen aufkommt, die notwendig sind, aber deren Nutzen nicht in konkreten Zahlen zu beziffern ist. Dennoch finde ich eine solche Rechnung mal ganz interessant. Denn auch für den Staat gilt die Regel: Schulden kosten Geld und wollen irgendwann bedient werden. Da scheinen mir einige nach wie vor nach dem Prinzip "après nous le déluge" vorzugehen. Oder nach dem kölschen Prinzip "et hätt noch immer jot jejange...".
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Robert Ketelhohn
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

cantus planus hat geschrieben:Hessen hat ein meiner Meinung nach gutes Projekt gestartet, nämlich die Werte und die Schulden des Landes nach kaufmännischen Regeln durchzurechnen und aufzulisten
Das ist ein völlig falscher Ansatz und nationalökonomischer Bockmist.
Das führt zu Brüningscher Austeritätspolitik, und die führt in den Ver-
fall und endet im Abgrund.
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Ralf

Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Ralf »

Robert, politisch wissen wir mittlerweile alle, wogegen Du bist (und das ist eine ganze Menge).

Aber wofür bist Du?

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Robert Ketelhohn
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Transrapid.
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civilisation
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von civilisation »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Transrapid.
:vogel: :patsch:

Schon im Testbetrieb mehr als 20 Tote und viele Verletzte.

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Robert Ketelhohn
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Hau kräftiger zu, dann klickt vielleicht was.
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Ralf

Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Ralf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Transrapid.
In Deinen Verurteilungen bist Du nicht so kryptisch.

Raphael

Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Raphael »

Edi hat geschrieben:Ich will die Sache nicht beschönigen, aber so eine Bilanz, die auch die künftigen Pensionsverpflichtungen enthält, müsste ja auch die künftigen Steuereinnahmen, die aber nur ganz, ganz grob geschätzt werden können, berücksichtigen. Das scheint hier nicht geschehen zu sein.
...............
Ähem, das ist so nicht richtig! :doktor:

In einer Bilanz, die nach dem Handelsgesetzbuch aufgestellt wird, müssen Pensionsverpflichtungen sehr wohl als Rückstellungen ausgewiesen werden.
Künftige Steuereinnahmen dürften jedoch nicht als Vermögensposten angesetzt werden, weil es sich um noch nicht realisierte Erträge des Staates handelt.

Die Begründung hierfür findet sich im sog. Imparitätsprinzip; d.h. die beiden Seiten der Bilanz (Aktiva/Passiva) werden bewußt und gewollt ungleich behandelt. Schulden muß man ab dem Zeitpunkt ansetzen, ab dem ihre Entstehung hinreichend genau konkret ist; notfalls eben als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten.
Während auf der Aktivseite (= Vermögensposten) die Forderungen erst ausgewiesen werden dürfen, wenn das Unternehmen die entsprechenden Leistungen auch tatsächlich erbracht hat.

Sieht man den Staat nun als ein Unternehmen an, dann wären die Steuereinnahmen mit den Umsätzen in einem privatwirtschaftlichen Betrieb, der nach handelsrechtlichen Grundsätzen bilanziert, vergleichbar. Über die Umsätze schreibt das Unternehmen eine Rechnung und erfaßt diese Rechnung buchhalterisch als Forderung. Dies geschieht aber erst, wenn die Ware auch ausgeliefert bzw. die Dienstleistung erbracht worden ist.

Raphael

Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Raphael »

iustus hat geschrieben:Prima Raphael, danke!

In einfacheren Worten heißt das: Wenn ich sicher gehen will, dass ich die Verpflichtungen, die ich heute begründe, später auch erfüllen kann, dann muss ich Rücklagen bilden. Wenn ich das nicht tue, signalisiere ich die Haltung: "Es wird schon gutgehen, ich werde später bestimmt ja auch Einnahmen haben."
Eine kleine Korrektur vorweg: Es müssen Rückstellungen gebildet werden, keine Rücklagen!

Handelsrechtlich gesehen entstehen Rücklagen aus angesammelten Gewinnen und heißen dann Gewinnrücklagen.
Sie können auch aus zusätzlichen Einzahlungen von den Gesellschaftsinhabern entstehen, wenn selbige über das Zeichnungskapital hinausgehen. Wenn bspw. bei einer Kapitalerhöhung die neuen Aktien mit einem Nennwert von 5,00 EUR für 50,00 EUR ausgegeben werden, kommen 5,00 EUR zum Grundkapital und 45,00 EUR in die Kapitalrücklagen.
Alle Arten von Rücklagen gehören zum Eigenkapital!

Rückstellungen gehören jedoch zum Fremdkapital, wobei jedoch noch nicht exakt feststeht, wie hoch die Verpflichtung genau ist und/oder wann die Verpflichtung tatsächlich fällig wird. Die Pensionsverpflichtung ist ein klassischer Fall für eine Rückstellung.

