Verheugen zum Zypernreferendum

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Juergen
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Verheugen zum Zypernreferendum

Beitrag von Juergen »

Gerade las ich eine Kurzmeldung in der Paderborner Kirchenzeitung. Die wortgleiche Meldung fand ich nun auch im Netz:
EU-Kommissar Günter Verheugen hat die ablehnende Haltung der orthodoxen Kirche auf Zypern vor dem gescheiterten Wiedervereinigungs-Referendum scharf verurteilt. Er habe "überhaupt keine Worte", um zu beschreiben, was er von den "rassistischen Äußerungen" orthodoxer Würdenträger auf Zypern halte, sagte Verheugen heute vor dem Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Die Haltung der griechisch-orthodoxen Kirche habe nichts, aber auch gar nichts von christlicher Nächstenliebe spüren lassen, im Gegenteil, so der für die Erweiterung zuständige deutsche EU-Kommissar. (kna)

Quelle: Von der Radio-Vatikan-Seite
Kann mich mal einer Aufklären, worüber Verheugen sich so aufregt und was dort gesagt wurde? :kratz:
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das ist Unfug. Verheugen ist ein übler Heuchler. Außerdem ist er beleidigt, weil ihm zypriotische Sender keine Sendezeit eingeräumt haben. – Die griechischen Zyprioten haben übrigens – das muß man gegen die Verdrehungen und Drohgebärden eines großen Teils der deutschen Presse und der Politik einmal ganz deutlich sagen – keineswegs die Einheit abgelehnt. Die Wiedervereinigung Zyperns ist ja vielmehr ihr oberstes politisches Ziel, seit das türkische Militär Zypern angegriffen, den Nordteil besetzt und die dort ansässigen Giechen vertrieben hatte. Abgelehnt haben die griechischen Zyprioten den unausgewogenen Plan der Vereinten Nationen, der den Griechen noch auf lange die Freizügigkeit verwehrte – um Nordzypern als ethnisch reines Türkengebiet zu erhalten – und ihnen überhaupt alle Lasten aufbürdete. Dem hätte ich auch nicht zugestimmt.
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

aus einem Beitrag im Deutschlandfunk vom 21. April 2004 , ein Interview mit Hubert Faustmann, Professor für internationale Beziehungen am Intercollege Zypern:

Sie sagten, sie [Anm.: die Inselgriechen] müssten überzeugt werden. Wer ja nun überzeugen könnte, das wäre einer wie EU-Kommissar Günther Verheugen. Aber wenn ich richtig informiert bin, kommt er gar nicht zu Wort. Die Zeitung "Sunday Mail" spricht sogar von Zensur, von einem Polizeistaat, der Lügen verbreite und Informationen unterdrücke. Wie gesagt, wir sprechen über den griechischen Süden.

Faustmann: Ja, es ist leider wahr. Es ist sicher so, dass der griechische Süden ein funktionierendender und sehr demokratischer Staat ist. Ihn als Polizeistaat zu bezeichnen ist sehr hart. Aber in dem speziellen Fall ist es leider wahr, dass die leitenden Organe des Staatsfernsehens und einer Privatstation beschlossen haben, keine Ausländer mehr in der Woche vor dem Referendum im Fernsehen zu interviewen, um - das ist das offizielle Argument - die Zyprioten selbst die Entscheidung treffen zu lassen. Das ist natürlich völliger Quatsch. Es ist klar, dass Ausländer wie Günther Verheugen stark für eine Lösung sind und für ein "Ja" , und wenn man denen keine Stimme im Fernsehen einräumt, dann ist das eine Form von Zensur. Das ist eine Form von Zensur, die in einer funktionierenden Demokratie, wie der im Süden, keinen Platz haben sollte, aber leider derzeit stattfindet.


