Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

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overkott
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Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von overkott »

Nächste Woche [...] könnte der alte und neue Vorsitzende der französischen UMP Nicolas Sarkozy heißen. Als Staatspräsident [...] hatte er seine Volkspartei in die Opposition geführt und will sie in den nächsten drei Jahren dort wieder herausholen. Die derzeitige Schwäche der politischen Mitte hat sich einmal mehr bei den diesjährigen Europawahlen gezeigt, bei denen die Konservativen auf fast ein Viertel der Stimmen kamen. Gemessen am ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen von 2002, die Anlass zur Gründung der UMP waren, ist ein Viertel der Stimmen eine kritische Größe. Sarkozys innerparteilicher Widersacher, Bruno de Maire, nennt die mit Sarkozy verbundenen Probleme beim Namen, ohne ihn persönlich anzugreifen. Der erfahrene Minister will die politische Mitte konsolidieren und sich den Wählern als unverbrauchtes Gesicht präsentieren.

[...]

Welche Erwartungen habt ihr an die UMP angesichts der Krisen der regierenden Linken?

Tritonus
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Tritonus »

overkott hat geschrieben:Welche Erwartungen habt ihr an die UMP ... ?
:roll: Keine.

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Caviteño
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

Guter Situationsbericht in der ZEIT

Daraus:
Nicht selten dienten Sarkozys Parolen in der Vergangenheit dazu, über die konservative Stammklientel hinaus die Wählerschaft des Front National für sich zu gewinnen. Dies brachte ihn 2007 ins Amt des Präsidenten – und 2012 die Niederlage. Schließlich hatte er durch seine Politik nicht nur den Grund für die wachsende Akzeptanz der nationalistischen Rechtsaußen-Parolen des FN bereitet, sondern zugleich die durch seine Politik desillusionierten Wähler zurück in die Arme des Originals getrieben. Insbesondere in den Bereichen Sicherheit, Arbeitslosigkeit und Kaufkraft(verlust) enttäuschte er diese Wähler massiv: In nur einem Jahr fielen seine Zustimmungswerte in dieser Gruppe von 88 auf 21 Prozent.
(...)
Sarkozy hat allerdings nun damit zu kämpfen, dass mittlerweile viele FN-Wähler der Partei ihre Stimme nicht mehr nur aus Protest geben. Immer mehr Franzosen wählen die Le Pen-Partei, weil sie mit ihren Positionen übereinstimmen, wodurch sie auf dem besten Weg ist, sich eine stabile Stammwählerschaft aufzubauen. Die Stimme für den FN stellt angesichts der Image-Veränderung im Zuge der Entdiabolisierung der Partei in einigen Bevölkerungsgruppen schon lange keinen Tabubruch mehr dar; Marine Le Pen gilt in bestimmten Kreisen des rechten Lagers durchaus als geeignete Präsidentschaftskandidatin und wird, wenn man den Umfragen glauben darf, zumindest im ersten Wahlgang zur ernstzunehmenden Konkurrentin für die Kandidaten der etablierten Parteien PS und UMP.
Im übrigen sind es bis zur Wahl noch über zwei Jahre.
Bei der gegenwärtigen Situation in der EU, der Eurozone und auch in Frankreich (vor allem wirtschaftlich) rechne ich noch mit Ereignissen, die die Stimmung in Frankreich und anderen Ländern erheblich verändern könnten. Bis dahin finden Wahlen in FIN, GR, GB, NL und ES statt - und in allen Ländern sind europakritische Parteien stark. Das wird die Kompromißbereitschaft der Regierungen (und auch von Angela Merkel wg. AfD und Wahl 09/17) stark einschränken. Ob die Konjunktur anspringt und die Arbeitslosen von der Straße kommen - da kann man auch zweifeln.

Im übrigen: Wäre eine neue Auflage von "Merkozy" wünschenswert..... :pfeif:

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overkott
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von overkott »

Sarkozy war schon früher als Maria über die Geburt Jesu informiert. Das legen jedenfalls seine Mauerphantasien nahe.

TillSchilling

Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von TillSchilling »

Caviteño hat geschrieben: Im übrigen: Wäre eine neue Auflage von "Merkozy" wünschenswert..... :pfeif:
Ja, wäre sie. Sarkozy würde hoffentlich in Frankreich die Reformen anstossen zu denen den Sozialisten der Wille und der Mut fehlen. Andererseits wäre er der einzige der gegenüber den "Schwarze-Null"-Fetischisten in Berlin durchsetzen könnte, dass die Deutschen endlich die einmalig niedrigen Zinsen nutzen um ihre Infrastruktur zu erneuen und der europäischen Wirtschaft zu helfen. Nicht zuletzt werden nur ein ganz und gar einiges Deutschland und Frankreich Italien zu Reformen bewegen können. So lange die Renzis dieser Welt glauben dürfen in Frankreich einen Verbündeten gegen Deutschland finden zu können wird da nichts gehen.

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Yeti
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Yeti »

TillSchilling hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben: Im übrigen: Wäre eine neue Auflage von "Merkozy" wünschenswert..... :pfeif:
Ja, wäre sie. Sarkozy würde hoffentlich in Frankreich die Reformen anstossen zu denen den Sozialisten der Wille und der Mut fehlen.
Den Konservativen wird er auch fehlen. Es geht aber nicht nur um Reformen, sondern auch um einen Haushalt, der durch atomare Rüstung und Militärausgaben aufgebläht ist. Man lebt politisch noch im 19. Jahrhundert, kann sich das aber eigentlich nicht mehr leisten. Beileibe nicht nur in Frankreich, auch jenseits des Kanals.
TillSchilling hat geschrieben:Andererseits wäre er der einzige der gegenüber den "Schwarze-Null"-Fetischisten in Berlin durchsetzen könnte, dass die Deutschen endlich die einmalig niedrigen Zinsen nutzen um ihre Infrastruktur zu erneuen und der europäischen Wirtschaft zu helfen.
Ich sehe die "schwarze Null" auch kritisch, aber im Prinzip liegt Schäuble richtig. Wer mehr Geld ausgibt, als er hat, ist ein Schuft. Und ich fahre lieber auf deutschen Straßen Auto als in Frankreich, Belgien oder England. Vom ÖPNV ganz zu schweigen...
TillSchilling hat geschrieben:Nicht zuletzt werden nur ein ganz und gar einiges Deutschland und Frankreich Italien zu Reformen bewegen können. So lange die Renzis dieser Welt glauben dürfen in Frankreich einen Verbündeten gegen Deutschland finden zu können wird da nichts gehen.
Frankreich wird immer zu den Südländern halten. Das mit "unverbrüchlicher Freundschaft" und so ist Vergangenheit. Erinnert mich sowieso an die Ost-Version des "großen Bruders". Deutschland hält es eher mit Finnland, Dänemark, den Niederlanden - und England. Vernünftigerweise. Denn wer zahlt, schafft an. Und wenn sich diese Erkenntnis bei der deutschen Regierung wirklich erst mal durchgesetzt hat, werden die Südländer quieken wie die Schweinchen.
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Caviteño
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

TillSchilling hat geschrieben: Andererseits wäre er der einzige der gegenüber den "Schwarze-Null"-Fetischisten in Berlin durchsetzen könnte, dass die Deutschen endlich die einmalig niedrigen Zinsen nutzen um ihre Infrastruktur zu erneuen und der europäischen Wirtschaft zu helfen.
Das versteh ich nicht und bitte um Erläuterung.