Die Kameralistik als die Form der Buchführung der öffentlichen Hand denkt nun klassischerweise nicht in den Kategorien Gewinn/Verlust, sondern in den Kategorien Einnahmen/Ausgaben.
Schulden interessieren da weniger, weil die sowieso irgendwann von zukünftigen Staatsbürgern zurückgezahlt werden (müßten). Man muß halt nur jemanden finden, der noch bereit ist, sein - mehr oder weniger sauer verdientes - Geld dem Staat zu leihen.

iustus
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von iustus »

Raphael hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:Prima Raphael, danke!

In einfacheren Worten heißt das: Wenn ich sicher gehen will, dass ich die Verpflichtungen, die ich heute begründe, später auch erfüllen kann, dann muss ich Rücklagen bilden. Wenn ich das nicht tue, signalisiere ich die Haltung: "Es wird schon gutgehen, ich werde später bestimmt ja auch Einnahmen haben."
Eine kleine Korrektur vorweg: Es müssen Rückstellungen gebildet werden, keine Rücklagen!
Weil mir das dann eingefallen ist, hatte ich meinen Eintrag ganz gelöscht. Mir ging es um EINFACHE Worte.

Im übrigen kann ich doch auch für Verpflichtungen, die ich heute vertraglich begründe, zweckgebundene RückLAGEN bilden (ich bezog mich ja nicht nur auf Pensionsverpflichtungen).

Raphael

Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Raphael »

iustus hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:Prima Raphael, danke!

In einfacheren Worten heißt das: Wenn ich sicher gehen will, dass ich die Verpflichtungen, die ich heute begründe, später auch erfüllen kann, dann muss ich Rücklagen bilden. Wenn ich das nicht tue, signalisiere ich die Haltung: "Es wird schon gutgehen, ich werde später bestimmt ja auch Einnahmen haben."
Eine kleine Korrektur vorweg: Es müssen Rückstellungen gebildet werden, keine Rücklagen!
Weil mir das dann eingefallen ist, hatte ich meinen Eintrag ganz gelöscht. Mir ging es um EINFACHE Worte.

Im übrigen kann ich doch auch für Verpflichtungen, die ich heute vertraglich begründe, zweckgebundene RückLAGEN bilden (ich bezog mich ja nicht nur auf Pensionsverpflichtungen).
Handelsrechtlich betrachtet: Eindeutig nein!

Wenn ein Kaufmann eine vertragliche Verpflichtung eingeht und dabei - wie schon oben schon erläutert - nicht feststeht, wann und/oder in welcher Höhe diese vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist, dann hat er in seiner Bilanz eine Rückstellung zu bilden.

Der Begriff Rücklage wird jedoch in der Kameralistik auf der einen Seite und in der handelsrechtlichen Bilanzierung auf der anderen Seite jeweils unterschiedlich gebraucht. Daher kann es - zumindest soweit ich weiß - in der Kameralistik wohl sowas wie "zweckgebundene Rücklagen" geben.

iustus
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von iustus »

Raphael hat geschrieben: Wenn ein Kaufmann eine vertragliche Verpflichtung eingeht und dabei - wie schon oben schon erläutert - nicht feststeht, wann und/oder in welcher Höhe diese vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist, dann hat er in seiner Bilanz eine Rückstellung zu bilden.
Und feststeht, in welcher Höhe diese vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist (ich habe mich ja nie auf den Fall bezogen, dass dies nicht feststeht)?

Raphael

Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Raphael »

iustus hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben: Wenn ein Kaufmann eine vertragliche Verpflichtung eingeht und dabei - wie schon oben schon erläutert - nicht feststeht, wann und/oder in welcher Höhe diese vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist, dann hat er in seiner Bilanz eine Rückstellung zu bilden.
Und feststeht, in welcher Höhe diese vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist (ich habe mich ja nie auf den Fall bezogen, dass dies nicht feststeht)?
Die handelsrechtliche Definition für Rückstellungen ist ziemlich einfach.

Besteht (erstens) eine vertragliche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Unternehmens, wobei (zweitens) die Höhe und/oder der Erfüllungszeitpunkt nicht genau feststeht, dann ist eine Rückstellung zu bilanzieren.

Erst wenn sowohl die Höhe als auch der Erfüllungszeitpunkt feststeht, wird aus der Rückstellung ein Verbindlichkeit.

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Linus
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Linus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Transrapid.
Zwischen Flughafen München und Hauptbahnhof München? :kugel:
http://www.youtube.com/v/f7TboWvVERU&hl=de_DE&fs=1&"
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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Robert Ketelhohn
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ralf hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Transrapid.
In Deinen Verurteilungen bist Du nicht so kryptisch.
http://kreuzgang.org/search.php?keyword ... bmit=Suche
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Ralf

Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von Ralf »

Danke. Jetzt sehe ich klarer (wenn ich auch nur einige Meinungen von Dir teile).

