http://www.handelsblatt.com/meinung/kol ... 6-all.htmlEs ist genau drei Jahre her: Um 12.18 Uhr am Donnerstag, 3. Juni 211, war es so weit: Bundestagspräsident Lammert bat die Abgeordneten zur Abstimmung per Handzeichen über die Novelle des Atomgesetzes und verkündete daraufhin: „Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der vier Fraktionen CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen angenommen.“ Deutschland hatte den Atomausstieg beschlossen. Die politische Klasse in Berlin war sich sicher – die Welt werde diesem Beispiel folgen. Tatsächlich aber passiert genau das Gegenteil.
Vor allem das neue Großmächte-Quartett (Brasilien, Russland, Indien und China) setzt massiv auf Atomenergie. In China sind nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) derzeit 29 neue Kernkraftwerke im Bau. Russland hat mit der Errichtung von zehn neuen Atomkraftwerken begonnen, in Indien werden bald sechs neue Meiler installiert sein. Der frisch gewählte indische Premierminister Narendra Modi erklärt: „Kernkraft wird ein Eckstein der indischen Energieversorgung.“
Doch nicht nur die aufstrebenden Wirtschaftsgroßmächte investieren massiv, immer mehr Länder entscheiden sich für den Neu-Einstieg, darunter die Türkei, Bangladesch, Ägypten, Jordanien, Nigeria und Vietnam. Selbst die Vereinigten Arabischen Emirate haben mit dem Bau eines Atomkraftwerks begonnen, ebenso Weißrussland und Finnland. Und rechtzeitig zur Fußball-WM meldet auch Argentinien den Spatenstich für ein neues Kernkraftwerk. Brasilien baut zwischen den Metropolen Rio de Janeiro und Sao Paolo die Anlage „Angra dos Reis“ am Atlantik. Auch die großen Bestände in Frankreich und den USA werden ausgeweitet.
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Im Rahmen dieses weltweiten Comebacks der Kernenergie hat sich nun auch Japan für eine Rückkehr zur Atomkraft entschieden. Man werde alsbald die ersten, nach der Atomkatastrophe von Fukushima abgeschalteten Meiler wieder anfahren, erklärten Regierungsvertreter in Tokio. Das AKW Sendai (Präfektur Kagoshima) auf der Südinsel Kyushu werde nach der Sommerpause als erstes wieder ans Netz gehen. Japans Strompreise sind nach der Abschaltung sprunghaft gestiegen, und die hohen Importe von Öl und Flüssiggas hat die Handelsbilanz Japans schwer belastet.
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Auch die direkten deutschen Nachbarn wollen die Atomenergie ausbauen oder ganz neu einsteigen. So will Polen ab 224 Atomenergie produzieren: In Zarnowiec (etwa 7 Kilometer von Danzig und 3 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt) soll das neue Kraftwerk entstehen. Derzeit wird der polnische Strom zu 85 Prozent aus Kohle produziert. Und auch Frankreich baut neue Atomkraftwerke – in Flamanville am Ärmelkanal entsteht gerade der dritte Meiler, er soll in zwei Jahren ans Netz gehen.
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Damit erweist sich der panikartige Atomausstieg der deutschen Politik vor drei Jahren als eine verblüffend einsame Veranstaltung. Die Berliner Energiewende wird im Ausland weithin als eine deutsche Kurzschlussreaktion angesehen, vor allem da sich die Folgeprobleme daraus immer weiter auftürmen. Der Netzausbau stockt, die Strompreise steigen, der Industriestandort wird belastet, Milliardensubventionen in alternative, aber unrentable Energien sind vergeudet und eine absurde, hochbürokratische Energieplanwirtschaft ist entstanden.
Zugleich wird die Stromversorgung in Deutschland labiler, denn die enormen Einspeisesubventionen für Ökostrom zwingen inzwischen sogar die modernsten und saubersten Gaskraftwerke der Welt zum Stillstand.
Nicht erwähnt wird in dem Artikel, daß die Ruhrgebietsstädte unter der Dividendenkürzung für ihre RWE-Beteiligung massiv leiden. Aber darüber können sich die örtlichen SPD-Granden nicht laut beklagen, hat ihre Partei doch immer den Atomausstieg gewollt. Auch die Gewerbesteuereinnahmen brechen weg.
Die politische Aussage, daß durch den Atomausstieg und die Förderung regenerativer Energien D. der Arbeitsmarkt boomen und die Exporte steigen würden, ist zumindest hier nicht im prognostizierten Umfang eingetreten - Arbeitsplätze und Exporte entstanden in China...
Noch katastrophaler könnten aber die Auswirkungen für die "Energiewende" sein, wenn sich die EU-Kommission durchsetzen sollte und die EEG-Umlage tatsächlich gegen den Binnenmarkt verstoßen würde. Die Bedenken der EU-Kommission sind einleuchtend:
(Hervorhebung von mir)Differenzen gibt es zwischen der Kommission und der Bundesregierung auch wegen der EEG-Umlage für Importstrom aus anderen EU-Ländern. Die Kommission habe neue Einwände erhoben und stelle damit "eine umlagefinanzierte Förderung der erneuerbaren Energien grundsätzlich in Frage", heißt es in einem Vermerk des Bundeswirtschaftsministeriums. Aus Sicht der Kommission sei die EEG-Umlage für Importstrom eine zollgleiche Abgabe und verstoße damit gegen europäische Binnenmarktregeln. Daher müsse die EEG-Umlage für importierten Strom grundsätzlich abgeschafft werden. Das aber lehnt die Bundesregierung ab.
"Dass geprüft werden muss, ob eine mögliche Benachteiligung von Importstrom durch Deutschland vorliegt, ist nicht neu", erklärte Almunia dazu. Wenn die Verbraucher sowohl auf heimischen Strom als auch auf importierten Strom eine Umlage zahlen müssten, die Einkünfte daraus aber nur heimischen Stromerzeugern zugute kommen, bestehe die – lange bekannte – Gefahr, dass dadurch ausländische Stromerzeuger benachteiligt würden, sagte er. Die Kommission habe darauf bereits im Dezember hingewiesen, als sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das EEG von 212 einleitete. Außerdem gebe es bereits Urteile des Europäischen Gerichtshofs zu ähnlichen Fällen.
http://www.mbi-infosource.de/article.php?id=267257
s.a. hier und hier.
Dazu kommen noch die möglichen Schadenersatzansprüche der Energiekonzerne wegen des überstürzten Atomausstiegs.
Wird man also doch, wie Weimer in dem oben verlinkten Artikel andeutet, die Atomkraftwerke länger laufen lassen:
Könnte das vielleicht der Grund sein, warum die Aktien von Eon und RWE in den letzten Wochen um fast 15% gestiegen sind....Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat wohl Recht, wenn er den überstürzten deutschen Ausstieg kritisiert. Man hätte sich tatsächlich mit der Abschaltung von Atomkraftwerken einfach mehr Zeit lassen, die Energiewende behutsamer angehen und viele Milliarden sparen sollen.
In der politischen Klasse sehen das erstaunlich viele so, und hinter vorgehaltener Hand flüstern sogar gestandene Minister, dass auch Deutschland vernünftigerweise seine technisch hochwertigen Atomkraftwerke länger laufen lassen sollte. Nur öffentlich traut sich das keiner mehr zu sagen.