Wenn D. weitere Schulden macht, um seine Infrastruktur zu erneuern - was hilft das den Südländern (einschl. F)? :hmm:

Vermutlich werden zum allergrößten Teil deutsche Firmen die Arbeiten an Autobahnen, Gleisen und Brücken ausführen (beim schnellen Internet vielleicht noch US-Firmen) - trotz der notwendigen europ. Ausschreibung. Evtl. ist auch die eine oder andere franz. Gesellschaft dabei, aber die Vergabe an griechische, portugiesische oder ital. Gesellschaften dürfte wohl kaum stattfinden. Insofern profitieren deutsche Bauunternehmen davon.
Bei den Beschäftigten sieht es kaum anders aus. Neben den deutschen (sowohl Staatsangehörigen als auch hier wohnenden) Arbeitnehmer würden vielleicht über Subunternehmen noch (Süd)Ost-Europäer beteiligt sein. In der Vergangenheit wurden bei solchen Vorhaben Spanier, Portugiesen oder Italiener beschäftigt. Diese Zeiten sind seit dem Beitritt der (süd)osteuropäischen Länder vorbei - den seit der Euro-Einführung gestiegenen Löhnen in den südeuropäischen Ländern sei Dank. Früher wurde auch in diesem Bereich die Wettbewerbsfähigkeit durch eine Abwertung der Landeswährungen (Lira, Peseta, Drachme, Escudo) hergestellt. Das funktioniert nicht mehr.

Wie wird nun der "europäischen" Wirtschaft geholfen? Die Gelder bleiben überwiegend in D., gehen vielleicht noch zum Bau des eigenen Hauses nach (Süd)Osteuropa, wenn der Arbeitnehmer hier beschäftigt ist. Sie landen aber kaum in die Länder, denen "geholfen" werden soll. Ob die von den zusätzlichen Bauaufträgen profitierenden Arbeitnehmer mehr Feta-Käse, mehr viño verde oder mehr Oliven kaufen - das kann man bezweifeln. Vielleicht verbringen sie ihren Urlaub dann am Mittelmeer - oder in der Karibik..... - denn die ist auch preisgünstig.
Die Annahme, daß durch zusätzliche Investitionsausgaben in D. die Wirtschaft in den Krisenländern geboostet würde, ist genauso widersinnig wie die Hoffnung, durch Wassersparen in D. ließe sich das Wasserproblem in der Sahelzone lösen. :vogel:

Ein weiterer Aspekt ist zu berücksichtigen.
Die deutschen Zahlungsbilanzüberschüsse sind überwiegend in den Südstaaten investiert worden und haben dort einen Immobilienboom (Spanien) bzw. viel zu hohe Konsumausgaben (z.B. Griechenland) ermöglicht. Ob man hier von einer Mitschuld oder einer Dummheit der deutschen Banken (und damit letztendlich der Sparer) reden soll, darüber kann man streiten. Man kann aber auf jeden Fall zwei Lehren ziehen:
1. Kredite führen zu keinem nachhaltigem Wachstum, irgendwann muß man sie zurückzahlen. Das kann zwar durch neue Kredite geschehen, aber auch dafür muß man einen Kreditgeber finden, der - trotz der wachsenden Schulden - noch Vertrauen hat. Natürlich kann dann die Zentralbank einspringen (Maastrichtvertrag hin oder her) - nur wie sieht das Ende aus? :hmm:
2. Wenn die Preise zu hoch sind (und das gilt auch für die Löhne) ist ein Land/ein Unternehmen/ein Arbeitnehmer nicht wettbewerbsfähig und die Produkte werden nicht mehr gekauft. Das gilt/galt z.B. für den Zusammenbruch des Immobilienmarktes in Spanien, wo die exorbitanten Preissteigerungen sich nicht dauerhaft fortsetzten oder bei den Löhnen in Griechenland, die z.B. auch massiv gekürzt werden mußten, um Beschäftigung zu erhalten (vgl. meine Ausführungen zur Lohnkürzung von > 6% der Hafenarbeiter in Piräus).

Zusätzliche Schulden bringen dann kein zusätzliches Wachstum mehr, wie man am Beispiel GR besonders schön sehen kann. Dort liegt der Schuldenstand inzwischen wieder über dem Stand vor dem Schuldenschnitt vor 2,5 Jahren. Nach reiner angelsächsischer Lehre müßte die Wirtschaft dort brummen - warum tut sie es nicht? :pfeif:
Gegenbeispiel ist die Schweiz. Von 27 bis 211 sank die Schuldenquote von knapp 42% auf 35%; das Bruttoinlandsprodukt ist gestiegen.

Selbst wenn in D. die Notwendigkeit bestehen sollte, mehr in die Infrastruktur zu investieren, dürften diese (ggfs. kreditfinanzierten) Mehrausgaben keine meßbaren Auswirkungen auf die übrigen Euroländer haben. Insofern ist der - meist von us-amerikanischen Ökonomen vertretene - Ansatz nicht schlüssig. Außerdem sollte man berücksichtigen, daß eine erheblich verbesserte Infrastruktur auch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern würde. Wie sollen dann die südeurop. Länder, die bereits jetzt schon Schwierigkeiten haben, in der Zukunft mithalten bzw. wieder aufschließen können, wenn D. aufgrund besserer Infrastruktur bei Schiene, Straße, Internet davon bzw. zusätzliche Firmen aus dem Ausland anzieht? Die investieren nämlich dort, wo die Infrastruktur modern ist, der Rechtsstaat funktioniert und die politischen Rahmenbedingungen passen.
Wahrscheinlich ist der niedrige und weiter fallende Ölpreis für die betroffenen Länder ein besseres Konjunkturprogramm als jede kreditfinanzierte Investition in die deutsche Infrastruktur. Auch das sollte einmal gesagt werden.

Was die Reformfähigkeit Frankreichs - auch unter einem möglichen Präsidenten Sarkozy - anbetrifft: Du hoffst, ich habe ganz erhebliche Zweifel.
Die Franzosen hatten der Einführung des Euros in einem Referendum in 1992 nur mit knapper Mehrheit (51%) zugestimmt. Ob sie bereit sind, zusätzliche Opfer auf sich zu nehmen, um den Euro zu halten, ist zweifelhaft - die Stärke der FN spricht nicht unbedingt für diese Annahme.
Sie sind es - wie die übrigen südeuropäischen Länder - gewohnt ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Währungsabwertungen zu halten. Das ist nichts ehrenrühriges, sondern wirtschaftshistorische Erfahrung, die bei den den Völkern nun einmal unterschiedlich ist. Warum sollten sie sich einem Diktat aus Brüssel (= Berlin) beugen - wie Schäuble es beabsichtigt, der sogar das Königsrecht des Parlaments an die Eurokraten abtreten will:
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist bereit, über eine weitgehende Europäisierung der nationalen Finanzpolitik innerhalb der Eurozone zu verhandeln. Schäuble war von der Onlineausgabe der "Financial Times" gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, dass der Deutsche Bundestag sein Budgetrecht an die EU abtreten würde. Und der Finanzminister antwortete darauf ungewohnt eindeutig: "Wenn Sie heute um eine Abstimmung bitten würden, bekämen Sie kein Ja als Antwort", sagte Schäuble. "Wenn Sie uns aber einige Monate geben, um daran zu arbeiten, wenn Sie uns auch die Hoffnung geben, dass andere EU-Mitgliedsstaaten dem zustimmen, dann sehe ich eine Chance dafür." Gerade die Deutschen würden nach dem verlorenen Krieg und der Chance für einen Neuanfang zutiefst die Notwendigkeit der europäischen Einigung verstehen. "Nationale Souveränität allein ist nicht das Instrument für das 21. Jahrhundert."
http://www.welt.de/wirtschaft/article11 ... reten.html

Insofern beneide ich die Franzosen - solchen Schwachsinn hört man dort nicht.

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Yeti
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Yeti »

Caviteño hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben: Andererseits wäre er der einzige der gegenüber den "Schwarze-Null"-Fetischisten in Berlin durchsetzen könnte, dass die Deutschen endlich die einmalig niedrigen Zinsen nutzen um ihre Infrastruktur zu erneuen und der europäischen Wirtschaft zu helfen.
Das versteh ich nicht und bitte um Erläuterung.