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Robert Ketelhohn
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»Jäger und Sammler« vs. »Ackerbauer und Städtegründer«

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn (21. Juli 2004) hat geschrieben:
Lucia hat geschrieben:»Klaro, die Planwirschaft gibt's auch noch. Tolle Alternative.«
Ketelhohn (neulich) hat geschrieben:»Nein: Der Staat muß dirigieren, wenn das Ganze harmonisch zu allgemeiner Wohlfahrt zuusammenklingen soll. So war es in der Geschichte auch immer: Beim deutschen Wirtschaftswunder nach dem II. Weltkrieg, bei Friedrich Lists Zollverein, des Erschließung des amerikanischen Westens oder der deutschen Ostkolonisation des 12. und 13.. Jahrhunderts.«
Ketelhohn (noch früher) hat geschrieben:»Stefan, ich habe natürlich bewußt provozierend formuliert. Gewiß ist Unternehmertum an sich keineswegs schlecht. Deinem Idealbild:
»Das Idealbild ist aus meiner Sicht der redliche Kaufmann, der verantwortungsbewußte Handwerker und auch der Fabrikant, der mehr als Gewinnmaximierung will: Werte schaffen, die dem Allgemeinwohl dienen.«
schließe ich mich vorbehaltlos an.

Der »Jäger und Sammler« allerdings entspricht meines Erachtens keineswegs diesem Idealbild. Denn er ist vollständig unproduktiv. Er schafft keine Werte, er grast ab. Wie der Sklavenjäger. Das positive Gegenbild ist der »Ackerbauer und Städtegründer«. (Der erste dieser Sorte war übrigens, man staune, Kain.)

In unserer Wirtschaft herrscht derzeit leider der »Jäger und Sammler« vor, oder noch genauer: der Bastard aus dem Lotterbett des »Jägers und Sammlers« und des Zockers. Insbesondere in der Politik, in der Wissenschaft (die Nationalökonomie alten Schlages ist nahezu klinisch tot) und in den Führungsetagen der großen Konzerne und der Banken.

Echten Unternehmergeist muß darum die staatliche Autortät wecken oder befreien. Solchen also, der produktiv ist, der aufbaut, anstatt einzusacken, was zu holen ist, und verbrannte Erde zu hinterlassen. Echter Unternehmergeist statt „undertaker“-Mentalität. Gäbe es solchen Unternehmergeist bei uns, dann hätte zum Beispiel das Transrapid-Konsortium über die popeligen sechs Milliarden Mark, die der Staat nicht garantieren wollte, gelacht und die Sache in eigener Regie verwirklicht – und zugleich dem Mittelstand und damit der ganzen Volkswirtschaft gewaltige Impulse gegeben.

Die Trasse Berlin – Hamburg hätte Mitte der 90er Jahre längst in Betrieb sein können. Ebenso, wenn Helmut Kohl in der Lage gewesen wäre, strategisch zu denken. Oder wenn – wage ich zu behaupten – man ihm einen Berater wie Alfred Herrhausen nicht zugunsten der Zocker weggesprengt hätte. Wahrscheinlich könnten wir heute schon mit der Magnetbahn von Paris nach Moskau fahren.

Was aber bis heute unternommen wird, und vorgeblich der Wirtschaftskrise Herr zu werden, das sind Privatisierungen und Deregulierungen, die allein die Geier vom Schlage Enron nähren. Wir ziehen nach, marschieren heute noch in dieselbe verderbliche Richtung, obgleich mit den Händen zu greifen ist, wie diese Mentalität seit langem schon Amerika morsch hat werden lassen. Oder schaut, wie in Britannien seit Margret Thatchers Kulturrevolution das Land verkommen und zerrüttet ist, wie die öffentliche Infrastruktur verfällt.

Dagegen kann man aber – das betone ich mit Nachdruck – auch durch störrisches Beharren auf sozialen Besitzständen und dergleichen nichts tun. Ebensowenig wie durch Abschaffung solcher Besitzstände und Errungenschaften. Gewiß werden soziale Leistungen zunehmend unbezahlbar. Ihre Abschaffung – angeblich will man „Lohnnebenkosten“ senken, den „Standort Deutschland“ attraktiver machen und so weiter – führt aber, wie wir überall beobachten können, keineswegs zu neuen, produktiven Investitionen, sondern insofern Gelder frei werden, fließen sie entweder ungehemmt in die Spekulation, oder – im Falle „gebrannter Kinder“ ebenso wie bei trotz allem noch konservativ wirtschaftenden Mittelständlern – in die Rücklagenbildung, weil das Vertrauen fehlt, das langfristig angelegte Investitionen sich rentieren könnten.

Darum brauchen wir eine grundsätzliche Abkehr vom gegenwärtig herrschenden wirtschaftlichen Modell. Weg von der monetaristischen Geldfixierung, statt dessen Orientierung an der Produktivität. Und nein – allen Bruttosozialprodukts- und Bilanzfälschern zum Trotz –, Börsenspekulation ist nicht produktiv, Abschreibungen darf man nicht als Investitionen deklarieren, wie es die gängige Bilanzierungspraxis in Amerika tut, und Buchgelder sind kein produktives Kapital: Sie sind überhaupt kein Kapital.

