Maurus hat geschrieben:
Die europäische Einigung, von deren Rückabwicklung trotz aller Probleme keiner etwas wissen will. Und trotz allen Unmuts will ja nichtmal Tsipras aus dem Euro raus. Wieso eigentlich nicht, wo doch eine jederzeit abwertbare Drachme das Allheilmittel für einfach alles wäre?
Die "europäische Einigung" hat doch durch den Euro eine Stufe erreicht, bei dem sie eben nicht mehr funktioniert. Natürlich kann man auf die weitere Entwicklung und Anpassung in der Zukunft hoffen, wie Du es offensichtlich tust. Nur übersiehst Du mE, daß die europäischen Völker unterschiedliche Kulturen haben, die miteinander nicht in Einklang zu bringen sind.
Die Südländer haben - und das sage ich ohne irgendwelche Wertung - eine ganz andere wirtschaftliche Einstellung als die Nordeuropäer. Wer jahrzehntelang seine Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten mit der Abwertung seiner Währung halten konnte, kann sich kaum an den Gedanken einer starken Währung gewöhnen. Eine unabhängige Zentralbank wurde in diesen Ländern erst auf deutschen Druck als Vorstufe zum Euro eingeführt. Davor folgten die Zentralbanken den Anweisungen der Regierungen, eine enge Zusammenarbeit der EZB mit den Regierungen gibt es heute schon (s. ELA-Kredite für GR, die nicht gestoppt werden, obwohl die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen). Inflationsbekämpfung, die Hauptaufgabe der Bundesbank, war dort im wesentlichen unbekannt - Tarifverträge in Italien enthielten z.B. jahrelang
Anpassungklauseln, die erst 1992 abgeschafft wurden.
Maurus hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Sind nicht europakritische Parteien erst seit dem Euro-Desaster entstanden und haben sie nicht weiterhin Zulauf? Nigel Farage, Le Pen, Wilders, Podemos in Spanien, Die Finnen in Finnland, Schwedendemokraten, die Volkspartei in Dänemark oder Beppe Grillo mit den 5 Sternen - sie alle wurden neu gegründet und/oder haben Zulauf. Das hat nicht nur mit dem Euro zu tun, aber durch ihn manifestiert sich das engere Zusammenwachsen der "Europäer". Er ist der Aufhänger für viele, die keine "Vereinigten Staaten von Europa" wollen.
Ich halte das eher für das Ergebnis der paternalistischen Politik der Euro-Gremien, die immer so tun, als wüssten sie besser als der Bürger, was gut für diesen ist. Wer immer noch als Gängelapparat erscheint, der darf sich über Gegenwehr nicht wundern. GB allerdings bildet da eine Ausnahme. Die sind der EWG nur beigetreten, um da mitreden zu können. Mitmachen wollten sie nie. De Gaulle wollte sie mW auch nicht dabei haben.
Das sehe ich anders. Die Parteien bilden sich, weil man zu tief in das Leben des Volkes eingreift - und zwar, um den Euro zu retten. Gouvernantenhafte "Betüttelung" der Bürger durch Brüssel gab es schon seit Jahren. Das nahm man, wie die "GurkenkrümmungsVO", grinsend zur Kenntnis; bessere Vorlagen konnte sich ein Kabarettist doch nicht wünschen.
Erst durch den Euro und die dafür erforderliche Anpassung der Wirtschaft, die sich direkt in die Lebensbereiche der Menschen auswirkt, wuchs der Unmut. Eine 35 Stunden-Woche wie in F. führte zu Wettbewerbsnachteilen der Unternehmen und der frühe Rentenbezug wie in Spanien und Portugal, die 13. und 14. Gehälter dort und in Griechenland standen plötzlich auf dem Prüfstand. Man wollte niedrige Zinsen, eine harte Währung und genehmigte sich Lohnerhöhungen wie früher.
Die Schuld an der dann natürlich erfolgenden Krise wird jetzt in D. gesucht und nicht im eigenen Verhalten.
Das läßt sich auch aus den Äußerungen des Mitbegründers von podemos, Juan Carlos Monedero, schließen. Er wurde an der Uni Heidelberg promoviert, kennt und bewundert D.. Aber die "Rezepte" zur Rettung des Euros, die nach seiner Meinung von Berlin erstellt wurden, passen seines Erachtens nicht für Spanien.
Statt auf Deutschland zu schimpfen, könnten Sie sich ja auch an der demokratischen Reife der Bundesrepublik orientieren: der soziale Dialog funktioniert, Tarifparteien regeln die Löhne, die Justiz ist unabhängig, und die Bürger nehmen am politischen und gesellschaftlichen Leben teil, die Korruption ist gering.
Deutschland ist eine Demokratie, die nach innen, für die eigenen Leute sehr gut funktioniert. Und ich bewundere das Bewusstsein des Einzelnen für die ganze Gesellschaft, die grundsätzliche soziale Verantwortung jedes Deutschen dem Staat gegenüber. Diese ist verankert in der Kultur. Ich bewundere auch die intellektuellen Debatten, die es in Deutschland gibt.
