Ist "DAS BÖSE" außer Rand und Band geraten?

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Miranda
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Beitrag von Miranda »

Dein Pferd pfeifft nicht. Es gibt Menschen, die psychisch so "ticken", und nicht wenige. Du darfst nicht nur von Dir selbst und Deinem Lebenshintergrund ausgehen.
Ich finde diese Unterwerfung schrecklich - es gibt nun mal Leute, die von ihrem Partner nicht lassen, auch wenn er sie grün und blau prügelt und wie ein Sklavenhalter behandelt. Was meinst Du, wozu Frauenhäuser u.a. da sind? Ich bin froh, dass ich nicht in einer solchen Beziehung lebe. Viele Leutet tun das aber.

Dass zu viel spekuliert wird stimmt. Ich wünschte, die Presse würde uns aufrichtig und uneingeschränkt informieren - dann braucht man nicht so viel zu spekulieren.

Spekulieren muss man trotzdem - ich glaube der Frau z.B. auch nicht, dass sie weder von den Geburten noch von den Tötungen etwas mitbekommen hat.
Eine Geburt tut derart weh, dass das mit Sicherheit ernüchternd genug ist - auch wenn man stark alkoholisiert ist. Vor allem: sie war NICHT alkoholisiert genug, um die Kindern umzubringen und zu vergaben. Da war sie offensichtlich nüchtern genug.

stern
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Beitrag von stern »

Miranda hat geschrieben:Dein Pferd pfeifft nicht. Es gibt Menschen, die psychisch so "ticken", und nicht wenige. Du darfst nicht nur von Dir selbst und Deinem Lebenshintergrund ausgehen.
tust du das?
Miranda hat geschrieben:Ich finde diese Unterwerfung schrecklich - es gibt nun mal Leute, die von ihrem Partner nicht lassen, auch wenn er sie grün und blau prügelt und wie ein Sklavenhalter behandelt.
ja, die bösen, bösen, bösen... Männer! ... und alles hat im Paradies mit dem Apfel angefangen... wäre die Frau damals klüger, hätte sie den Apfel selbst nicht angebissen, sondern dem Mann in die Fresse gehauen.
Miranda hat geschrieben:Was meinst Du, wozu Frauenhäuser u.a. da sind?
keine Ahnung. Klär mich doch auf. ;)

Miranda
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Beitrag von Miranda »

Hallo Stern,

Ich gehe nicht nur von meinem eigenen Lebenshintergrund aus, aber bei Dir kommt es mir so vor, als würdest Du keine Menschen kennen, die sehr tief im Elend stecken und es nicht schaffen, sich (so mir nichts dir nichts) daraus zu befreien. Es kommt sehr auf die Kindheit an. Und es gibt Menschen, die als Kind Opfer waren - und später zu Tätern, auch zu besonders grausamen Tätern werden.
Deswegen finde ich, dass man viel mehr für Eltern und Kinder tun sollte.

Deine Aussage über Eva, Adam und das Paradies finde ich sehr hart. Es steht doch so in der Bibel, dass Gott den Menschen verboten hat, von diesem Baum zu essen. Nicht der Mann, sondern die Frau hat von der Schlange (nicht vom Mann) das Angebot angenommen, in den Apfel zu beißen. - Weshalb hätte sie also dem Mann "in die Fresse hauen" sollen? Außerdem klingt diese Aussage hasserfüllt. Oder Wut erfüllt, enttäuscht von Männern.
Der Mann hat dasselbe getan. Also auch in den Apfel gebissen. Die Theorie, dass Eva es war, die Adam verführte (wo dann die Aussage: die böse Verführerin und der unschuldige Mann kommen könnte und so und so oft auch kommt), finde ich falsch. Wenn einen etwas nicht reizt und man es möchte, lässt man sich nicht darauf ein, es sei denn, man hat einen entsprechenden psychischen Knacks (um bei der Säuglingsmutter und -mörderin zu bleiben).
Ich finde, es gibt keine ach-so-bösen-Männer, genau so wenig wie es ach-so-böse Frauen gibt. Es kommt auf die einzelnen Personen an und wie sie sich verhalten. So, wie Du Dich ausdrückst, hast Du besonders starke Aggressionen gegen Männer.
Wenn sich eine Frau das gefallen lässt, dass ein Mann sie grün und blau prügelt und sie wie eine Sklavin behandelt, gehören dazu zwei Menschen (es sei denn, es ist eine zwangsarrangierte Heirat, wie es das in der islamischen Kultur z.T. gibt) - ein misshandelnder Mann und eine Frau, die sich erstens mit einem solchen Mann einlässt, und die zweitens - nachdem sie merkt, dass er sie misshandelt - nicht von ihm weggeht. Und wenn eine Frau von Kindheit an nichts anderes gelernt hat, als unterworfen zu werden (was bis hin zum Missbrauch gehen kann), ist das das einzige Beziehungsschema, das sie kennt. - Und es ist furchtbar schwer, aus so einem Schema auszubrechen. Jeder wird geprägt, in irgendeiner Art und Weise. Niemand wächst in einem Vakuum auf.

