Robert Ketelhohn hat geschrieben:Du scheinst weder vom Partisanenkrieg noch von der aktuellen Lage
im Irak einen blassen Dunst zu haben.
Ich habe allgemein geantwortet, nicht die Lage im Irak bewertet. Es mag sein, daß ein Partisane im Irak leicht die dünne Linie zum Terrorismus überschreiten kann. Aber selbst, wenn er sie nicht überschreitet, muß ich mich fragen, unter welcher Autorität und mit welchem Ziel er kämpft. Um die Herrschaft der Baath-Partei wiederherzustellen? Das kann ich ebensowenig gutheißen wie den gesetzlosen Terrorismus.
Am 2. Oktober legten die USA dazu ihre Argumentation vor. Im we-
sentlichen bestand sie darin, die Anschläge als von el-Qaida durchge-
führt und vom afghanischen Taliban-Régime mindestens aktiv unter-
stützt darzustellen.
Daraufhin wurde der besagte Beschluß gefaßt. Gegenstand war die
Unterstützung des (längst) geplanten Angriffs auf Afghanistan durch
die Nato-Satelliten. Mit der Beseitigung des Taliban-Régimes ist der
Beschluß vom 2. Oktober 2001 also hinfällig, selbst wenn man all sei-
ne falschen Voraussetzungen akzeptierte.
Tut mir leid, aber für diese Sichtweise finde ich keinerlei Bestätigung in den offiziellen Verlautbarungen.
Diese Pressemitteilung zum Beispiel benennt als Urheber des Angriffs das internationale Terrornetzwerk. Die Taliban haben den Jihadisten Unterschlupf gewährt, deshalb waren sie verständlicherweise das erste Ziel des Feldzugs, aber nichts läßt darauf schließen, daß die NATO die Taliban als
einzigen Feind betrachtet hat. Eine solche Betrachtungsweise widerspräche auch dem erklärten Ziel des Artikel 5, nämlich der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Sicherheit im nordatlantischen Raum. Solange Jihadisten international operieren, und das tun sie offensichtlich auch nach Vernichtung ihrer Lager in Afghanistan, ist die Sicherheit nicht wiederhergestellt.
Aber selbst wenn man diese falsche Darstel-
lung als (wenigstens zum damaligen Zeitpunkt) gegeben voraussetzt,
war die Konsequenz eines Krieges gegen Afghanistan absurd. Mit ähn-
licher Begründung könnte man Italien wegen der Mafia angreifen.
Das ist die offensichtliche Ursache der kognitiven Dissonanz zwischen uns: Du siehst 9/11 noch immer als Verbrechen, nicht als kriegerischen Akt einer politischen Entität. Ich kann mich diesem Urteil nicht anschließen. Sowohl die Mittel, die al-Qaeda (wenn wir Gesamtheit der jihadischen Sekten so bezeichnen wollen) einsetzt als auch ihre Motivation sind nicht mit annähernd mit denen der Mafia vergleichbar. Es geht den Jihadisten nicht um persönliche Bereicherung. Sie erklären selbst, daß sie einen heiligen Krieg gegen uns führen, und ich bin dafür, sie bei ihrem Wort zu nehmen.
Und wenn deine »Zivilisation« durch Bomben und Napalm auf den
Irak verteidigt wird, dann sagt das viel über dich – und über meine
moralische Verpflichtung gegenüber dieser „Zivilisation“.
Hier bin ich nicht sicher, worauf du hinauswillst -- daß es für einen Soldaten tragischer ist, durch Bomben und Napalm zu sterben als durch Pfeile und Schwerter? Daß du auf dem besten Weg zum Anarchismus bist?
Bellum justum gegen den Irak. Gerechter Krieg. O Mann. Na, bring mal
die Argumente (von Weigel, dem kriegstreibenden Amerikanisten?)
Eigentlich sollte ein Mann mit deinen theologischen Neigungen das Projekt von George Weigel begrüßen, klassische Sichtweisen auf moralische Herausforderungen von der Patina des sentimentalen Humanismus zu befreien, selbst wenn du nicht mit jeder praktischen Implikation dieser Restauration übereinstimmst. Die großen Theologen der Vergangenheit jedenfalls haben ihre Aufgabe nicht darin gesehen, der legitimen Gewaltausübung weltlicher Herrscher praktisch unüberwindliche Hürden in den Weg zu stellen, wie es die modernen Pazifisten mit ihrem Geschrei nach den UN tun. Wenn deine Vorurteile dich nicht blendeten, sähest du hier das Potential zu fruchtbaren Allianzen.
Saddam Hussein war, man halte den Duden bereit, ein Tyrann. Er hat seine eigene Bevölkerung massakriert, unprovozierte Eroberungskriege geführt und nach Massenvernichtungswaffen gestrebt. Die Bedingungen des Waffenstillstands von 1991 haben ihn zu klaren Auflagen verpflichtet; er hat sie nicht erfüllt. Er hat das Embargo unterlaufen und das
Oil for Food-Programm korrumpiert. Er war in jeder Hinsicht ein böser Mann, und seine Bestrafung und Entfernung durch kriegerische Mittel gerechtfertigt. Ob sie zum damaligen Zeitpunkt auch
opportun war, daran habe ich zwar berechtigte Zweifel; aber das wird dich kaum zufriedenstellen, denn weniger als die vollständige Dämonisierung der US-Administration ist dir nicht genug.
… dieser Krieg, der gegen Saddam, … ist so schnell
gewonnen worden …
In welcher Welt lebst du? Auf dem Holodeck?
Saddams Heer ist zerschlagen, und er steht vor Gericht, oder etwa nicht?
Offenbar viel, wenn nicht alles. Wenn du mit dem schlimmsten Gemet-
zel beginnen willst, dann fang mit Falludscha an.
Du solltest den Duden vielleicht doch häufiger konsultieren. Mit Fallujah könnte ich relativ leicht Begriffe wie "tragische Zwischenfälle auf Kundgebungen bewaffneter Demonstranten" und "lange Belagerung nach schweren Aufständen" assoziieren; aber wenn du das als "Gemetzel" und "Massaker" brandmarken möchtest, lebst du zwar nicht auf dem Holodeck, aber rhetorisch im selben Haus wie Volker Beck und Claudia Roth.
Und es geht hier auch nicht um simple
politische Differenzen, sondern um mörderische Menschenschlächter,
die die ganze Welt mit Krieg zu überziehen drohen.
Nehmen wir an, obwohl es absurd ist, ich würde Massenmord rechtfertigen. Welche Sünde ist größer: Massenmord oder Schisma?
Meine Intention für diese etwas unangenehme Frage ist, ich rufe es in Erinnerung, nicht die anwesenden Schismatiker herabzusetzen (sie sind mir sehr sympathisch), sondern nur die Prioritäten ins rechte Licht zu rücken.
Augustinus (contra Faustum, l.xxii) hat geschrieben:Quid enim culpatur in bello? An quia moriuntur quandoque morituri, ut domentur in pace victuri? Hoc reprehendere timidorum est, non religiosorum. Nocendi cupiditas, ulciscendi crudelitas, impacatus atque implacabilis animus, feritas rebellandi, libido dominandi, et si qua similia, haec sunt quae in bellis iure culpantur; quae plerumque ut etiam iure puniantur, adversus violentiam resistentium, sive Deo, sive aliquo legitimo imperio iubente, gerenda ipsa bella suscipiuntur a bonis, cum in eo rerum humanarum ordine inveniuntur, ubi eos vel iubere tale aliquid, vel in talibus obedire iuste ordo ipse constringit.