Wenn D. weitere Schulden macht, um seine Infrastruktur zu erneuern - was hilft das den Südländern (einschl. F)? :hmm:

Die Annahme, daß durch zusätzliche Investitionsausgaben in D. die Wirtschaft in den Krisenländern geboostet würde, ist genauso widersinnig wie die Hoffnung, durch Wassersparen in D. ließe sich das Wasserproblem in der Sahelzone lösen. :vogel:
Vielleicht ist die Begründung für eine solche Forderung auch eher irrational-psychologisch als ökonomisch-rational. Deutschland geht's wirtschaftlich einfach "zu gut", da wollen die Neider rund herum auch ein Stück von haben. Und zwar vor allem diejenigen, die für einen Erfolg am liebsten nichts tun und nichts verändern wollen. Das nennt sich dann "Solidarität"; Subsidiarität aber wäre viel besser - Symbiose am besten. Dafür müssten sich aber die Empfängerländer auch bewegen. Das ist nicht erkennbar, im Gegenteil, man zeigt "Stolz". Den muss man sich aber halt auch leisten können, sprich, den Anspruch darauf erarbeiten. Das geht eben nicht mit der Rente ab 55 und drei Stunden Mittagspause. Das geht auch nicht mit "training on the job" ohne fundierte Ausbildung und einem instabilen Kreditsystem oder überhaupt nur einem Dienstleistungssektor. Das angelsächsische und das südeuropäische Wirtschaftsmodell hat sich als zu instabil erwiesen, aber die Leute wollen weitermachen wie bisher.
Caviteño hat geschrieben:Zusätzliche Schulden bringen dann kein zusätzliches Wachstum mehr, wie man am Beispiel GR besonders schön sehen kann. Dort liegt der Schuldenstand inzwischen wieder über dem Stand vor dem Schuldenschnitt vor 2,5 Jahren. Nach reiner angelsächsischer Lehre müßte die Wirtschaft dort brummen - warum tut sie es nicht? :pfeif:
Weil die angesächische Marktlehre eine Schönwetter-Ökonomie ist. Sie hat keine Rezepte für Krisenzeiten, schon gar nicht welche, für die Veränderungen vonnöten wären. Das ganze System ist auf Kurzfristigkeit ausgelegt.
Caviteño hat geschrieben:Selbst wenn in D. die Notwendigkeit bestehen sollte, mehr in die Infrastruktur zu investieren, dürften diese (ggfs. kreditfinanzierten) Mehrausgaben keine meßbaren Auswirkungen auf die übrigen Euroländer haben. Insofern ist der - meist von us-amerikanischen Ökonomen vertretene - Ansatz nicht schlüssig. Außerdem sollte man berücksichtigen, daß eine erheblich verbesserte Infrastruktur auch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern würde. Wie sollen dann die südeurop. Länder, die bereits jetzt schon Schwierigkeiten haben, in der Zukunft mithalten bzw. wieder aufschließen können, wenn D. aufgrund besserer Infrastruktur bei Schiene, Straße, Internet davon bzw. zusätzliche Firmen aus dem Ausland anzieht? Die investieren nämlich dort, wo die Infrastruktur modern ist, der Rechtsstaat funktioniert und die politischen Rahmenbedingungen passen.
Und vor allem auch dort, wo man gut ausgebildete Fachkräfte vorfindet! Die Ausbildung, vor allem die duale Berufsausbildung, ist eine der Trumpfkarten der deutschsprachigen Wirtschaftskultur.
Caviteño hat geschrieben:Wahrscheinlich ist der niedrige und weiter fallende Ölpreis für die betroffenen Länder ein besseres Konjunkturprogramm als jede kreditfinanzierte Investition in die deutsche Infrastruktur. Auch das sollte einmal gesagt werden.
Sobald die Sanktionen gegen den Iran fallen, wird man sehen, inwieweit der zumindest sicher kurzfristig noch weiter fallende Ölpreis da etwas anschieben kann.
Caviteño hat geschrieben:Was die Reformfähigkeit Frankreichs - auch unter einem möglichen Präsidenten Sarkozy - anbetrifft: Du hoffst, ich habe ganz erhebliche Zweifel.
Die Franzosen hatten der Einführung des Euros in einem Referendum in 1992 nur mit knapper Mehrheit (51%) zugestimmt. Ob sie bereit sind, zusätzliche Opfer auf sich zu nehmen, um den Euro zu halten, ist zweifelhaft - die Stärke der FN spricht nicht unbedingt für diese Annahme.
Sie sind es - wie die übrigen südeuropäischen Länder - gewohnt ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Währungsabwertungen zu halten. Das ist nichts ehrenrühriges, sondern wirtschaftshistorische Erfahrung, die bei den den Völkern nun einmal unterschiedlich ist.
Solange solche Erfahrung noch so wirkmächtig sind, wäre es wirklich dumm, eine weitere Vereinheitlichung der Währungsangelegenheiten voranzutreiben - außer mit Zwang.
Caviteño hat geschrieben:Warum sollten sie sich einem Diktat aus Brüssel (= Berlin) beugen - wie Schäuble es beabsichtigt, der sogar das Königsrecht des Parlaments an die Eurokraten abtreten will:
"Überzeugte Europäer" waren die Franzosen sowieso nur dann, wenn sich ihnen Vorteile daraus ergaben (sprich: Subventionen flossen). Das gilt auch für Länder südlich der Alpen und jenseits des Kanals.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble [...] Gerade die Deutschen würden nach dem verlorenen Krieg und der Chance für einen Neuanfang zutiefst die Notwendigkeit der europäischen Einigung verstehen. "Nationale Souveränität allein ist nicht das Instrument für das 21. Jahrhundert."
Ach du liebe Zeit. Aber warum erst beim Zweiten Weltkrieg anfangen? Ich wäre dafür, die ganze historisierende Argumentation mal mit dem Dreißigjährigen Krieg zu versuchen. Wann vergeht die historische Schuld von Frankreich, Schweden und Dänemark, mit Deutschland als Schlachtfeld teilweise 50 % der hiesigen Bevölkerung ermordet zu haben? Oder wie wär's - etwas später - mit den Napoleonischen Kriegen? Wann vergeht diese Schuld Frankreichs an Europa und - ganz besonders - Deutschland?
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TillSchilling

Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von TillSchilling »

Caviteño hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben: Andererseits wäre er der einzige der gegenüber den "Schwarze-Null"-Fetischisten in Berlin durchsetzen könnte, dass die Deutschen endlich die einmalig niedrigen Zinsen nutzen um ihre Infrastruktur zu erneuen und der europäischen Wirtschaft zu helfen.
Das versteh ich nicht und bitte um Erläuterung.

Wenn D. weitere Schulden macht, um seine Infrastruktur zu erneuern - was hilft das den Südländern (einschl. F)? :hmm:
Ich finde es jetzt nicht aber es gibt Berechnungen wieviel von jedem Euro, der in Deutschland zusätzlich ausgegeben würde im Süden landet. So wenig ist das nicht. Geld fliesst.

Richtig ist natürlich dass Deutschland selber am Meisten profitieren würde von Investitionen in Deutschland. Investitionen, die a) notwendig sind und b) im Moment problemlos finanziert werden könnten ohne c) unseriöse Finanzpolitik zu betreiben. Dass das nicht geschieht ist nur Ideologie und die Idee, dass man irgendwie den Südländern zeigen muss wie man sparen kann wenn man nur will. Wobei sich Länder wie Spanien und Portugal schon fast zu Tode gespart haben. An magelndem Willen fehlt es dort wahrlich nicht. Was fehlt ist Wachstum.