Frauenhäuser sind als Zufluchtsorte für misshandelte Frauen und deren Kinder gedacht. Da gibt es aber auch Fälle, wo eine Frau nach einer besonders schweren Misshandlung durch ihren Mann - z.T. werden ja auch die Kinder misshandelt, nicht "nur" die Frau - in ein solches Frauenhaus flüchtet --- und sobald sie sich einigermaßen erholt hat und der Mann (tatsächlich oder gespielt) zerknirscht und reumütig kommt und sie bittet, wieder zu ihm zurück zu kommen, geht sie tatsächlich zu diesem Mann zurück. Und das Ganze beginnt wieder von vorne. Weil das Ausbrechen aus diesem Schema so schwierig ist.
Ich würde es mir nicht gefallen lassen - aber es gibt einfach viele, viele Leute, die in diesem Zustand leben. Es gibt übrigens auch von Frauen misshandelte Männer, nur wird darüber kaum geredet. In diesem Fall kommt der Mann von der Frau, die ihn misshandelt nicht los (es gibt ja auch psychische Misshandlung) - während die Bekannten und Freunde die Köpfer schütteln und es einfach nicht begreifen können, wie man sich so etwas gefallen lassen kann; und schon gar nicht auf die Dauer, ohne dass sich etwas ändert.

stern
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Beitrag von stern »

Miranda hat geschrieben:Deine Aussage über Eva, Adam und das Paradies finde ich sehr hart. Es steht doch so in der Bibel...
meine Schwalbe, ich weiß, was dort steht. ;)
Miranda hat geschrieben:Außerdem klingt diese Aussage hasserfüllt. Oder Wut erfüllt, enttäuscht von Männern.
Hass und Wut? - wie kommst du denn drauf? - nicht ich schreibe in fast jedem Beitrag schwermütig über Misshandlungen und Unterwerfung. Wie soll man dich trösten?

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

stern hat geschrieben:
Miranda hat geschrieben:Außerdem klingt diese Aussage hasserfüllt. Oder Wut erfüllt, enttäuscht von Männern.
Hass und Wut? - wie kommst du denn drauf? - nicht ich schreibe in fast jedem Beitrag schwermütig über Misshandlungen und Unterwerfung. Wie soll man dich trösten?
Nein,
mit der Arroganz derer,
die Leid nicht erfahren,
oder denen die Liebe Gottes nicht gilt,
denn Jesus,
wie Christen immer wieder behaupoten,
ist ja nicht für die Gesunden gekommen,
sonder für die,
die seiner bedürfen...
Doch der EINE schaut auch die Frau,
die im Staube ihrer Schuld schlafen muss,
nicht aber für Pfarrisäer,
die glauben unverdient SEINE Gnade für sich ausschöpfen zu können.

Wie sagte der Jude Jesus,
wer von euch ohne Schuld...

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,368719,00.html

ESSENER DRAMA
Mutter tötet ihre beiden Kinder mit Kissen

Eine 30-jährige Frau hat in Essen ihre beiden Kinder erstickt und anschließend einen Selbstmordversuch unternommen. Im Krankenhaus gestand sie anschließend die Tat.

