Martin O hat geschrieben:Der letzte Satz ist richtig, aber nur dieser. Immerhin hatten im antiken Rom Christen mit dem Tod am Kreuz oder vor den Löwen zu rechnen und Rechtsmittel gegen die Machthaber hatte nur der römische Bürger, was Paulus zwar selbst, aber die wenigsten seiner Adressaten waren.
Projiziere die Ereignisse der Zeit Neros mal nicht ein Dritteljahrhundert zurück, Martin.
Martin O hat geschrieben:Zensur und damnatio memoriae waren im antiken Rom durchaus nicht unbekannt, Protest dagegen nur römischen Bürgern möglich. Wer das Pech hatte, in einer Provinz zu leben, genoß weder Reisefreiheit noch Meinungsfreiheit. Wenn du tagtäglich das gegenwärtige System beschimpfst, blüht dir im schlimmsten Fall eine Geldstrafe, vermutlich nur scharfe Kritik. Derjenige Jude / Gallier / Grieche / Phönizier, der seinen römischen Statthalter einen Idioten nannte oder dessen Steuerpolitik als räuberisch kritisierte, riskierte, zur Freude der Öffentlichkeit von Löwen zerfleischt zu werden, tagelang bis zur Erstickung am Kreuz zu hängen oder andere unangenehme Todesarten.
Da geht dir einiges Durcheinander. Der damnatio memoriae verfielen überhaupt bloß römische Bürger, und auch nicht irgendwer, sondern lediglich einige principes. Zum Beispiel Nero. Es handelt sich um das Gegenstück zur Divinisierung. Grundlage ist ein Verfahren oder Beschluß der Aristokratie nach dem Tode des Herrschers. In der jüngeren Vergangenheit haben wir ähnliches nach dem Tod Stalins erlebt. – Kurz: Das hat mit dem Thema nichts zu tun.
Zum Thema der Provinzialen und der Steuerpolitik römischer Statthalter lies einmal in einem Geschichtsbuch unterm Stichwort „Repetundenprozeß“ nach.
Reisen konntest du im römischen Reich natürlich auch, wenn du nicht römischer Bürger warst. Für die meisten Menschen war das freilich überhaupt keine Frage, die sich je stellte. Ferner sahen die Reisemöglichkeiten ganz praktisch zu verschiedenen Zeiten je ganz verschieden aus: in den Bürgerkriegen der späten Republik war’s schwierig, im frühen Prinzipat wieder viel leichter. Später wurden – abgesehen von Kriegssituationen – die Regulierungen verstärkt, andererseits auch das römische Bürgerrecht ausgeweitet. Und so weiter. Pauschale Aussagen sind kaum möglich. Jedenfalls war der einheitliche Rechts- und Verkehrsraum des römischen Reichs seit der Begründung des Prinzipats bis in die Zeit der großen Völkerwanderungen eine wesentliche und providentielle Voraussetzung für die Ausbreitung der Kirche über den Erdkreis.
„Meinungsfreiheit“ – na ja, allein der Begriff ist anachronistisch, bezogen auf die Zeit des römischen Reichs. Du könntest bei Tacitus Indizien finden, die vordergründig deine Behauptung stützen. Andererseits konnte Tacitus selber ja auch schreiben, und er war keineswegs isoliert. Die senatorische Opposition überdauerte den Prinzipat. Natürlich gab es auch sozusagen Unantastbares, existentielle Grundlagen des Staates, wie den Staats- und Kaiserkult, dem man sich prinzipiell nicht verweigern durfte. Ähnlich wie heute. Dennoch wurde die Verweigerung die meiste Zeit über geduldet, nur in Krisensituationen griff man durch und verfolgte die Verweigerer.
Die Strafjustiz allerdings war im allgemeinen grausam. Das wurde später erst in der frühen Neuzeit wieder erreicht. Ein anderer Punkt, den du gar nicht erwähnt hast, ist das Sklavenwesen. Da hast du dir das schlagendste Argument für deine Ansicht entgehen lassen. Dennoch, ich bleibe dabei: Wenn du nicht gerade Sklave warst und nicht in einem Kriegsgebiet lebtest, warst du im römischen Reich zur Zeit Christi freier als heute bei uns.
Martin O hat geschrieben:Daß die Moral damals besser war als heute, läßt sich wohl nur mit völliger Unkenntnis behaupten.
Das scheint auch niemand behauptet zu haben.
Martin O hat geschrieben:Väter durften ihre neugeborenen Kinder ablehnen, worauf diese getötet wurden.
Wie heute. Ja, das Schlechte von damals feiert heute Urstand.
Martin O hat geschrieben:Provinzstatthalter bereicherten sich schamlos, während ihre Untertanen hungerten.
Nun ja, es gab solche und solche. Wie oben angedeutet, konnten die Ausgebeuteten dagegen prozessieren, in der späteren Zeit drohte den Ausbeutern gar die Kapitalstrafe.
Martin O hat geschrieben:Selbst wenn man Moral nur mit Sexualmoral gleichsetzt, sah es damit nicht zum Besten aus: Scheidung und Prostitution waren legal und an der Tagesordnung …
Gewiß. Hat wer anderes behauptet?
Martin O hat geschrieben:… Ehebruch und Homosexualität zwar verboten …
Ach nö.
Martin O hat geschrieben:…aber ebenfalls üblich - und zwar quer durch die Gesellschaft.
In der städtischen Gesellschaft. – Und? Warum erzählst du das?