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Yeti
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Yeti »

TillSchilling hat geschrieben:Ich finde es jetzt nicht aber es gibt Berechnungen wieviel von jedem Euro, der in Deutschland zusätzlich ausgegeben würde im Süden landet. So wenig ist das nicht. Geld fliesst.
Die Erfolgsquote scheint dabei nicht besonders hoch zu sein; Subsidiarität als Handlungsprinzip wäre sicher besser, s.u.
TillSchilling hat geschrieben:Richtig ist natürlich dass Deutschland selber am Meisten profitieren würde von Investitionen in Deutschland. Investitionen, die a) notwendig sind und b) im Moment problemlos finanziert werden könnten ohne c) unseriöse Finanzpolitik zu betreiben. Dass das nicht geschieht ist nur Ideologie und die Idee, dass man irgendwie den Südländern zeigen muss wie man sparen kann wenn man nur will.
Ich glaube eher, dass es da in Deutschland und überhaupt im deutschsprachigen Raum eine vom angelsächsischen Modell grundverschiedene Ansicht über die Währungspolitik und den Geldfluss überhaupt geht. Dort, also überm Teich und überm Kanal, glaubt man wirklich daran, dass Geld fliessen muss. Das ist nur eine logische Konsequenz der Annahme, dass der Geldfluss selbst der eigentliche wirtschaftliche Vorgang ist, nicht aber die Produktion und Erwirtschaftung von Gütern überhaupt. Eine solche Annahme ist auch nur möglich, wenn der Wert des Geldes komplett von seiner eigentlichen Kaufkraft und vom Prinzip der Gütermaximierung getrennt wurde, wie es die USA in den 70er-Jahren mit der Entkopplung des Dollars von den Goldreserven taten. Erst dadurch wurde auch erst die Finanzwirtschaft mit gegenseitigen Krediten und eines Konsums "auf Pump" möglich. Das angelsächsische Idiom vom "making money" ist auf dem Kontinent auch deswegen unverständlich; es ist auch nicht richtig, Geld wird nicht "gemacht", das vorhandene muss erst erwirtschaftet werden. Dieser Unterschied kennzeichnet eigentlich zwei nunmehr völlig unterschiedliche Wirtschaftssysteme, weshalb es Ratschlägen, die "über den Teich" hinweg gegeben werden, meist an Kompatibilität mit dem hiesigen System mangelt.
TillSchilling hat geschrieben:Wobei sich Länder wie Spanien und Portugal schon fast zu Tode gespart haben. An magelndem Willen fehlt es dort wahrlich nicht. Was fehlt ist Wachstum.
Wobei sich auch die Frage stellt, ob viele dieser Länder in den vergangenen Jahrzehnten schlichtweg über ihre Verhältnisse gelebt haben, was auch an der mangelnden Transparenz staatlicherseits liegen mag, denn der "kleine Mann" in Portugal, Spanien oder Griechenland wird von diesem künstlichen Boom nicht viel gemerkt haben. Der Mangel an durchsetzungsfähiger Staatlichkeit auch heute in jenen Ländern ist da aber m.E. noch ein viel größeres Problem. Wären jene Länder nicht Teil der Europäischen Gemeinschaft, spräche man von ihnen mit einiger Sicherheit als "failed states". Natürlich brauchen jene Länder wirtschaftlichen Wachstum, allein deshalb, um gut ausgebildete Fachkräfte im Land halten zu können, die ansonsten nicht selten z.B. nach Deutschland auswandern, wo in vielen Branchen die Fachkräfte fehlen. Das betrifft allerdings auch potentielle Fachkräfte, die von deutschen Firmen ausgebildet werden und möglicherweise eines Tages wieder in ihr Ursprungsland zurückkehren. Auch eine Art der solidarischen Unterstützung und nicht die schlechteste, wie ich meine. Allerdings ist die Bereitschaft, dorthin zu ziehen, wo das Geld erwirtschaftet wird, unterschiedlich ausgeprägt. Im Elsass ist die Arbeitslosigkeit hoch, besonders die Jugendarbeitslosigkeit. Jenseits davon am Oberrhein werden jedoch händeringend Auszubildende gesucht, die aber natürlich Deutsch sprechen müssten. Dazu können sich junge Elsässer aber selten durchringen, die oft gar kein Deutsch mehr sprechen. Ihre möglichen Plätze in Betrieben am Oberrhein nehmen nun Spanier, Italiener und Portugiesen ein, das Elsass verrottet zum Ghetto. Gleiches gilt für Lothringen.
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

TillSchilling hat geschrieben: Ich finde es jetzt nicht aber es gibt Berechnungen wieviel von jedem Euro, der in Deutschland zusätzlich ausgegeben würde im Süden landet. So wenig ist das nicht. Geld fliesst.
Natürlich fließt Geld - die Frage ist nur wohin....
Falls die von Dir angesprochenen Berechnungen unterstellen sollten, daß - wie früher - die deutschen Überschüsse wieder in den Süden Europas fließen, könnte man sich nach den Erfahrungen mit GR und den unsicheren Südbanken "verrechnet" haben.....
Selbst wenn ein Teil des Geldes in den Süden fließen sollte - wäre dafür eine zusätzliche Schuldenaufnahme gerechtfertigt? :nein:
TillSchilling hat geschrieben: Richtig ist natürlich dass Deutschland selber am Meisten profitieren würde von Investitionen in Deutschland. Investitionen, die a) notwendig sind und b) im Moment problemlos finanziert werden könnten ohne c) unseriöse Finanzpolitik zu betreiben. Dass das nicht geschieht ist nur Ideologie und die Idee, dass man irgendwie den Südländern zeigen muss wie man sparen kann wenn man nur will.
Eine problemlose Schuldenaufnahme mit problemloser Finanzierung gleichzusetzen ist nicht besonders seriös. Auch Schulden müssen im allgemeinen (GR ist da eine Ausnahme) zurückgezahlt werden. Investitionen in die Infrastruktur leisten dazu nur dann einen Beitrag, wenn davon ausgegangen werden kann, daß sie sich während der Kreditlaufzeit amortisieren. Wenn D. (vertreten durch die Bundesregierung und bestätigt durch den Wählerwillen) nun zu dem Ergebnis kommt, daß das nicht der Fall ist und deswegen weitere Investitionen unterläßt bzw. später vornimmt, muß das - auch von den europäischen "Partner bzw. Freunden" - akzeptiert werden. Schließlich ist es der deutsche Steuerzahler, der für die aufgenommenen Schulden haftet bzw. von der besseren Infrastruktur profitieren würde.
Belehrungen oder gar Forderungen aus dem Ausland sind nicht hilfreich - oder entscheiden inzwischen andere Regierungen über die Schwerpunkte im deutschen Bundeshaushalt? :/
TillSchilling hat geschrieben: Wobei sich Länder wie Spanien und Portugal schon fast zu Tode gespart haben. An magelndem Willen fehlt es dort wahrlich nicht. Was fehlt ist Wachstum.
Was das "sparen - fast bis zum Tode" betrifft, bin ich mir nicht so sicher. Jedenfalls wurden in Spanien die Sparmaßnahmen bei den Beamtengehältern - die groß in der deutschen Presse dargestellt wurden - inzwischen wieder rückgängig gemacht. Die in 212 gekürzte Sonderzahlung wird im Januar 215 ausgezahlt - weil sich die wirtschaftliche Lage gebessert hat:

http://www.lavozdegalicia.es/noticia/ec ... 621719.htm
http://economia.elpais.com/economia/21 ... 3932.html

Diese Meldung findet sich natürlich in den deutschen Medien nicht - würde sie doch einen Aufschrei der Empörung auslösen und die Sparmaßnahmen (fast bis zum Tode) in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Portugal ist dadurch aufgefallen, daß die vollmundig angekündigten Sparmaßnahmen der Regierung vom Verfassungsgericht kassiert wurden - danach wurde es erheblich stiller.....
Yeti hat geschrieben: Wobei sich auch die Frage stellt, ob viele dieser Länder in den vergangenen Jahrzehnten schlichtweg über ihre Verhältnisse gelebt haben, was auch an der mangelnden Transparenz staatlicherseits liegen mag, denn der "kleine Mann" in Portugal, Spanien oder Griechenland wird von diesem künstlichen Boom nicht viel gemerkt haben. Der Mangel an durchsetzungsfähiger Staatlichkeit auch heute in jenen Ländern ist da aber m.E. noch ein viel größeres Problem. Wären jene Länder nicht Teil der Europäischen Gemeinschaft, spräche man von ihnen mit einiger Sicherheit als "failed states". Natürlich brauchen jene Länder wirtschaftlichen Wachstum, allein deshalb, um gut ausgebildete Fachkräfte im Land halten zu können, die ansonsten nicht selten z.B. nach Deutschland auswandern, wo in vielen Branchen die Fachkräfte fehlen. Das betrifft allerdings auch potentielle Fachkräfte, die von deutschen Firmen ausgebildet werden und möglicherweise eines Tages wieder in ihr Ursprungsland zurückkehren. Auch eine Art der solidarischen Unterstützung und nicht die schlechteste, wie ich meine. Allerdings ist die Bereitschaft, dorthin zu ziehen, wo das Geld erwirtschaftet wird, unterschiedlich ausgeprägt. Im Elsass ist die Arbeitslosigkeit hoch, besonders die Jugendarbeitslosigkeit. Jenseits davon am Oberrhein werden jedoch händeringend Auszubildende gesucht, die aber natürlich Deutsch sprechen müssten. Dazu können sich junge Elsässer aber selten durchringen, die oft gar kein Deutsch mehr sprechen. Ihre möglichen Plätze in Betrieben am Oberrhein nehmen nun Spanier, Italiener und Portugiesen ein, das Elsass verrottet zum Ghetto. Gleiches gilt für Lothringen.
Natürlich haben die Länder über ihre Verhältnisse gelebt. Der Euroraum hat GR insgesamt 24 Mrden € (pro Kopf immerhin 24. €] als "Darlehn" (realistisch: nicht rückzahlbar) gewährt. Damit wurden alte Darlehn abgelöst - sofern man ihre Bedienung beim Schuldenschnitt im April 212 nicht verweigert hatte. Eon hat - und das entspricht auch dem obigen Bericht über die Löhne der Hafenarbeiter - dankbar abgelehnt, einen griechischen Stromversorger zu übernehmen. Dort verdienten die - streikbereiten - Arbeiter soviel wie Abteilungsleiter bei Eon in D..