Miranda
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Beitrag von Miranda »

Liebes Sternchen,

Wenn Du schreibst, dass Eva dem Adam hätte "in die Fresse" hauen sollen - und mich dann fragst, was an dieser Äußerung hass- oder wuterfüllt sein soll, dann frage ich mich, wo Dein Mitgefühl für andere Menschen bleibt. - Oder findest Du eine derartige Äußerung liebevoll? Das ist sie nicht.
Erst wirfst Du Steine auf die Mutter, die ihre Kinder getötet hat, dann nach Adam und Eva. Jesus hat Recht: Wer unter Euch unschluldig ist, der werfe den ersten Stein. Und: Die Kranken bedürfen des Arztes, nicht die Gesunden. - Anders als auf dieser Grundlage kann man, meiner Meinung nach, Menschen (hier der Mutter - und damit eventuellen künftigen Kindern; wer weiß, was sie in Zukunft tut) helfen. Nicht mit "in die Fresse hauen" und herablassenden Äußerungen - man macht keine Scherze mit dem Begriff Trösten.

Und weil ich überzeugt bin, dass man nur auf dieser Grundlage, die Jesus gepredigt hat, Dinge zum Besseren verändern kann, setze ich auch Beiträge über schwierige, z.T. traumatische Dinge hier in dieses Form.
Auf Spott können allerdings sowohl ich als auch die Betroffenen verzichten.

Ich wünsche Dir, dass Du Liebe erfährst. Dann kannst Du andere besser verstehen.

stern
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Beitrag von stern »

Miranda hat geschrieben:Erst wirfst Du Steine auf die Mutter, die ihre Kinder getötet hat...
Du gehst mir langsam auf den Geist.
Miranda hat geschrieben:Ich wünsche Dir, dass Du Liebe erfährst. Dann kannst Du andere besser verstehen.
das solltest du dir selbst wünschen. Denn deine Vorurteile zeugen von tiefem Misstrauen, das mit dem Glauben an Jesus Christus nicht viel zu tun hat.

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

stern hat geschrieben:
Miranda hat geschrieben:Erst wirfst Du Steine auf die Mutter, die ihre Kinder getötet hat...
Du gehst mir langsam auf den Geist.
Miranda hat geschrieben:Ich wünsche Dir, dass Du Liebe erfährst. Dann kannst Du andere besser verstehen.
das solltest du dir selbst wünschen. Denn deine Vorurteile zeugen von tiefem Misstrauen, das mit dem Glauben an Jesus Christus nicht viel zu tun hat.
na,
bei dir hat man eher den Eindruck, dass bei dir der Missbrauch der Botschaft Jesu einhergeht.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Stern hat geschrieben:ja, die bösen, bösen, bösen... Männer! ... und alles hat im Paradies mit dem Apfel angefangen... wäre die Frau damals klüger, hätte sie den Apfel selbst nicht angebissen, sondern dem Mann in die Fresse gehauen.
Wohl eher der Schlange, oder?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

stern
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Beitrag von stern »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Stern hat geschrieben:ja, die bösen, bösen, bösen... Männer! ... und alles hat im Paradies mit dem Apfel angefangen... wäre die Frau damals klüger, hätte sie den Apfel selbst nicht angebissen, sondern dem Mann in die Fresse gehauen.
Wohl eher der Schlange, oder?
Das wäre doch Tierquälerei gewesen. ;)

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

stern hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Stern hat geschrieben:ja, die bösen, bösen, bösen... Männer! ... und alles hat im Paradies mit dem Apfel angefangen... wäre die Frau damals klüger, hätte sie den Apfel selbst nicht angebissen, sondern dem Mann in die Fresse gehauen.
Wohl eher der Schlange, oder?
Das wäre doch Tierquälerei gewesen. ;)
Deine Liebe der Tiere ist wirklich bewundernswert...

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Maria Magdalena
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Beitrag von Maria Magdalena »

