P. Daniel hat wieder Internet, und so berichtet er zur aktuellen Lage.
Gute Freunde,
vor genau 4 Monaten schickten wir den letzten Teil ("Miss Mais") unseres langen Serie von Kriegsrundbriefen, die im September 2012 anfing (Serie VI). Danach landeten wir im Auge des Sturms, in heftigem Kampf um unser Kloster und unsere Gegend, wovon ich den dramatischsten Moment nachher beschreibe, ohne Details. Der Krieg ist allerdings noch nicht vorbei. Danach ging nichts mehr außer einer kurzen SMS (wenn es klappte), später konnte man uns wieder von außen erreichen, allerdings konnten wir dann nicht mehr ins Ausland anrufen (Serie VII). jetzt haben wir (vorläufig ?) wieder Internet, ziemlich eingeschränkt, aber genug um Emails schicken und empfangen zu können. Damit beginnen wir die Rundbrief-Serie VIII.
Lasst uns zusammen uns einsetzen, kämpfen und beten. Weltweit heult man mit den Verfolgern mit und fügt unschuldigen Opfern Unrecht zu. Zunehmend werden vor allem die Christen, der christliche Glaube und die Kirche angegriffen. Möge Gottes Reich kommen, anstatt unterdrückender irdischer Regime !
P. Daniel
Freitag, 14. März 2014
Danke für Euer Mitfühlen
Ein kurzer Blick in die Unzahl an Emails hat uns sehr ermutigt.
Danke für die vielen Zeichen von Mitgefühl, mitbeten, mitkämpfen und mitleiden. Danke für die vielfache konkrete Hilfe, sowohl von Einzelnen, als auch von Pfarrgemeinden und Gruppen. Es tut den Menschen hier gut, wenn sie merken dass im Ausland Menschen sind, denen sie etwas bedeuten. Wir beten täglich für Euch, mit dankbarem Herzen. Wie ich schon erzählt habe, werden die Hilfsgüter von hier aus verteilt, in der ganzen Umgebung. Selber können wir wegen der Unsicherheit noch nicht nach draußen gehen, aber eine Gruppe Freiwilliger (die ich "die 12 Apostel" genannt hatte) macht eine hervorragende Arbeit, und versucht auch woanders solch beseelte Gruppen auf die Beine zu stellen, um gleichzeitig die Dörfer wieder als echte Brudergemeinschaften mit aufzubauen.
Inzwischen denken sie schon an den nächsten Schritt, Arbeitsplätze zu schaffen, damit die Menschen wieder ihr eigenes Brot verdienen können. Das ist nicht gemeint im Geist des westlichen, vernichtenden "freien Wettbewerbs", sondern im Geist der Solidarität. Ringsum sind Fabriken und Betriebe im Konkurs, die möglicherweise wieder aufgebaut werden können. Ein kleiner Betrieb, der gut arbeitet und gleichzeitig einem anderen kleinen Betrieb hilft, hat auch selber etwas davon. Konkurrenz gründet sich letztlich auf Neid, Unterdrückung und Gewalt.
Freude und Schmerz
Am Sonntag und Montag waren Damaskus und so ziemlich das ganze Land in Feierstimmung wegen der Befreiung der Schwestern aus dem orthodoxen St. Tekla-Kloster in Ma’aloula. Im Fernsehen hörten wir anrührende Zeugnisse, auch von Muslimen die noch einmal das Verlangen nach einem Leben in Frieden und Einheit ausdrückten: Christen und Muslime zusammen als die eine syrische Familie. Es erklangen Worte der Versöhnung und der Hoffnung. Eine Frau sagte es so: "Sie können wohl Kirchen, Moscheen, Kruzifixe und Marienbilder vernichten, aber sie nicht die Sure über Maria aus dem Koran streichen !" - Schade dass die Schwestern in ihrer Naivität ihren Entführern, Al Nousra, öffentlich gedankt und sie sogar gelobt haben. Die ganze Bevölkerung, die so schlimm unter den Greueltaten dieser Gruppe gelitten hat und noch leidet, schmerzt so etwas sehr. Hoffen wir weiter und beten, dass auch die anderen Entführten, wie die beiden Bischöfe von Aleppo bald frei kommen.
Der Zustand
Wir haben ungefähr das Nötigste und sind in Sicherheit. Von Mittwoch Nacht bis Donnerstag spät abends gab es noch einen langen Stromausfall - das ist romantisch, macht aber nicht wirklich Spaß. Allgemein bessern sich die Zustände langsam weiter. Die Armee geht vorsichtig und sehr systematisch vor. Rebellen werden so eingekreist, dass sie noch kapitulieren oder fliehen können. Die Rebellen werden nicht in den Würgegriff genommen, denn dann drohen sie jeden zu ermorden, den sie erreichen können.
Das Wetter
Was in Belgien ein alltäglicher Spielverderber ist, ist hier in dieser Woche ein Geschenk: der Regen. Jeden Tag gab es einen kräftigen Schauer und danach wieder Sonne. So hat die Natur selber die Hauptarbeit auf unserem Gelände gemacht. Die Wüste wird hoffentlich wieder blühen können.
Der große Schlag
Dass wir noch leben, und dass das Kloster noch steht, kann man ein Wunder nennen. Dafür gibt es keine einzige menschliche Erklärung. Wir blieben zwei Aufträgen treu. Zuerst haben wir uns selber strengsten Sicherheitsmaßnahmen unterworfen, die wir allerdings erst später erklären können. Danach haben wir jeden Tag glühend gebetet für den Schutz des Volks, des Landes und uns selber. Zu Tausenden waren sie hier überall um uns herum in der Gegend, die Männer mit schwarzen Bärten und schweren Waffen. Und das ging über Monate. Im Nachhinein hörten wir, dass man auch außen schon dachte, dass die Rebellen das Kloster erobert hätten, und dass die Armee lieber das Kloster bombardieren sollte. Die Armee hatte aber offenbar die Kinder im Kloster bemerkt, und so kam es anders. Schaut, wie wir es erlebt haben.
