offertorium hat geschrieben:overkott hat geschrieben:Jesus galt zu seiner Zeit als revolutionär.
Sagen das die jüdischen Schriften oder die christlichen?
Ich beschäftige mich seit einiger Zeit etwas intensiver mit dem Judentum und stelle fest, dass vieles, was wir Jesus als revolutionär zuschreiben, dort ganz übliche Praxis war.
Wäre Jesus nicht als Christus, also als jüdischer Thronanwärter empfunden worden, hätte es keinen bethlehemitischen Kindermord gegeben und auch die Inschrift über dem Kreuz hätte vielleicht gelautet: Hier hängt ein anderer.
Gerade der heilige Hieronymus macht mit seiner lateinischen Bibelübersetzung sehr klar: Christus bedeutet König der Juden. Entsprechend gebraucht er den Christustitel auch in der Übersetzung des Alten Testaments als jüdischen Königstitel für andere Christusse.
Herodes hatte vor Weihnachten Angst um seinen Thron. Er fürchtete eine Revolution. Und auch die Tempelherren wollten das Gesetz nicht prinzipiell neu interpretiert haben.
Z.b. die Diskussion um den Sabbat, oder die Feststellung, dass das Gesetz nur dann Sinn macht, wenn es mit Liebe erfüllt wird - als Antwort des Menschen auf Gott - und nicht zur bloßen Pflichtübung verkommt.
Wir können glauben, dass Jesu Botschaft bei breiten Teilen der Bevölkerung auf Gegenliebe gestoßen ist. Wir glauben, dass er sich selbst in die prophetische Tradition Jesaja gestellt hat und Gottes Wort Fleisch werden lassen, also verwirklichen wollte.
Wie revolutionär war Jesus also wirklich oder war er in seiner menschlichen Gestalt nicht "nur" ein Rabbi ?
Die Revolution Jesu ist zunächst am Kreuz gescheitert. Und doch war das Kreuz nicht das Ende. Christus erhob sich aus dem Grab in Gestalt der Kirche. Seitdem glaubt die Kirche, dass der himmlische Vater den Sohn mit seinem Geist erfüllt hat, weil dieser Geist als Antwort in der Tat auch aus dem Sohn hervorgeht.
Das wiederum löst aber nicht das von mir geschilderte Problem. M.E. haben wir Jesus immer sehr im Kontrast zum Judentum verstanden, deshalb war für uns auch plausibel, dass Jesus ganz andere Seiten gezeigt hat als YHVH im 5. Buch Moses. Wenn wir Jesus mehr in seiner Zeit sehen, kann uns dann vielleicht helfen, diese beide Seiten Gottes zusammenzubringen.
Man kann seit den beiden Schöpfungsgeschichten die biblische Bibliothek als Sammlung heiliger Schriften zur theologischen Kontroverse in Israel verstehen. Und wir glauben, dass Gottes Wort die biblischen Autoren inspiriert hat. Die theologische Kontroverse über Christus erlebte mit Jesus seinen Höhepunkt.
Denn man kann es ganz plastisch machen: Wenn Christus der Logos ist, der schon immer zu den Menschen sprach, der menschgewordene Gott, dann hat er Abraham den Befehl gegeben, seinen Sohn zu töten, dann hat er Moses die Erlaubnis gegeben, die Frauen feindlicher Völker zu versklaven und die Männer zu töten.
Hier geht es jetzt sprachlich munter durcheinander: Christus ( lateinische Übersetzung des hebräischen Wortes Meschiach ) und Logos ( griechisches Wort für Vernunft ) wird hier als Weihnachtsgott gedacht, der auch schon vor seiner Geburt zu Abraham gesprochen hat.
Ist das unser Bild von Christus? Nein, vermutlich nicht, jedenfalls nicht meines. Also müssen wir das zusammen bekommen. Und ich glaube, dass es uns helfen kann, Jesus in seiner Zeit zu sehen. Wieso eben dieser barmherzige Jesus zu den Menschen sagte, sie sollen den "AT Gott" anbeten. Erst wenn wir das verstehen, haben wir meiner bescheidenen Meinung nach eine Grundlage, um auch sagen zu können, warum wir von nur Einem Gott sprechen und dieser Gott immer der gleiche war. Dann haben wir aber auch die Grundlage dafür um den Moslems sagen zu können, warum "Allah", von dem sie ja sagen, dass es der Gott Abrahams ist, sich in Jesus Mensch wurde und sie diesem folgen sollten.
Wir glauben mit Jesus, dass es vernünftig und selbst evident ist, nur den Höchsten als höchsten zu betrachten und keinen zweiten. Wir glauben auch, dass die Liebe der alles verbindende Gedanke des Gesetzes ist, selbst in Form von Strafe für Sünde, die der Liebe widerspricht. Wir können mit Gesprächs bereiten Moslems im Koran lesen, dass Jesus in der Tradition der Propheten Gottes Wort verkündet und durch sein Handeln in die Welt gebracht hat. Wir glauben mit Jesus, dass wir Gott auf verschiedene Weise dienen können, so wie wir von seinem Geist inspiriert sind. Von daher glauben wir auch, dass wir prinzipiell mit Moslems in Frieden leben sollen und können.