Es wird immer gefordert, die Länder brauchten Wachstum - aber wo soll das denn herkommen?
Welche Industrie hat GR? Das bisher größte börsennotierte Unternehmen - ein Brauseabfüller - hat seinen Sitz in die Schweiz und die Börsennotierung nach London verlegt, um dem "Griechen-Abschlag" zu entgehen. Spanien hat zwar einige Weltunternehmen, aber zuwenig für die Bevölkerung. In Portugal und im Süden Italiens sieht es auch nicht gut aus - die Länder haben durch den Euro([Punkt]) massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren, ebenso wie Frankreich. Man kann sich eben nicht dicke Lohnerhöhungen gönnen, wenn die produzierten Produkte entsprechend Preiserhöhungen auf dem Weltmarkt nicht erlauben.

Wettbewerbsfähigkeit kann in diesen Ländern nicht dadurch erzielt werden, daß in D. die Eisenbahnbrücken saniert oder Autobahnen gebaut werden. Die Länder - vor allem Frankreich und Italien - müssen ihre Strukturen ändern. Ineffiziente Strukturen bei Verwaltung, Gerichten und den (halb)staatlichen Betrieben können zwar durch zusätzliches Geld noch länger aufrechterhalten werden - die Wettbewerbsfähigkeit wird dadurch aber nicht besser.

Um wieder auf das Strangthema Frankreich zu kommen - hier ein Bericht vom Parteitag der FN und der dort herrschenden Stimmung:
Direkt in ihrem Fadenkreuz sind zwei Länder: Deutschland und die USA. „Deutsche Spin-Doktoren sagen den Franzosen, die von 13 Euro leben, sie sollten doch mit weniger auskommen. Es ist Zeit für uns, eine nationale Währung anzunehmen!“ Auch die USA bekommen ihr Fett weg: „Die USA, dieser tönerne Riese, setzt alles auf die Gegenwart, mit übermäßiger Förderung von Schiefergas riskieren sie, den Boden für Jahrhunderte zu vergiften.“ Die Grundmelodie ist gesetzt: Frankreichs Eliten verkaufen das Land an seine äußeren Feinde, nur die Front National sichert Frankreichs Geschichte und Zukunft.
(...)
Aus dem Euro will die FN raus, sogar ein Referendum über den Austritt aus der EU befürwortet sie. Die europäische Integration soll durch etwas Neues ersetzt werden. „Der Euro dient nur Deutschland“, behauptet etwa Aliot im Gespräch in Lyon. Deutschland mag die Frontisten nicht. Der alte Le Pen bewunderte Wehrmacht und Disziplin. Damit kann man nicht mehr landen. Seine Nachfolger mögen das moderne, demokratische Deutschland nicht, verunglimpfen es als die Macht, die Frankreich dominiere.
Unter Schmidt/Kohl und Giscard/Mitterand war die deutsch-französische Zusammenarbeit eng und vertrauensvoll. Merkozy versuchte das noch zu "retten" - aber inzwischen haben sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten geändert. Eine Neuauflage dürfte kaum möglich sein - dafür sind - dank Euro - die wirtschaftlichen Interessen zu unterschiedlich (geworden).

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overkott
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von overkott »

Die Wiederwahl Sarkozys kommt mit weniger als zwei Dritteln der Stimmen für den Parteivorsitzenden einer Niederlage gleich.

Sie zeigt, wie sehr der ehemalige Staatspräsident und alte Parteivorsitzende in den eigenen Reihen umstritten ist.

100 Prozent für die Kandidatin der populistischen FN bei der zeitgleichen Wiederwahl zur Vorsitzenden, wirkt wie eine schallende Ohrfeige.

Der UMP ist eine personelle und inhaltliche Erneuerung als große Volkspartei der Mitte noch nicht gelungen und hat sich dennoch für die nächsten drei Jahre vor der Präsidentschaftswahl festgelegt.

Angesichts der schwachen UMP ist eine Ablösung der Krisen geschüttelten Linken von der Regierung Frankreichs ungewiss.

TillSchilling

Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von TillSchilling »

overkott hat geschrieben:Die Wiederwahl Sarkozys kommt mit weniger als zwei Dritteln der Stimmen für den Parteivorsitzenden einer Niederlage gleich.
Ein Siege ist keine Niederlage. Und so schlecht ist das Ergebnis nicht. Wenn ihm nicht irgendwelche Enthüllungen von irgendwelchen Skandalen aus der Bahn werfen, wird Sarkozy Präsidentschaftskandidat der Rechten. Wer den sonst?
overkott hat geschrieben:Angesichts der schwachen UMP ist eine Ablösung der Krisen geschüttelten Linken von der Regierung Frankreichs ungewiss.
Nein, die ist nicht ungewiss. Denn ich befürchte bevor sie noch mal einen Sozialisten wählen, wählen die Franzosen eher die Le Pen. Dann doch zehnmal lieber Sarkozy.

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overkott
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von overkott »

TillSchilling hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Die Wiederwahl Sarkozys kommt mit weniger als zwei Dritteln der Stimmen für den Parteivorsitzenden einer Niederlage gleich.
Ein Siege ist keine Niederlage. Und so schlecht ist das Ergebnis nicht. Wenn ihm nicht irgendwelche Enthüllungen von irgendwelchen Skandalen aus der Bahn werfen, wird Sarkozy Präsidentschaftskandidat der Rechten. Wer den sonst?
overkott hat geschrieben:Angesichts der schwachen UMP ist eine Ablösung der Krisen geschüttelten Linken von der Regierung Frankreichs ungewiss.
Nein, die ist nicht ungewiss. Denn ich befürchte bevor sie noch mal einen Sozialisten wählen, wählen die Franzosen eher die Le Pen. Dann doch zehnmal lieber Sarkozy.
Man sollte sich da nichts vormachen. Der Pyrrhus-Sieg Sarkozys ist wie ein Start mit angezogener Handbremse.

Über ein Drittel der Partei meint: Mit dem schaffen wir es so schnell nicht wieder.

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overkott
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von overkott »

Hoffentlich wird auf dem Flughafen Moskau das Alkoholverbot eingehalten.

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TeDeum
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von TeDeum »

Caviteño hat geschrieben: Unter Schmidt/Kohl und Giscard/Mitterand war die deutsch-französische Zusammenarbeit eng und vertrauensvoll. Merkozy versuchte das noch zu "retten" - aber inzwischen haben sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten geändert. Eine Neuauflage dürfte kaum möglich sein - dafür sind - dank Euro - die wirtschaftlichen Interessen zu unterschiedlich (geworden).
Und das ist zutiefst zu Bedauern. Frankreich und Deutschland verband über Jahrhunderte ein gemeinsames kulturell-historisches Erbe. Aber wer redet heute noch vom z.B. gemeinsamen karolingischen Erbe?

