@ John-Paul
John-Paul hat geschrieben:Damit hast Du recht und unrecht zugleich. Recht hast Du, daß es juristisch sich bei einer Besteuerung unterhalb der Konfiskationsgrenze nicht um eine Enteignung handelt; ökonomisch ist dieser Terminus aber sicher nicht völlig unangemessen. Unrecht hast Du, indem Du die Steuern als eine Gegenleistung für die vom Staat erbrachten Leistungen betrachtest; nach § 3 Abs. 1 AO sind sie das aber (zumindest aus juristischer Sicht) gerade nicht.
Um keine unnötige Komplexität in die Analyse hineinzubringen, sollte man aus meiner Sicht zwischen juristischer und ökonomischer Ebene sauber trennen.
Auf ökonomischer Ebene handelt es sich bei Steuerzahlungen um eine finanzielle Leistung der Staatsbürger, der qua Definition keine konkret zurechenbare Gegenleistung des Staates gegenübersteht. Dies ist bei den Gebühren anders.
Insgesamt betrachtet erhält der Staatsbürger jedoch sehr wohl eine Gegenleistung in Form von Landesverteidigung, Rechtssicherheit, Infrastruktur etc.
John-Paul hat geschrieben:Mir ging es letztlich nur darum aufzuzeigen, daß schon die Wortwahl auf eine ideologische Grundfärbung - kollektivistisch vs. individualistisch - schließen läßt.
Nun, genau diese ideologische Grundfärbung bringst Du mit dem Begriff "Enteignung" in die Diskussion.
John-Paul hat geschrieben:In der Finanzwissenschaft wird in der Inzidenzanalyse untersucht, bei wem die Steuertraglast einer Steuer (hier einer Verbrauchsteuer) letztlich hängen bleibt - bei den Anbietern oder beim Verbraucher. Unterstellt man normalgeneigte (endlich preisreagible) Angebots- und Nachfragekurven, dann reagiert auf eine Verbrauchsteuerüberwälzung die Nachfrage durch Konsumverzicht, was zu entsprechenden Gewinnausfällen bei den Unternehmen und zu absoluten Wohlfahrtsverlusten sowohl bei Konsumenten als auch Produzenten führt. Die Kosten der Besteuerung tragen damit nicht mehr nur die Konsumenten als eigentliche Steuerdestinatare, sondern auch die Produzenten, bei denen die Verbrauchsteuer juristisch eigentlich nur ein durchlaufender Posten sein soll. Betriebswirtschaftlich ist die Frage des Gewinnausfalls in Folge der Nichtüberwälzbarkeit von Verbrauchsteuern allerdings schon relevant.
Gruß
JP
Du scheinst mir eher makroökonomisch als mikroökonomisch orientiert zu sein!
Aus mikroökonomischer Sicht wirkt der reduzierte Steuersatz wie eine direkte Subvention für den Hersteller, weil er einerseits den erhöhten Steuersatz als Vorsteuer geltend machen kann, andererseits bei der Gestaltung seines Bruttoverkaufspreises nur den geringeren Umsatzsteuersatz einkalkulieren muß.
Preise haben bekanntlich Signalwirkung gerade auf den Endverbraucher, sodaß mit einem Nachfragerückgang zu rechnen wäre, wenn ein voller Umsatzsteuersatz in den Endverbraucherpreis einkalkuliert werden müßte.
Die theoretische Spanne zwischen den Herstellungskosten (Vollkosten) der Produzenten einerseits und deren Nettoverkaufspreisen andererseits wird also größer, weil der Hersteller die Differenz zwischen hohem Vorsteuersatz und geringem Umsatzsteuersatz seiner eigenen Gewinnspanne zuschlagen kann. Deswegen kann man auch eben von einer
direkten Subvention der Produkte mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz sprechen, die naturgemäß dem Hersteller (nicht dem Händler) zufließt.
Bei der Finanzwissenschaft habe ich mich immer gefragt, wie man diesen Effekt
valide aus irgendwelchen makroökonomischen Daten ableiten will. Aber das ist ein anderes Thema.
GsJC
Raphael