Ab Mittwoch, dem 13. November 2013 hatten wir uns bereits versteckt. Am Freitag hörten wir einen enormen Knall, und Staub drang in unseren Schutzraum. Sie hatten ein großes Loch in das Gebäude geschossen, mit Folgen für das ganze Bauwerk. Wir waren dort also auch nicht mehr sicher. Zwischen den Beschusswellen flüchteten wir immer zwei und zwei zu noch einem anderen Schutzraum.
Ab Sonntag Morgen, dem 17. November 2013 werden die Bombardierungen immer heftiger. Wir werden diese Nacht doch weggehen müssen. In ein benachbartes Dorf ? Jeder packt ein Päckchen mit der allernötigsten warmen Kleidung. Und zwischendurch in unserem Schutzraum immer schön Rosenkranz beten und Lieder singen. Es ist ein glühendes Gebet, das auch dazu dient, die Kinder abzulenken von den schweren Bombardierungen. Selbst die Muslimkinder können inzwischen schon das Ave Maria. Der Zustand wird so schlimm, dass wir nicht bis zur Nacht warten können, sondern so schnell wie möglich aufbrechen müssen. Die Päckchen, Taschen oder kleinen Rucksäcke, die jeder gepackt hat, werden zusammen gelegt. In der Kirche halten wir einen kurzen Gebetsgottesdienst und verzehren alle konsekrierten Hostien. Ich gebe auch die Generalabsolution. Dieses Kloster verlassen zu müssen, ist herzzerreißend. Aber - wie es vorher schon war, ist es auch jetzt wieder. Es erscheint viel zu gefährlich um los zu ziehen. Mit dem Schritt aus unseren Mauern wären wir bereits den Terroristen ausgeliefert, die sich in unserem Garten befinden. Eigentlich ist es eine Erleichterung, dass wir bleiben müssen. Zwischendurch werden allerlei kleine Leckereien, die noch vorhanden sind, nach oben geholt: Tee, warme Milch, ein Rest Essen ...
Am Mittag feiern wir dann doch die Sonntagseucharistie mit einem kleinen Tisch in der Kirche selbst, weil der Chorraum nicht so sicher ist wie das Kirchenschiff. Dann bricht endgültig die Hölle los, aber wir feiern weiter. Ohrenbetäubender Krach übertönt unsere Gebete. Wir geben einander den Friedenswunsch, als wenn es das letzte Mal ist, dass wir uns noch lebend begegnen. Danach essen wir alle zusammen noch etwas, reisefertig auf dem Fußboden sitzend in dem kleinen angrenzenden Raum, der uns als Küche dient. Der Beschuss und die Explosionen gehen in einem weiter. Am Nachmittag fangen einige Schwestern in unserem Schutzraum an, den Akathistos-Hymnus zu Ehren der Allerheiligsten Jungfrau zu singen, durch den Konstantinopel im Jahr 626 befreit wurde. Er wird vollständig gesungen, mit allen Gesängen, wie in der Fastenzeit, und er dauert Stunden. Und alles mit Kerzenlicht. Es werden noch die liturgischen Gesänge der Karwoche und von Ostern anhängt, als eine Feier vom Tod zum Leben. Noch nie haben wir diese schönen Gesänge so gut geprobt.
Zwischendurch kommen unsere Wachtposten immer wieder und sagen uns, wie die Lage ist. Die Armee treibt die Rebellen zwar in die Enge, aber es kommen immer wieder ganze Horden von neuen Rebellen dazu. Im Garten und rund um das Kloster ist alles voll mit schwer bewaffneten Rebellen. In der Nacht halten wir noch eine Nachbesprechung, bei der jeder versucht ehrlich zu erzählen, wie er diese Situation erlebt. Gegen zwei Uhr in der Nacht fallen die meisten in den Schlaf.
Montag Morgen, 18. November 2013. Von 4-6 Uhr enormes, anhaltendes Krachen mit schweren Bombardierungen. Die Gebäude zittern. Was ist los ? Die meisten sind hellwach und fangen an zu beten. Es ist jetzt klar, dass wir das Ziel für die Terroristen sind, die jetzt mit unserer Gemeinschaft endgültig abrechnen wollen, wie es leider in früheren Jahrhunderten schon wiederholt geschehen ist. Ist dies die letzte Stunde von Mar Yakub, auf die wir uns vorbereitet haben ? Die Stunde Null ? Uns bleibt nur banges Warten und inzwischen, so gut es geht, für einander zu sorgen.
Plötzlich fliegt die Tür unseres Schutzraums auf und ein Mann stürzt herein. Er trieft vom Regen und sagt mit einem Lächeln bis zu beiden Ohren: "Habt keine Angst, die Lage ist unter Kontrolle !" - und so war es auch mehr oder weniger. Massen von Rebellen sind vom Militär in die Enge getrieben worden und plötzlich in Panik geflüchtet. Diese frohe Botschaft kam wie von einem Engel der himmlischen Heerscharen des heiligen Michael. Ob ihr es glauben wollt oder nicht, der Name dieses Mannes war "Ruch Allah", Geist Gottes !
Von Herzen,
Priester Daniel Maes