Es geht darum, daß wir wieder reale Güter produzieren. Der Anstoß muß vom Staat kommen, und zwar gewaltig. Dazu brauchen wir neue Köpfe, keinen Schröder, Eichel, Herzog, Merkel oder Murkel.«
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Robert Ketelhohn
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Bau auf, deutsche Jugend

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn (10. Juni 2005) hat geschrieben:Hier noch einmal die Kurzfassung des BADJ-Programms:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Wessen es bedarf, das ist ein kompletter Umbruch im Denken.

Aufbau statt Reformen!

Aufbau jetzt. Weg mit den Fesseln von Maastricht und Basel II.
Nicht Verteilung des „vorhandenen Kuchens“. Backen wir neue,
große Brote!

Das muß der Staat nicht selber tun. Er muß es aber lenkend, för-
dernd und fordernd anstoßen. Denn allein bleibt die Wirtschaft
gelähmt.

Den Transrapid nach Paris und Moskau. Nach Palermo, Kon-
stantinopel und Kiew.

Bauen wir eine neue Generation von Hochtemperaturreaktoren.

Und Gelder in die Forschung: für Kernfusion und Brennstoffzelle.

Bemannte Marsflüge und Reis für die Sahara durch Wasser aus
dem Kongo.

Aufbau statt Reformen!
Konstruktion statt Destruktion!
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Robert Ketelhohn
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Weg mit den Reformen. Aufbau jetzt.

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn (30. August 2005) hat geschrieben:
Das DBK-Sekretariat (angeblich »[i]die[/i] deutschen Bischöfe«) hat geschrieben:Doch die Politik muß die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so gestalten und die Reformen des Steuersystems, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme so nachhaltig betreiben, daß Arbeitsplätze erhalten werden und neue entstehen können.
O si tacuissetis! (Wenn man keine Ahnung hat …) Reformen
vorantreiben, immer weiter … Woran nur erinnert mich das
gerade? – »Hey Reiter, immer weiter, denn wir sind Mongolen
– ha, ha, ha – und der Teufel kriegt uns früh genug«.

Nein, so nicht. Wir brauchen keine Reformen, sondern Aufbau.

Aufbau jetzt. Weg mit den Fesseln von Maastricht und Basel II.
Nicht Verteilung des „vorhandenen Kuchens“. Backen wir neue,
große Brote!

Arbeit schaffen für alle durch neue Ziele, neues Denken. Lan-
desausbau und Erschließung, Magnetbahn und Schiffahrtswege,
Wasserkraft statt Krötenbiotop und Kernkraft statt Windmühlen.

Das muß der Staat nicht selber tun. Er muß es aber lenkend,
fördernd und fordernd anstoßen. Denn allein bleibt die Wirt-
schaft gelähmt.

Den Transrapid nach Paris und Moskau. Nach Palermo, Kon-
stantinopel und Kiew.

Eine neue Generation von Hochtemperaturreaktoren. Gelder in
die Forschung: für Kernfusion und Brennstoffzelle.

Bemannte Marsflüge und Reis für die Sahara durch Wasser aus
dem Kongo. Entsalztes Mittelmeerwasser für Palästina.

Aufbau statt Reformen!
Konstruktion statt Destruktion!
Das DBK-Sekretariat hat geschrieben:Wir leben auf Kosten kommender Generationen. Das betrifft den Umgang mit den natürlichen Ressourcen, aber auch die steigende Staatsverschuldung. Wir müssen so leben, daß wir die Menschen, die nach uns kommen, nicht übermäßig belasten.
Ökofascho-Gesülze à la Club of Rome vermengt mit den Inter-
essen der Herren des Geldes. Was eh ein und dasselbe ist.
Staatsverschuldung hat sich noch nie durch Austeritätspolitik
bekämpfen lassen. Es ist eine Teufelsspirale. Und das wissen
die, die uns da hineintreiben (anders als der arme Depp, der
dies Papier verbrochen hat).

Wir brauchen Investitionen und Wirtschaftswachstum, dann
kann man die Verschuldung anbauen.
Das DBK-Sekretariat hat geschrieben:Eine von Vorurteilen und Pauschalierungen genährte Politik, die einfache Lösungen für komplexe Sachverhalte anbietet, kann die Zukunft nicht gewinnen.
Die übliche Phrasendrescherei, mit welcher die herrschende
Klasse jeden Versuch abwürgt, öffentlich zu rufen: »Der Kaiser
ist nackt! Eure Reformen sind gequirlte Kinderhäuflein.«

Es ist sehr einfach, komplexen Kot das Klo hinunterzuspülen.
Man muß nur aufhören zu glauben, daß aus dem komplexen
Haufen, der da im Klo vor sich hin stinkt, irgendwann goldene
Taler wachsen werden.

Weg mit den Reformen. Aufbau jetzt.
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lutherbeck
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Re: Bau auf, deutsche Jugend

Beitrag von lutherbeck »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Hier noch einmal die Kurzfassung des BADJ-Programms:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Wessen es bedarf, das ist ein kompletter Umbruch im Denken.

Aufbau statt Reformen!

Aufbau jetzt. Weg mit den Fesseln von Maastricht und Basel II.
Nicht Verteilung des „vorhandenen Kuchens“. Backen wir neue,
große Brote!