:/ Ich habe mir alles durch gelesen ,was ihr zu dem Thema geschrieben habt und bin ganz ehrlich teilweise schon etwas beschämt darüber.
Denn ist dies hier nicht ein Christliches Forum? Und ist der Titel nicht:
"Ist das Böse außer Rand und Band geraten?" Nur frage ich mich, ist dies tatsächlich erst offensichtlich,weil eine Mutter ihre 9Säulinge ermordet hat? Oder sind die Menschen,die unbeachtet in ihren Wohnungen verstorben sind und erst "gefunden" worden als es "unerträglich im Hausflur roch(Schnee von gestern!)?Oder das immer öfter Sex und Pornographie als "normale zwischenmenschliche Liebe " bezeichnet wird und so als Meinung unter die Bevölkerung gebracht wird? Oder mit Kinderschändern,die sogar einen Verein in Hamburg gründen durften,weil sie aus ihrer Sicht die "Opfer" sind und nicht die Kinder? Ja wir sind so "aufgeklärt,dass wir uns oft nicht mehr an Die Göttlichen Gebote halt,uns leider oft nur daran halten ,was Jesus uns lehrte,wenn es uns in "den Kram paßt.Denn wirkliche Nächstenliebe oder Herzenswärme gibt es kaum noch.Oder ,dass wir nur bereit sind einen Anderen zu zuhören ,auch wen er sich irrt und ihn dann im Freundlichen auf seinen Fehler aufmerksam machen,ohne direkte bzw. indirekte Beleidigung. Denn ich personlich denke das Böse ist nicht nur ausser Rand und Band,sondern kaum jemand stellt sich wirklich ihm entgegen.

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Ich habe einen interessanten Artikel in der NZZ gefunden. Vielleicht tut der Blick von außen auch mal gut.
Einige Ausschnitte, es lohnt aber, den ganzen Artikel zu lesen:
Zunächst versuchten ostdeutsche Politiker, selbst die statistisch gut belegte Häufung der Jugendgewalt in der früheren DDR zu leugnen. Zwischen Elbe und Oder besteht die Neigung, spezifisch ostdeutsche Probleme schönzureden oder als das Resultat einer Vernachlässigung durch den Westen darzustellen. Jeder Versuch, ein Phänomen als das Ergebnis der Prägung durch die DDR zu erklären, wird als Angriff auf die eigene Identität empfunden. Der anfängliche Zwang, sich nach der Wiedervereinigung für die östliche Herkunft zu rechtfertigen, hat zu einem regelrechten Komplex und einem Ost-Trotz geführt. Auf diese Weise reproduziert sich eine Mentalität, die den Ostdeutschen faktisch jede Selbstverantwortung abspricht und die kommunistische Bevormundung durch westliche Fürsorge abgelöst sehen will.

Die Diskussion über Schönbohms Äusserungen wirkt mit ihren routinierten Schuldzuweisungen wie ein vorgezogener Kommentar zum 15. Jahrestag der Wiedervereinigung. In den neuen Ländern ist man noch nicht in der Lage, sich offen und ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.
aus: NZZ Online Die toten Seelen von Brandenburg
http://www.nzz.ch/2005/08/12/al/articleD1S16.html

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Maria Magdalena
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Beitrag von Maria Magdalena »

:hmm: Ist es wirklich nur ein ostdeutsches Problem? Denn soviel ich weiß aus den Anfang der80ziger ,wurden in Berlin-West auch Säuglinge in Mülltonnen entdeckt und auch Menschen, zum Teile stark verwest, in ihren Wohnungen.Sorry,aber mir scheint solche Phänomene nur auf bestimmte Regione Deutschlands fest zumachen etwas "billig",weil man sich so wunderbar selbst betrügen kann,dass überall anders die Welt noch in Ordnung ist,ohne sich dem Probelm "warum es sich so entwickelt hat "stellen zu müssen.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das ist mit Sicherheit kein typisches Problem der ehemaligen Zone, und der Artikel der Neuen Zürcher ist nichts als Schweizer Käse. Erstens sollte man, wie ich schon mehrfach in diesem Strang schrieb, der aktuelle Fall als exzessiver Extremfall gesehen werden, wie er quer durch alle Geschichte sich vereinzelt immer wieder einmal ereignet.

Aus solchen Vorkommnissen allgemeine Schlüsse zu ziehen ist unzulässig. Es ist auch falsch, von einer regionalen Häufung zu sprechen. Drei oder vier weitere spektakuläre Fälle aus den letzten Jahren als Beleg der These von der Verwahrlosung Mitteldeutschlands anzuführen ist methodisch ebenso falsch. Nicht nur sind einige der genannten Fälle durchaus anders gelagert, vor allem fehlt der – tatsächlich gar nicht zu erbringende – Nachweis, daß es im übrigen Deutschland keine vergleichbaren Fälle gebe.