Gerade einmal 60 Jahre sind seit dieser Aufnahme am 08. Juli 1962 vergangen. De Gaulle und Adenauer feierten gemeinsam die Messe:

Bild

Wie weit haben wir uns doch wieder von einander entfernt? :/

Caviteño
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

TeDeum hat geschrieben:Wie weit haben wir uns doch wieder von einander entfernt? :/
Weil die Politik zu viel zu schnell wollte......

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Ewald Mrnka
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Ewald Mrnka »

Das alte Lied, schon seit 8 Jahren; wenn sie könnten, würden sie schon wieder einen Krieg gegen uns vom Zaune brechen; wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr :breitgrins: :

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... s-problem/
http://www.dw.de/nach-reformkritik-verb ... a-18116679

Ich gönne es der Pastorentochter & ehemaligen FDJ-Sekretärin.
Zuletzt geändert von Ewald Mrnka am Montag 8. Dezember 2014, 20:37, insgesamt 1-mal geändert.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von PigRace »

Ewald Mrnka hat geschrieben:Das alte Lied, schon seit 80 Jahren; wenn sie könnten, würden sie schon wieder einen Krig gegen uns vom Zaune brechen; wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr :breitgrins: :
Ich bin ja ein Fan von schrägem Humor, Ewald, gerade auch in der Guerilla-Disziplin "politically incorrect". Aber Deinen Smiley verstehe ich nicht.

Lustig ist anders.

PigRace

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Ewald Mrnka
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Ewald Mrnka »

PigRace hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben:Das alte Lied, schon seit 80 Jahren; wenn sie könnten, würden sie schon wieder einen Krig gegen uns vom Zaune brechen; wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr :breitgrins: :
Ich bin ja ein Fan von schrägem Humor, Ewald, gerade auch in der Guerilla-Disziplin "politically incorrect". Aber Deinen Smiley verstehe ich nicht.

Lustig ist anders.

PigRace
Du hast Recht:
Lustig ist das alles nicht nicht, aber manchmal ist Lachen angebracht - selbst wenn man eigentlich heuten möchte.
Heiterkeit ist für das seelische Befinden zuträglicher als Verbitterung oder gar Haß.
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Caviteño
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

Ewald Mrnka hat geschrieben:Das alte Lied, schon seit 8 Jahren; wenn sie könnten, würden sie schon wieder einen Krieg gegen uns vom Zaune brechen; wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr :breitgrins: :

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... s-problem/
http://www.dw.de/nach-reformkritik-verb ... a-18116679

Ich gönne es der Pastorentochter & ehemaligen FDJ-Sekretärin.
Die haben doch Recht.
D. (und einige andere nordeuropäische Länder) stören, wenn man eine Währungs- und Finanzpolitik a la italiana und den Euro zum Liro machen will. Die Fehler haben unsere Politiker (vor allem Kohl und seine CDU) gemacht, die den Beteuerungen der südl. Länder geglaubt haben. Lira und DM, Peseta und Gulden oder Franc und Schilling paßten nicht zusammen. Wie kann man überhaupt nur daran denken, daß Währungen, die über Jahrzehnte gegeneinander erheblich auf- und abgewertet werden, nach zwei, drei Jahren "Probelauf" und einigen Stücken unterschriebenem Papier unwiderruflich zusammenfinden würden? :/ Dazu gehört mehr als ein paar - wie sich später zeigt unverbindlich - formulierte Eckdaten.
Jetzt glaubt man, durch Vereinbarungen wie Schuldenbremse uä einen gemeinsamen Weg gefunden zu haben. Man muß kein guter Prophet sein, wenn man vorhersagt, daß alle jetzigen Vereinbarungen und Verträge das Schicksal des Maastricht-Vertrages teilen werden. Feierliche Unterzeichnung zur Sedierung der nordeurop. Bevölkerung und anschließend ein Fall für die Historiker.

Ich gönne es Frau Merkel auch, zeigt sich doch immer mehr, ihre Aussagen zum Euro als Friedensbringer in Europa waren und sind falsch. Noch nie war die Antipathie zwischen den Völkern Nord- und Südeuropas so groß wie im Augenblick. Aber Frau Merkel wird weitermaschieren, bis....... :(

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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Ewald Mrnka »

Caviteño hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben:Das alte Lied, schon seit 8 Jahren; wenn sie könnten, würden sie schon wieder einen Krieg gegen uns vom Zaune brechen; wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr :breitgrins: :

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... s-problem/
http://www.dw.de/nach-reformkritik-verb ... a-18116679

Ich gönne es der Pastorentochter & ehemaligen FDJ-Sekretärin.
Die haben doch Recht.
D. (und einige andere nordeuropäische Länder) stören, wenn man eine Währungs- und Finanzpolitik a la italiana und den Euro zum Liro machen will. Die Fehler haben unsere Politiker (vor allem Kohl und seine CDU) gemacht, die den Beteuerungen der südl. Länder geglaubt haben. Lira und DM, Peseta und Gulden oder Franc und Schilling paßten nicht zusammen. Wie kann man überhaupt nur daran denken, daß Währungen, die über Jahrzehnte gegeneinander erheblich auf- und abgewertet werden, nach zwei, drei Jahren "Probelauf" und einigen Stücken unterschriebenem Papier unwiderruflich zusammenfinden würden? :/ Dazu gehört mehr als ein paar - wie sich später zeigt unverbindlich - formulierte Eckdaten.
Jetzt glaubt man, durch Vereinbarungen wie Schuldenbremse uä einen gemeinsamen Weg gefunden zu haben. Man muß kein guter Prophet sein, wenn man vorhersagt, daß alle jetzigen Vereinbarungen und Verträge das Schicksal des Maastricht-Vertrages teilen werden. Feierliche Unterzeichnung zur Sedierung der nordeurop. Bevölkerung und anschließend ein Fall für die Historiker.

Ich gönne es Frau Merkel auch, zeigt sich doch immer mehr, ihre Aussagen zum Euro als Friedensbringer in Europa waren und sind falsch. Noch nie war die Antipathie zwischen den Völkern Nord- und Südeuropas so groß wie im Augenblick. Aber Frau Merkel wird weitermaschieren, bis....... :(
:klatsch: :klatsch: :klatsch:
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von lifestylekatholik »

Caviteño hat geschrieben:Wie kann man überhaupt nur daran denken, daß Währungen, die über Jahrzehnte gegeneinander erheblich auf- und abgewertet werden, nach zwei, drei Jahren "Probelauf" und einigen Stücken unterschriebenem Papier unwiderruflich zusammenfinden würden?
Immerhin wurde bereits 1971 (also vor 43 Jahren) der Europäische Wechselkursverbund gegründet, 1979 überführt in das Europäische Währungssystem mit dem Wechselkursmechanismus und dem Ecu. Darin war eine relativ geringe Schwankungsbreite für die einzelnen nationalen Währungen festgeschrieben (plus, minus 2,5 %, oder so). Der Prozess der Annäherungen der Währungen ist also schon seit Jahrzehnten unterwegs.

Richtig ist natürlich auch, dass das EWS Krisen durchgemacht hat. Aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit, nur von »zwei, drei Jahren Probelauf« zu sprechen.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

Caviteño
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Wie kann man überhaupt nur daran denken, daß Währungen, die über Jahrzehnte gegeneinander erheblich auf- und abgewertet werden, nach zwei, drei Jahren "Probelauf" und einigen Stücken unterschriebenem Papier unwiderruflich zusammenfinden würden?
Immerhin wurde bereits 1971 (also vor 43 Jahren) der Europäische Wechselkursverbund gegründet, 1979 überführt in das Europäische Währungssystem mit dem Wechselkursmechanismus und dem Ecu. Darin war eine relativ geringe Schwankungsbreite für die einzelnen nationalen Währungen festgeschrieben (plus, minus 2,5 %, oder so). Der Prozess der Annäherungen der Währungen ist also schon seit Jahrzehnten unterwegs.