Das muß der Staat nicht selber tun. Er muß es aber lenkend, för-
dernd und fordernd anstoßen. Denn allein bleibt die Wirtschaft
gelähmt.

Den Transrapid nach Paris und Moskau. Nach Palermo, Kon-
stantinopel und Kiew.

Bauen wir eine neue Generation von Hochtemperaturreaktoren.

Und Gelder in die Forschung: für Kernfusion und Brennstoffzelle.

Bemannte Marsflüge und Reis für die Sahara durch Wasser aus
dem Kongo.

Aufbau statt Reformen!
Konstruktion statt Destruktion!

Hört sich für mich sehr modern an... :pfeif:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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Robert Ketelhohn
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Seid fruchtbar und mehret euch

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn (10. Februar 2006) hat geschrieben:Noch eins. Ein paar Jahre alt. Für ein anderes Forum als Antwort an einen Herrn geschrieben, der nach damaligen UNFPA-Vorgaben die Weltbevölkerung mittelfristig auf 2 Mrd. Menschen reduzieren wollte:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ein neues Propagandastück des Malthusianismus (nach seinem übelsten Vordenker, Thomas Malthus, benannt). Andreas P. möchte vier Milliarden Menschen ausrotten, wahrscheinlich zuerst nutzlose Esser wie Nigger, Schlitzaugen und stinkendes indisches Gesocks, nicht zu vergessen dummkatholisch rammelnde amerikanische Mestizen sowie hinfällige Greise, Krüppel und Schwachsinnige jeglicher Herkunft.

Er befindet sich dabei in guter Gesellschaft, denn nicht nur Bertrand Russell und H. G. Wells haben das propagiert und durch Meisterschüler Huxley zur UNO-Doktrin erhoben – es ist dies heute die politische Maxime des UNFPA –, nicht nur der Club of Rome hat es 1971 verkündet, sondern die USA haben dies Ziel durch Kissingers Memorandum NSSM 200 im Jahre 1974 zur Staatsdoktrin erhoben – mit dem einzigen, feinen Unterschied, daß die Amerikaner sich um den Weißen Mann Europas herzlich wenig scheren. Sie beanspruchen vielmehr das Recht auf alle Rohstoffe für sich (das ist kein Witz – NSSM 200 gilt nach wie vor). Dazu gehört auch – von Kissinger im besagten Dokument klar ausgesprochen –, die Bevölkerung potentieller Konkurrenten zu dezimieren.

Die Mittel sind vielfältig. Verhütungs- und Abtreibungspropaganda ist nur eins der Instrumente. Wirtschaftliche Mittel sind ein anderes, exemplarisch zu studieren in Rußland oder Argentinien. »Privatisierung« steht auf dem Etikett. Ein weiteres – und sich neuerdings immer größerer Beliebtheit erfreuendes – Mittel ist der Krieg, von Kolumbien und Angola bis nach Kaschmir. Wie im Kongo die Vertreter der britischen, amerikanischen und kanadischen Minengesellschaften, im verachteten Negerblut watend, ihre Geschäfte machen, das gehört ebenso ins Bild.

Und genügt all dies nicht, so finden eifrige, aus öffentlichen Mitteln hochbezahlte Ökologen flugs die nächste Umweltunverträglichkeit eines den Niggern lebensnotwendigen Gutes, eines Impfstoffs oder Schädlingsbekämpfungsmittels, das natürlich nach entsprechenden Kampagnen – bei uns erledigen das Spiegel und Panorama – umgehend verboten wird. Und schon hat die – ebenso künstlich wiederbelebte – Malaria Gesellschaft. Es lebe die Pest, es lebe auch die Cholera, hurra! hurra! – Was, will da einer den Opfern helfen? Na, na! Legalisieren wir schnell die preiswerte Euthanasie und privatisieren wir die bevölkerungspolitisch ohnehin bedenkliche Gesundheitsvorsorge, dann kann so was nicht mehr passieren.

Im übrigen ist die Behauptung einer angeblichen Überbevölkerung und der ebenso angeblich begrenzten natürlichen Vorräte schlich falsch. Wahr ist, daß stets in der Geschichte das Wachstum des Wohlstands mit einer Zunahme der Bevölkerungsdichte einherging. Bevölkerungsabnahme oder -verlust dagegen hatte immer katastrophale wirtschaftliche Folgen.

Wir werden das wahrscheinlich selber noch erleben, zumindest die Anfänge solchen Niedergangs infolge Bevölkerungsverlustes. Denn wir steuern auf eine solche finstere Zeit zu. Der UNFPA selbst hat seine Bevölkerungsprognosen längst – vor ein oder zwei Jahren – entsprechend korrigiert: den absehbaren Kollaps der Weltbevölkerung freilich als Erfolg feiernd.

Sollte es jedoch den Anständigen noch gelingen, das Ruder herumzuwerfen und diesen Kollaps zu verhindern, dann ist die Welt immer noch nicht entfernt überbevölkert. Vielmehr sind weiteste Teile der Erde nahezu menschenleer: Da liegt die Aufgabe des menschlichen Geistes: die Erde fruchtbar zu machen und zu bevölkern. Nicht abtreiben und ausrotten, sondern: das Rad erfinden, die Windmühle, die Wasserkraft entdecken, die Dampfmaschine, die Eisenbahn, das Automobil erfinden, elektrisches Licht, Narkose und Insulin, Brillengläser und Penicillin, zehnfache Ernte bringende Reispflanzen, Transrapid und Besiedlung des Mars.