Noch einmal: Aus exzessiven Extremfällen lassen sich keinerlei allgemeingültige Schlüsse ziehen. Grundsätzlich sachgerechter ist der Hinweis des Autors der Neuen Zürcher auf das Phänomen zunehmender Gewalttätigkeit in der Jugend. Auch anderes gehört hierher, so etwa allgemeine Verwahrlosung von Kindern (abgesehen von isolierten Exzessen).

Das aber ist nun schlechterdings kein auf die ehemalige Zone beschränktes Phänomen, im Gegenteil. Man könnte sogar die Gegenthese aufstellen, daß die gesellschaftliche und sittliche Verwahrlosung erst vom Westen hereingeschwappt sei, als die Grenzen sich öffneten. Das läßt sich in allen Ländern des ehemals kommunistischen Herrschaftsbereichs beobachten. Unter der Kommunistenherrschaft bestand ein gewisser Halt, der jedoch rein äußerlich war. Immerhin schützte er durch gesellschaftlichen oder staatlichen Zwang halbwegs vor gewissen Verwahrlosungsformen, wie etwa Mißbrauch von Narcotica, Pornographie oder organisierter Kriminalität.

Nicht daß es solche Phänomene vor dem Zusammenbruch der bolschewistischen Parteirégimes überhaupt nicht gegeben hätte; aber sie waren doch halbwegs eingedämmt. Nach dem Einzug des Liberalismus brach die Welle des Unrats um so leichter über die Menschen herein, weil dem weggefallenen äußeren Zwang keinerlei innerer Halt entsprach. Selbst der vorher bereits existierende Alkoholismus vervielfachte sich noch. Zu all dem trug ohne Zweifel auch bei, daß mit dem äußeren Zwang zugleich auch die immerhin bestehende soziale Sicherheit schlagartig wegfiel, wenigstens in allen Ländern, die nicht daß Glück hatten, ins bundesdeutsche soziale Netz zu fallen.

Was aber im ehemals kommunistischen Herrschaftsbereich sich schlagartig einstellte, hatte sich im Westen unterm Régime des Liberaldemokratismus schleichend längst ebenso vollzogen. Nicht nur hinsichtlich der oben genannten Phänomene wie Drogen, Pornographie und Bandenkriminalität. Auch die Jugendgewalt, die Jugendbanden hatte der „Westen“ längst, als Ähnliches im „Osten“ auftrat. Bereits in den achtziger Jahren sind in den beispielshalber Berliner Westsektoren ganze Schulen praktisch unter die Kontrolle von Jugendbanden geraten.

Parallel dazu entwickelte sich die Hausbesetzer-Szene mit ihren ganz eigenen Formen sozialer Verwahrlosung, aber auch mit extremer Gewaltbereitschaft, die sich – nicht nur, aber besonders scharf – am 1. Mai entlud, beinahe wie im Blutmai 1929. Im sowjetischen Sektor konnte die Szene nur in geringerem Umfang Fuß fassen, wohl aber die – auch im Westen längst existente, ursprünglich aus England herübergeschwappte – Skinhead-Szene, aus der sich ein einigen Gebieten – in Berlin schwerpunktmäßig in den Bezirken Hellersdorf und Marzahn, ähnlich auch in Städten wie Rostock, Frankfurt oder Magdeburg – eine neonazistische Jugend-Subkultur bildete, die sich so im alten „Westen“ nicht etablieren konnte.

Das hat aber vor allem mit dem verbreiteten Impuls zu tun, sich möglichst scharf von der Vorstellungswelt den eigenen Eltern abzusetzen. Einen wesentlichen Unterschied zu den im Westen verbreiteteren Erscheinungen kann ich also nicht erkennen.

An Schönbohms Aussagen bleibt meines Erachtens also richtig, daß die Auflösung sozialer und vor allem familiärer Bindungen zu verbreiteter sozialer Verwahrlosung führt, mit allen oben angesprochenen negativen Folgeerscheinungen. Reine Augenwischerei ist es jedoch, dies in besonderer Weise in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone zu lokalisieren. Wohl gibt es im Detail Unterschiede zwischen Ost und West, insgesamt aber ist die Lage im alten „Westen“ nicht minder ernst und bedrückend.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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