Richtig ist natürlich auch, dass das EWS Krisen durchgemacht hat. Aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit, nur von »zwei, drei Jahren Probelauf« zu sprechen.
Diese "Krisen" des EWS spiegeln sich in der Wechselkursentwicklung wider. Ich verlinke die Zeitreihen der Bundesbank mit dem Ländernamen. Aufgeführt werden die Wechselkursen 1971 (Wechselkursverbund), 1979 (EWS) und bei Einführung des Euros 1998/99. Bezugsgröße ist dabei immer der Preis für 100 Einheiten der jeweiligen Währung in DM:

Portugal

1971 = 12,439 - 1979 = 3,759 - 1998 = 0,9763
Abwertung zur DM von 1971 - 1998 = 92%
Abwertung zur DM im EWS (1979 - 1998) = 74%

Spanien

1971 = 5,032 - 1979 = 2,7320 - 1998 = 1,1779
Abwertung zur DM von 1971 - 1998 = 76%
Abwertung zur DM im EWS (1979 - 1998) = 57%

Italien
(Einheit hier abweichend 1.000 Lire)

1971 = 5,63 - 1979 = 2,2070 - 1998 = 1,0132
Abwertung zur DM von 1971 - 1998 = 82%
Abwertung zur DM im EWS (1979 - 1998) = 54%

Frankreich

1971 = 63,163 - 1979 = 43,079 - 1998 = 29,829
Abwertung zur DM von 1971 - 1998 = 53%
Abwertung zur DM im EWS (1979 - 1998) = 31%

Irland

Die Zahlen liegen erst ab 1979 vor und betragen:
1979 = 3,760 - 1998 = 2,5049
Abwertung in diesem Zeitraum zur DM = 33%

Abwertungen im EWS iHv 31% - 74% innerhalb von 20 Jahren (!) hätten eigentlich jeden verantwortlichen Politiker zu der Erkenntnis bringen müssen, daß der Probelauf EWS nicht funktioniert hat - jedenfalls nicht bei einigen Ländern. Es war bekannt, daß Wechselkursanpassungen bei diesen Ländern immer notwendig waren.

Natürlich kann man sagen, daß die Anstrengungen der Länder wuchsen, als sich die Euroeinführung abzeichnete und tatsächlich schwanken die Wechselkurse der meisten Länder zur DM ab 1993/94 nicht mehr so stark wie vorher. Eine Ausnahme ist Frankreich, bei dem der spätere Wert bei Euro-Einführung bereits 1987 erreicht wurde. Allerdings stand auch von Anfang an fest, daß Frankreich in jedem Fall zur Währungsunion gehören würde.
Bei den südeuropäischen Ländern, also genau denen, die jetzt in Schwierigkeiten sind, waren es gleichwohl nicht viel mehr als zwei, drei Jahre - von mir aus auch vier - denn über die Euro-Mitgliedschaft wurde (mit Ausnahme GR) ja nicht erst am 30. 12. 1998 entschieden. Vielmehr forderte man die Länder zu - im wahrsten Sinne des Wortes - "einmaligen" Spar- und Reformmaßnahmen auf und stellte ihnen die Mitgliedschaft im vermeintlich elitären Kreis der Euro-Länder in Aussicht. Italien hätte aufgrund seines Schuldenstandes nie dazu gehören dürfen - aber schon damals wurde der Maastricht-Vertrag vergewaltigt. Die Politik war besoffen von der Idee, eine Weltwährung schaffen zu können, die dem USD Paroli bieten würde und niemand stellte die Frage, ob die Länder, die diesen Währungsraum bilden sollten, es wirtschaftlich mit den USA aufnehmen könnten. :D :kugel:

Die Rechnung wird jetzt präsentiert - der Euro, die teuerste politische Fehlentscheidung seit dem 2. Weltkrieg.

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lifestylekatholik
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von lifestylekatholik »

Caviteño, deine Zahlen sind grober Unfug. Du behauptest Abwertungen »im EWS« für einen Zeitraum, in dem die Länder, die du aufführst, teilweise gar nicht Mitglied im EWS waren, schon gar nicht im Wechselkursmechanismus. Das ist jetzt nicht mehr nur grob einseitig, sondern klare Falschinformation. Das hast du doch gar nicht nötig.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

Caviteño
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

lifestylekatholik hat geschrieben:Caviteño, deine Zahlen sind grober Unfug. Du behauptest Abwertungen »im EWS« für einen Zeitraum, in dem die Länder, die du aufführst, teilweise gar nicht Mitglied im EWS waren, schon gar nicht im Wechselkursmechanismus. Das ist jetzt nicht mehr nur grob einseitig, sondern klare Falschinformation. Das hast du doch gar nicht nötig.
Zwei von den von mir aufgeführten Ländern traten erst später bei, drei waren von Anfang an Mitglied des EWS. Aber sei's drum - hier noch einmal eine Klarstellung:
Von Anfang an wendeten acht Länder den WKM an:

Belgien
Dänemark
Deutschland
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
(...)
Weitere Beitrittsländer zum WKM waren:

Mitte 1989 Spanien
Ende 199 Großbritannien
Anfang 1992 Portugal
Anfang 1995 Österreich
Ende 1996 Finnland
Anfang 1998 Griechenland[3]


Kern des EWS war die Europäische Währungseinheit (European Currency Unit=ECU), die als Rechen- und Bezugsmittel der Wechselkurse sowie als Zahlungsmittel und Reservewährung der Zentralbanken verwendet wurde. In einem sogenannten Paritätengitter wurden Leitkurse, ausgedrückt in ECU, von den teilnehmenden Ländern festgelegt, aus denen sich bilaterale Leitkurse eines Währungspaares ermitteln ließen. Die meisten Wechselkurse konnten um bis zu 2,25 Prozent nach oben oder unten schwanken, die Schwankungsbreite beträgt somit insgesamt 4,5 Prozent. Italien wurde eine erweiterte Bandbreite von ± 6 Prozent zugestanden, da es als einziges Land 1978 zweistellige Inflationsraten für Verbraucherpreise aufwies. Überschritt der Wechselkurs zwischen zwei Ländern die zulässige Bandbreite von ± 2,25 Prozent, so waren die Zentralbanken beider betroffenen Länder verpflichtet, durch bspw. An- und Verkauf von Devisen auf dem Devisenmarkt so lange zu intervenieren, bis der Kurs wieder innerhalb des Bandes lag. Im August 1993 kam es unter dem Druck spekulativer Angriffe auf dem Devisenmarkt zu einer Krise des EWS, welches die Erweiterung der Bandbreiten der meisten EWS-Wechselkurse auf ± 15 Prozent bedingte.
War der Kurs durch Interventionen nicht mehr in der Bandbreite zu halten, so konnte man in einem Realignment neue Leitkurse fixieren, wovon man zwischen 1979 und 1993 17 Mal Gebrauch machte.
(Hervorhebung von mir)

http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A ... ungssystem

Also die Zahlen für Frankreich (Abwertung innerhalb der EWS-Zeit um 31%), Italien (Abwertung von 54%, s. u.)und Irland (Abwertung von 33%) stimmen, denn sie waren von Anfang an dabei. Bei Italien ist zu berücksichtigen, daß es aus- und wieder eintrat - nicht unbedingt ein Zeichen, das sich das Land für einen strengen Wechselkursmechanismus eignete.

Spanien trat 1989 dem EWS bei. Danach ergeben sich folgende Zahlen:

1989 = 1,588 - 1998 = 1,179 - Abwertung mithin in 1 Jahren = 26%

Portugal trat 1992 bei:

1992 = 1,157 - 1998 = ,9763 - Abwertung mithin in 6 Jahren = 13%

In beiden Ländern war der während ihrer EWS-Mitgliedschaft angesammelte Abwertungsdruck so stark, daß die Bandbreiten durchbrochen und eine Neufestsetzung notwendig wurde.