Noch einmal: Machen wir die Erde fruchtbar und bevölkern sie, auch und gerade da, wo sie heute noch »wüst und leer« ist. Noch viele Milliarden haben Platz, und längst bevor Amerika oder Sibirien so dicht besiedelt sein werden wie heute Holland, wird der Mensch auf andere Planeten ausgreifen und sie besiedeln. Es sei denn, diese Weltzeit findet zuvor schon ihr Ende.
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Schwesterwelle oder Sozen?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn (22. April 2006) hat geschrieben:Es ist richtig, daß das soziale Element in der Politik derzeit nahezu
völlig untergeht im Sog des neoliberalen Monetarismus, wie ihn die
Herren des Geldes diktieren.

Die Regierung aus SPD und Grünen hat, solange sie an der Macht
war, diese Tendenz noch verstärkt. Der neuerliche Regierungswechsel
bedeutet eine neue Beschleunigung der verderblichen Fahrt.

Daß Teile der SPD und insbesondere der CSU wenigstens etwas zu
bremsen versuchen, nützt nicht viel. Die SED oder PDS – oder wie
immer sie jetzt heißt – würde daran gar nichts ändern. Im Gegenteil,
wo sie in Regierungsverantwortung ist, treibt sie die verhängnisvolle
Politik noch voran.

Daß ein Oskar Lafontaine auch einmal vernünftige Denkansätze
hatte – die wohl vor allem von seinem früheren Berater Heiner Flaß-
beck stammten –, ändert daran leider nichts.

Woran liegt es, daß man die Sozialleistungen immer weiter ein-
schränken zu müssen meint? – Vor allem sind es folgende Gründe:
1. zu geringe Einnahmen wegen der hohen Arbeitslosigkeit (bzw.
zu geringer Beschäftigung);
2. zu geringe Einnahmen wegen der Umkehrung der Alterspyra-
mide, also des Verhältnisses von Erwerbstätigen und Rentnern;
3. zu geringe Einnahmen wegen der zu geringen Löhne und Gehäl-
ter der Erwerbstätigen;
4. zu geringe Einnahmen wegen der sinkenden Arbeitgeberanteile
an den Sozialbeiträgen.

Wenn also tatsächlich den Sozialkassen Geld fehlt, kann man nicht
– ohne weitere, grundsätzlichere Änderungen der Politik – stur auf
dem bisherigen Status beharren. Man kann Sozialleistungen nicht
auf Dauer auf Pump finanzieren, sie müssen vielmehr erarbeitet wer-
den.

Die Frage ist: Wie kann man mit Erfolg erreichen, daß Sozialleistun-
gen wieder finanzierbar werden?

Dazu einige Gedanken. Erstens hat sich die Behauptung als falsch
erwiesen – und nicht erst jetzt, sondern bereits mehrfach in der Ge-
schichte –, eine „Senkung der Arbeitskosten“ (also der Löhne und
Gehälter einschließlich der sogenannten Nebenkosten fürs Soziale)
führte zu wirtschaftlicher Belebung.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Industrie fährt erhebliche Gewinne ein,
doch partizipieren daran vor allem die Aktionäre. Hier herrscht weit-
hin die Mentalität, kurzfristig die shareholders zu befriedigen (und
natürlich die Vorstände). Die Arbeitnehmer gehen leer aus, ebenso
die Volkswirtschaft insgesamt, weil die Unternehmensgewinne nicht
hinreichend in die Kaufkraft des Volks zurückfließen; aber auch, weil
bei weitem nicht genügend reinvestiert wird, jedenfalls nicht im In-
land.

Umgekehrt ist auch das Argument verfehlt, niedrige Arbeitskosten
kämen dem „Standort Deutschland“ zugute. Wir brauchen gar kein
ausländisches Kapital. Das kommt sowieso – und bemächtigt sich der
von der öffentlichen Hand verscherbelten Infrastruktur, nebenbei
eine weitere volkswirtschaftliche Katastrophe.

Was brauchen wir also tatsächlich? – Erstens: Schluß mit dem Lohn-
und Gehaltsdumping. Hierbei sind staatliche Maßnahmen unerläß-
lich, notfalls auch Eingriffe in die „Tarifautonomie“.

Zweitens staatliche Kontrolle des Devisenverkehrs. Unternehmensge-
winne müssen primär im Inland bleiben und dort reinvestiert oder an
die Arbeitnehmer ausgeschüttet werden. Hierbei ist auch an eine ver-
schärfte Börsenaufsicht sowie an Einschränkungen des Aktienhandels
zu denken. Insbesondere beim Derivatehandel sind, sofern nicht gänz-
liche Verbote, empfindliche Steuern auf diese schädlichen Casino-Wet-
ten geboten.