Die Kanzlerin Angela Merkel handelt auch durchaus gerecht ihrem Volk gegenüber. Die Deutschen genießen viele Sozialleistungen und Privilegien. Sie erleben Wohlstand, der Staat beschützt sie. Aber außerhalb des Landes agiert die deutsche Regierung alles andere als demokratisch und empathisch. Wir empfinden das deutsche Auftreten in Europa als vorschreibend, bestimmend und wenig solidarisch.
http://www.wiwo.de/politik/europa/podem ... 4-all.html
Die Behauptung von Monedero, daß das deutsche Auftreten "wenig solidarisch" sei, obwohl viele 'zig Mrden € an Hilfe gewährt bzw. dafür gebürgt wurde, zeugt entweder von Unkenntnis oder von Unverschämtheit - ich tendiere zu letzteren. Natürlich wird ein "Europäer" jetzt beschwichtigend einwenden, man solle das nicht überbewerten. Für mich ist es aber ein Beweis, daß die hohen finanziellen Leistungen, die D. erbracht hat und für die es mit dem Steuergeld - also letztlich der Arbeit seiner Menschen - bürgt, von den Empfängern nicht gewürdigt werden. Wie aus der unterschiedlichen Sicht ein "gemeinsames Europa" wachsen soll, erschließt sich mir nicht.
Die im Vergleich zu D. geringere Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder ist einer der Gründe für die dortigen Schwierigkeiten. Ein anderer ist die unterschiedliche Mentalität. Eine Mitbestimmung wie in D. ist eben in Ländern, in denen der Unternehmer als "patron" gesehen wird, der die Arbeiter nur ausbeutet, nicht vorstellbar.
Man kann glauben, daß sich irgendwann alles in Wohlgefallen auflöst, aber warum sollte z.B. der schwache Euro den Südländern größere Vorteile bringen als der deutschen oder nordeuropäischen Industrie? Wechselkursbedingte Preisanpassungen der Südländer sind nicht mehr möglich - man muß also direkt mit der hocheffizienten Industrie in Nordeuropa konkurrieren. Das hat schon in der Vergangenheit nur über Abwertungen geklappt - wie soll es heute funktionieren?
Maurus hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Der schwedische Finanzminister weist einen Eurobeitritt, zu dem man vertraglich verpflichtet wäre, weit von sich - ebenso wie Polen, das den Euro auch einführen müßten.
Wen kann das in einer Krise verwundern? Keinen. Und? Irgendwann sind Krisen vorbei.
Das Ende der Krise wurde doch schon häufig ausgerufen. Vor genau einem Jahr platzierte GR aus eigener Kraft eine Anleihe auf dem Kapitalmarkt. Die Regierung und die
Presse jubelten, die Anleihe war achtfach überzeichnet, der Zinssatz betrug 4,75%. Heute werden zweijährige gr. Staatspapiere mit 26,28% Rendite gehandelt - und keiner will sie.....
Die Erfolgsmeldungen aus Spanien und Portugal sollten auch nicht überbewertet werden. Zum einen ist die Arbeitslosigkeit dort noch immer sehr hoch, Jugendliche finden kaum eine Stelle und machen sich wie ihre Väter und Großväter auf den Weg nach Alemania. Zum anderen haben wir im Augenblick eine Boomphase. Wie lange die - trotz der Gelddruckerei der EZB, der Liraisierung des Euros und des billigen Rohöls - noch anhält wissen wir nicht.
Die Probleme dort sind doch nicht gelöst.
Bei den europäischen Banken insgesamt schlummern faule Kredite iHv 9 Mrden € - sie entfallen ganz überwiegend auf die Banken in Spanien und Italien. Das ist der vierfache Betrag, der bisher in GR versenkt wurde. Wenn hier Abschreibungen notwendig werden, bricht das Bankensystem dort zusammen. Frau Merkel hat erlaubt, daß eine "Bankenrettung" direkt durch den ESM möglich ist, um einen Anstieg der Staatsverschuldung (und damit der wichtigen Schuldenquote) des jeweiligen Landes zu vermeiden. Der ESM hat
aktuell ein Ausleihvolumen von 45 Mrden €. Er würde also gerade 5% der faulen Bankkredite abdecken können. Für weitere Hilfen an kriselnde Staaten wäre dann kein Geld mehr da.
Solange der Euro existiert, wird auch die Krise nicht vorbei sein - es sei denn, man schafft die "Vereinigten Staaten von Europa" mit einem intereuropäischen Finanzausgleich. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß dies eine Mehrheit in D. finden würde. In dem oben verlinkten Interview mit Herrn Monedero kann man lesen, was D. dann erwarten würde - gemeinschaftliche Entscheidungen in der EU, wofür Geld ausgegeben werden soll. Wer es zu beschaffen hat, dürfte jedem klar sein.