Die griechische Währung wurde vor Eintritt in den EWS um 14% abgewertet. So umging man eine notwendige Anpassung nach dem Beitritt:
Am 14. März, einem Samstag, hat der EU-Währungsausschuß in enger Abstimmung mit den EU-Finanzministern und Notenbankchefs in einer siebenstündigen Marathon-Sitzung überraschend entschieden, daß die griechische Drachme (GRD) mit sofortiger Wirkung am Wechselkursverbund des EWS teilnimmt. Der Leitkurs gegen ECU wurde mit 357, GRD festgelegt, was einer Abwertung von knapp 14% gegenüber dem Marktkurs vom vorherigen Freitag entspricht.
Dieser Schritt Griechenlands ist nicht nur als Versuch zu sehen, den Wechselkurs der Drachme auf einem langfristig tragbaren Niveau zu stabilisieren, sondern auch als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer künftigen EWU-Teilnahme des Landes. Da Griechenland derzeit noch keines der fünf Konvergenzkriterien erfüllt, kann es bei der ersten Welle zwar noch nicht dabei sein.
http://www.dbresearch.com/PROD/DBR_INTE ... 1537.pdf

Alles in allem nicht unbedingt ein gelungener Probelauf, der trotz der zeitweilig großen Bandbreite 17! Neuanpassungen notwendig machte. Das ist auch erklärlich, denn das Abwertungspotential wuchs eben immer wieder an, wie man anhand der von mir verlinkten Zeitreihen sehen kann. Zwar hätten die Länder - so war auch der Gedanke - aufgrund der tlw. erweiterten Bandbreiten genügend Zeit gehabt, durch entsprechende Maßnahmen sich wieder Richtung Mittelwert zu bewegen. Leider waren die Regierungen dazu aber nicht in der Lage (oder willens, denn Abwertungen sind bequemer als Sparmaßnahmen oder Reformen) und so mußte man zum Mittel der Neuanpassung greifen.

Die deutsche Politik unter Kohl verschloß die Augen - obwohl sie gerade durch den Probelauf EWS sehen konnte, daß die Währungen nicht zueinander paßten. Nicht die Daten zählten, die wurden ignoriert - wichtig war das Ziel: Koste es, was es wolle.

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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von lifestylekatholik »

Caviteño hat geschrieben:Alles in allem nicht unbedingt ein gelungener Probelauf
Zu diesem Urteil kann man natürlich kommen. Da würde ich auch nicht widersprechen. Aber es wäre eben nicht richtig, von einem nur zwei- bis dreijährigen Probelauf zu sprechen. Die EU kann auf viel längere Zeiträume zurückblicken.
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

lifestylekatholik hat geschrieben:Aber es wäre eben nicht richtig, von einem nur zwei- bis dreijährigen Probelauf zu sprechen. Die EU kann auf viel längere Zeiträume zurückblicken.
Die EU wurde am 7. 2. 1992 mit dem Vertrag von Maastricht gegründet und trat zum 1. 11. 1993 in Kraft. Davor gab es die Europäischen Gemeinschaften, bestehend aus Euratom, EGKS und EWG.

http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Union

Die EU wurde später als der EWS gegründet. Sie kann ja auch nicht über einen längeren Zeitraum bestanden haben, denn sie wurde erst mit "Maastricht" in's Leben gerufen. Die Vorläufer der EU (EWG, EG) hatten keine Befugnisse auf dem Gebiet der Währungspolitik. Sie hier in einem Zusammenhang mit dem Probelauf für den Euro anzuführen ist unseriös und soll vielleicht dem unkundigen Leser den Eindruck einer langen Probezeit für die gemeinsame Währungspolitik vermitteln. Diese Nebelkerzen werden normalerweise nur von Politikern oder Medien gezündet.

Tatsächlich ist es so, daß man seit den 7'iger Jahren eine gemeinsame Währungspolitik versuchte, meist auf die Nase fiel und der tatsächliche Probelauf - zu dem auch die vollständige Euromannschaft bei Gründung gehört - nur wenige Jahre in Anspruch nahm. Was bringt es, wenn z.B. Frankreich zwar seit Beginn dazugehört, Portugal aber erst relativ spät beitritt? Alle(!) Mitglieder müssen beim Probelauf dabei sein - sonst ist es sinnlos.
Die beiden letzten Gründungsmitglieder des Euros, Österreich und Finnland, traten erst Ende 1996 bzw. Anfang 1998 dem EWS bei.
Der vollständige Probelauf mit allen Gründungsmitgliedern begann erst Anfang 1998 - also ein knappes Jahr vor Beginn des Euros.

Besonders gelagert ist der Fall GR. Das Land wurde erst unmittelbar vor Euro-Einführung in den EWS aufgenommen (s. den oben verlinkten Beitrag), konnte aber, aufgrund der Zeitverschiebung, medienwirksam als erstes Land am 1. 1. 22 die neuen Euro-Banknoten einführen. Der "Probelauf" betrug für GR weniger als drei Jahre, dafür bereitet es auch die größten Probleme beim Zusammenhalt der Währungsunion.

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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von lifestylekatholik »

Caviteño hat geschrieben:
lifestylekatholik hat geschrieben:Aber es wäre eben nicht richtig, von einem nur zwei- bis dreijährigen Probelauf zu sprechen. Die EU kann auf viel längere Zeiträume zurückblicken.
Die EU wurde am 07. 02. 1992 mit dem Vertrag von Maastricht gegründet und trat zum 01. 11. 1993 in Kraft. Davor gab es die Europäischen Gemeinschaften, bestehend aus Euratom, EGKS und EWG.
Selbstverständlich. Und deshalb ist es der EU verboten, auf die Erfahrungen ihrer Vorgängerorgas zu schauen und sie zu berücksichtigen? Oder was willst du sagen? :achselzuck:
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Caviteño
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von Caviteño »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:
lifestylekatholik hat geschrieben:Aber es wäre eben nicht richtig, von einem nur zwei- bis dreijährigen Probelauf zu sprechen. Die EU kann auf viel längere Zeiträume zurückblicken.
Die EU wurde am 07. 02. 1992 mit dem Vertrag von Maastricht gegründet und trat zum 01. 11. 1993 in Kraft. Davor gab es die Europäischen Gemeinschaften, bestehend aus Euratom, EGKS und EWG.
Selbstverständlich. Und deshalb ist es der EU verboten, auf die Erfahrungen ihrer Vorgängerorgas zu schauen und sie zu berücksichtigen? Oder was willst du sagen? :achselzuck:
Genau das, was ich im folgenden Absatz noch erläutert habe:
Caviteño hat geschrieben: Die Vorläufer der EU (EWG, EG) hatten keine Befugnisse auf dem Gebiet der Währungspolitik. Sie hier in einem Zusammenhang mit dem Probelauf für den Euro anzuführen ist unseriös und soll vielleicht dem unkundigen Leser den Eindruck einer langen Probezeit für die gemeinsame Währungspolitik vermitteln.
Man kann die Probezeit für den Euro bzw. die Zeit des EWS nicht verlängern, indem man auf die längere Geschichte anderer Organisationen verweist. Erst 1998 waren alle Länder im EWS, die später den Euroverbund bilden sollten. Erst von dem Zeitpunkt an kann man von einem vollständigen Probelauf sprechen - der Euro wurde zum 01. 01. 1999 eingeführt, also ein Jahr nach Beitritt des letzten Mitgliedstaates.

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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

Beitrag von lifestylekatholik »

Im Europäischen Währungssystem haben die Kernstaaten der späteren EU über Jahrzehnte versucht, die gegenseitigen Wechselkursschwankungen in einem sehr kleinen Rahmen zu halten. Das ist durchaus ein Langzeitprojekt aus dem man Schlüsse auch für eine gemeinsame, staatenübergreifende Währung ziehen kann. Um so mehr, als es ja durchaus erklärtes Ziel war, zu einer gemeinsamen Währung zu kommen.

Es ist doch nicht unwesentlich, dass schon im EWS wiederholt so grundlegende Schwierigkeiten aufgetreten sind. Die europäischen Finanzpolitiker wussten bescheid und konnten auf langjährige Erfahrungen zurückblicken. Ich denke nicht, dass man da nur von einem zwei- bis dreijährigen Probelauf für den Euro sprechen kann, der »nicht ausreichend« gewesen wäre.
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Tritonus
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Re: Allons enfants de la Patrie - die politische Situation in F

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