Hierzu gehört auch, daß dem Diktat der Rohstoffbörsen hinsichtlich
der Energiepreise Einhalt geboten wird. Zum Beispiel durch feste
Lieferverträge mit den Erzeugerstaaten. Jedenfalls müssen die enor-
men Gewinnmargen des spekulativen Zwischenhandels an den Spot-
märkten eliminiert werden. Vollständig.

Drittens die staatliche Förderung zukunftsträchtiger Investitionen
durch langfristige, zinsgünstige Kredite. Dazu brauchen wir eine ech-
te Nationalbank als wirtschafts- und finanzpolitisches Instrument der
Regierung. Schluß also mit der niemals und durch nichts irgendwie
begründeten, aber von allen geglaubten Behauptung von der Not-
wendigkeit „unabhängiger“ Notenbanken.

Weshalb sollte wohl eine Notenbank unabhängig vom Staat sein? –
Damit sie um so abhängiger von den internationalen Herren des Gel-
des ist und deren Interessen allein dient. So ist heute die Lage. Schluß
damit. Weg mit Maastricht, weg mit der EZB, für eine Bundesbank,
die dem deutschen Volk gehört und von ihm kontrolliert wird, mit
einer angegliederten KfW also besonderem Instrument nationaler
Wirtschaftsförderung.

Unter zukunftträchtigen und darum förderungswürdigen Investitio-
nen sind insbesondere solche in die öffentliche Infrastruktur zu ver-
stehen. Ich habe es hier neulich schon einmal geschrieben: »Arbeit
schaffen für alle durch neue Ziele, neues Denken. Landesausbau
und Erschließung, Magnetbahn und Schiffahrtswege, Wasserkraft
statt Krötenbiotop und Kernkraft statt Windmühlen. Das muß der
Staat nicht selber tun. Er muß es aber lenkend, fördernd und for-
dernd anstoßen. Denn allein bleibt die Wirtschaft gelähmt. Den
Transrapid nach Paris und Moskau. Nach Palermo, Konstantinopel
und Kiew. Eine neue Generation von Hochtemperaturreaktoren.
Gelder in die Forschung: für Kernfusion und Brennstoffzelle.«

Und nebenbei: Auch der Staat selber muß wieder zu investieren be-
ginnen. Zu beginnen wäre mit dem Abbau des erheblichen Erhal-
tungsrückstaus bei der öffentlichen Infrastruktur. Schulen, Straßen,
Brücken, Wasserwerke. Die Substanz verfällt weithin.

Vierter Punkt: Förderung der Familien, drastische Erhöhung der
Kinderzahl. Aber dazu sag’ ich jetzt nichts, das wär’ ein Thema für
sich.
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lutherbeck
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Re: Staatsschulden: "Kaufmännisch pleite"

Beitrag von lutherbeck »

Robert - in einigen Dingen hast Du ja recht - aber bei der Kernenergie muß ich Dir nun doch widersprechen!

Wo bitte willst Du die atomaren Überreste für mehrere Jahrhunderte und mehr sicher lagern? Was nun, wenn unsere Kinder und Enkel mit diesem giftigen Erbe völlig überfordert sind? Was, wenn die politischen Umstände sich verändern und die Sicherheit der Lagerstätten nicht mehr dauerhaft gewährleistet werden kann? Wäre dann nicht der Zerstörung der Schöpfung durch unseren egoistischen Energiebedarf Vorschub geleistet? Wäre dies nicht eine Sünde, die gewissermaßen posthum auf uns zurückfallen könnte?

Und sollten wir nicht zuerst versuchen alle bisher auf diesem Planeten lebenden Menschen satt zu bekommen, bevor wir über die Besiedelung anderer Welten nachdenken?

Lutherbeck :hae?:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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Robert Ketelhohn
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Kohl oder Herrhausen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn (11. September 2008) hat geschrieben:Man muß vor allem neue Kernkraftwerke bauen (provisorisch, bis zur wirtschaftlichen Nutzbarkeit der Kernfusion, an welcher man endlich intensiv forschen muß). Zunächst aber Kernkraftwerke, insbesondere HTR: die Stillegung von Hamm-Uentrop war eine ebensolche verbrecherische Idiotie wie das Abservieren des Transrapid.

Aber Kohl war letztlich eben auch nur Befehlsempfänger. Und er wollte gewiß nicht Herrhausen nachfolgen.
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Robert Ketelhohn
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Wertschaffende Investitionen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn (8. Dezember 2008) hat geschrieben:
Die marktschreierische Schuldenwarnung ist grober Unfug. Unterscheidungs-
vermögen ist gefragt. Sinnvolle, wertschaffende Investitionen durch Kredite zu
finanzieren ist überhaupt kein Problem. Das gilt insbesondere für Investitionen
in die Infrastruktur.