Was den Konflikt betrifft, ich kann mich tatsächlich noch daran erinnern, auch an Bilder im Fernsehen, sogar die Gestalt von Erzbischof Makarios ist mir noch in Erinnerung. Ich war gegen Ende der offenen Auseinandersetzungen so um die 18. Einer meiner Freunde war Ende der 70er-Jahre bei einer der UN-Friedensmissionen im Land. Begonnen hat der Konflikt aber schon lange vor dem Eingreifen der Türkei, nämlich relativ kurze Zeit nach der Unabhängigkeit der Insel. Bei Staatsgründung war der türkischen Minderheit ein Vetorecht eingeräumt worden. Der Staatschef sollte Grieche sein, sein Vize Türke. 1963 wollte Erzbischof Makarios, damals Präsident, das Vetorecht kassieren bzw. einschränken, daraufhin brachen die Unruhen los. Die Ortschaften der Inseltürken wurden von der griechischen Armee abgeriegelt, es kam zu massiven Ausschreitungen seitens der Griechen, kurz: die Insel driftete geradewegs in einen Bürgerkrieg. Die UN entsandte Friedenstruppen. Dann war es für 10 Jahre relativ ruhig. 1974 kam es zu einem Putsch - ab hier setzen meine eigenen Erinnerungen ein - gesteuert von Griechenland. In Griechenland herrschten damals die Obristen, eine Militärdiktatur. Die Handlanger der Obristen wollten einen Anschluss ans "Mutterland" (Griechenland) herbeiführen. Die Putschisten setzten Nikos Sampson als Präsidenten ein. Sampson galt den Inseltürken als Verantworlicher für die seinerzeitigen Übergriffe. Als nun der Anschluss der Insel an die griechische Militärdiktatur drohte, marschierte die Türkei Ende Juli 1974 in den Nordteil der Insel ein. 200.000 griechische Zyprioten flohen in den Südteil. Die Insel wurde geteilt. In Griechenland stürzten als Folge des mißglückten Inselabenteuers die Obristen. Mein Freund Gerhard war dann '76 für 8 Monate im Auftrag der UN auf Zypern, allerdings nicht so sehr aus allgemeiner Menschenlieben, denn aus pekunitären Motiven.

Soweit meine Erinnerungen, "aufgespritzt" mit einigem Nachschlagen- und -lesen. Persönliches Fazit: ein Mix aus Staat und Kirche tut nicht gut, am wenigsten der Kirche.

Persönliche Meinung zum EU-Beitritt: die EU hätte den Zyprioten sagen sollen: gemeinsam oder einsam! Keine Einigung - kein Beitritt.
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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Eigentlich war meine Frage nicht die, was die UN für Pläne vorschlug oder nach dem Annan-Plan ,sondern nach der Rolle der orthodoxen Kirche, auf die Verheugen sich hier bezieht.
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Orthodoxe Bischöfe haben nachdrücklich aufgefordert, mit Nein abzustimmen.
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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das ist Unfug. Verheugen ist ein übler Heuchler.
Der größte Heuchler Europas ist für mich der eine EU Geldkassierer aus den Reihen der SPD, der sich erst von Berlusconi beleidigen ließ und jetzt, wo rausgekommen ist, dass er mit seiner Abkassiererei doch ein bischen übertrieben hat, jetzt geth der Typ auch in keine Fernsehnsendung mehr hin, als Berlusconi in beleidigt hatte, war der praktisch überall im Fernsehn. Doch er ist nicht der einizige, der hart bestraft gehört. Die anderen Frauen und Männer die mitkassiert haben, gehören auch hart bestraft.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Neulich hörte ich im Radio (Deutschlandfunk), dass die rumänisch-orthodoxe Nationalkirche kürzlich per Synodenbeschluss ihren Klerikern untersagt hat, politische Ämter zu bekleiden und/oder sich einseitig für eine Partei einzusetzen - das ist/war wohl bis dato nichts Ungewöhnliches gewesen.
Vielleicht kann uns Nietenolaf (oder jemand anderes) sagen, wie das bei den anderen Nationalkirchen gehandhabt wird.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Frag mal Gleb Jakunin …
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