Dabei geht es hier gar nicht unbedingt um unittelbare Staatsverschuldung. Zwar
soll der Staat durchaus auch selber investieren – gerade die für das Gemeinwohl
entscheidend wichtige Infrastruktur ist eine öffentliche Aufgabe, sie soll entweder
in staatlicher Hand oder mindestens staatlich kontrolliert sein –, aber vieles kann
und soll auch über privatwirtschaftliche Investoren abgewickelt werden – wie es
z. B. beim Transrapid ja mal vorgesehen war. (Hätte Kohl Rückgrat gehabt, führe
der Transrapid seit über einem Jahrzehnt durch halb Europa.)

Entscheidend ist, daß der Staat wirtschaftslenkend tätig wird und für sinnvolle,
zukunftsträchtige Projekte zinsgünstige Kredite durch ein geeignetes Institut (wie
eine ihrem ursprünglichen Sinn entsprechende KfW) vergeben läßt und verbürgt.

Eine solche Politik rentierte sich sehr schnell. Selbst auch direkte staatliche Inve-
stitionen, die durch Schuldenaufnahme finanziert werden. Es kommt darauf an,
daß die Investitionen physische Werte schaffen (also nicht als Konsum verpuffen)
und weitere Wirtschaftstätigkeit anregen.
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Robert Ketelhohn
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Wirtschaftswunder Asien

Beitrag von Robert Ketelhohn »

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Raphael

Re: Staatsschulden: „Kaufmännisch pleite“?

Beitrag von Raphael »

Ohne jetzt den neuen Link auf die BüSo-Seite gesehen zu haben: Robert ich fürchte, Du hältst die Finanzmagnaten für zu dumm!

Wenn der Staat Infrastrukturmaßnahmen in dem von Dir vorgeschlagenen Umfang durchführen würde, dann könnte er dies derzeit nur noch fremdfinanzieren. Die Fremdkapitalgeber sind jedoch gewarnt, weil mittlerweile auch über einen Staatsbankrott diverser Staaten ganz offen gesprochen wird. Argentinien und Island haben's vorgemacht, Griechenland, Irland, Spanien etc. könnten folgen.

Große amerikanische Fondsgesellschaften wie bspw. PIMCO sprechen schon Empfehlungen aus, keine amerikanischen Staatsanleihen mehr zu kaufen. Und letzte Woche wurde in den Gazetten gemeldet, daß China nun nicht mehr der größte Gläubiger der USA ist, weil von seinen Notenbankmanagern massiv US-Staatsanleihen verkauft wurden. Begründung: Völlig rationales Management ihrer nationalen Devisenreserven!

Der deutsche Bundeshalt 2010 bricht bekanntlich den Neuverschuldungsrekord in spektakulärer Weise. Der deutsche Politiker, der für weitere Verschuldungen plädieren würde, gräbt sich sein eigenes Grab .........

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cantus planus
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Re: Staatsschulden: „Kaufmännisch pleite“?

Beitrag von cantus planus »

Genau das war meine Befuerchtung, als ich vor 14 Tagen meine letzten Fonds abgestossen habe: ich glaube, der Zug ist abgefahren. Wenn es nicht sehr bald rapide mit der Wirtschaft bergauf geht (wofuer ich im Gegensatz zur Regierung derzeit keine Anzeichen sehe), geht es noch kraeftiger bergab - in eine Region, ueber die derzeit niemand laut nachdenken will. Ich hoffe, dieser Kelch geht an uns vorbei...

Letzte Woche gab es einen interessanten Artikel in einer englischen Zeitung (weiss leider nicht mehr, in welcher), der sich wunderte, warum der deutsche Steuerzahler eigentlich nicht gegen das Milliardenverschleudern von Steuergeldern fuer alle moeglichen Rettungen, zuletzt fuer Griechenland, protestiert.

Dann wurde verglichen, was bei einer richtigen Krise passieren wuerde: England kann dem Zusammenbruch in gewissen Rahmen zunaechst noch durch Inflation auffangen - schon dieses Mittel hat dei Euro-Region nicht. Die EU hat nicht mehr viel Luft. Man darf ja auch nicht vergessen, dass starke Laender wie Deutschland und Frankreich die Ausnahme sind, nicht die Regel. Die Mehrheit der EU-Mitglieder hat ebenfalls nicht mehr viel Luft..
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Robert Ketelhohn
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Re: Staatsschulden: „Kaufmännisch pleite“?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

cantus planus hat geschrieben:Wenn es nicht sehr bald rapide mit der Wirtschaft bergauf geht (wofuer ich im
Gegensatz zur Regierung derzeit keine Anzeichen sehe), geht es noch kraefti-
ger bergab
Wenn’s bergauf gehen soll, bedarf es einer Politik im oben von mir skizzierten Sinn.
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cantus planus
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Re: Staatsschulden: „Kaufmännisch pleite“?

Beitrag von cantus planus »

Das glaube ich im Prinzip auch. Dass die Versuche der Regierung derzeit (oder schon seit der Wiedervereinigung) teilweise vollkommen kontraproduktiv sind, ist ja kaum zu uebersehen. Doch glaubst du, es sei derzeit sinnvoll, noch tieder in die Schuldenkiste zu greifen? Ein Aufschwung wird auch dann noch einige Vorlaufzeit brauchen - in der Zwischenphase kann es recht heikel werden.
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